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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 06.07.2000
Aktenzeichen: 3 Sa 3/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, SGB I, SGB IV


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 295
ZPO § 322 Abs. 2
ZPO § 850 a
ZPO § 850 c
BGB § 349
BGB § 387
BGB § 389
BGB § 611
BGB § 781
SGB I § 32
SGB IV § 20
SGB IV § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Sa 3/00

verkündet am 06. Juli 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Haag und den ehrenamtlichen Richter Rendlen auf die mündliche Verhandlung vom 06. Juli 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14. Dezember 1999 - 14 Ca 5802/99 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Wert des Gegenstands im 2. Rechtszug: 2.952,28 DM

Tatbestand:

Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob die beklagte Körperschaft wirksam mit eigenen Ansprüchen gegen Gehaltsforderungen des Klägers aus dem beendeten Arbeitsverhältnis aufgerechnet hat.

Der Kläger war bei dem Beklagten vom 01. April 1991 bis 31. März 1999 als Ver- und Entsorger beschäftigt. Vom 26. August 1994 bis zum 19. Juli 1996 absolvierte der Kläger mit Einverständnis des Beklagten einen Fortbildungslehrgang zum geprüften Abwassermeister. Auf Grund einer Vereinbarung zwischen den Parteien vom 26.07.1994 (Fotokopie Bl. 8 bis 10 - Anl. K2 - der Akte des Arbeitsgerichts) stellte der Beklagte den Kläger für die Teilnahme am Unterricht jeweils unter Fortzahlung der Vergütung vom Dienst frei. Weiter übernahm der Beklagte die Kurs- und Prüfungsgebühren, Lernmittel des Klägers sowie dessen Fahrtkosten für Fahrten zwischen dem Dienst- und Unterrichtsort. Die Freistellung umfasste insgesamt 72 Arbeitstage. Diesbezüglich wird auf die Aufstellung des Beklagten (Anlage 1 zum Aktenvermerk vom 24.07.1996 - Bl. 30 bis 33 der Akte des Arbeitsgerichts) Bezug genommen. Der Gesamtaufwand des Beklagten für den Fortbildungslehrgang betrug 14.761,40 DM. Gemäß § 5 der Vereinbarung vom 26.07.1994 verpflichtete sich der Kläger, im Falle des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten die von diesem übernommenen Aufwendungen anteilig zurückzuzahlen, und zwar bei einem Ausscheiden vor dem 31.12.1996 zu 100 %, bei Ausscheiden vor dem 31.12.1997 zu 80 %, bei Ausscheiden vor dem 31.12.1998 zu 50 % und bei Ausscheiden vor dem 31.12.1999 zu 20 %. Den Gesamtaufwand des Beklagten sowie sich die daraus ergebenden Rückzahlungssummen bei einem vorzeitigen Ausscheiden anerkannte der Kläger ausdrücklich in einer Vereinbarung der Parteien vom 30.07./2.8.1996 (Fotokopie Bl. 36/37 der Akte des Arbeitsgerichts).

Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis am 22. Dezember 1998 zum 31. März 1999. Den sich aus der Rückzahlungsvereinbarung ergebenden Rückzahlungsbetrag in Höhe von 2.952,28 DM (20 % des vom Beklagten bezifferten Aufwandes) hat der Beklagte in zwei Teilbeträgen von jeweils 1.476,14 DM bei Auszahlung des Gehaltes des Klägers für die Monate Februar und März 1999 in Abzug gebracht.

Bei Beginn der Fortbildung waren bei dem Beklagten zwei Abwassermeister beschäftigt. Ein Freiwerden einer dieser Stellen war nicht absehbar. Im weiteren Verlauf schied der für den Außendienst zuständige Abwassermeister bei dem Beklagten aus. Diese Abwassermeisterstelle wurde daraufhin vom Beklagten gestrichen. Nach Abschluss der Fortbildung übernahm der Kläger in Abstimmung mit dem Betriebsleiter und dem technischen Geschäftsführer die Vertretung des verbliebenen Abwassermeisters. Auch wirkte er bei der Ausbildung der Auszubildenden zum Ver- und Entsorger mit. Der erfolgreiche Abschluss der Fortbildungsmaßnahme hatte keine Höhergruppierung des Klägers zur Folge.

