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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 14.02.2000
Aktenzeichen: 1 Sa 8/99
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, HGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 66 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 511 a
ZPO § 519 b Abs. 2
HGB § 87 c Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 Sa 8/99

Beschluss vom 14.02.2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 1. Kammer - durch den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Baur, den ehrenamtlichen Richter Strobel und den ehrenamtlichen Richter Ritter ohne mündliche Verhandlung am 14. Februar 2000 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 14.07.1999 - 4 Ca 199/99 - wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert für den 2. Rechtszug: 500,00 DM.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten ist unzulässig, weil sie einen Beschwerdewert im Sinne des § 64 Abs. 2 ArbGG i. V. mit § 511 a ZPO von mehr als 800,00 DM weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat. Sie ist deshalb nach § 519 b Abs. 2 ZPO i. V. mit § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG durch Beschluss der Kammer zu verwerfen.

Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich nach allgemeiner Auffassung um einen solchen vermögensrechtlicher Art im Sinne des § 64 Abs. 2 ArbGG (vgl. statt vieler: Germelmann-Matthes-Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 64 Rz. 16). Weil die Berufung im arbeitsgerichtlichen Urteil nicht zugelassen ist, bedarf es der Darlegung und Glaubhaftmachung des Wertes der Beschwer, um feststellen zu können, ob dieser Wert 800,00 DM übersteigt. Wenn nicht eine Geldforderung in Höhe von mehr als 800,00 DM den Gegenstand des Streits bildet, ist die Glaubhaftmachung nur entbehrlich, sofern die in vollem Umfang unterlegene Partei uneingeschränkt Berufung einlegt und der im arbeitsgerichtlichen Urteil festgesetzte Streitwert den genannten Wert übersteigt. Da dies vorliegend nicht der Fall ist, hätte der Wert der Beschwer dargelegt und glaubhaft gemacht werden müssen. Die prozessuale Pflicht zur Glaubhaftmachung des Werts der Beschwer ergab sich zudem aus weiteren Erwägungen.

In dem Beschluss vom 27. Mai 1994 (5 AZB 3/94 - AP Nr. 30 zu § 64 ArbGG) hat das Bundesarbeitsgericht in Ausfüllung des dort aufgestellten Grundsatzes angenommen, dass sich die Beschwer der Partei, die zur Duldung der Bucheinsicht nach § 87 c Abs. 4 HGB verurteilt wurde, nicht nach der Höhe des eingeklagten Anspruchs, sondern nach dem Aufwand bei der Erfüllung eines solchen Anspruchs richtet. Dem im Urteil vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert ist also in diesem Fall nicht der Wert des Beschwerdegegenstands der Berufung eines zur Auskunftserteilung usw. verurteilten Beklagten zu entnehmen. Diese Auffassung entspricht auch der überwiegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1994 - VIII ZB 27/94 - NJW-RR 1994, 2171). Die Beschwer des im ersten Rechtszug unterliegenden Arbeitgebers stellt sich nicht als Spiegelbild des Vorteils dar, den der obsiegende Arbeitnehmer aus dem Urteil ziehen kann. Anders als bei einem Zahlungsanspruch, bei dem die Zuerkennung eines Anspruchs auf der einen Seite die Zumutung eines Vermögensnachteils in derselben Höhe auf der anderen Seite nach sich zieht, sind die beiderseitigen Interessen der Parteien beim Auskunftsanspruch inkommensurabel. Sie erfordern eine voneinander unabhängige Bewertung. Soweit der obsiegende Arbeitnehmer durch das Urteil die Beseitigung einer Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen und persönlichen Interessen erreicht, muss auf der Seite des Arbeitgebers nicht ein vergleichbar großer Nachteil liegen. Er kann höher, er kann aber auch niedriger sein. Deshalb ist es in solchen Fällen erforderlich, dass der im ersten Rechtszug unterliegende Arbeitgeber die Umstände mitteilt, die eine Bewertung seiner Beschwer der Höhe nach zulassen, und dass er einen DM 800,00 übersteigenden Beschwerdewert glaubhaft macht.

Nichts anderes gilt vorliegend. Mit einem wahrheitsgemäßen Zeugnis erstrebt der Arbeitnehmer regelmäßig einen Vorteil in seinem beruflichen Fortkommen. Daran können sich im Einzelfall immense wirtschaftliche Interessen und Folgen knüpfen, die mit dem allgemein verwendeten "Regelstreitwert" von einem Monatseinkommen häufig mehr als unvollkommen bewertet werden. Ähnlich wie bei der Erfüllung des Auskunftsanspruchs kommen bei der Erfüllung des Zeugnisanspruchs auf den Arbeitgeber jedoch zunächst lediglich die Aufwendungen zu, die mit der Erstellung des Zeugnisses selbst verbunden sind. Diese sind verhältnismäßig gering und erreichen im Regelfall längstens nicht den geforderten Beschwerdewert.

Ob weitere vermögensrechtliche Einbußen im Falle der Erstellung des ausgeurteilten Zeugnisses entstehen, ist nicht ausgeschlossen, jedoch keineswegs zwingend. Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe sind im vorgegebenen Zusammenhang nicht schlüssig. Denn es fehlt die hier allein maßgebliche Darlegung und Glaubhaftmachung derjenigen Umstände, die die vermögensrechtliche Stellung der Beklagten zu beeinträchtigen drohen, sofern das arbeitsgerichtliche Urteil in Rechtskraft erwachsen würde. Dass das ausgeurteilte Zeugnis in der Aufgabenbeschreibung und in der Bewertung der Leistungen des Klägers inhaltlich unrichtig ist, hat für sich gesehen keinen vermögensrechtlichen Bezug. In Betracht kommen könnte die greifbare Befürchtung, von einem zukünftigen Arbeitgeber des Klägers wegen Schadensersatzes in Anspruch genommen zu werden, weil dieser im Vertrauen auf die Richtigkeit des unrichtigen Zeugnisses den Kläger im Hinblick darauf beschäftigt und durch dessen Schlechtleistungen geschädigt wird. Diese Argumentation könnte jedoch in Frage stehen, weil die Beklagte das jetzt umstrittene Zeugnis nicht "freiwillig" sondern auf Grund der Verurteilung durch das Arbeitsgericht zu erteilen hat. Das Zeugnis wird also nicht "in rechtswidriger Weise" erteilt. Dazu äußert sich die Beklagte jedoch nicht. Sonstige Aspekte mit vermögensrechtlichem Bezug werden, mit Ausnahme der durch die Erstellung des Zeugnisses entstehenden Kosten, nicht ersichtlich. Jedenfalls hat die Beklagte dies nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Kostenstreitwert für das Berufungsverfahren ist frei zu schätzen. Er orientiert sich an dem geschätzten persönlichen und sächlichen Aufwand, der mit der Zeugniserteilung verbunden ist.

Ende der Entscheidung

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