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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 30.06.2008
Aktenzeichen: 4 TaBV 1/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 99
Ein Betriebsratsmitglied ist bei der Beschlussfassung im Verfahren gemäß § 99 BetrVG betreffend die Eingruppierung eines anderen Arbeitnehmers wegen Interessenkollision dann ausgeschlossen, wenn das Betriebsratsmitglied aufgrund einer Betriebsvereinbarung über die wirtschaftliche Absicherung freigestellter Betriebsratsmitglieder indirekt von einer möglichen Höhergruppierung des anderen Arbeitnehmers profitiert.
Tenor:

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11.10.2007 - 6 BV 113/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe: A

Die Beteiligten streiten über die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Versetzung/Eingruppierung der Arbeitnehmerin J.

Der Antragsteller/Beteiligte Ziff. 1 (im Folgenden: Betriebsrat) ist der in der Niederlassung Stuttgart der Antragsgegnerin/Beteiligten Ziff. 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat. Vorsitzende des Betriebsrats war bis zum 30.12.2007 Frau B.

Frau B. war eine bei der T. AG beurlaubte Beamtin, die bei der Arbeitgeberin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt wurde. Frau B. war nach § 38 BetrVG in vollem Umfang von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt. Frau B. schied am 30.12.2007 bei der Arbeitgeberin aus und trat als Beamtin am 01.01.2008 in den Vorruhestand ein.

Am 15.02.2007 schloss der Gesamtbetriebsrat mit der Arbeitgeberin eine freiwillige Gesamtbetriebsvereinbarung zur Ausgestaltung der sich aus §§ 37, 38 und 78 BetrVG ergebenden Ansprüche der Betriebsratsmitglieder ab. § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Für jedes voll freigestellte Betriebsratsmitglied sind 3 (drei) Vergleichspersonen zu benennen. Das an das freigestellte Betriebsratsmitglied zu zahlende Entgelt orientiert sich dynamisch ab dem Zeitpunkt der Benennung an dem jeweiligen Entgelt der Vergleichspersonen im Sinne des § 3.

...

(4) Sofern eine Vergleichsperson höher gruppiert wird, erhält das freigestellte Betriebsratsmitglied eine monatliche Zahlung in Höhe von 50 % des Differenzbetrages zwischen der Vergütungsgruppe, in die das Betriebsratsmitglied eingruppiert ist und des regelmäßigen Monatsentgelts der Vergleichsperson."

Eine der für Frau B. benannten Vergleichspersonen war die Arbeitnehmerin J. Frau J. war auf der Grundlage des zwischen der Gewerkschaft ver.di und der Arbeitgeberin abgeschlossenen Entgeltrahmentarifvertrags zuletzt in die Vergütungsgruppe 7/4 eingruppiert. Aufgrund der genannten Regelung erhielt Frau B. neben ihrem monatlichen Gehalt in der Vergütungsgruppe 5/4 in Höhe von zuletzt EUR 2.816,00 eine monatliche Zahlung von zuletzt EUR 430,49 (vgl. Abl. 23 der zu Informationszwecken beigezogenen Akte des Arbeitsgerichts Stuttgart 6 Ca 3820/07). In dem angegebenen Verfahren hatte Frau B. mit der Arbeitgeberin darüber gestritten, ob sich die Differenzzahlung auf der Grundlage der Vergütungstabelle für die Angestellten oder auf derjenigen für die beurlaubten Beamten bemisst.

Mit Betriebsratsvorlage vom 13.04.2007 (Abl. 32) unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die beabsichtigte "Versetzung/Beförderung" von Frau J.. Frau J. war bis dahin als Vertriebskoordinatorin beschäftigt. Rückwirkend zum 22.02.2007 bat die Arbeitgeberin um die Zustimmung des Betriebsrats zur künftigen Beschäftigung als Teamleiterin Vertriebssupport Privatkunden. Bei der Eingruppierung in die Vergütungsgruppe A 7/4 sollte es ausweislich der Betriebsratsvorlage auch nach der Versetzung verbleiben.

