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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 4 Sa 84/01
Rechtsgebiete: InsO, BGB, ZPO, ArbGG, GKG, KSchG


Vorschriften:

InsO § 55
InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt.
InsO § 86
InsO § 86 Abs. 1
InsO § 86 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 613 a
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 240
ZPO § 256
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 295
ZPO § 308 Abs. 1
ZPO § 705
ArbGG § 12 Abs. 7
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 1
ArbGG § 66 Abs. 1 Satz 1
ArbGG § 72 a
GKG § 25 Abs. 2
GKG § 19 Abs. 1 Satz 2
KSchG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 84/01

verkündet am 18. April 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Lux und den ehrenamtlichen Richter Müller auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 30. August 2001 - 9 Ca 210/01 - abgeändert:

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert im ersten wie im zweiten Rechtszug: 7.749,14 EUR (15.156,00 DM)

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob zwischen dem Kläger und der Schuldnerin, für die der Beklagte den Rechtsstreit führt, ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist, das allerdings auf jeden Fall nach dem Urteil des Arbeitsgerichts, das vom Kläger nicht angegriffen wurde, mit Ablauf des 30. April 2001 durch vorsorgliche Kündigung des Beklagten beendet worden ist.

Der am 22. Oktober 1973 geborene Kläger war seit dem 01. Februar 2000 auf Grund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18. November 1999 (vgl. BI. 21 - 25 der Akte des Arbeitsgerichts) als Anwendungsberater und Außendienstmitarbeiter bei der X-Informationssysteme GmbH (künftig X) beschäftigt. Spätestens zum Jahreswechsel 1999/2000 kam es zwischen der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin, der AInformation GmbH in V. und der X zu "Übernahmeverhandlungen". Am 21. Februar 2000 schlossen diese beiden Gesellschaften einen notariell beurkundeten Beteiligungsrahmen- und Einbringungsvertrag (vgl. BI. 70 - 80 der Akte des Arbeitsgerichts). Die Rechtsvorgängerin der Schuldnerin übernahm die Gesellschaftsanteile an der X von deren Alleingesellschafter, der seinerseits Gesellschafter und mit Eintragung vom 04 April 2000 im Handelsregister auch weiterer einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Schuldnerin wurde.

In dieser Eigenschaft schloss dieser mit dem Kläger auf Geschäftspapier der Schuldnerin am 12. Mai 2000 eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag des Klägers, die mit folgendem Text eingeleitet wird:

Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag von Herrn M. S. vom 18.11.1999

Mit Wirkung zum 21. Februar 2000 fusionierte die X GmbH, O. mit der AGmbH, V.. Gem. § 613 a BGB gehen alle Rechte und Pflichten des bestehenden Vertrages zwischen Herrn M. S. und der X GmbH in die AGmbH über.

Im Hinblick darauf, werden folgende Änderungen zum Arbeitsvertrag vereinbart:

...

Wegen der vorgenommenen Regelungen wird auf die vorgelegte Fotokopie dieser Vereinbarung Bezug genommen (Bl. 28/29 der Akte des Arbeitsgerichts).

In der Folgezeit erhielt der Kläger seine Lohnabrechnungen sowie seine Vergütung in Höhe von 5.052,00 DM brutto monatlich einschließlich einer vermögenswirksamen Leistung jeweils von der Schuldnerin, die im Juni 2000 in eine Aktengesellschaft umgewandelt wurde.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 teilte die Schuldnerin dem Kläger mit, dass die Auffassung, das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der X sei auf die Schuldnerin übergegangen, unzutreffend sei, und kündigte vorsorglich ein etwa bestehendes Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstzulässigen Termin (vgl. Fotokopie des Schreibens Bl. 24 der Akte des mit dem vorliegenden Verfahren verbundenen Rechtsstreits 9 Ca 4/2001).

Hiergegen hat der Kläger am 03. Januar 2001 Klage erhoben. Mit Beschluss des zuständigen Amtsgerichts vom 30. März 2001 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung am 30. März 2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet Zugleich wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter ernannt (vgl. Bl. 57 und 58 der Akte des mit dem vorliegenden Verfahren verbundenen Rechtsstreits 9 Ca 4/2001). Daraufhin hat das Arbeitsgericht am 11. April 2001 die Unterbrechung des Rechtsstreits gem. § 240 ZPO festgestellt.

