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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: 5 Ta 3/05
Rechtsgebiete: SGB IV, SGG, ArbGG, GVG, ZPO, BGB, ArbGG


Vorschriften:

SGB IV § 7
SGB IV § 28 a
SGB IV § 28 a Abs. 5
SGG § 51
ArbGG § 2
ArbGG § 2 Abs. 1
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 e
ArbGG § 48 Abs. 1
ArbGG § 78
GVG § 17 a Abs. 2
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 3
ZPO § 569
BGB § 242
ArbGG § 2 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 5 Ta 3/05

Stuttgart, 06.04.2005

Im Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 5. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Lemm ohne mündliche Verhandlung am 06.04.2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20.01.2005 - 33 Ca 10753/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

Der Kläger begehrt mit der am 07.10.2004 eingereichten Klage die Verurteilung des Beklagten dahingehend, dass ihn dieser für den Zeitraum vom 20.11.2003 bis zum 15.02.2004 bei der zuständigen AOK anmeldet.

Der Kläger war seit dem 20.10.2003 bei der späteren Insolvenzschuldnerin als Kraftfahrer beschäftigt. Diese meldete den Kläger zum 20.11.2003 bei der Krankenversicherung ab, weil der Kläger nicht mehr zur Arbeit erschien. Mit Schreiben vom 14.01.2004 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 15.02.2004. Zu der Frage, ob dem Kläger für die Zeit ab 20.11.2003 Verzugslohnansprüche zustehen, ist ein Rechtsstreit anhängig, der infolge der am 15.06.2004 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin unterbrochen ist.

Am 24.02.2004 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht, mit der er begehrte, die spätere Insolvenzschuldnerin zu verurteilen, ihn vom 20.11.2003 bis 15.02.2004 zur Krankenversicherung bzw. Sozialversicherung anzumelden. Mit Beschluss vom 07.04.2004 - S 8 KR 1162/04 - verwies das Sozialgericht Stuttgart den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Stuttgart mit der Begründung, dass die Anmeldung bzw. Abmeldung des Arbeitnehmers in der Sozialversicherung im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht sei(ABl. 19 - 22).

Am 01.07.2004 schlossen der Kläger und der zum Insolvenzverwalter ernannte Beklagte im einstweiligen Verfügungsverfahren 21 Ga 69/04 vor dem Arbeitsgericht Stuttgart einen Vergleich (ABl. 43, 44), der unter Ziffer 1. wie folgt lautet:

"Die Parteien stellen ausser Streit, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen auf die ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 14.01.2004 mit Ablauf des 15.02.2004 endete und der Kläger rückwirkend bis 15.02.2004 zur Sozialversicherung angemeldet wird."

Im Hinblick auf diesen Vergleichsabschluss nahm der Kläger die vom Sozialgericht an das Arbeitsgericht verwiesene Klage zurück.

Mit Schreiben vom 01.07.2004 bat der Beklagte die AOK um Berichtigung der Abmeldung zum 20.11.2003. Die AOK lehnte dies mit der Begründung ab, dass eine nachträgliche Anmeldung zur Sozialversicherung nur zulässig sei, wenn gleichzeitig Vergütungsansprüche für die Zeit nach dem 20.11.2003 gemeldet würden.

Der Antrag des Klägers, ihm eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 01.07.2004 zu erteilen, blieb erfolglos. Die hiergegen vom Kläger eingelegte sofortige Beschwerde wurde durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 26.11.2004 - 15 Ta 32/04 - zurückgewiesen.

Mit der Begründung, dass der Beklagte seiner Verpflichtung aus dem Vergleich vom 01.07.2004 bis heute nicht nachgekommen sei, verfolgt der Kläger sein Begehren auf Anmeldung zur Sozialversicherung erneut mit der am 07.10.2004 anhängig gemachten Klage. Die Pflicht zur Anmeldung des Beschäftigten zur Sozialversicherung gemäß § 28a SGB IV sei nur im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger öffentlich-rechtlicher Natur, nicht aber im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Gegenüber dem Arbeitnehmer sei diese Pflicht dagegen privatrechtlicher Natur, wie dies das Sozialgericht bereits mit Beschluss vom 07.04.2004 zutreffend entschieden habe. Zumindest gelte dies für die vom Beklagten im Vergleich vom 01.07.2004 übernommene Verpflichtung. Zu deren Erfüllung sei der Beklagte unabhängig vom Ausgang des unterbrochenen Verzugslohnrechtsstreits verpflichtet.