Mit Schreiben vom 16.04.2007 stimmte der Betriebsrat der rückwirkenden Versetzung von Frau J. zu. Die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 7/4 lehnte der Betriebsrat ab. Dem Schreiben war ein Beschluss des Betriebsrats vorausgegangen, an dem Frau B. mitgewirkt hatte. Für die Zustimmungsverweigerung hinsichtlich der Eingruppierung führte der Betriebsrat an, dass Frau J. in die Vergütungsgruppe 8/2 einzugruppieren sei. Zur Eingruppierung der Teamleiter Technik hatten die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat in § 6 einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 11.08.2006 die Vereinbarung getroffen, dass die Eingruppierung gemäß Anlage 1 zum ERTV T-Mobile in die Vergütungsgruppe 8 erfolge. In einer weiteren Gesamtbetriebsvereinbarung vom 22.02.2007 hatten die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat hinsichtlich der Teamleiter Vertrieb vereinbart, dass die Eingruppierung gemäß Anlage 1 zum ERTV T-Mobile erfolge, ohne dass eine konkrete Vergütungsgruppe angegeben wurde. In seinem Schreiben vom 16.04.2007 vertrat der Betriebsrat die Auffassung, dass die Beschreibung der Tätigkeiten und der Verantwortlichkeiten in den jeweiligen Anlagen 1 zu den genannten Betriebsvereinbarungen hinsichtlich des Teamleiters Vertrieb und des Teamleiters Technik identisch seien.

Im Anschluss an das Schreiben des Betriebsrats vom 13.04.2007 beließ es die Arbeitgeberin bei der Eingruppierung von Frau J. in die Vergütungsgruppe 7/4. Daraufhin beschloss der Betriebsrat am 21.05.2007 das vorliegende Beschlussverfahren einzuleiten. Ferner wiederholte der Betriebsrat am 09.07.2007 in Abwesenheit von Frau B. die Beschlussfassung über die Versetzung / Eingruppierung von Frau J.

Mit seinem am 08.06.2007 eingegangenen Antrag begehrte der Betriebsrat die Eingruppierung von Frau J. in die Vergütungsgruppe 8/2, die Einholung der Zustimmung des Betriebsrats hierzu und ggf. die Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens. Mit zwei Hilfsanträgen begehrte der Betriebsrat die Einholung der Zustimmung bzw. die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens. Die Arbeitgeberin trat sämtlichen Anträgen entgegen. Sie verwies hierbei insbesondere darauf, dass die Betriebsratsvorsitzende B. anlässlich der Beschlussfassung über die "Versetzung/Beförderung" von Frau J. nach § 25 BetrVG rechtlich verhindert gewesen sei. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Sachverhalt des gefochtenen Beschlusses verwiesen.

Mit Beschluss vom 11.10.2007 wies das Arbeitsgericht die Anträge zurück. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, der Antrag Ziff. 1 sei unbegründet, weil er im Ergebnis darauf abziele, die Eingruppierung von Frau J. in die Vergütungsgruppe 7/4 aufzuheben, der Betriebsrat jedoch die Aufhebung einer unzutreffenden Eingruppierung nicht verlangen könne. Der Hilfsantrag Ziff. 2 sei ebenfalls unbegründet, weil die Arbeitgeberin mit der Betriebsratsvorlage vom 13.04.2007 sowohl die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung als auch diejenige zur Eingruppierung von Frau J. beantragt habe. Der Hilfsantrag Ziff. 3 sei unbegründet, weil der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats ein fehlerhafter Beschluss zugrunde liege. Die Betriebsratsvorsitzende B. sei wegen Interessenkollision verhindert gewesen, an der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrats betreffend die Eingruppierung von Frau J. teilzunehmen. Eine höhere Eingruppierung von Frau J. habe unmittelbar Einfluss auf die Gehaltszusammensetzung von Frau B. gehabt, weil sich aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung zu §§ 37, 38 und 78 BetrVG hierdurch unmittelbar die Höhe des Zuschlagsbetrags ändere.

