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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 96/06
Rechtsgebiete: TVÜ-VKA


Vorschriften:

TVÜ-VKA § 5 Abs. 6
TVÜ-VKA § 11 Abs. 1
TVÜ-VKA § 11 Abs. 3
1. Nach § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA sind kinderbezogene Entgeltbestandteile als Besitzstandszulage auch demjenigen Elternteil zu zahlen, das sich im September 2005 in Elternzeit befand und deshalb in diesem Monat keine Bezüge erhielt.

2. Eine solche Auslegung der vom Wortlaut her mehrdeutigen Tarifvorschrift ergibt sich unter Berücksichtigung eines in den §§ 5 Abs. 6 und 11 Abs. 3 TVÜ-VKA zum Ausdruck kommenden gemeinsamen Rechtsgedanken.


Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach - Kn. Radolfzell - vom 26.07.2006, Az. 6 Ca 181/06, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist der Klägerin den kinderbezogenen Ortszuschlag für ihr Kind in der Zeit ab 09.01.2006 fortzuzahlen.

Die Klägerin ist seit 25.09.2000 (nach Darstellung der Beklagten bereits seit 07.01.1997) bei der beklagten Stadt als Erzieherin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der BAT und findet nunmehr der TVöD vereinbarungsgemäß Anwendung. Die Klägerin nahm in der Zeit vom 22.07.2003 bis 08.01.2006 Elternzeit in Anspruch, um ihr Kind zu versorgen, für das sie auch das ganze Jahr 2005 über Kindergeld bezogen hat. Seit dem 09.01.2006 ist die Klägerin auf der Grundlage einer Ergänzungsvereinbarung vom 02.12.2006 zu 50 Prozent teilzeitbeschäftigt.

Im Hinblick auf die Überleitung des Bundesangestelltentarifvertrages in den TVöD findet auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien der TVÜ-VKA als Überleitungstarifvertrag Anwendung. Dessen § 11 lautet wie folgt:

"(1) Für im September 2005 zu berücksichtigende Kinder werden die kinderbezogenen Entgeltbestandteile des BAT/BAT-O/BAT-ostdeutsche Sparkassen oder BMT-G/BMT-G-O in der für September 2005 zustehenden Höhe als Besitzstandszulage fortgezahlt, solange für diese Kinder Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) ununterbrochen gezahlt wird oder ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG gezahlt würde. Die Besitzstandszulage entfällt ab dem Zeitpunkt, zu dem einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder aufgrund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, für ein Kind, für welches die Besitzstandszulage gewährt wird, das Kindergeld gezahlt wird; die Änderung der Kindergeldberechtigung hat die/der Beschäftigte dem Arbeitgeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Unterbrechungen wegen der Ableistung von Grundwehrdienst, Zivildienst oder Wehrübung sowie die Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahre sind unschädlich; soweit die unschädliche Unterbrechung bereits im Monat September 2005 vorliegt, wird die Besitzstandszulage ab dem Zeitpunkt des Wiederauflebens der Kindergeldzahlung gewährt." (2) ... (3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für

a) zwischen dem 1. Oktober 2005 und dem 31. Dezember 2005 geborene Kinder der übergeleiteten Beschäftigten.

b) ...

Die Klägerin macht die Zahlung kinderbezogener Entgeltbestandteile als Besitzstandszulage seit 09.01.2006 geltend. Sie ist der Auffassung, der Anspruch stehe ihr unabhängig davon zu, dass sie im Monat September 2005 wegen der dort noch bestehenden Elternzeit keine Bezüge erhalten hat. Die Klägerin leitet ihren Anspruch aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA ab, hält eine fiktive Anwendung des BAT in diesem Monat für genügend und sieht als einzige Voraussetzungen für die Besitzstandszulage, dass im fraglichen Monat ein Kind zu berücksichtigen gewesen sei und eine ununterbrochene Bezugsberechtigung für Kindergeld vorgelegen habe. Die Klägerin war darüber hinaus der Meinung, im Falle einer hiervon abweichenden Auslegung des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA liege eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor, weil Elternzeit weit überwiegend von Frauen in Anspruch genommen würde.