Mit Schreiben vom 30. März 2001 kündigte der Beklagte unter Aufrechterhaltung seiner bisherigen Rechtsposition das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger erneut vorsorglich fristgemäß zum 30. April 2001 (Fotokopie BI. 32 der Akte des Arbeitsgerichts). Auch hiergegen hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Mit Schriftsatz vom 20. August 2001 (BI. 101 ff. der Akte des Arbeitsgerichts) hat der Kläger den Rechtsstreit 9 Ca 4/2001 wieder aufgenommen (vgl. Bl. 60. der Akte 9 Ca 4/2001).

Mit Beschluss vom 30. August 2001 hat das Arbeitsgericht beide Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und dem Verfahren gegen den Beklagten Fortgang gegeben.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, mit der Zusatzvereinbarung vom 12. Mai 2000 sei das Arbeitsverhältnis von der X zunächst auf die AInformation GmbH und sodann mit der Umwandlung auf die Schuldnerin übergegangen. Durch den abgeschlossenen Beteiligungsvertrag zwischen der X und der AGmbH vom 21. Februar 2000 habe ein Betriebsübergang gem. § 613a BGB stattgefunden. Damit sei die Rechtsvorgängerin der Schuldnerin in alle Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis eingetreten sei. Ausschließlich die Schuldnerin habe in der Folgezeit Weisungen an den Kläger erteilt. Der von dieser ausgesprochenen Kündigung fehle es mangels Begründung an einer sozialen Rechtfertigung.

Der Kläger hat folgende Anträge gestellt:

1. Es wird festgestellt, daß zwischen den Parteien seit dem 1. Februar 2000 ein Arbeitsverhältnis besteht.

2. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 14. Dezember 2000 nicht aufgelöst worden ist.

3. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 14. Dezember 2000 nicht aufgelöst wird, sondern auch über den 31. März 2001 hinaus ungekündigt fortbesteht.

4. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 30. März 2001 nicht aufgelöst wird, sondern auch über den 30. April 2001 hinaus ungekündigt fortbesteht.

Der Beklagte hat den Antrag gestellt,

die Klage abzuweisen.

und die Ansicht vertreten, der Rechtsstreit sei wegen der Klageanträge Nr. 1 bis 3 weiterhin unterbrochen. Der Kläger sei insoweit nach § 86 InsO nicht berechtigt, den Rechtsstreit gegen den Beklagten aufzunehmen. Weiterhin sei zwischen dem Kläger und der Schuldnerin kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Jedenfalls lägen für die Kündigung vom 30. März 2001 betriebsbedingte Gründe vor, weil er sich entschlossen habe, den Betrieb sofort stillzulegen.

Das Arbeitsgericht hat im angegriffenen Urteil dem Klageantrag zu Nr. 1 - so wird der Tenor ausgelegt - zum Teil, nämlich insoweit, als ein Arbeitsverhältnis ab 12. Mai 2000 mit der Schuldnerin zustande gekommen sein soll, und den Klageanträgen zu Nr. 2 und 3 in vollem Umfang stattgegeben; wegen des Antrags Nr. 4 hat es die Klage ebenso abgewiesen wie wegen des über den 30. April 2001 hinausgehenden Teil des Antrags zu Nr. 1. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klagen beträfen die Masse im Sinne des § 55 InsO, so dass der Rechtsstreit auch vom Kläger habe aufgenommen werden können. Zwischen den Parteien sei auch am 12. Mai 2000 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, zwar nicht nach § 613a BGB, jedoch deshalb, weil mit der Änderungsvereinbarung von diesem Tag ein solches begründet worden sei. In diesem Sinne müssten die Erklärungen der Parteien ausgelegt werden. Die Kündigungen der Schuldnerin seien mangels eines in den Rechtsstreit eingeführten Grundes unwirksam. Jedoch sei die Kündigung des Beklagten wegen seines Stilllegungsentschlusses sozial gerechtfertigt, so dass in diesem Punkt die Klage abzuweisen gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, die zunächst unter Vorlage des ergangenen Urteils namens der Schuldnerin als Beklagter und Berufungsklägerin eingelegt wurde, die von den Mitgliedern des Vorstands und dem Insolvenzverwalter vertreten werde. Dies ist nach Ablauf der Berufungsfrist richtig gestellt worden. Er verfolgt seinen Klageabweisungsantrag weiter, vertritt aber in erster Linie die Auffassung, der Rechtsstreit sei weiterhin unterbrochen, das Urteil des Arbeitsgerichts sonach rechtswidrig ergangen. Der Kläger hingegen hält die Berufung für unzulässig und bittet insoweit um deren Verwerfung, verteidigt aber im Übrigen das Urteil und bittet hilfsweise um die Zurückweisung der Berufung. Den vom Arbeitsgericht abgewiesenen Teil der Klage verfolgt er nicht weiter.