Gegen den ihm am 17.01.2008 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 14.02.2008 Beschwerde eingelegt und diese am 14.03.2008 begründet. Er trägt vor, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag vom 13.04.2007 die Zustimmung sowohl zur Versetzung als auch zur Eingruppierung von Frau J. eingeholt habe. Beabsichtige der Arbeitgeber mehrere personelle Maßnahmen in einem Akt, so müsse er deutlich machen, dass er die Zustimmung des Betriebsrats zu jeder Maßnahme begehre. Selbst wenn man von einem ordnungsgemäßen Antrag der Arbeitgeberin ausgehe, habe der Betriebsrat ordnungsgemäß beschlossen, die Zustimmung zur Eingruppierung nicht zu erteilen. Die Betriebsratsvorsitzende B. sei rechtlich in der Lage gewesen, an der Betriebsratssitzung vom 16.04.2007 teilzunehmen. Hätte der Betriebsrat die Zustimmung zur Eingruppierung von Frau J. in die Vergütungsgruppe 7/4 erteilt, so hätte dies keine Auswirkungen auf die Vergütung von Frau B. gehabt. Die Zustimmungsverweigerung habe ebenfalls keinen rechtlichen Vorteil zugunsten von Frau B. bedeutet. Ein rechtlicher Vorteil wäre erst dann eingetreten, wenn die Arbeitgeberin die Zustimmung zu einer geplanten Höhergruppierung von Frau J. beantragt hätte.

Der Betriebsrat beantragt:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 11.10.2007, Az.: 6 BV 113/07, wird abgeändert.

2. Es wird beantragt, nach dem Schlussantrag des Antragstellers im Anhörungstermin zu entscheiden.

Die Arbeitgeberin beantragt:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Sie trägt vor, der Hauptantrag sei unzulässig, weil er darauf gerichtet sei, eine anderweitige Eingruppierung als von der Arbeitgeberin vorgesehen vorzunehmen. Dies entspreche in der Sache der Rückgängigmachung der vorgenommenen Eingruppierung. Die Betriebsratsvorlage vom 13.04.2007 habe einen Antrag auf Zustimmung sowohl zur Versetzung als auch zur Eingruppierung beinhaltet. In diesem Sinne habe der Betriebsrat den Antrag ohne weiteres verstanden, wie sich aus seiner Stellungnahme ergebe. Die Betriebsratsvorsitzende B. habe an der Beschlussfassung über die Eingruppierung nicht mitwirken dürfen, weil eine höhere Eingruppierung von Frau J. unmittelbar zu einer Erhöhung der monatlichen Vergütung von Frau B. geführt hätte. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats könne sowohl ein zustimmender als auch ein ablehnender Beschluss des Betriebsrats bedeutsam sein.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die Anhörungstermine verwiesen.

B

I.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Sie ist auch - von der Beschwerde gegen den Hauptantrag abgesehen - gemäß § 87 Abs. 2 in Verbindung mit § 66 Abs. 1 ArbGG, § 89 Abs. 2 ArbGG in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Gegenstand der Beschwerde sind der Hauptantrag und die beiden Hilfsanträge.