Der Kläger hält die Vereinbarung der Parteien über die anteilige Rückzahlung der vom Beklagten übernommenen Aufwendungen für unwirksam. Im Hinblick auf die Dauer des Fortbildungslehrgangs hätte eine über zwei Jahre hinaus andauernde Rückzahlungsverpflichtung nicht vereinbart werden dürfen. Deshalb gehe die Aufrechnungserklärung des Beklagten ins Leere, seine Gehaltsforderungen seien insoweit noch nicht erfüllt.

Der Kläger hat den Antrag gestellt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einbehaltene Fortbildungskosten in Höhe von DM 2.952,28 netto nebst 4 % Zinsen aus DM 1.476,14 seit dem 01.03.1999 sowie 4 % Zinsen aus weiteren DM 1.476,14 seit dem 01.04.1999 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die getroffene Rückzahlungsvereinbarung sei rechtswirksam, da die Fortbildungsmaßnahme ausschließlich im persönlichen Interesse des Klägers erfolgt sei.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 79/80 der Akte des Arbeitsgerichts) verwiesen.

Mit Urteil vom 14. Dezember 1999 hat das Arbeitsgericht der Klage entsprochen. Es hat in den Entscheidungsgründen (Bl. 80 bis 83 der Akte des Arbeitsgerichts) insbesondere darauf abgehoben, die vereinbarte Bindungsdauer habe allenfalls zwei Jahre betragen dürfen. Deshalb seien die Ausbildungskosten entsprechend der auf das rechtlich zulässige Maß zu reduzierenden Vereinbarung der Parteien getilgt. Die Vergütungsansprüche seien deshalb nicht durch Aufrechnung erloschen.

Gegen dieses dem Beklagten am 31. Januar 2000 zugestellte Urteil hat dieser mit am 23. Februar 2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit am 01. März 2000 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

Er ist der Auffassung, dass vorliegend die Ausbildungskosten außergewöhnlich hoch gewesen seien, so dass deshalb und, weil die Ausbildung im ausschließlichen Interesse des Klägers gelegen habe, die längere Bindungsdauer von 41 Monaten gerechtfertigt sei. Wegen seines weiteren Vortrags wird auf den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 01.03.2000 (Bl. 16 bis 19 der Berufungsakte) und den Schriftsatz vom 17.04.2000 nebst Anlage (Bl. 32 bis 38 der Berufungsakte) Bezug genommen.

Der Beklagte/Berufungskläger stellt folgende Anträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.12.99, zugestellt am 31.01.2000, - AZ: 14 Ca 5802/99 - wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen

Der Kläger/Berufungsbeklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und tritt dem Vortrag des Beklagten entgegen, die Ausbildung des Klägers sei ausschließlich in seinem (des Klägers) Interesse erfolgt. Wegen seines Vortrags im Übrigen wird auf die Berufungsbeantwortungsschrift vom 06.04.00 (Bl. 25 bis 27 der Berufungsakte) und vom 12.05.00 (Bl. 42/43 der Berufungsakte) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat nach diesseitiger Auffassung der Klage zu Recht stattgegeben.

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger konnte vorliegend nicht nur, sondern musste die Klage auf den nicht ausgezahlten Nettobetrag richten, da es sich bei der Einwendung des Beklagten um eine Primäraufrechnung handelte. Die Vornahme der gesetzlichen Abzüge konnte deshalb zum Auszahlungszeitpunkt vorgenommen werden. Deshalb kann die vom Beklagten für die fraglichen Monate errechnete Nettovergütung für den Anspruch zu Grunde gelegt werden. Für einen Klageantrag, der auch auf die Bruttoanteile gerichtet ist, bestand angesichts dieser Sachlage kein Anlass. Insoweit ist die Klageforderung unstreitig erfüllt.

