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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 11 TaBV 3/05
Rechtsgebiete: BetrVG, MTV, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 37 Abs. 2
BetrVG § 37 Abs. 4
BetrVG § 37 Abs. 5
BetrVG § 38
BetrVG § 40
BetrVG § 40 Abs. 1
BetrVG § 78
BetrVG § 78 Abs. 2
BetrVG § 78 Satz 2
MTV § 16
BGB § 134
BGB § 269
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Im Namen des Volkes Beschluss

Aktenzeichen: 11 TaBV 3/05

Verkündet am 27.07.2006

Im Beschlussverfahren

hat das Landesarbbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - 11. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bernhard, den ehrenamtlichen Richter Albrecht und den ehrenamtlichen Richter Kresien auf die mündliche Verhandlung vom 27.07.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Villingen-Schwenningen - Az. 16 BV 5/05, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller macht im Wege des Beschlussverfahrens Fahrtkosten als freigestelltes Betriebsratsmitglied von seinem Wohnort zum Betriebssitz der Antragsgegnerin geltend.

Der seit 01.10.1979 bei der Antragsgegnerin beschäftigte Antragsteller war bis zum Jahre 2001 als Filialleiter in der Filiale der Antragsgegnerin in D. eingesetzt. Seit 2002 ist er als Betriebsratsmitglied freigestellt, seit der letzten Wahl fungiert er weiterhin in Freistellung, nunmehr als Betriebsratsvorsitzender. Das durchschnittliche Monatsgehalt des Antragstellers beläuft sich auf € 3.023,00 brutto. Seit seiner Freistellung im Jahr 2002 fährt der Antragsteller regelmäßig von seinem Wohnort in H. nach B., dem Firmen- und Betriebssitz der Antragsgegnerin. Dort befindet sich auch das Betriebsratsbüro.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller ebenso wie dem früheren Betriebsratsvorsitzenden bis Oktober 2004 Fahrtkosten in Höhe von € 0,30 pro Kilometer für die Fahrtstrecke vom Wohnort bis zum Firmensitz gezahlt. Die Abrechnung und Bezahlung erfolgte stets gemeinsam mit sonstigen durch Betriebsratstätigkeiten entstandenen Fahrtkosten als Betriebsratskosten. Seit einer Betriebsprüfung und einer damit einhergehenden rechtlichen Neubewertung des Vorgangs im November 2002 verweigert die Antragsgegnerin die Erstattung der Anfahrtkosten.

Der Antragsteller hält die Antragsgegnerin für verpflichtet, die Anfahrtskosten von seinem Wohnort zum Betriebssitz zu erstatten. Er ist lediglich dazu bereit einen Abzug der Kosten, die durch die Anfahrt von seinem Wohnort bis zur früheren Filiale angefallen waren, hinzunehmen. Bei den so berechneten Fahrtkosten handle es sich um Kosten des Betriebsrats. Darüber hinaus seien sie zu erstatten infolge einer bereits 1989 geschlossenen innerbetrieblichen Vereinbarung mit dem Betriebsratsvorsitzenden. Im Übrigen macht er Vertrauensschutzgesichtspunkte geltend.

Der Antragsteller hat beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat November 2004 für die Hin-/Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 652,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Dezember 2004 für die Hin-/Rückfahrt von H. nach B. i. H. von € 427,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragzustellung zu zahlen.

3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Januar 2005 für die Hin-/Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 652,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragzustellung zu zahlen.

4. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Februar 2005 für die Hin-/Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 652,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.

5. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat März 2005 für die Hin-/Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 495,00 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.

6. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat April 2005 für die Hin-/Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 765,00 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.

7. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Mai 2005 für die Hin-/Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 562,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.

8. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Juni 2005 für die Hin-/Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 495,00 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.

9. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Juli 2005 für die Hin-/Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 652,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragstellung zu zahlen.

10. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Die Antragsgegnerin hat Abweisung der Anträge beantragt und die Auffassung vertreten, ein Rechtsanspruch des Antragstellers gemäß § 40 BetrVG bestehe nicht, hieran ändere auch die jahrelange rechtswidrige Praxis zur Kostenerstattung nichts. Insoweit habe die Antragsgegnerin sich in einem Rechtsirrtum befunden und sich stets nur betriebsverfassungsrechtlich korrekt verhalten wollen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze und auf den Sachverhalt des arbeitsgerichtlichen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller habe weder einen Anspruch nach § 40 BetrVG noch aufgrund der regelmäßigen Zahlungen bis Oktober 2004. Im Einzelnen hat es ausgeführt, nur solche Fahrtkosten, die aufgrund konkreter zu erledigender Betriebsratstätigkeiten angefallen seien, würden zu den zu erstattenden Aufwendungen zählen. Die Erstattung von Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dagegen würde gegen den Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Betriebsratstätigkeit verstoßen und gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG. Es sei grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, sich auf seine Kosten in der Betriebsstätte zur Arbeitsleistung einzufinden. Freigestellte Betriebsratsmitglieder aber hätten infolge ihrer Freistellung die Pflicht, während ihrer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit am Sitze des Betriebsrats anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratstätigkeiten bereitzuhalten. Dies sei eine gesetzliche Rechtsfolge der Freistellung des Betriebsrats von seiner beruflichen Tätigkeit. Mit der Freistellung ändere sich gegebenenfalls daher der Ort der Leistungserbringung. Hieran ändere auch nichts die frühere Erstattung entsprechender Reisekosten durch die Antragsgegnerin. Dies sei unter Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG erfolgt und könne deshalb einen Anspruch wegen Vertrauensschutzes oder betrieblicher Übung nicht begründen. Auch auf eine vom Antragsteller behauptete innerbetriebliche Vereinbarung mit dem früheren Betriebsratsvorsitzenden könne der Antragsteller sich nicht berufen, auch eine solche, wäre sie geschlossen worden, müsste wegen Verstoßes gegen § 78 Satz 2 BetrVG als gesetzeswidrig angesehen werden.

Gegen den ihm am 07.12.2005 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts hat der Antragsteller am 29.12.2005 Beschwerde eingelegt und diese vor Ablauf der verlängerten Begründungsfrist am 06.03.2006 begründet. Er wiederholt seine Rechtsauffassung und trägt ergänzend vor, er sei ohne die Freistellung als Betriebsratsmitglied nicht verpflichtet, die nunmehr täglich anfallende längere Strecke zurückzulegen, denn die Filiale D. sei der arbeitsvertragliche Erfüllungsort. Wäre der Kläger oder ein anderer Arbeitnehmer unabhängig vom Betriebsratsamt nach B. versetzt worden, hätte man ihm fairerweise anbieten müssen, die Mehrkosten für den zusätzlichen Fahraufwand auszugleichen. Mit einem solchen versetzten Mitarbeiter aber sei der Kläger als freigestellter Betriebsrat gleichzubehandeln. Den vom Arbeitsgericht herangezogene Gesichtspunkt, die bisherige Zahlungspraxis und die getroffene Vereinbarung mit dem Betriebsratsvorsitzenden verstoße gegen § 78 Satz 2 BetrVG, kann der Antragsteller nicht nachvollziehen.

Der Kläger stellt die Anträge:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat November 2004 für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 652,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

2. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Dezember 2004 für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 427,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

3. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Januar 2005 für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 652,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

4. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Februar 2005 für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 652,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

5. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat März 2005 für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 495,00 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

6. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat April 2005 für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 765,00 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

7. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Mai für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 562,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

8. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Juni 2005 für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 495,00 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

9. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, an den Antragsteller zu Ziff. 1 Fahrtkosten für den Monat Juli 2005 für die Hin- und Rückfahrten von H. nach B. i. H. von € 652,50 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Antragszustellung zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie schließt sich in vollem Umfang der Argumentation des Arbeitsgerichts an und verweist ergänzend auf die Ausschlussfristen des § 16 Manteltarifvertrag für die Fleischwarenindustrie in Bayern, der eine Regelung beinhalte, der der Antragsteller nicht genügt habe.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren richtig entschieden. Auf die ausführliche und einschränkungslos zutreffende Begründung kann deshalb vollumfänglich verwiesen werden, lediglich einige ergänzenden Anmerkungen sind angebracht:

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erstattung seiner Fahrtkosten an den Betriebssitz in B. und zwar weder unter dem Gesichtspunkt des § 40 Abs. 1 BetrVG noch unter dem der betriebsverfassungsrechtlichen Zusage, einer betrieblichen Übung oder dem Vertrauensschutz. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Die Kosten des Betriebsrats im Sinne dieser Vorschrift können auch Aufwendungen eines Betriebsratsmitglieds umfassen, wenn und soweit sie durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstanden sind. Hierzu zählen Fahrtkosten, die das Betriebsratsmitglied zur Durchführung konkreter Betriebsratstätigkeiten aufgewendet hat. Für Kosten aus Anlass von Fahrten zwischen dem Betrieb und der Wohnung des Betriebsratsmitglieds gilt dies allerdings nur insoweit, als das Betriebsratsmitglied nicht hätte in den Betrieb fahren müssen, wenn nicht die konkrete Betriebsratstätigkeit von ihm zu erledigen gewesen wäre. Fahrtkosten, die das Betriebsratsmitglied auch ohne Rücksicht auf die Erledigung konkreter Betriebsratstätigkeiten hätte aufwenden müssen, um seiner Pflicht zu genügen, sich im Betrieb zur Arbeit bereit zu stellen, sind keine Kosten die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstanden sind (BAG 28.08.1991 - 7 ABR 46/90 - DB 1991, 2594 ff.).