Hinsichtlich des Hauptantrags ist die Beschwerde bereits unzulässig. Nach § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Beschwerdebegründung angeben, auf welche im einzelnen anzuführenden Beschwerdegründe sowie auf welche neuen Tatsachen die Beschwerde gestützt wird. Damit fordert das Arbeitsgerichtsgesetz eine ausführliche Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdebegründung muss deutlich sagen, was sie gegen den angefochtenen Beschluss einzuwenden hat, und zwar so, dass sich schon aus dem angefochtenen Beschluss und der Beschwerdebegründung allein ergibt, welche Einwendungen gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts geltend gemacht werden (BAG 31.10.1972 - 1 ABR 4/72 - AP ArbGG 1953 § 89 Nr. 7).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung hinsichtlich des Hauptantrags nicht. Das Arbeitsgericht hat unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Begründetheit des Hauptantrags ausgeführt, dieser ziele im Ergebnis auf eine Aufhebung der Eingruppierung von Frau J. in die Vergütungsgruppe 7/4 ab. Die Aufhebung einer unzutreffenden Eingruppierung könne der Betriebsrat jedoch nicht verlangen. Mit dieser Argumentation hat sich der Betriebsrat in der Beschwerdebegründung vom 14.03.2008 nicht befasst. Erst mit Schriftsatz vom 15.05.2008 hat er eine auf den Hauptantrag zugeschnittene Begründung nachgeschoben. Dies genügt den Anforderungen des § 89 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nicht.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist - soweit sie zulässig ist - unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Betriebsrat im Verfahren nach § 101 BetrVG nicht eine andere Eingruppierung der Arbeitnehmerin J. verlangen kann (dazu 1.), die Arbeitgeberin mit ihrer Vorlage vom 13.04.2007 auch die Zustimmung zur Eingruppierung von Frau J. eingeholt hat (dazu 2.) und die Beschlussfassung des Betriebsrats aufgrund rechtlicher Verhinderung der Betriebsratsvorsitzenden B. nichtig war (dazu 3.).

1. Der Hauptantrag wäre - hätte ein ordnungsgemäßer Beschwerdeangriff vorgelegen - auch unbegründet gewesen. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Betriebsrat im Verfahren nach § 101 BetrVG keine andere Eingruppierung des Arbeitnehmers verlangen kann.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit dem Beschluss vom 18.07.1978 - 1 ABR 43/75 - AP BetrVG 1972 § 101 Nr. 1) haben die Verfahren nach § 101 BetrVG und § 99 Abs. 4 BetrVG unterschiedliche Zwecke. Das Verfahren nach § 101 BetrVG dient ausschließlich der Sicherung der Mitbestimmung des Betriebsrats. In diesem Verfahren ist nicht zu prüfen, ob dem Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht zusteht oder nicht. Diese Frage kann erst im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG geprüft werden (BAG 18.07.1978, a.a.O.; BAG 21.11.1978 - 1 ABR 91/76 - und 22.03.1983 - 1 ABR 49/81 - AP BetrVG 1972 Nr. 3 und 6).

Seit der Entscheidung vom 22.03.1983 vertritt das Bundesarbeitsgericht mit überzeugender Begründung zudem die Auffassung, dass der Betriebsrat im Verfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG vom Arbeitgeber nicht die "Aufhebung" der Eingruppierung verlangen kann. Das Ziel der Mitbestimmungssicherung wird bei Eingruppierungen dadurch erreicht, dass dem Arbeitgeber vom Gericht aufgegeben wird, die Zustimmung des Betriebsrats - sofern noch nicht geschehen - zur Eingruppierung einzuholen und bei Verweigerung der Zustimmung das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen (BAG 20.12.1988 - 1 ABR 68/87; BAG 18.06.1991 - 1 ABR 53/90 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 62 und 105; BAG 03.05.1994 - 1 ABR 58/93; BAG 26.10.2004 - 1 ABR 37/03 und BAG 12.12.2006 - 1 ABR 13/06 - AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 2, 29 und 32). Im Mitbestimmungssicherungsverfahren geht es ausschließlich um die Beseitigung eines betriebsverfassungswidrigen Zustandes; hinsichtlich der Eingruppierung ist das Verfahren "ergebnisoffen". Der Betriebsrat besitzt kein Initiativrecht im Hinblick auf die zutreffende Eingruppierung in die geltende Vergütungsordnung (BAG 18.06.1991, a.a.O.; BAG 03.05.1994, a.a.O.).