Bedenken hinsichtlich des Streitgegenstandes gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO greifen nicht durch. Zwar hat er die Klage nach der Formulierung des Klageantrags nicht ausdrücklich auf die Auszahlung des nicht ausbezahlten Teils seiner Vergütungsansprüche, sondern auf die Auszahlung "einbehaltener Fortbildungskosten" gerichtet. Das Arbeitsgericht hat aber den Klageantrag stillschweigend, aber zutreffend dahin ausgelegt, dass er sich auf die Auszahlung restlicher Vergütungsansprüche richtet. Auch wenn der Kläger weiterhin zu Grund und Höhe des Anspruchs keine weiteren Darlegungen erbracht hat, genügt sein Vortrag den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil sich aus den vorgelegten, im Einzelnen die Zusammensetzung der Bezüge des Klägers enthaltenden Abrechnungsbelegen (Bl. 50/51 der Akte des Arbeitsgerichts) die erforderlichen Daten ergeben. Diese Bezugnahme auf Anlagen, die an sich einen ordnungsgemäßen Vortrag nicht ersetzt, hat der Beklagte aber nicht gerügt, so dass dieser Mangel nach § 295 ZPO geheilt ist. Die Abzüge von der Bruttovergütung werden anteilmäßig den einzelnen Positionen zugeordnet. Dasselbe gilt auch für den ausbezahlten und den Klage-Betrag, die sich ebenfalls jeweils anteilmäßig aus den einzelnen Forderungsanteilen zusammensetzen (§§ 396 Abs. 1, 366 Abs. 2 BGB).

2. Die Klage ist auch begründet. Die unstreitig entstandene und sich aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und den einschlägigen tariflichen Bestimmungen sich ergebende Forderung ist nicht durch Aufrechnung gemäß § 387 BGB erloschen.

a) Die Aufrechnung ist zum Teil nicht in zulässiger Weise erklärt worden.

Hinsichtlich der Abrechnung für Monat Februar 1999 ergibt sich ein dem Kläger insgesamt zustehender Nettobetrag von 2.891,79 DM. Nach § 850a ZPO in Verbindung mit § 349 BGB kann die Aufrechnung mit Vergütungsteilen, die als Entgelt für die Ableistung von Überstunden geschuldet sind, nur zur Hälfte des Betrags erfolgen. Da der Beklagte den sich aus dem für Überstunden geschuldeten Bruttobetrag in Höhe von insgesamt 462,00 DM ergebenden Nettobetrag nicht aufgeschlüsselt hat, sind deshalb als unpfändbarer Anteil 231,00 DM vom Nettobetrag 2.891,79 DM in Abzug zu bringen, so dass noch 2.660,79 DM als Basis für die Aufrechnung zur Verfügung stehen. Da den Kläger keine Unterhaltspflichten treffen, ergibt sich hieraus nach § 850c ZPO ein pfändbarer und damit für die Aufrechnung zur Verfügung stehender Betrag von 1.015,70 DM. Wegen der Differenz zu den tatsächlich aufgerechneten 1.476,14 DM (460,44 DM) ist die Aufrechnung bereits unzulässig.

Für den Monat März 1999 ergibt sich aus der Abrechnung ein vom Beklagten geschuldeter Nettobetrag in Höhe von 3.610,36 DM. Wenn nach § 850a ZPO für Überstunden ein Betrag von 171,60 DM und für die einmalige Sonderzuwendung 450,00 DM in Abzug gebracht werden, verbleibt als nach § 850c ZPO zu Grunde zu legende Monatsvergütung ein Betrag von 2.988,76 DM, von dem 1.239,70 DM pfändbar sind und damit der Aufrechnung zur Verfügung stehen. Auch hier ist wegen der Differenz zu den tatsächlich aufgerechneten 1.476,14 DM (236,44 DM) die Aufrechnung bereits unzulässig.