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Fahrtkosten nach B. wären ihm nicht entstanden, wäre er nicht als Betriebsrat freigestellt worden. Dann hätte er sich täglich lediglich nach D. in die dortige Filiale begeben müssen, deren Leiter er bis zu seiner Freistellung war. Infolgedessen hätte er nur die Wegekosten von seiner Wohnung in die Filiale D. auf sich nehmen müssen, nicht aber die wesentlich höheren Fahrtkosten an den weiter entfernten Betriebssitz in B.. Mit seiner Argumentation beachtet der Antragsteller jedoch nicht, dass er gerade infolge seiner Freistellung die Pflicht erhielt, während seiner arbeitsvertraglichen Arbeitszeit am Sitz des Betriebsrats im Betrieb in B. anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratstätigkeiten bereit zu halten. Mit der Freistellung endete nämlich die Pflicht des Antragstellers, die Tätigkeit als Filialleiter in der Filiale D. zu erbringen. Die neu eingegangene Verpflichtung der Tätigkeit am Sitz des Betriebsrats entstand deshalb, weil sonst gegebenenfalls weitere, nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder zur Erledigung notwendiger Betriebsratsaufgaben für den konkreten Einzelfall gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer Arbeitspflicht hätten befreit werden müssen. Deshalb ist der Antragsteller von der grundsätzlichen Anwesenheitspflicht im Betrieb nur entbunden, soweit es zur Erfüllung ihm obliegender Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist (vgl. BAG 31.05.1989 - 7 AZR 277/88 - AP Nr. 9 zu § 38 BetrVG 1972). Die Pflicht, sich für Betriebsratstätigkeiten im Betrieb bereitzuhalten, tritt als gesetzliche Rechtsfolge der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds von seiner beruflichen Tätigkeit nach § 38 BetrVG ein. Mit der Freistellung des Antragstellers änderte sich daher der Ort der Leistungserbringung im Sinne des § 269 BGB in vollem Umfang. Der bisherige Leistungsort in D. wurde ersetzt durch den Leistungsort in B..

Mit dem Wechsel des Leistungsortes aber stellt sich die Anfahrt des Klägers von seiner Wohnung an den Betriebssitz in B. als Betätigung der persönlichen Lebensführung dar. Im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG erstattungsfähig sind aber nur solche persönliche Aufwendungen eines einzelnen Betriebsratsmitglieds, die ihm über seine persönliche Lebensführung hinaus zur Erledigung konkreter ihm obliegender Betriebsaufgaben entstanden sind. Es würde gegen den Grundsatz der Unentgeltlichkeit wie auch gegen das gesetzliche Begünstigungsverbot verstoßen, Reisekosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die für das Betriebsratsmitglied nicht zusätzlich für gesonderte Fahrten zur Erledigung konkreter Betriebsratstätigkeiten angefallen sind, sondern auch angefallen wären, wenn nicht konkrete Betriebsratstätigkeit zu leisten gewesen wäre, als durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandene Kosten im Sinne des § 40 Abs. 1 BetrVG anzusehen. Denn dann würde das Betriebsratsmitglied von einem Teil des Aufwands für seine persönliche Lebensführung befreit. Es ist aber grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, sich auf seine Kosten in der Betriebsstätte zur Arbeitsleistung einzufinden. Hieran ändert sich nichts, wenn anstelle der nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeit konkrete Betriebsaufgaben zu erledigen sind, der Arbeitnehmer indessen zur Erbringung der ihm sonst obliegenden Arbeitsleistung gleichermaßen den Weg zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb und zurück auf seine Kosten hätte überwinden müssen (vgl. BAG AP Nr. 28 zu § 40 BetrVG 1972).