Wegen des Vortrags der Parteien im Einzelnen wird auf ihre im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze sowie das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist bereits deshalb abzuweisen, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis bestand.

1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist mit der Einreichung der Berufungsschrift vom 16.10.2001 zulässig eingelegt worden. Damit hat der Beklagte nicht die Berufungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG versäumt. Da die Berufungsschrift nicht isoliert eingelegt wurde, sondern ihr das angefochtene Urteil beilag, konnte dem Rubrum des Urteils entnommen werden, wer Beklagter war, für wen tatsächlich Berufung eingelegt wurde und dass der Beklagte Berufungskläger sein sollte. In diesem Sinne sind die Ausführungen der Berufungsschrift entgegen ihrem Wortlaut auszulegen. Es spricht nichts dafür, dass eine nicht am erstinstanzlichen Rechtsstreit beteiligte Person Rechtsmittel einlegen wollte (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16. Juli 1998 - VII ZB 7/98 - LM § 518 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Nr. 16). Es handelte sich um ein offenkundiges Versehen bei der Bezeichnung des Berufungsklägers. Der richtige Berufungskläger konnte noch innerhalb der Berufungsschrift aus dem beigelegten Urteil ermittelt werden.

2. Die Berufung ist auch in der Sache gerechtfertigt.

a) Allerdings hat das Arbeitsgericht dem Verfahren zu Recht Fortgang gegeben, weil der Kläger das Verfahren nach § 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO gegen den Beklagten aufnehmen konnte. Dies gilt jedenfalls in Bezug auf den Klageantrag Nr. 1. Ob dies auch für die Klageanträge Nr. 2 und 3 gilt, ist aus nachstehend zu erörternden Gründen hier nicht von Belang. Eine Unterbrechung hinsichtlich des hier nicht angefallenen Klageantrags Nr. 4 steht ohnehin nicht zur Diskussion, da die angegriffene Kündigung eine Maßnahme des Beklagten und nicht der Schuldnerin war.

Der Klageantrag Nr. 1, der in etwas eingeschränktem Umfang hier angefallen ist, ist auszulegen. Ob er nicht bereits deshalb in toto abzuweisen gewesen wäre, weil nach Auffassung des Arbeitsgerichts eben nicht seit 01. Februar 2000 ein Arbeitsverhältnis bestand, ist nicht mehr von Bedeutung. Das Arbeitsgericht könnte durch die positive Feststellung gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen haben. Offenbar hat es den Antrag so ausgelegt, dass dem Beginn des Arbeitsverhältnisses keine konstitutive Bedeutung zukommen sollte. Vielmehr sollte auch der Bestand des Arbeitsverhältnisses als solcher Gegenstand der Feststellungsklage sein. Damit stellt sich das Begehren des Klägers in der Auslegung des Arbeitsgerichts als Feststellungsantrag im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO dar. Dies hat der Kläger nicht gerügt und sich damit zu Eigen gemacht. Dem hat dann das Arbeitsgericht zum Teil stattgegeben.

Streitgegenstand der auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten Klage ist die Frage, ob es zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung besteht. Dies ist aus der Sicht des Arbeitsgerichts zu beurteilen, das zu prüfen hatte, ob ein Massebezug des in erster Linie gestellten Klageantrags vorliegt. Dieser Zeitpunkt liegt notwendigerweise zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Hinblick auf die im Folgezeitraum bestehenden Arbeitnehmerforderungen hat der Feststellungsantrag sonach einen Bezug auf die Insolvenzmasse im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. InsO. Wegen des auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bezogenen Streitgegenstandes einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO kommt, anders als dies bei kumulierten Zahlungsanträgen der Fall sein könnte, eine Aufteilung des Antrags in einen Teil, der den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft, und einen solchen, der den nachfolgenden Zeitraum betrifft, nicht in Betracht. Der Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO, soweit er ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis betrifft, ist sonach auf jeden Fall massebezogen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse, die den Streitgegenstand bilden, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen.