Die Aufrechnung ist ferner unzulässig, soweit es den Anteil von 20 % der Differenz zwischen dem vom Kläger anerkannten Gesamtaufwand von 14.761,40 DM und dem im Einzelnen aufgeschlüsselten Personalkostenanteil in Höhe von 10.998,01 DM betrifft. Dabei wird zu Gunsten des Beklagten davon ausgegangen, dass die Staffelbeträge, um die sich der vereinbarte Rückzahlungsbetrag durch die weitere Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses reduzieren sollte, wiederum anteilmäßig auf alle Teilbeträge des Gesamtbetrags erstrecken sollen, dass also nicht einzelne Arten der Forderungsmehrheit vor den anderen getilgt sein sollen. Im anderen Fall wäre nämlich mangels Bezeichnung der vom Beklagten geltend gemachten Forderungen - insoweit sind nicht einmal Unterlagen vorgelegt worden, die gegebenenfalls einen entsprechenden Vortrag ersetzen könnten, wenn dies der Kläger nicht rügt - die Aufrechnung insgesamt unzulässig, weil auch insoweit, wie bei der Erhebung der Klage, in entsprechender Anwendung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO der Aufrechnungsgegenstand genau zu bezeichnen ist, bei einem Teil einer Gesamtforderung also die Zusammensetzung dieses Teils und der zu Grunde liegende Sachverhalt einer jeden Teilforderung. Wegen § 322 Abs. 2 ZPO muss ja unzweifelhaft feststehen, in welcher Höhe über welche Forderung erkannt ist. Es ist aber davon auszugehen, dass jede Partei das Vernünftige und ihren Standpunkt Stützende geltend machen will. Die restliche Forderung, mit der die Aufrechnung erklärt wurde, setzt sich also aus je zwanzig Prozent jeder Teilforderung zusammen. Damit ist die Aufrechnung (nur) wegen eines weiteren Betrags von 752,68, je zur Hälfte bezogen auf die beiden Abrechnungsmonate, unzulässig. Dass der Kläger den Gesamtbetrag anerkannt hat, ist unbehelflich, weil es sich insoweit nicht um ein abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB handelt, sondern um eine deklaratorisches Anerkenntnis im Sinne eines Einwendungsausschlusses. Für die Frage der Bestimmung der Aufrechnungsforderung kommt es auf Einwendungen des Klägers aber nicht an. Vielmehr kommt es zunächst auf die Ordnungsgemäßheit des Vortrags der Partei an, damit über ihn eine Sachentscheidung ergehen kann. Auch im Falle eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses muss der Streitgegenstand bestimmt sein.

b) Dem Beklagten musste aber keine Gelegenheit gegeben werden, diesen Mangel zu beheben, weil auch, soweit die Aufrechnung zulässig erklärt ist, die Klageforderung nicht durch diese Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen ist. Sie besteht nämlich dem Grunde nach nicht. Die Behebung der Zulässigkeitsmängel hätte dem Beklagten also nichts genutzt.

Unbegründet ist die Aufrechnung wegen eines Betrags von 20 % aus 1.752,43 DM, also 350,48 DM, weil der Beklagte mit dem Kläger in unzulässiger Weise die Rückerstattung des Arbeitgeberanteils für die Sozialversicherung vereinbart hat.

Nicht zu erstatten sind nämlich die auf die Personalkosten entfallenden Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung. Eine Regelung, nach der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auch die (anteiligen) Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten hat, ist nach § 32 SGB I wegen Verstoßes gegen die zwingenden Bestimmungen der §§ 20, 22 SGB IV nichtig (BAG, Urteil vom 23. April 1997 - 5 AZR 29/96 - AP Nr. 25 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter III. der Gründe; Urteil vom 06. November 1996 - 5 AZR 334/95 - [EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 16]; so auch schon BAG, Urteil vom 11. April 1984 - 5 AZR 430/82 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter Ill 3 der Gründe). Insoweit hat die Klage schon deshalb Erfolg, weil die Rückzahlungsvereinbarung wegen dieses Teilbetrags unter keinen Umständen wirksam sein kann. Ein Anerkenntnis geht insoweit ins Leere und ist wirkungslos.