Dem Antragsteller ist durchaus Verständnis entgegenzubringen, wenn er beklagt, durch die Freistellung größere Opfer auferlegt zu bekommen als ein nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied, und wenn er es darüber hinaus für unzumutbar hält, bei gleichem Gehalt nunmehr erheblich höhere Fahrtkosten tragen zu müssen, als wenn er nicht zur Erfüllung seiner Betriebsratspflichten freigestellt worden wäre. Mit beiden Argumenten hat sich das Bundesarbeitsgericht aber in der Entscheidung vom 28.08.1991 - 7 ABR 46/90 - DB 1991, 2594 ff. auseinander gesetzt. Dort wird darauf hingewiesen, dass die nachteiligen Folgen für ein freigestelltes Betriebsratsmitglied durchaus größer sein können als für ein nicht von seinen beruflichen Tätigkeit freigestelltes. Dies habe der Gesetzgeber auch erkannt und dementsprechend den Zeitraum für die Weiterzahlung des auch bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern nach § 37 Abs. 4 BetrVG zu bemessenden Arbeitsentgeltes und für die Beschäftigung nach § 37 Abs. 5 BetrVG auf zwei Jahre nach Ablauf der Amtszeit für Mitglieder des Betriebsrates erhöht, die drei volle aufeinander folgende Amtszeiten freigestellt waren. Das Bundesarbeitsgericht hat ferner darauf hingewiesen, dass ein Betriebsratsmitglied auch nicht freigestellt werden kann, ohne dass es sowohl seiner Kandidatur zur Freistellung als auch dem Freistellungsakt selbst zugestimmt hat. Mit letzterer Argumentation stellt das Bundesarbeitsgericht das freigestellte Betriebsratsmitglied einem Arbeitnehmer gleich, der auf eigenen Wunsch und Entschluss hin eine Versetzung vom bisherigen, in der Nähe seines Wohnortes befindlichen Dienstort an einen erheblich weiter entfernten Beschäftigungsort, beispielsweise am Sitz des Betriebs, anstrebt und durchsetzt. Auch in diesem Falle hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten von seinem Wohnort zum neuen Beschäftigungsort und muss die gestiegenen Fahrtkosten als Kosten der eigenen Lebensführung selbst tragen. Würde der Arbeitgeber sich bereit erklären, einem solchen Arbeitnehmer vorübergehend einen Fahrtkostenzuschuss zu gewähren, so würde es sich dabei um eine individualrechtliche Vereinbarung handeln, auf die sich der Antragsteller zum Vergleich nicht berufen könnte, denn solche Erwägungen würden nicht greifen im Rahmen des § 40 Abs. 1 BetrVG, sondern wären allenfalls erheblich, wenn es sich um Arbeitsentgelt handeln würde, das infolge der Freistellung zur Erledigung von Betriebsratsarbeit nicht gemindert werden dürfte. Solche Ansprüche aber könnten nicht in dem vom Antragsteller ausdrücklich und absichtsvoll gewählten Beschlussverfahren verfolgt werden.

2. Der Antragsteller kann sich weder auf eine behauptete Vereinbarung der Zahlung von Anfahrtkosten mit dem früheren Betriebsratsvorsitzenden berufen, noch auf eine betriebliche Übung, noch auf einen Vertrauensschutz durch die in der Vergangenheit gewährten Leistungen. Dem steht das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot des § 78 Abs. 2 BetrVG entgegen. Die Vorschrift dient der inneren Unabhängigkeit und der unparteiischen Amtsführung der Mitglieder betriebsverfassungsrechtlicher Organe. Sie untersagt jede Handlung, durch die der geschützte Personenkreis wegen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Rahmen der Betriebsverfassung benachteiligt oder begünstigt wird. Damit wird kein Privileg eingeräumt, sondern nur sichergestellt, dass diese Personen nicht anders behandelt werden, als die anderen Arbeitnehmer des Betriebs (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG § 78 Rz. 12). Danach ist auch die Begünstigung des durch § 78 erfassten Personenkreises wegen seiner Tätigkeit im Rahmen der Betriebsverfassung unzulässig. Eine unzulässige Begünstigung ist beispielsweise auch die Zahlung überhöhter Entschädigungen für Auslagen oder Reisekosten (BAG 29.01.1974 - AP Nr. 8 zu § 37 BetrVG). Die Vereinbarung einer unzulässigen Begünstigung ist nach § 134 BGB nichtig, die versprochene Leistung kann nicht mit Erfolg eingeklagt werden. Lediglich die schon gewährte Begünstigung kann nicht zurückgefordert werden, weil auch der Leistende gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, § 78 BetrVG Rz. 20).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wäre die vom Antragsteller behauptete Vereinbarung mit dem Betriebsrat über die Zahlung einer Fahrtkostenerstattung, die, wie unter Ziffer 1 dargestellt, dem betroffenen Betriebsratsmitglied als Kosten der Betriebsratstätigkeit nicht zusteht, nichtig. Die gesetzeswidrige Handhabung in der Vergangenheit konnte keine betriebliche Übung für die Zukunft entfalten. Nur von der Rechtsordnung getragene Leistungen über einen längeren Zeitraum hinaus können einen Rechtsanspruch für die Zukunft bewirken. Auch ein Vertrauenstatbestand kann durch rechtswidrige Verhaltensweisen nicht geschaffen werden.

Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde statthaft, weil sie vom Beschwwerdegericht zugelassen wurde.

Ende der Entscheidung

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