Allerdings enthält der Feststellungsantrag in der Auslegung durch das Arbeitsgericht nach Nr. 1 eine weitere Komponente, der das Arbeitsgericht aber keine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage beigemessen hat. Der Feststellungsantrag erstreckt sich seinem Wortlaut nach auch auf die Vergangenheit. Es soll nämlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses auch für die Vergangenheit festgestellt werden. Ob dies zulässig ist im Hinblick auf § 256 Abs. 1 ZPO, ob insoweit ein besonderes Feststellungsinteresse besteht, kann hier aber dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist der Klageantrag so auszulegen, dass in erster Linie die Komponente zur Entscheidung gestellt wird, dass überhaupt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht, und nur für den Fall, dass dieser Antrag begründet ist, auch die Feststellung begehrt wird, dass dies auch für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit der Fall war. Wenn aber der Feststellungsantrag bereits wegen der ersten Komponente abzuweisen ist, bedarf es einer Entscheidung über die zweite Komponente nicht. Auch die weiteren Anträge unter Nr. 2 bis 4 sind als jeweils nur für den Fall gestellt auszulegen, dass der vorrangig gestellte Antrag Erfolg hat. Damit beschränkt sich für die Frage, ob der Rechtsstreit noch im Sinne des § 240 ZPO unterbrochen ist, die Prüfung zunächst allein auf die Feststellungsklage, soweit sie das Fortbestehen eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses betrifft. Da der maßgebliche Zeitpunkt (letzte mündliche Verhandlung) nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt, ist jedenfalls im Hinblick darauf die Möglichkeit gegeben, dass der Kläger nach § 86 InsO das Verfahren auch gegen den Willen des Beklagten aufnehmen kann. Ob dies auch hinsichtlich der zweiten Komponente des Antrags zu 1 und der Anträge zu 2 und 3 der Fall ist, ist erst zu prüfen, wenn diese Anträge zur Entscheidung angefallen sind.

Dass das Arbeitsgericht offenbar den Sinngehalt und das Beziehungsgefüge der Anträge nicht durchschaut hat, ist insoweit unschädlich. Es hätte nicht feststellen dürfen, dass das Arbeitsverhältnis seit einem bestimmten Zeitpunkt (noch?) besteht, wenn es andererseits die Klage, die gegen die Kündigung zum 30. April 2001 gerichtet ist abweist, weil dies Kündigung sozial gerechtfertig ist. Das Urteil ist dahingehend auszulegen, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht über den 30. April 2001 hinaus festgestellt wird, sondern wegen des darüber hinausgehenden Zeitraums auch diese Feststellungsklage nach Nr. 1 abgewiesen wurde. Ziffer 1 des Urteilstenors ist so zu lesen, dass das Bestehen des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 12. Mai 2000 bis 30. April 2001 festgestellt wird. Sonst widersprächen sich ja der Tenor in Ziffer 1 und Ziffer 4 des Urteils.

Das Verfahren ist auch wirksam aufgenommen worden. Zwar kann entgegen den Ausführungen im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils diesseits nicht festgestellt werden, dass das Verfahren ausdrücklich gegen den Beklagten aufgenommen worden wäre. Im fraglichen Schriftsatz des Klägers (Bl. 60 der Akte des verbundenen Verfahrens) wird die Schuldnerin als Partei aufgeführt. Ansonsten wird nur ausgeführt, dass die "Wiederaufnahme des ... Verfahrens" nach § 86 InsO "beantragt" wird. Das Arbeitsgericht hat aber den Schriftsatz dem Beklagten zugestellt und ist in seiner Terminsverfügung davon ausgegangen, dass das Verfahren gegen den Beklagten aufgenommen worden sei. Dies hat der Beklagte nicht gerügt, so dass eventuelle Fehler gemäß § 295 ZPO geheilt sind, wenn nicht schon der Schriftsatz des Klägers ohnehin in diesem Sinne auszulegen war, wie dies das Arbeitsgericht offenbar getan hat.