Soweit der Betriebsrat einwendet, die strikte Trennung von Mitbestimmungssicherungsverfahren und Zustimmungsersetzungsverfahren führe zu einer Verfahrensverzögerung, so ist dies zwar zutreffend. Der Gesichtspunkt der Verfahrensbeschleunigung kann aber deswegen keinen Ausschlag geben, weil das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat keinen Anspruch auf "richtige Eingruppierung" einräumt. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG beschränkt sich darauf, dass der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu der von ihm für richtig gehaltenen Eingruppierung einholt und im Falle der Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren durchführt.

2. Der erste Hilfsantrag des Betriebsrats ist unbegründet, weil die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Eingruppierung von Frau J. mit der Betriebsratsvorlage vom 13.04.2007 eingeholt hat.

a) Will der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zu einer der in § 99 Abs. 1 BetrVG aufgeführten Maßnahme einholen, so muss er deutlich machen, um welche konkrete personelle Maßnahmen es geht. Wegen der in § 99 Abs. 3 BetrVG geregelten Zustimmungsfiktion muss für den Betriebsrat zweifelsfrei zu entnehmen sein, zu welcher Maßnahme der Arbeitgeber seine Zustimmung begehrt (Fitting, BetrVG, 24. Auflage, § 99 Rz 186; Däubler, BetrVG, 9. Auflage, § 99 Rz 126). Bei der Bitte um Zustimmung handelt es sich um eine jedenfalls rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf die die Vorschriften über Willenserklärungen, d.h. auch die Vorschrift des § 133 BGB entsprechend anwendbar sind. Die Bitte um Zustimmung ist somit als empfangsbedürftige Erklärung so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. auch Richardi/Thüsing, BetrVG, 10. Aufl., § 99 Rz. 156 und 169).

b) Im Streitfall hat die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats mit einem Formularschreiben vom 13.04.2007 eingeholt. Dieses Schreiben ist rein vom Wortlaut her betrachtet nicht eindeutig. In der Betriebsratsvorlage wird die beabsichtigte personelle Einzelmaßnahme mit "Versetzung/Beförderung" beschrieben. Eindeutig wäre die Angabe "Versetzung und Eingruppierung" gewesen. Die bei der Auslegung zu berücksichtigenden Begleitumstände ergeben aber, dass die Arbeitgeberin nicht nur die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung, sondern auch diejenige zur Eingruppierung einholen wollte. So hat die Arbeitgeberin in der Betriebsratsvorlage die bisherigen und künftigen Arbeitsbedingungen unter der Angabe "neu/alt" gegenübergestellt. Die geltende und künftige Eingruppierung wird hierbei ausdrücklich angegeben. Wie sich aus der Reaktion des Betriebsrats ergibt, hat er die Vorlage richtigerweise dahingehend ausgelegt, dass seine Zustimmung zu zwei personellen Einzelmaßnahmen eingeholt werden solle, nämlich einerseits zur Versetzung und andererseits zur Eingruppierung in der neuen Funktion. So vermerkte der Betriebsrat auf der Vorlage vom 13.04.2007 handschriftlich, dass zur Einstimmung die Zustimmung erteilt, zur Eingruppierung aber verweigert werde. Der Betriebsrat hat somit erkannt, dass er, um die Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 BetrVG zu vermeiden, zu zwei personellen Einzelmaßnahmen Stellung nehmen müsse. Wenn dem Adressaten der Erklärung deren Inhalt verständlich war, dann lässt sich nicht mehr einwenden, der Gegenstand der begehrten Zustimmung sei nicht eindeutig gewesen.

3. Das Arbeitsgericht hat schließlich zutreffend entschieden, dass auch der Hilfsantrag Ziff. 2 unbegründet ist. Da der Beschluss des Betriebsrats vom 16.04.2007 über die Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung nichtig war, ist die Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG eingetreten. Der wiederholende Beschluss des Betriebsrats vom 09.07.2007 konnte den Mangel nicht mehr heilen.

a) Der Beschluss des Betriebsrats vom 13.04.2007 ist nichtig, weil er unstreitig unter der Beteiligung der Betriebsratsvorsitzenden Frau B. gefasst wurde, Frau B. jedoch gemäß § 25 BetrVG bei der Beratung und Beschlussfassung verhindert war.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betriebsratsmitglied von seiner Organtätigkeit bei Maßnahmen und Regelungen ausgeschlossen, die es individuell und unmittelbar betreffen. Dieser Grundsatz ist zwar im Betriebsverfassungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Er ergibt sich aber aus dem allgemeinen Grundsatz, dass zur Vermeidung von Interessenkollisionen niemand "Richter in eigener Sache" sein kann. In eigener Sache ist ein Betriebsratsmitglied betroffen, wenn ihn die fragliche Maßnahme unmittelbar berührt.