Wäre der Klägerin die begehrte Besitzstandszulage zu zahlen, betrüge sie unstreitig monatlich EUR 45,29, die die Klägerin für die Zeit vom 09.01.2006 bis 14.07.2006 beziffert und im Übrigen als zukünftige Leistung geltend macht.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 09.01.2006 bis einschließlich 14.07.2006 EUR 280,50 brutto nebst 5 Prozentpunkten Jahreszins über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin auch zukünftig zusätzlich zu dem ihr zustehenden Grundgehalt weitere EUR 45,29 monatlich zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA gewähre keine Besitzstandszulage für den vorliegenden Fall. Dies ergebe sich aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift, wonach nur im September 2005 zu berücksichtigende Kinder die Besitzstandszulage auslösten. Nach § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA seien kinderbezogene Leistungen nur fortzuzahlen, wenn auf sie im September 2005 ein Anspruch bestanden habe, dies sei bei der Klägerin aufgrund des wegen der Elternzeit ruhenden Arbeitsverhältnisses nicht der Fall gewesen. § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA verstoße auch nicht gegen das Verbot mittelbarer Geschlechterdiskriminierung, da die Vorschrift auch aus anderen Gründen ruhende Arbeitsverhältnisse, wie wegen Sonderurlaub ohne Bezüge oder Erwerbsminderungsrente auf Zeit, erfasse.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Auslegung des § 11 TVÜ-VKA im Zusammenhang mit § 5 Abs. 6 TVÜ-VKA ergebe, dass jedenfalls die Elternzeit bedingte Nichtgewährung von Vergütung im September 2005 unschädlich sei im Hinblick auf die Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA. So sei der Wortlaut des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA im Hinblick auf die vorliegende Konstellation unklar, da einerseits die Formulierung "zu berücksichtigende Kinder" zum Ausdruck bringe, dass eine tatsächliche Berücksichtigung der Kinder nicht erforderlich sein solle, andererseits könne für die gegenteilige Auffassung das Wort "fortgezahlt" ins Feld geführt werden, weshalb die von den Tarifvertragsparteien verwendeten Begrifflichkeiten zueinander widersprüchlich seien. Aus § 5 Abs. 6 und § 11 Abs. 3 TVÜ-VKA könne jedoch abgeleitet werden, dass die Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA auch dann fortzuentrichten sei, wenn bei fiktiver Betrachtung und Hinwegdenken der Elternzeit im September 2005 kinderbezogene Entgeltbestandteile zur Auszahlung gebracht hätten werden müssen. § 5 Abs. 6 TVÜ-VKA regle für die Ermittlung des Vergleichsentgelts die Situation, dass im zur Bildung des Vergleichsentgelts maßgeblichen Monat September 2005 keine oder keine vollständige Vergütung erzielt wurde und ordne an, dass das Vergleichsentgelt unter der Fiktion bestimmt werde, als hätte der jeweilige Beschäftigte für alle Tage des Monats September 2005 Bezüge erhalten. Es sei davon auszugehen, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen weder bei der Bildung des Vergleichsentgelts noch bei der Frage des Bezugs einer Besitzstandszulage schlechter behandelt werden sollten, als nicht in Elternzeit befindliche Mitarbeiter. Andernfalls wäre für den Fall, dass ein Arbeitnehmer während des laufenden Monats September 2005 Elternzeit genommen hat der (zufällige) anteilige Betrag der kinderbezogenen Entgeltbestandteile als Besitzstandszulage fortzuentrichten. So etwas würde aber der Regelungsabsicht der Tarifvertragsparteien, wie sie in den §§ 5 und 11 TVÜ-VKA insgesamt zum Ausdruck gekommen sei, widersprechen. Deshalb könne der Rechtsgedanke des § 5 Abs. 6 TVÜ-VKA auch auf die Regelung des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA übertragen werden, denn es sei von einer unbewussten Regelungslücke der Tarifvertragsparteien auszugehen. Dafür spreche auch die Regelung des § 11 Abs. 3 a TVÜ-VKA, denn in diesem Falle werde ganz offensichtlich nicht vorausgesetzt, dass die Kinder im September 2005 zu berücksichtigen waren. Es wäre widersprüchlich und kaum nachvollziehbar, wenn die Tarifvertragsparteien einer Beschäftigten, die beispielsweise im August 2005 entbunden und sodann Elternzeit in Anspruch genommen habe, keine kinderbezogenen Entgeltbestandteile als Besitzstandszulage zubilligen wollten, während eine Beschäftigte die im Oktober 2005 entbunden und sodann Elternzeit in Anspruch genommen habe durch Gewährung der Besitzstandszulage besser behandelt werde.