Damit war jedenfalls wegen des Hauptantrags dem Verfahren Fortgang zu geben und das Arbeitsgericht nicht gehindert, in der Sache eine Entscheidung zu treffen. Einer Zurückweisung der Berufung bedurfte es insoweit nicht, weil der Feststellungsantrag bezüglich der Unterbrechung des Rechtsstreits kein auf eine Sachentscheidung bezogener Antrag war und insoweit der "Hilfsantrag", die Klage abzuweisen, das eigentliche Prozessziel des Beklagten beschrieb. Anträge sind Prozesserklärungen, die in freier Würdigung vom Gericht selbst ausgelegt werden können. Dabei ist davon auszugehen, dass im Zweifel dasjenige von der Partei gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urteil vom 22. April 1999 - XI ZR 352/98 - NJW-RR 2000, 1521). Der Beklagte strebt in erster Linie die Abweisung der Klage an. Dies ist das umfassende Rechtsschutzziel. Der "Hauptantrag" wird dabei nur als Kundgabe seiner Rechtsauffassung ausgelegt, weil es insoweit nur auf den Weg ankommt, ein aus der Sicht des Beklagten zutreffendes Ergebnis zu erzielen. Deshalb bedurfte es auch nicht der Zurückweisung der Berufung in diesem Punkt.

b) Ob der Hauptantrag des Klägers so, wie er im zweiten Rechtszug angefallen ist, noch zulässig ist im Hinblick auf § 256 Abs. 1 ZPO, ist fraglich. Es könnte am Feststellungsinteresse fehlen, nachdem er sich im Hinblick auf die Abweisung der Klage, soweit sie den Zeitraum nach dem 30. April 2001 betraf (Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts im August 2001), ausschließlich auf die Vergangenheit bezog. Da das Feststellungsinteresse aber Sachurteilsvoraussetzung nur für die begründete Feststellungsklage ist, kommt es hierauf nicht mehr an, weil die Klage nämlich unbegründet ist. Zwischen dem Kläger und der Schuldnerin war kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, so dass ein solches bis 30. April 2001 auch nicht mehr bestand.

c) Es ist hier nicht mehr zu prüfen, ob, wie der Kläger behauptet, ein Betriebsübergang am 01. Februar 2001 im Sinne des § 613a BGB stattgefunden hat. Nachdem das Arbeitsgericht die Feststellungsklage für die Zeit vom 01. Februar bis 12. Mai 2001 abgewiesen hat und dies der Kläger so stehen ließ, steht jedenfalls zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (§ 705 ZPO) damit fest, dass im genannten Zeitraum kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin bestand. Am 12. Mai 2001 (oder später) hat aber auch nach dem Vortrag des Klägers kein Betriebsübergang stattgefunden. Ein solcher ist deshalb nicht mehr zu prüfen. Im Übrigen hat der Kläger die entsprechenden Ausführungen des Arbeitsgerichts nicht beanstandet und wären auch sonst keine Umstände ersichtlich, die die Annahme eines Betriebsübergangs rechtfertigen könnten.

d) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts begründeten die damaligen Parteien des Zusatzvertrages vom 12. Mai 2000 kein Arbeitsverhältnis. Es fehlt an einem beiderseitigen Geschäftswillen, der auf die Begründung einer bislang nicht bestehenden vertraglichen Beziehung gerichtet gewesen wäre. Die Parteien hatten nach den Umständen und nach den ausdrücklichen Erklärungen in dieser Zusatzvereinbarung nicht die Absicht, zueinander in vertragliche Beziehungen zu treten und diese neu aufzunehmen. Vielmehr gingen sie davon aus, dass solche bereits bestünden. Diese wollten sie ändern. Der Wille, etwas Bestehendes zu ändern, umfasst nicht ohne weiteres den Willen, etwas nicht Bestehendes zu schaffen. Die bloße Änderung eines Vertrags greift nicht so weit wie die Begründung. Vielmehr ist die Änderung des nicht bestehenden Vertrags zwischen den Beteiligten gegenstandslos. Sie hängt in der Luft und lässt andererseits die bereits bestehenden und auf der Grundlage des Vortrags der Parteien in diesem Rechtsstreit nicht beendeten vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und der X unberührt, auch wenn der handelnde Geschäftsführer der Schuldnerin zugleich auch Geschäftsführer der X war. Für diese und in deren Namen hat er aber keine Erklärung abgegeben. Die Voraussetzungen des § 613a BGB, die die vertragsschließenden Parteien als erfüllt erachtet haben, waren nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht erfüllt. Deshalb fehlt es an der Geschäftsgrundlage für die Änderungsvereinbarung. Dies kann aber nicht dazu führen, dass ein nicht vorhandener Geschäftswille fingiert wird. Die vom Arbeitsgericht gefundene Lösung ließe auch offen, wie denn das Arbeitsverhältnis mit der an der Vereinbarung nicht beteiligten X beendet worden wäre.