Als "eigene Sache" in diesem Sinne hat das Bundesarbeitsgericht angesehen, wenn der Betriebsrat über einen Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des betreffenden Betriebsratsmitglieds zu entscheiden hat (BAG 26.08.1981 - 7 AZR 550/79 - und 23.08.1984 - 2 AZR 391/83 - AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 13 und 17). In eigener Sache betroffen ist ein Betriebsratsmitglied auch dann, wenn der Betriebsrat über die Zustimmung zu dessen Abgruppierung zu entscheiden hat (BAG 03.08.1999 - 1 ABR 30/98 - AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 7). Nicht selbst betroffen ist ein Betriebsratsmitglied hingegen dann, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung von mehreren Betriebsratsmitgliedern wegen gleichartiger Pflichtverletzung beabsichtigt und die Beschlussfassung nicht zur eigenen Kündigung, sondern zu den Kündigungen der anderen Betriebsratsmitglieder erfolgt. Im letzteren Fall ist zwar ein gewisser Interessenkonflikt nicht zu verkennen. Er reicht jedoch für eine unmittelbare Betroffenheit nicht aus.

bb) Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall von einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit der Betriebsratsvorsitzenden B. auszugehen, auch wenn das Verfahren nach § 99 BetrVG nicht Frau B., sondern die Arbeitnehmerin J. betraf. Die unmittelbare und individuelle Betroffenheit ergibt sich im vorliegenden Fall aus der Regelung in § 4 Abs. 1 und 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 15.02.2007. Nach Absatz 1 der Vorschrift orientiert sich das an das freigestellte Betriebsratsmitglied zu zahlende Entgelt dynamisch an dem jeweiligen Entgelt der Vergleichspersonen. Aus Absatz 4 folgt, dass sich die Höhergruppierung einer für das betreffende freigestellte Betriebsratsmitglied benannten Vergleichsperson automatisch, d.h. ohne eine weitere zwischengeschaltete Entscheidung zugunsten des freigestellten Betriebsratsmitglied auswirkt. Nach der genannten Regelung erhält das freigestellte Betriebsratsmitglied eine monatliche Zahlung in Höhe von 50 % des Differenzbetrages zwischen der Vergütungsgruppe, in die das Betriebsratsmitglied eingruppiert ist und des regelmäßigen Monatsentgelts der Vergleichsperson, sofern eine Vergleichsperson höhergruppiert wird. Im vorliegenden Fall wäre der zu zahlende Differenzbetrag zwar denkbar gering gewesen. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten wäre das sogenannte Jahreszielgehalt von Frau J. bei einer Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe 8/2 um EUR 35,50 jährlich angestiegen. Die Höhergruppierung hätte sich zwar im weiteren Verlauf stärker bemerkbar gemacht. Wegen des Ausscheidens von Frau B. am 30.12.2007 beschränkte sich die finanzielle Auswirkung jedoch darauf, dass Frau B. 50 % des Differenzbetrags bezogen auf den Zeitraum vom 22.02. bis 30.12.2007, also rd. EUR 15,00 zusätzlich erhalten hätte.