Mit Beschluss vom 20.01.2005 (ABl. 28 - 31) hat das Arbeitsgericht - der Sache nach - den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Stuttgart verwiesen. Vorliegend gehe es nicht darum, dass der Beklagte den Kläger zur Sozialversicherung anmelde, sondern darum, ob er ihn anmelden könne, nachdem die AOK die Anmeldung als derzeit unzulässig abgelehnt habe. Damit gehe es um die Frage des Umfangs der Versicherungspflicht, bei der es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 51 SGG handele. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Vergleich vom 01.07.2004, da eine vom Beklagten in diesem übernommene Verpflichtung zur Anmeldung des Klägers keinerlei rechtliche Wirkungen für das Verhältnis zwischen Krankenkasse und Kläger entfalte.

Gegen diesen ihm am 27.01.2005 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 03.02.2005 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts vom 07.04.2004 verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17.02.2005 (ABl. 52, 53) nicht abgeholfen und zur Begründung ergänzend ausgeführt, dass sich der Rechtsstreit im Hinblick darauf, dass der Beklagte versucht habe, den Kläger zur Sozialversicherung anzumelden, nicht um die Frage drehe, ob den Arbeitgeber die arbeitsvertragliche Nebenpflicht treffe, den Arbeitnehmer zur Sozialversicherung anzumelden, sondern darum, inwieweit der Kläger der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterliege.

II. Die gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG i.V.m. mit § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG an sich statthafte, gemäß § 78 ArbGG i.V.m. § 569 ZPO auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Denn für den streitgegenständlichen Anspruch des Klägers, vom Beklagten für die Zeit vom 20.11.2003 bis zum Ablauf des 15.02.2004 bei der AOK zur Sozialversicherung angemeldet zu werden, ist der vom Kläger beschrittene Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gemäß § 2 ArbGG gegeben, so dass das Arbeitsgericht diesen zu Recht gemäß § 17 a Abs. 2 GVG für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das für diesen zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs, nämlich an das Sozialgericht Stuttgart verwiesen hat.

1. Nach § 2 Abs. 1 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen nur zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten. Eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit ist gegeben, wenn der Streitgegenstand eine unmittelbare Rechtsfolge des Zivilrechts darstellt, d. h. sich die Parteien einander gleichberechtigt gegenüberstehen. Dafür ist die Natur des Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (vgl. BAG, Beschluss vom 11.06.2003 - 5 AZB 1/03 mit Nachweisen).