Dass die Beteiligten teils unstreitig, teils nur nach der Behauptung des Klägers, nach dieser Änderungsvereinbarung verfahren sind, ändert am Ergebnis nicht. Insoweit haben sie nur irrtümlich einen nicht existierenden Vertrag vollzogen. Die Befolgung angenommener vertraglicher Verpflichtungen lässt aber auch nicht ohne weiteres die Annahme eines konkludent geäußerten Geschäftswillens in Richtung auf die Begründen der irrtümlich befolgten Pflichten zu. Der in diesen Handlungen zum Ausdruck kommende Wille geht nicht weiter als er ginge, wenn ein wirksamer Vertrag bestünde. Es müsste schon besonders zum Ausdruck gebracht worden sein, dass mit der Durchführung des Vertrags nicht lediglich ein bloßer Vollzug angenommener Rechte und Pflichten erfolgt, sondern zusätzlich auch noch diese, falls sie nicht bestünden, zugleich auch begründet werden sollen.

Damit steht aber fest, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Schuldnerin nicht zustande gekommen ist. Deshalb ist der Feststellungsantrag zu Nr. 1 in vollem Umfang abzuweisen. Da der hier noch angefallene Antrag, dass bis zum 30. April 2001 ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand, unbegründet ist, sind die weiteren nur als bedingt erhoben auszulegenden Klageanträge nicht mehr zur Entscheidung angefallen. Ihre Rechtshängigkeit ist damit erloschen. Die Frage, ob und inwieweit im Verhältnis zu ihnen das Verfahren etwa nach § 240 ZPO unterbrochen ist, hat sich damit erledigt.

Nach allem ist auf die Berufung des Beklagten das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, abzuändern und die Klage abzuweisen. Dies zieht die Kostenfolge des § 91 Abs. 1ZPO nach sich.

Der nach § 25 Abs. 2 GKG bei Beendigung des Verfahrens festzusetzende Gebührenwert berechnet sich nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG. Zu bewerten ist hier wegen § 19 Abs. 1 Satz 2 GKG nur der in erster Linie gestellte Klageantrag. Hierfür ist der Rahmen des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG mit der Vergütung des Klägers für ein Kalendervierteljahr voll auszuschöpfen. Damit hat der Gegenstandswert sein Bewenden.

Das Arbeitsgericht hat den Gebührenstreitwert für den ersten Rechtszug nicht festgesetzt. Dies wird deshalb hier nachgeholt. Auch im ersten Rechtszug sind die Vergütungsansprüche für ein Kalendervierteljahr anzusetzen. Selbst wenn mit dem Arbeitsgericht von einer Mehrheit von Feststellungsklagen auszugehen wäre, über die jeweils befunden worden wäre, ist die für den Urteilsstreitwert vorgenommene Bewertung nicht zutreffend. Alle Feststellungsanträge sind jeweils mit dem vollen Betrag von (damals)15.156,00 DM anzusetzen. Allerdings befinden sich diese Anträge im Verhältnis wirtschaftlicher Identität zueinander (§ 19 Abs. 1 Satz 2 GKG). Ein Zusammenrechnung findet nicht statt. Vielmehr verbleibt es bei diesem Betrag. Im Übrigen ist auch ein Wertungswiderspruch zu vermeiden zwischen der Klage nach § 256 ZPO, für die wegen § 12 Abs. 7 ArbGG der Gegenstandswert auf das Einkommen des Klägers für ein Kalendervierteljahr begrenzt ist, auch wenn gegebenenfalls im Rahmen eines solchen Antrags mehrere Sachverhalte zu prüfen sind, die je für sich das Arbeitsverhältnis beenden könnten (vgl. etwa LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Dezember 1999 - 3 Ta 131/99) und einer Mehrheit von Kündigungsschutzklagen nach § 4 KSchG, die in einem Verfahren geltend gemacht werden und deren Ziel ebenfalls einheitlich wirtschaftlich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist. In diesen Fällen ist der Wert stets auf den Höchstwert des § 12 Abs. 7 ArbGG begrenzt.

Ende der Entscheidung

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