Gegen das ihr am 10.08.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 05.09.2006 Berufung eingelegt und diese am 06.10.2006 begründet. Sie vertritt wie bereits in erster Instanz weiterhin die Auffassung, § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA schließe schon dem Wortlaut nach, aber auch nach seinem Sinn, eine Besitzstandszulage für solche Elternteile aus, die sich im September 2005 in Erziehungsurlaub befunden hätten, denn die der Klägerin im September 2005 zustehende Höhe der kinderbezogenen Entgeltbestandteile habe sich aufgrund des ruhenden Arbeitsverhältnisses auf null belaufen und könne somit nicht fortbezahlt werden. Etwas anderes lasse sich weder aus § 5 Abs. 6 TVÜ-VKA noch aus § 11 Abs. 3 TVÜ-VKA entnehmen. § 5 Abs. 6 TVÜ-VKA betreffe ausschließlich die Ermittlung des Vergleichsentgelts und könne aufgrund der unterschiedlichen Strukturen und Zielsetzungen von Vergleichsentgelt und Kinderbesitzstandszulage nicht verallgemeinernd auf die Regelung des § 11 TVÜ-VKA übertragen werden, denn während das Vergleichsentgelt die Grundlage für die weitere Bezahlung der Angestellten auch in der neuen Tarifwelt des TVöD bilde, seien familienbezogene Entgeltbestandteile im neuen Tarifwerk nicht mehr vorgesehen. Dies entspreche auch der Zielsetzung der Tarifvertragsparteien, mit dem TVöD eine verstärkte Aufgaben- und Leistungsorientierung vorzunehmen. Mit Ausnahme der ausdrücklich geregelten Fälle habe es deshalb keine Besitzstandszulage geben sollen, weil ein Auslaufen der familienstandsbezogenen Entgeltbestandteile angestrebt worden sei. Auf § 11 Abs. 3 a TVÜ-VKA könne die Klägerin sich schon deshalb nicht berufen, weil ihr Kind nicht in dieser Zeit geboren worden sei. Eine mittelbare Diskriminierung von Frauen liege nicht vor, im Übrigen wäre sie gerechtfertigt, da sie einem wichtigen Bedürfnis, nämlich der Beseitigung mittelbarer Diskriminierungen bei der Entlohnung dienten, denn eine Zulage, die allein an den Familienstand anknüpfe, benachteilige sowohl jüngere als auch homosexuelle Beschäftigte mittelbar. Deshalb handle es sich bei der Absicht Beschäftigte unabhängig von ihrem Alter und Familienstand und ihrer sexuellen Orientierung allein nach ihrer Leistung zu vergüten um ein wichtiges Ziel, dem die Tarifvertragsparteien durch Abschaffung der familienstandsbezogenen Bezahlung Rechnung getragen hätten.

Die Beklagte stellt den Antrag:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach - Kn. Radolfzell - vom 26.07.2006, Az. 6 Ca 181/06, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Argumentation des Arbeitsgerichts an, vertritt allerdings weiterhin die Ansicht, dass bereits die Wortlautauslegung der Vorschrift zu ihrem Anspruch auf die Besitzstandszulage führe, denn allein das Wort "zu berücksichtigende Kinder" enthalte eine Fiktion mit der Folge, dass kinderbezogene Entgeltbestandteile dann zu zahlen seien, wenn die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter im September 2005 Kinder habe und Kindergeld ausgezahlt bekomme, während sich die Höhe der Besitzstandszulage daran zu orientieren habe wie hoch sie gewesen wäre, wenn der betroffene Arbeitnehmer/die betroffene Arbeitnehmerin im September 2005 im nicht ruhenden Arbeitsverhältnis gestanden hätte und ihr/ihm in diesem Fall Entgelt gezahlt worden wäre. Ob kinderbezogene Entgeltbestandteile tatsächlich gezahlt wurden oder der Klägerin zugestanden hätten, sei nicht erheblich.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ausgeführte Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Besitzstandszulage nach § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA in unstreitiger Höhe. Auf die Begründung des Arbeitsgerichts hierzu wird ausdrücklich Bezug genommen. Das Berufungsgericht schließt sich der Argumentation des Arbeitsgerichts in vollem Umfang an und beschränkt sich in seinen Ausführungen auf einige Ergänzungen, die durch das Vorbringen der Parteien im zweiten Rechtszug angebracht erscheinen.

1. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass der Wortlaut des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA nicht eindeutig ist. Die Formulierung "zu berücksichtigende Kinder" deutet auf eine Fiktion hin, die den Anspruch nicht in Abhängigkeit vom tatsächlichen Bezug kinderbezogener Entgeltbestandteile stellen wollte, sondern lediglich davon, dass für vorhandene Kinder ein Anspruch auf Kindergeld bestand.