Aber auch wegen des verbleibenden Betrags von insgesamt 1.152,24 DM ist die Klage begründet, weil die Aufrechnung nicht durchgreift. Das Arbeitsgericht hat nämlich in diesem Punkt zu Recht ausgeführt, dass angesichts der vorliegenden Umstände allenfalls eine Bindung von zwei Jahren zulässig gewesen wäre. Diese Bindungsfrist hat der Kläger aber eingehalten, weil er fast drei Jahre seit Ende der Ausbildung das Arbeitsverhältnis aufrecht erhielt.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 15. Dezember 1993 - 5 AZR 279/93 - AP Nr. 17 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe seine bisherige Rechtsprechung zu Rückzahlungsvereinbarungen zusammengefasst, ergänzt und unter anderem ausgeführt, dass bei einem knapp sechs Monate dauernden Lehrgang eine Bindungsfrist von drei Jahren das äußerste Maß sei. Auch eine Lehrgangsdauer bis zu einem Jahr begründe im Regelfall keine längere Bindung als drei Jahre. Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten sei grundsätzlich höchstens eine einjährige Bindung zulässig. Nach den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in diesem Urteil können nach "ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ... Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, daß Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aufgewendet hat, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Dieser Grundsatz erhält in Fällen der vorliegenden Art seinen spezifischen Inhalt aus der Wertentscheidung des Grundgesetzes für die freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG), die auch das Recht umfaßt, den gewählten Arbeitsplatz aufzugeben und zu wechseln (BAG Urteil vom 24. Juli 1991 - 5 AZR 443/90 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung entfaltet sich in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten durch die das Privatrecht unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere die Generalklauseln (BVerfGE 42, 143, 148). Zu diesen Generalklauseln zählt auch der Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser setzt dem Arbeitgeber, der zur Fürsorge gegenüber seinen Beschäftigten verpflichtet ist, für Rückzahlungsvereinbarungen dieser Art wegen der damit verbundenen Bindungen des Arbeitnehmers an seinen Arbeitsplatz Schranken. Andererseits verbietet er ihm nicht schlechthin, seine Leistung für eine berufliche Aus- und Weiterbildung mit einer Bindung des Beschäftigten zu verknüpfen. In Grenzen muß dieser dem schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich als Gegenleistung den Wert von ihm finanzierter Aus- und Fortbildung für einen angemessenen Zeitraum zu sichern. Eine angemessene Berücksichtigung der Arbeitgeberinteressen in dieser Form schließt das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht aus (vgl. BVerfGE 39, 128, 141). Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (BGH Urteil vom 5. Juni 1984 - VI ZR 279/82 - AP Nr. 11 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 der Gründe). ... 2. Die Rückzahlungspflicht muß vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Arbeitnehmer muß mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Dabei kommt es u. a. auf die Dauer der Bindung, den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung an (BAGE 42, 48 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG Urteil vom 24. Juli 1991 - 5 AZR 443/00 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, zu III 2 der Gründe).

a) Der erkennende Senat hat mehrfach ausgesprochen, daß die Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln auch von der Fortbildungs- und Bindungsdauer abhängt. Beide müssen in angemessenem Verhältnis stehen. Daran ist entgegen einer im Schrifttum gelegentlich geäußerten Ansicht (Hanau/Stoffels, Beteiligung von Arbeitnehmern an den Kosten der beruflichen Fortbildung, Seite 36 f.) festzuhalten. Da der Arbeitgeber während der Fortbildung üblicherweise die Vergütung fortzahlt oder einen Unterhaltszuschuß gewährt, hängt von ihrer Dauer im Regelfall die Höhe der Arbeitgeberaufwendungen maßgeblich ab. Entscheidend ist aber, daß die Dauer der Fortbildung ein starkes Indiz für die Qualität der erworbenen Qualifikation ist. Allerdings kann im Einzelfall auch bei kürzerer Ausbildungsdauer eine verhältnismäßig lange Bindung gerechtfertigt sein, und zwar wenn der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringt.

