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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: 11 Ta 26/08
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 257
1. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeberzuschuss nach § 257 SGB V hat seine Grundlage im Recht der Sozialversicherung.

2. Klagen auf Zahlung des Zuschusses sind deshalb vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu führen.

3. Dies gilt auch für den umgekehrten Fall der Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs, wenn der Arbeitgeber einen Beitragszuschuss zu Unrecht gezahlt hat.


Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 03.06.2008, 3 Ca 159/08 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe: I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Rückzahlung von Arbeitgeberzuschüssen zur privaten Krankenversicherung.

Der Beklagte war bei der Klägerin zwischen März 2003 und Oktober 2006 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Er hatte eine private Krankenversicherung abgeschlossen, deren Prämie die Klägerin in hälftiger Höhe bezuschusste. Zu diesem Zweck zahlte die Klägerin an den Beklagten insgesamt 6.560,66 EUR.

Mit Bescheid vom 21.11.2007 stellte die Rentenversicherung fest, dass der Beklagte die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit nicht erfüllt habe, weil die Jahresentgeltgrenze nicht überschritten worden sei. Sie forderte die Klägerin auf, die dem Beklagten gezahlten Zuschüsse zurückzufordern, weil es sich ansonsten um beitragspflichtiges Arbeitsentgelt handle.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet, weil ein bereicherungsrechtlicher Anspruch im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag zwischen den Parteien streitig sei. Der Beklagte hält die Sozialgerichte für zuständig, weil die Frage zu klären sei, ob Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe. Sozialversicherungsrechtlich sei auch die Frage, wer letztlich die Verantwortung für die möglicherweise fehlerhafte Auszahlung des Zuschusses trage. Hiervon hänge auch die Begründetheit des geltend gemachten Entreicherungseinwandes ab.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 03.06.2008 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für nicht zulässig erachtet und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Freiburg verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss nach § 257 SGB V habe seine Grundlage im Recht der Sozialversicherung und damit im öffentlichen Recht. Nichts Anderes gelte für den hier vorliegenden umgekehrten Fall, dass ein vermeintlicher Anspruch eines Arbeitnehmers auf Zuschuss zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung vom Arbeitgeber erfüllt wurde und sich hinterher herausstelle, dass die Voraussetzungen nicht vorlägen. Der hieraus folgende bereicherungsrechtliche Anspruch des Arbeitgebers ergebe sich zwar aus dem bürgerlichen Recht, die Frage jedoch, ob ohne Rechtsgrund gezahlt wurde, ergebe sich ausschließlich aus dem Recht der Sozialversicherung und damit dem öffentlichen Recht. Maßgebend sei allein, dass sich der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Sozialversicherungsrechts geprägt sei.

Gegen die ihr am 11.06.2008 zugestellte Entscheidung des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 17.06.2008 sofortige Beschwerde eingelegt und zu dieser ausgeführt, bei der eingereichten Klage gehe es um freiwillige Zahlungen der Klägerin im arbeitsvertraglichen Synallagma, der insoweit nunmehr geltend gemachte Bereicherungsanspruch finde seine Grundlage im Zivilrecht, weshalb die Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig sei. Der Beklagte ist der sofortigen Beschwerde entgegen getreten mit dem Hinweis, dass der Bereicherungsanspruch nicht arbeitsrechtlich, sondern sozialversicherungsrechtlich geprägt sei, denn es gehe um die Voraussetzung der Gewährung des Zuschusses nach § 257 SGB V und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Überprüfung der Sozialversicherungspflicht des Gehalts des Arbeitnehmers.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 08.07.2008 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist an sich statthaft. Sie ist auch form- und fristgerecht eingereicht worden und damit zulässig, begründet ist sie jedoch nicht. Das Arbeitsgericht hat zutreffend den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als nicht gegeben angesehen und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Freiburg verwiesen.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeberzuschuss nach § 257 SGB V seine Grundlage im Recht der Sozialversicherung und damit im öffentlichen Recht hat. Klagen auf Zahlung des Arbeitgeberzuschusses sind demgemäß vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu führen. So hat es das Bundesarbeitsgericht nach ursprünglich entgegen stehender Auffassung seit dem Beschluss des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 04.06.1974 (GmS-0GB 2/73, NJW 74, 2087) akzeptiert und sich verteidigend gegenüber entgegenstehender Auffassungen in der Literatur zu eigen gemacht (BAG, 01.06.1999, 5 AZB 34/98, NZA 99/1174). Dies deshalb, weil die in § 257 SGB V normierte Rechtsfolge - Zahlung eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag - auf dem Gebiet der Sozialversicherung liegt. Das ist sowohl dann der Fall, wenn der Angestellte bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, aber auch bei Ersatzkassen und ebenso im Bereich der privaten Krankenversicherung, denn eine bei diesen bestehende Versicherung hat der Gesetzgeber, wenn die Vertragsleistungen der Art nach mindestens denen der gesetzlichen Krankenkasse entsprechen, einer Versicherung bei einem Träger der Sozialversicherung gleichgestellt und sie mithin als "Ersatzversicherung" anerkannt.

