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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 04.04.2005
Aktenzeichen: 3 Ta 44/05
Rechtsgebiete: GKG, KSchG, BRAGO, RVG, BGB, ArbGG


Vorschriften:

GKG § 25 Abs. 2 a.F.
GKG § 63 Abs. 2 n.F.
KSchG § 4
BRAGO § 8 Abs. 1 Satz 1
BRAGO § 9 Abs. 1
BRAGO § 9 Abs. 2
BRAGO § 9 Abs. 2 Satz 1
BRAGO § 10
BRAGO § 10 Abs. 1
RVG § 33
RVG § 33 Abs. 1
RVG § 33 Abs. 3 Satz 1
BGB § 779
ArbGG § 12 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 3 Ta 44/05

Stuttgart, 04. April 2005

Im Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 04. April 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 04. März 2005 - 3 Ca 219/04 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Ablehnung des Arbeitsgerichts, auf Antrag der Beschwerdeverführer im Verhältnis zu ihrem Mandanten aus dem Ausgangsverfahren einen Vergleichsmehrwert in Höhe von 48.455,26 EUR festzusetzen.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens waren ein Antrag auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte und ein Feststellungsantrag nach § 4 KSchG. Das Verfahren hat durch Prozessvergleich geendet. Auf den Antrag der Beschwerdeführer, den Wert des Gegenstands für die anwaltliche Tätigkeit festzusetzen, hat das Arbeitsgericht den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert der Feststellungsklage auf 14.169,00 EUR (Vergütung für ein Vierteljahr) und den Gebührenwert der "Abmahnungsklage" auf 1.000,00 EUR, insgesamt also auf 15.169,00 EUR gemäß § 25 Abs. 2 GKG a.F. festgesetzt. Hiergegen haben die Beteiligten zu 1, die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Ausgangsverfahren, Beschwerde eingelegt, weil sie der Auffassung sind, das Arbeitsgericht hätte nicht den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert festsetzen dürfen, nachdem die Festsetzung des Werts des Gegenstandes für die anwaltliche Tätigkeit beantragt worden sei. Darüber hinaus hätte der Wert der "Abmahnungsklage" mindestens mit einem Monatsgehalt angenommen werden müssen. Diese Beschwerde ist durch diesseitigen Beschluss vom 10. Februar 2005 (3 Ta 18/05) als unzulässig verworfen worden. Mit der jetzigen Beschwerde verfolgen sie ihren vom Arbeitsgericht abgelehnten nunmehr ein weiteres Mal gestellten Antrag nach § 10 BRAGO weiter, einen Vergleichsmehrwert in der angegebenen Höhe festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den in § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG (diese Bestimmung ist für das Beschwerdeverfahren nach § 61 Abs. 1 Satz 2 RVG maßgeblich, auch wenn ansonsten noch die Bestimmungen der BRAGO zur Anwendung kommen) genannten Wert nicht übersteigt. Allerdings ergibt sich aus der Verfahrensweise des Arbeitsgerichts, auch nicht aus dem Rubrum der Beschlüsse, nicht, wen es an dem vorliegenden Verfahren beteiligt hat. Dies sind nach § 10 BRAGO ausschließlich diejenigen Personen, die wegen des fraglichen Antrags innerhalb des Mandatsverhältnisses antragsbefugt sind. Dies sind lediglich die Beschwerdeführer und der Kläger des Ausgangsverfahrens als ihr Mandant. Die Beklagte und ihre Bevollmächtigten sind an diesem Verfahren nicht beteiligt. Im Verhältnis wischen ihnen kann lediglich ebenfalls ein Antrag gestellt werden.

Die Beschwerde ist aber nicht in der Sache gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen, weil seine Voraussetzungen nicht vorliegen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Mehrwerts für den Prozessvergleich vorliegen. Das Arbeitsgericht ist allerdings zutreffend von der diesseits ständig vertretenen Auffassung ausgegangen, dass Voraussetzung für die Festsetzung eines über den Wert des Streitgegenstandes hinausgehenden Vergleichs-(mehr-)werts ist, dass im Zusammenhang mit der vergleichsweisen Beilegung des anhängigen Streitgegenstandes ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB über einen Gegenstand erzielt wurde, der nicht im verglichenen Verfahren anhängig war, über den aber ebenfalls Streit bestand oder der anderweitig anhängig war. Nur eine Vergleichsregelung hinsichtlich eines nicht im erledigten Verfahren anhängigen streitigen Anspruchs kommt in Betracht. Nur wenn ein Anspruch, über den Streit bestanden hat, in die Vergleichsregelung im Sinne der Nr. 1653 Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG a.F.) aufgenommen wird, liegen die diesbezüglichen Merkmale des § 779 BGB auch hinsichtlich eines solchen Anspruchs vor. Überdies wird nach VV Teil 1 Nr. 1000 zum RVG auch in Zukunft nur auf ein beiderseitiges Nachgeben verzichtet, nicht auf die Regelung eines streitigen oder von Unsicherheit behafteten Rechtsverhältnisses. Diese Voraussetzungen sind offenbar auch nach Auffassung der Beschwerdeführer nicht erfüllt. Hierauf kommt es vorliegend allerdings nicht an, weil der Festsetzungsantrag, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, nicht in einem Verfahren nach § 10 BRAGO gestellt werden kann. Der Prozessvergleich ist in einem Rechtsstreit, der im Urteilsverfahren durchzuführen war, geschlossen worden. Für dieses gelten hier noch die Gebührenregelungen der Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 ArbGG a.F. Die Gerichtsgebühren richten sich dort nach dem Streitwert. Infolgedessen kommt in diesem Verfahren eine Wertfestsetzung nach § 10 BRAGO nicht in Betracht, soweit die Gerichtsgebühr sich nach dem Streitwert richtet und für die Anwaltsgebühren nicht besondere Tatbestände eine Rolle spielen. Dieses Verfahren ist nur zulässig, wenn es an einem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Verfahrenswert fehlt oder wenn er für die Anwaltsgebühr nicht maßgeblich ist. Auch wenn der Prozessvergleich zur Gebührenfreiheit führt, gibt es im Urteilsverfahren doch einen für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert. Das Verfahren nach § 25 Abs. 2 GKG a.F. und § 63 Abs. 2 GKG n.F. ist vorrangig. Wieso der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert der im Vergleich mitgeregelten Ansprüche nicht für die Anwaltsgebühren maßgeblich sein soll, ist nicht ersichtlich.