b) Im einzelnen gilt folgendes: Eine Lehrgangsdauer von bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflichtung rechtfertigt im Regelfall keine längere Bindung als drei Jahre. In seinem Urteil vom 23. Februar 1983 (BAGE 42, 48, 54 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter III 2 der Gründe) hat der Senat im Hinblick auf einen knapp sechsmonatigen Lehrgang für den gehobenen Sparkassendienst ausgesprochen, daß eine Bindung von drei Jahren, die der sechsfachen Dauer der Ausbildung entspricht, im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen, wie Höhe der Ausbildungskosten und erlangte Vorteile, das äußerste Maß dessen darstellt, was im Hinblick auf Art. 12 GG als zulässig angesehen werden könne. Mit Urteil vom 11. April 1984 (- 5 AZR 430/82 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) hat der Senat entschieden, daß eine Lehrgangsdauer bis zu zwölf Monaten i. d. R. nur dann eine längere Bindung als drei Jahre nach Abschluß der Ausbildung rechtfertigt, wenn durch die Teilnahme am Lehrgang eine besonders hohe Qualifikation verbunden mit überdurchschnittlichen Vorteilen für den Arbeitnehmer entsteht. In seinem Urteil vom 15. Mai 1985 (- 5 AZR 161/84 - AP Nr. 9 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) hat der Senat eine drei Jahre überschreitende Bindungsfrist bei einer 16monatigen Ausbildungsdauer für unwirksam gehalten. Er hat dabei u. a. darauf abgestellt, daß der Beklagte während der gesamten Ausbildungszeit immerhin 22,2 % der geschuldeten Arbeitsleistung erbracht hatte. In seinem Urteil vom 23. April 1986 (- 5 AZR 159/85 - AP Nr. 10 zu § 611 Ausbildungsbeihilfe) hat der Senat an dieser Rechtsprechung festgehalten.

In seinen Urteilen vom 19. Juni 1974 (- 4 AZR 299/73 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) und vom 12. Dezember 1979 (- 5 AZR 1056/77 - AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) hat der Senat eine Bindungsfrist von fünf Jahren für zulässig gehalten; in dem einen Fall war dem Beklagten ein über zweijähriger Lehrgang zur Ausbildung von Fachlehrern für bildhaftes Gestalten und Werken und im zweiten Fall ein über achtsemestriges Universitätsstudium finanziert worden, ohne daß der Betreffende dabei vertraglich zur Arbeit verpflichtet war. Andererseits hat der Senat in seinem Urteil vom 8. August 1990 (- 5 AZR 545/89 -, n. v., unter IV der Gründe) erhebliche Zweifel daran geäußert, ob bei einer Lehrgangsdauer von nur einigen Wochen der Arbeitnehmer drei Jahre gebunden werden kann.

Diese Frage ist zu verneinen. Es gibt keinen Grundsatz, daß eine Bindung von drei Jahren im Regelfall unbedenklich ist. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert vielmehr weitere Abstufungen. Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung kann im Regelfall höchstens eine einjährige Bindung vereinbart werden (vgl. LAG Frankfurt Urteil vom 20. März 1986 - 9 Sa 165/85 - EzB § 611 BGB Aus- und Weiterbildungskosten Nr. 29 = NzA 1986, 753). Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Fortbildung dem Arbeitnehmer eine besonders hohe Qualifikation und damit verbunden überdurchschnittlich große Vorteile bringt oder der Arbeitgeber für die Fortbildung ganz erhebliche Mittel aufwendet. ... "

Im konkreten Fall hat das Bundesarbeitsgericht eine einjährige Bindung für zulässig erachtet, weil die Lehrgänge insgesamt 31 Tage, während derer die Klägerin von der Arbeit freigestellt war, dauerten und damit erheblich weniger als zwei Monate. Eine besonders hohe Qualifikation hatte die dortige Klägerin nicht erworben. Aufgrund der verhältnismäßig kurzen Dauer der Seminare können daher nur Grundkenntnisse vermittelt worden sein. Schließlich sei die Fortbildung auch nicht besonders kostenaufwendig gewesen. Die Beklagte hatte für die Teilnahme der Klägerin an den Lehrgängen dort insgesamt etwa 4.000,00 DM aufgewandt. Selbst wenn man die während der Lehrgänge gezahlte Vergütung in der von der dortigen Beklagten behaupteten Höhe von 2500,00 DM hinzurechnet, ergab sich dort ein Betrag von "lediglich 6500,00 DM. Das sind nur wenig mehr als zwei Monatsverdienste der Klägerin" ...