Auf die Höhe der finanziellen Auswirkung kann es indessen nicht ankommen. Zwar ist einzuräumen, dass der geringe Betrag von rund EUR 15,00 mutmaßlich das Eigeninteresse von Frau B. nicht so stark in den Vordergrund hat rücken lassen, dass zu befürchten war, Frau B. werde die Interessen der Belegschaft nicht mehr verfolgen. Auf eine tatsächlich eingetretene Interessenkollision kommt es aber nicht an. Es genügt bereits die Möglichkeit einer Interessenkollision für eine rechtliche Verhinderung. Schon aus eigenem Interesse muss der Betriebsrat darauf bedacht sein, dass bereits der Anschein vermieden wird, ein Betriebsratsmitglied unterscheide nicht sorgfältig genug zwischen den eigenen Interessen und den Interessen der Belegschaft. Jede betragsmäßige Festsetzung eines relevanten Vorteils wäre willkürlich und würde dem Gebot einer unparteiischen und unabhängigen Amtsausübung des Betriebsrats widersprechen. Es kommt hinzu, dass sich die finanzielle Auswirkung einer möglichen Höhergruppierung von Frau J. auf das Entgelt von Frau B. aufgrund der komplizierten Vergütungsstrukturen des Entgeltrahmentarifvertrags nicht auf einen Blick übersehen ließ und im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Betriebsrats nicht absehbar war, ob der nach § 4 Abs. 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung zu zahlende Differenzbetrag auf der Grundlage der Vergütungstabellen für beurlaubte Beamte oder derjenigen für Angestellte (für Frau B. günstiger) zu berechnen sein würde (siehe das Verfahren 6 Ca 3820/07).

cc) Die in der Beschwerdebegründung hiergegen vorgetragenen Einwendungen sind nicht tragfähig. Die vom Betriebsrat vorgenommene Differenzierung zwischen einem zustimmenden und ablehnenden Beschluss des Betriebsrats zur Eingruppierung von Frau J. überzeugt nicht. Es liegt zwar auf der Hand, dass eine Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung von Frau J. in die Vergütungsgruppe 7/4 keine finanziellen Vorteile zugunsten von Frau B. zur Folge gehabt hätte. Im Falle der hier vorliegenden Zustimmungsverweigerung wurde die Arbeitgeberin aber vor die Alternative gestellt, ob sie den Konflikt mit dem Betriebsrat austrägt, indem ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleitet wird, oder aber dem Konflikt aus dem Weg geht, indem die vom Betriebsrat befürwortete Eingruppierung akzeptiert wird. Im zweiten Fall wäre ein Vorteil zugunsten von Frau B. zweifellos eingetreten. Selbst wenn die Arbeitgeberin aber ein Zustimmungsersetzungsverfahren eingeleitet hätte, wären - wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 03.08.1999 ausgeführt hat - die Eigeninteressen von Frau B. berührt gewesen. Denn die Richtigkeit der Eingruppierung von Frau J. wäre im Zustimmungsersetzungsverfahren überprüft worden. Wäre die Arbeitgeberin in diesem Verfahren unterlegen, so hätte sich Frau J. und aufgrund des in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehenen Automatismus auch Frau B. hierauf berufen können. Darauf, welchen Beschluss der Betriebsrat im konkreten Fall getroffen hat, kann es nicht ankommen. Denn das Verbot, Richter in eigener Sache zu sein, kann nur dann wirksam zur Geltung kommen, wenn sich nur einer der möglichen Beschlussinhalte vorteilhaft zugunsten des betroffenen Betriebsratsmitglieds auswirkt.

b) Die spätere Beschlussfassung des Betriebsrats am 09.07.2007, die ohne die Beteiligung von Frau B. erfolgte, konnte den Mangel des nichtigen Betriebsratsbeschlusses nicht mehr heilen. Zwar kann ein nichtiger Betriebsratsbeschluss in bestimmten Fallgestaltungen durchaus geheilt werden (BAG 10.10.2007 - 7 ABR 51/06 - NZA 2008, 369). Im Streitfall trat jedoch nach Ablauf der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG die Zustimmungsfiktion ein. Die Beschlussfassung vom 09.07.2007 kam daher zu spät.

III.

In diesem Verfahren werden nach § 12 Abs. 5 ArbGG Kosten nicht erhoben. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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