Dafür spricht die Bedeutung, die die Tarifvertragsparteien dem Kindergeldbezug als Anspruchsvoraussetzung beimaßen, indem sie diesem und seiner Auswirkung auf den Anspruch auf die Besitzstandszulage 85 Prozent der tariflichen Formulierung widmeten. Dafür spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien eben nicht, wie von der Beklagten zunächst in ihrer Berufungsbegründung ausgeführt, von "im September 2005 berücksichtigte Kinder" ausgingen, also nicht davon, dass Kinder im fraglichen Monat tatsächlich berücksichtigt sein mussten, obwohl sie dies mit der in der Berufungsbegründung vorgetragenen Formulierung unschwer hätten zum Ausdruck bringen können.

Würden aber mit der Formulierung "zu berücksichtigende Kinder" fiktiv die Kinder gemeint sein, die im September 2005 geboren waren und für die Kindergeld gezahlt wurde oder aus den in § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA dargestellten Gründen nicht gezahlt wurde, so wäre zwangsläufig auch die Formulierung "in der für September 2005 zustehenden Höhe" als Fiktion zu verstehen; denn wenn im September 2005 zu berücksichtigende Kinder tatsächlich nicht berücksichtigt wurden, für sie also keine kinderbezogenen Entgeltbestandteile gezahlt worden sind, weil beispielsweise ein Elternteil sich in Elternzeit befand, so stand dem Elternteil zwangsläufig kein kinderbezogener Entgeltbestandteil zu, konnte also auch nicht der Höhe nach bestimmt werden. Der Widerspruch ließe sich nur so lösen, dass der Fiktion hinsichtlich der zu berücksichtigenden Kinder auch die Fiktion der dann zustehenden Höhe der kinderbezogenen Entgeltbestandteile folgen müsste.

Dieser Auslegung könnte entgegenstehen, dass nach der Formulierung des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA eine Besitzstandszulage fort gezahlt werden soll, was dafür sprechen könnte, dass kinderbezogene Entgeltbestandteile zumindest einmal gezahlt worden sein müssten. Auch dies schließt allerdings nicht zwingend Elternteile aus, die im September 2005 Elternzeit in Anspruch nahmen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Kinder, deren ein Elternteil sich im September 2005 in Elternzeit befanden, vor deren Eintritt kinderbezogene Entgeltbestandteile erhielten. Auch in einem solchen Falle würde, wenn auch nach Unterbrechung, eine Fortzahlung kinderbezogener Entgeltbestandteile als Besitzstandszulage möglich sein. Sollte die Darstellung der Beklagten zutreffen, dass das Kind der Klägerin bereits am 02.02.1994 geboren wäre, so wäre im vorliegenden Falle sogar davon auszugehen, dass die Klägerin vor Antritt ihres Erziehungsurlaubs kinderbezogene Entgeltbestandteile erhalten hätte.

2. Da der Wortlaut des § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA nicht eindeutig ist, muss die Auslegung der Tarifregelung über den reinen Tarifwortlaut hinaus und ohne dessen Überbetonung den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien berücksichtigen, soweit er nur in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (BAG 16.10.2002 - 4 AZR 429/01 - AP Nr. 181 zu § 1 TVG - Tarifverträge: Metallindustrie). Zu Recht hat das Arbeitsgericht insoweit auf die Rechtsgedanken der §§ 5 Abs. 6 und 11 Abs. 3 TVÜ-VKA zurückgegriffen.

a) Das Arbeitsgericht hat sich bei seiner Auslegung zurecht auf die Vorschrift des § 5 Abs. 6 TVÜ-VKA gestützt. Dort heißt es: Für Beschäftigte, die nicht für alle Tage im September 2005 oder für keinen Tag dieses Monats Bezüge erhalten, wird das Vergleichsentgelt so bestimmt, als hätten sie für alle Tage dieses Monats Bezüge erhalten. ... Dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien die Fiktion des § 5 Abs. 6 TVÜ-VKA einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält, der auch für § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA maßgeblich ist, wird durch das vom Arbeitsgericht zitierte Beispiel deutlich, wonach ansonsten einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin, die während des laufenden Monats September 2005 Elternzeit genommen hat, lediglich ein (zufälliger) anteiliger Betrag der kinderbezogenen Entgeltbestandteil als Besitzstandszulage fortentrichtet werden müsste. Eine solche Rechtsfolge kann in der Tat von den Tarifvertragsparteien nicht beabsichtigt gewesen sein. Vielmehr ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 5 und 11 TVÜ-VKA, dass die Vergütungsansprüche für September 2005 nicht konkret, sondern abstrahierend berücksichtigt werden müssen.