Legt man diese Maßstäbe auf den vorliegenden Fall an, so handelt es sich um rund doppelt so hohe Aufwendungen. Der Kläger war an insgesamt 72 Tagen, also erheblich weniger als vier Monate, freigestellt. Auch seine Ausbildung beinhaltet nicht eine außerordentlich hohe Qualifikation, auch wenn unterstellt wird, wozu der Beklagte keine Ausführungen gemacht hat, dass dem Kläger auf dem Arbeitsmarkt neue Chancen eröffnet worden seien. Beim Beklagten hatte der Kläger nach dem eigenen Vortrag des Beklagten keine höheren Verdienstchancen oder sonstige berufliche Vorteile zu erwarten, weil kein Bedarf für diese Qualifikation bestanden habe. Die Kosten beliefen sich insgesamt nach der Behauptung des Beklagten in einer Höhe, die rund vier Bruttomonatsbezügen des Klägers zur damaligen Zeit entspricht. Angesichts dieser Sachlage ist kein Grund ersichtlich, der eine längere als eine zweijährige Bindung rechtfertigen könnte.

Soweit der Beklagte noch darauf abhob, dass er selbst keinerlei Interesse an der Fortbildung des Klägers gehabt habe, ergibt sich aus diesem Umstand, seine Richtigkeit unterstellt - wenn der Beklagte dem Kläger auch nur deshalb entgegengekommen wäre, um seine Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu erhalten und seine Motivation zu stärken, hätte er in seinem betrieblichen Interesse gehandelt -, kein Anlass für die Annahme, eine längere Bindung sei gerechtfertigt. Der Beklagte beruft sich insoweit auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Januar 1963 - 5 AZR 100/62 - AP Nr. 29 zu Art. 12 GG. Daraus ergibt sich aber lediglich, dass im entschiedenen Fall die Bindungsdauer von fünf Jahren für zu lang erachtet wurden, weil der Arbeitgeber ein eigenes Interesse an der Ausbildung des Arbeitnehmers hatte. Ob vorliegend aber eine Bindungsdauer von zwei Jahren zulässig gewesen wäre, wenn die Ausbildung des Klägers im betrieblichen Interesse gelegen hätte, kann dahingestellt bleiben. Vorliegend wird unterstellt, sie habe nicht in einem, jedenfalls unmittelbaren, betrieblichen Interesse gelegen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Bindung des Arbeitnehmers auch dem Interesse des Arbeitgebers dienen soll, die durch die Weiterbildung erworbene höhere Qualifikation zu nutzen. Lag sie nicht in seinem Interesse, könnte fraglich sein, ob eine derart lange Bindungsdauer gerechtfertigt ist. Deshalb erscheint eine Bindungsdauer von allenfalls zwei Jahren, aber nicht länger, gerechtfertigt. Da der Kläger diese, auf das äußerste zulässige Maß zurückgeführte Bindung, eingehalten hat, ist der gesamte von der Beklagten für die Ausbildung aufgewandte Betrag, soweit er zulässigerweise Gegenstand der Rückzahlungs- und Bindungsvereinbarung ist, jedenfalls durch die Tätigkeit des Klägers in den folgenden zwei Jahren nach der Ausbildung amortisiert. Der Anspruch ist deshalb erloschen. Damit konnte mit ihm nicht mehr wirksam aufgerechnet werden.

Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger den Rückzahlungsbetrag anerkannt hat. Die Vereinbarung vom 30.07.1996/2.8.96 (Bl. 35/36 der Akte des Arbeitsgerichts) unterliegt denselben Wirksamkeitsvoraussetzungen hinsichtlich der Bindungsdauer.

3. Nach allem erweist sich, dass das Arbeitsgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat, so dass die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des §97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen ist.

Ende der Entscheidung

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