Die durch § 257 SGB V begründeten Ansprüche sind, da sie hinsichtlich Voraussetzungen und Rechtsfolgen auf das Recht der Sozialversicherung verweisen und einem ihr eigentümlichen Versicherungszweck dienen den Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des SGB und damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Nach außen kommt dies darin zum Ausdruck, dass die Ansprüche im SGB V geregelt worden sind. Der Standort einer Vorschrift ist zwar für sich allein kein eindeutiges Kriterium für die Qualifikation der auf ihr beruhenden Ansprüche. Immerhin ist aber diese Tatsache ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Vorschrift zu diesem Rechtsgebiet gehört.

Die öffentlich- rechtliche Natur der Ansprüche aus § 257 SGB V wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die Beteiligten - Arbeitgeber und Arbeitnehmer - nicht in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern einander gleichgeordnet sind. Eine gleichgeordnete Beziehung zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten ist dem Recht der Sozialversicherung nicht fremd. Insbesondere werden Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Berechnung und Anrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen von jeher als öffentlich rechtlich angesehen. Im Übrigen kennt das Klagesystem der Sozialgerichtsbarkeit die Leistungsklage auch bei Rechtsansprüchen, die nicht durch Verwaltungsakt festzustellen sind. Dass im Rahmen eines Rechtsstreits nach § 257 SGB V auch privatrechtliche Vorfragen entscheidungserheblich sein können ist nicht auszuschließen, kommt aber im sozialgerichtlichen Verfahren auch sonst vor. Im Vordergrund werden jedoch Fragen aus dem Bereich der Sozialversicherung stehen. Klagen nach § 257 SGB V sind nach all dem durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu entscheiden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Kläger bei einem Träger der Sozialversicherung oder bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert ist. Denn beim Anspruch auf den Beitragszuschuss handelt es sich um einen dem Sozialversicherungsbeitrag ähnlichen Anspruch (Jahn/Freudenberg, SGB V § 257, Rz 3/Klose).

2. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass für den vorliegenden umgekehrten Fall der Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs nichts Anderes gelten kann. Hier wie da, steht im Vordergrund die Frage, ob der Arbeitnehmer nach § 257 SGB V einen Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss hat. Hat er diesen, so ist der Zuschuss mit Rechtsgrund gezahlt worden, nämlich mit dem Rechtsgrund des § 257 SGB V. Dies zu klären aber ist eine sozialversicherungsrechtliche Frage, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, für die Entscheidung dieser und ähnlicher Fragen sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit besser gerüstet, als die Arbeitsgerichte, sie stehen ihnen von der Sache her näher, was nicht allein die Zulässigkeit des Sozialrechtswegs begründen kann, aber neben den schon angeführten Überlegungen das gefundene Ergebnis stützt (gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss v. 04.06.1974 GMS-OGB 2/73 NJW, 1974 2087). Da also der Beitragszuschuss öffentlich- rechtlicher Natur ist muss auch für die Rückforderung desselben, soweit er zu Unrecht gezahlt wurde, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben sein (Jahn/Freudenberg, SGB V, § 257 Rz 10 (Klose)).

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 ZPO.

Für die Klägerin wurde die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, da die grundsätzliche Frage, ob der Bereicherungsanspruch ebenso wie der umgekehrte Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss in der Sozialgerichtsbarkeit geltend gemacht werden muss, bislang nicht höchstrichterlich entschieden ist.

Ende der Entscheidung

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