2. Nach § 28a SGB IV hat der Arbeitgeber gegenüber der Einzugsstelle für jeden in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten bestimmte Meldepflichten zu erfüllen, u. a. den Beschäftigten zu den genannten Versicherungen (Sozialversicherung) anzumelden. Dafür, ob eine Sozialversicherungspflicht und damit eine Pflicht zur Anmeldung bei der Einzugsstelle besteht, ist nicht das Arbeitsverhältnis maßgeblich, sondern das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis, welches mit dem Arbeitsverhältnis nicht deckungsgleich ist. Ob ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis als Voraussetzung für die Meldepflichten nach § 28 a SGB IV und die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen besteht, bestimmt sich ausschließlich danach, ob gemäß den Bestimmungen des § 7 SGB IV ein Beschäftigungsverhältnis gegeben ist, nicht aber nach arbeitsrechtlichen Vorschriften. Der Arbeitnehmer ist in die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Einzugsstelle hinsichtlich der Meldepflichten nur insoweit einbezogen, als der Arbeitgeber gemäß § 28 a Abs. 5 SGB IV dem Beschäftigen den Inhalt der jeweiligen Meldung schriftlich mitzuteilen hat. Wenn man gleichwohl eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers zur Vornahme der ihm gemäß § 28 a SGB IV obliegenden Meldungen und der ihm gemäß § 28 e SGB IV obliegenden Beitragsabführung annehmen wollte (dagegen zu Recht etwa ErfK/Koch, 5. Aufl., § 2 ArbGG Rn. 6; GK-ArbGG/Wenzel, § 2 Rn. 63), so wäre deren Bestehen und Inhalt jedenfalls von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägt und nicht von § 242 BGB, auf dem eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht beruhen würde. Es gibt keine konkreten arbeitsrechtlichen Vorschriften, die bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Inhalt der Arbeitgeber gegenüber den Sozialversicherungsträgern welche Meldungen zu erstatten hat. Demzufolge liegt hier keine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, sondern eine sozialversicherungsrechtliche Streitigkeit vor, für die ausschließlich die Sozialgerichte zuständig sind (§ 51 SGG). Dies wird im Streitfall besonders deutlich. Der Kläger erstrebt mit seiner Klage nicht etwa, dass der Beklagte - was dieser bereits getan hat - der zuständigen AOK/Einzugsstelle mitteilt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm - Kläger - und der Insolvenzschuldnerin über den 20.11.2003 hinaus bis zum 15.02.2004 fortbestanden hat. Vielmehr begehrt er mit dieser nach seinem Vorbringen vom Beklagten gegenüber der zuständigen AOK die Abgabe einer Erklärung, durch die unabhängig davon, ob ihm für diese Zeit ein Anspruch auf Vergütung gegen die Insolvenzschuldnerin zusteht, seine öffentlich-rechtliche Versicherungspflichtigkeit in den Zweigen der Sozialversicherung für die Zeit vom 20.11.2003 bis zum 15.02.2004 herbeigeführt und dadurch seine für diesen Zeitraum abgeschlossene private Versicherung hinfällig wird. Die Frage, ob ein dahingehender Anspruch besteht, beurteilt sich aber unzweifelhaft ausschließlich nach Rechtssätzen des Sozialversicherungsrechts und nicht nach solchen des Arbeitsrechts, nämlich danach, ob im fraglichen Zeitraum - auch unabhängig von einem Entgeltanspruch des Klägers - die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Versicherungspflichtigkeit vorlagen, was festzustellen Sache der Sozialversicherungsträger und gegebenenfalls der Sozialgerichte ist (vgl. BAG, Beschluss vom 30.08.2000 - 5 AZB 12/00).

3. Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des in Sachen 21 Ga 69/04 am 01.07.2004 geschlossenen Prozessvergleichs geboten. Selbst wenn der Beklagte in diesem gegenüber dem Kläger die Verpflichtung übernommen haben sollte, ihn für den Zeitraum vom 20.11.2003 bis zum 15.02.2004 rückwirkend zur Sozialversicherung anzumelden, würde diese Verpflichtung nicht anders zu beurteilen sein als eine etwaige insoweit bereits aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäß § 242 BGB herzuleitende arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Davon, dass der Beklagte durch den Vergleich eine eigenständige, von den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts unabhängige vertragliche Verpflichtung zur Begründung eines öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnisses für den fraglichen Zeitraum hat eingehen wollen, kann nicht ausgegangen werden. Dafür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Die vorstehenden Ausführungen unter II. 2. der Gründe gelten daher gleichermaßen auch für eine vom Beklagten im Vergleich vom 01.07.2004 übernommene Verpflichtung zur Anmeldung des Klägers zur Sozialversicherung.

4. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist auch nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 e ArbGG eröffnet. Die Parteien führen keinen Streit "über Arbeitspapiere". Zum einen fallen die Meldungen nach § 28 a SGB IV nicht unter diesen Begriff. Zum anderen erstrebt der Kläger mit der Klage nach seinem Vorbringen auch nicht lediglich eine Meldung, sondern eine Erklärung, durch die eine öffentlich-rechtliche Versicherungspflicht herbeigeführt wird.

5. Schließlich sind entgegen der Auffassung des Klägers im Hinblick auf die weiteren beim Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 17 Ca 12861/03 und 4 Ca 2121/04 anhängigen Rechtsstreitigkeiten auch nicht die Voraussetzungen der Zusammenhangsklage nach § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben. Denn für Zusammenhangsklagen sind ddie Gerichte für Arbeitssache dann nicht zuständig, wenn sie Rechtsstreitigkeiten betreffen, für die die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts - wie hier des Sozialgerichts - gegeben ist.

6. Die sofortige Beschwerde des Klägers war daher mit der auf § 97 Abs. 1 ZPO beruhenden Kostenfolge zurückzuweisen.

7. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG, 78 ArbGG, 574 ZPO.

Ende der Entscheidung

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