Ob nach einem Prozessvergleich, mit dem eine arbeitsrechtliche Streitigkeit im Urteilsverfahren, in dem sich die Gerichtsgebühren nach dem Gegenstandswert richten, erledigt wird, eine Gebührenwertfestsetzung nach §§ 25 Abs. 2 GKG a.F., 63 GKG n.F., 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 BRAGO, 23. Abs. 1, 32 Abs. 1 RVG oder nach §§ 10 BRAGO, 33 RVG erfolgt, ist neuerdings umstritten (vgl. etwa LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. März 2004 - 11 Ta 35/04; Hessisches LAG, Beschluss vom 21. Januar 1999 - LAGE ArbGG 1979 § 12 Nr. 116; dagegen Thüringer LAG, Beschluss vom 5. März 2003 - 8 Ta 9/2003; a.A. auch LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. Dezember 2000 - 3 Ta 90/00 - AnwBl 2002, 186).

Der unter anderem vom LAG Schleswig-Holstein vertretenen Meinung, die die weitaus herrschende ist, ist zu folgen. Bereits für das hier anzuwendende alte, aber auch für das neue Gebührenrecht gilt Folgendes: Entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO, wonach sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften richtet, ordnet § 9 Abs. 1 BRAGO die Maßgeblichkeit der zu den Gerichtsgebühren getroffenen Wertfestsetzung für die Gebühren des Rechtsanwalts an. Um diesen aus Gründen der Vereinfachung und Vereinheitlichung angeordneten Gleichlauf der Berechnung von Streit- und Gegenstandswert zu erhalten, kann der Rechtsanwalt nach § 9 Abs. 2 BRAGO aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen und Rechtsmittel gegen die Festsetzung einlegen (vgl. Fraunholz in Riedel/Sußbauer, Bundesanwaltsgebührenordnung, 7. Aufl., 1995, § 9 Rn. 3; Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl. 2004, RVG § 33 Rn. 2 und 3). Nur wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Gerichtsverfahren fehlt, kann der Rechtsanwalt einen Antrag nach § 10 Abs. 1 BRAGO, § 33 Abs. 1 RVG auf Wertfestsetzung stellen. Ein Wahlrecht des Rechtsanwalts zwischen einem Antrag nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und § 10 Abs. 1 BRAGO besteht demnach nicht (vgl. Fraunholz in Riedel/Sußbauer, a.a.O. § 10 Rn. 3, Hartmann, a.a.O. § 33 Rn. 4). Auszugehen ist vom Gesetzeswortlaut, wonach lediglich maßgeblich ist, dass der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig wird, in dem sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Ob solche Gebühren, abhängig von der Art der Erledigung des Rechtsstreits anfallen, ist nicht maßgeblich. Darüber hinaus bildet § 10 BRAGO insoweit eine Auffangvorschrift, als eine besondere Festsetzung in den Fällen möglich ist, in denen sich die Gebühren nicht nach einem solchen Wert richten. Dies ist nach neuem Recht, in dem in beiden Rechtszügen im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur noch eine Verfahrensgebühr anfällt, etwa dann der Fall, wenn die Klage vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Gütetermins teilweise zurückgenommen wird und die Terminsgebühr deshalb nur aus einem niedrigeren Wert entsteht als die Verfahrensgebühr des Rechtsanwalts. Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren richten sich die Gebühren aber nach dem Streitwert. An den tatsächlichen Anfall von Gerichtsgebühren hat das Gesetz diese Regelung nicht gebunden. Auch aus systematischen oder am Normzweck orientierten Überlegungen ergibt sich keine anderweitige Auslegung. Damit steht fest, dass das Arbeitsgericht, soweit es sich geweigert hat, den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit festzusetzen, den Antrag zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat. Deshalb ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Gründe für eine Ermäßigung oder den Wegfall der Beschwerdegebühr liegen nicht vor. Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).

Ende der Entscheidung

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