b) Dies hat das Arbeitsgericht auch vollkommen zu Recht aus der Vorschrift des § 11 Abs. 3 a TVÜ-VKA abgeleitet, wonach hinsichtlich der Besitzstandszulage für zwischen dem 01.10. und 31.12.2005 geborene Kinder übergeleiteter Beschäftigter der § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA entsprechend gelten soll. Da für in dieser Zeit geborene Kinder weder im September 2005 noch zuvor kinderbezogene Entgeltbestandteile gezahlt worden sein können, ist der Verweis auf § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA nur so zu verstehen, dass eine Besitzstandszulage für die in den letzten drei Monaten des Jahres 2005 geborenen Kinder "fortgezahlt" werden soll, obwohl eine entsprechende Zahlung zuvor zu keiner Zeit geleistet wurde, von einem Besitzstand, der zu wahren wäre, also nicht ausgegangen werden kann. Dabei kann § 11 Abs. 3 TVÜ-VKA auch nicht einschränkend nur so verstanden werden, dass die betroffenen Beschäftigten für die maximal drei letzten Monate des Jahres 2005 kinderbezogene Leistungen beanspruchen können, denn die entsprechende Anwendung von § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA, der gerade eine Besitzstandszulage regeln will, kann nur bedeuten, dass kinderbezogene Leistungen auch über den 01.01.2006 hinaus beansprucht werden können, solange für das im fraglichen Zeitraum geborene Kind Kindergeld gezahlt oder nur wegen der in § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA genannten Gründe nicht gezahlt wird (Dassau/Langenbrink, TVöD Schnelleinstieg ins neue Tarifrecht, B 3.4). Dass aber die Tarifvertragsparteien eine Regelung dergestalt hätten treffen wollen, wonach Elternteile deren Elternzeit nach dem 30.09.2005 endete, schlechter gestellt werden sollten als solche, deren Kinder erst in den letzten drei Monaten des Jahres 2005 geboren wurden, kann nicht angenommen werden.

c) Dafür, dass die Tarifvertragsparteien mit § 11 Abs. 1 TVÜ-VKA Elternteile von der Besitzstandszulage nicht ausschließen wollten, die sich im September 2005 in Elternzeit befanden und nur deshalb keine kinderbezogenen Leistungen erhielten, spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien offenbar an einer Klarstellung, Ergänzung oder Änderung der tarifvertraglichen Regelung arbeiten. Dafür spricht auch, dass zwischenzeitlich im Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TV-Ü Länder) zur im Wesentlichen gleichlautenden Vorschrift in § 11 Abs. 1 TVÜ-Länder eine Protokollerklärung aufgenommen wurde, wonach die Unterbrechung der Entgeltzahlung bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen Elternzeit und anderen Sachverhalten unschädlich sein soll. Am Abschluss des genannten Tarifvertrages, bei dem ersichtlich der streitgegenständliche im Wesentlichen abgeschrieben wurde, war immerhin auf Arbeitnehmerseite der gleiche Tarifvertragspartner beteiligt.

d) Für die vom Arbeitsgericht und auch vom Berufungsgericht vertretene Auslegung des § 11 TVÜ-VKA spricht schließlich auch, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Tarifvertragsparteien eine Regelung treffen wollten, die sich nicht der Gefahr aussetzt, wegen unzulässiger mittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts unwirksam zu sein. Eine solche Gefahr aber wird im Hinblick darauf, dass ca. 97 Prozent der Beschäftigten in Elternzeit Frauen sind, durchaus gesehen (Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622 ff.; Schwerdle/Brennecker TVöD in der Praxis, S. 184; Arbeitsgericht Göttingen 22.06.2006 - 2 Ca 55/06 -; a. A. LAG Köln 30.11.2006 - 5 Sa 973/06 -).

Da die Beklagte mit ihrer Berufung unterlegen ist, hat sie nach § 97 ZPO ihre Kosten zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist die Revision zum Bundesarbeitsgericht zulässig. Dies bereits deshalb, weil die Entscheidung von der des Landesarbeitsgericht Köln vom 30.11.2006 - 5 Sa 973/06 - abweicht.

Ende der Entscheidung

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