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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.02.2005
Aktenzeichen: 12 Sa 112/04
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, MTV


Vorschriften:

BetrVG § 3
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 2
MTV § 19 B
MTV § 26
MTV § 26 Nr. 1 b
MTV § 26 Abs. 1 b
MTV § 26 Abs. 1 c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 12 Sa 112/04

Verkündet am 16.02.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - - 12. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hennemann, den ehrenamtlichen Richter Beßler und den eehrenamtlichen Richter Gaißer auf die mündliche Verhandlung vom 16.02.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Mannheim vom 28.04.2004 - Az.: 10 Ca 566/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen. Sie vertreibt im ganzen Bundesgebiet in ihren mehr als 90 Filialen Produkte der Unterhaltungselektronik, sogenannte Weiße Ware, Computer, Tele- und Bürokommunikationsmittel, Fotogeräte und sonstige Tonträger.

Der am 12.06.1960 geborene Kläger ist gegenüber seiner Ehefrau und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 01.09.1984 steht er in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, bzw. deren Rechtsvorgängerin in der Filiale H.-P.. Seit dem 01.10.1990 ist er Abteilungsleiter der Abteilung "Elektro". Ausweislich von § 3 des Anstellungsvertrages vom 04.09.1990 ist die Geltung des maßgebenden Tarifvertrages des Einzelhandels für Baden-Württemberg vereinbart. Der Kläger ist eingruppiert in die Gehaltsgruppe G IIII 4. Bis zum 30.06.2003 betrug sein monatliches Grundgehalt € 2.488,00 brutto. Entgegen der Regelung im einschlägigen Manteltarifvertrag, wonach ein Anspruch auf eine Sonderzuwendung in Gestalt eines Urlaubsgeldes und einer Weihnachtsgeldzahlung besteht, pflegte die Beklagte ihren Arbeitnehmern diese Sonderzahlung in Höhe von jeweils 1/12 monatlich zusammen mit dem Gehalt auszuzahlen. Demgemäß belief sich das monatliche Grundgehalt des Klägers bis zum 30.06.2003 auf € 2.697,38. Mit Wirkung vom 01.07.2003 wurde es inklusive der Anteile an Weihnachts- und Urlaubsgeld aufgrund einer Erhöhung des Tarifentgeltes auf insgesamt € 2.743,02 angehoben. Die Beklagte zahlte jedoch die aus der Tariferhöhung resultierende Differenzsumme in Höhe von monatlich € 45,64 nicht aus.

Die Beklagte schloss am 13.02.2003 mit dem bei ihr gemäß § 3 BetrVG gebildeten Flächenbetriebsrat einen Interessenausgleich, welcher unter Anderem folgende Regelungen enthält:

"1. Alle in der Anlage 1 aufgeführten Filialen werden zu reinen Abverkaufsstellen umgestaltet, und zwar voraussichtlich beginnend zu den dort jeweils genannten Zeitpunkten. Die Parteien sind sich dabei einig, dass eine Verschiebung der dort genannten Zeitpunkte von bis zu 4 (vier) Monaten keine wesentliche Abweichung darstellt. Angelieferte Ware wird zukünftig weitestgehend direkt vom LKW oder aus dem Lager unausgepackt auf Paletten in den Markt gefahren. Kunden müssen sich die Ware überwiegend direkt von der Palette/aus den Regalen entnehmen und zur Kasse befördern. Es findet nur noch eine eingeschränkte Kundenberatung/Serviceleistung in den einzelnen Filialen statt. Zur Durchführung dieser Maßnahme wird das bisherige Warensortiment an die neuen Verhältnisse angepasst.

2. Aufgrund dieser Umgestaltung wird in einer durchschnittlichen Filiale nur noch ein Marktleiter sowie 9 Mitarbeiter beschäftigt. Allen diesen Mitarbeitern obliegt - je nach Bedarf - die Kassentätigkeit, die Pflege und das Nachfüllen der Waren, die Annahme von Kundengeräten im Rahmen der Gewährleistung bzw. der Kulanz sowie Lagertätigkeiten. Zusammen mit dem Marktleiter sind diese 9 Mitarbeiter notwendig, um das Funktionieren der Abverkaufsstelle innerhalb der täglichen Öffnungszeit zu gewährleisten. Diese Tätigkeit ist im Verhältnis zu den bisherigen im Betrieb bestehenden Arbeitsplätzen neu. Eine Versetzung im Rahmen des arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes ist deshalb nicht möglich. Alle Arbeitnehmer - mit Ausnahme des Marktleiters - werden deshalb gekündigt. 9 Arbeitnehmer erhalten nach den nachstehenden Regelungen keine Beendigungskündigung, sondern eine Änderungskündigung."

In der Folgezeit erklärte die Beklagte gegenüber nahezu allen in der Filiale H.-P. beschäftigten Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen, wobei sie - ausgehend von der im Interessenausgleich vereinbarten Auswahlrichtlinien - gegenüber zwölf Mitarbeitern, darunter dem Kläger, Änderungskündigungen erklärte.

Die dem Kläger zugedachte Änderungskündigung vom 22.08.2003 zum 30.06.2004 ging am 31.08.2003 zu. Danach waren die Einzelheiten der geänderten Bedingungen den insgesamt 18 Paragraphen eines beigefügten Arbeitsvertragsangebots mit Datum vom 22.08.2003 zu entnehmen.

§ 3 Abs. I dieses Angebots regelt unter der Überschrift "Vergütung":

" Herr H erhält für die vertragliche Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt von insgesamt EUR 1.650,00."

Im übrigen wird auf die Anlage K 6 der Vorakte - Abl. 69 bis 74 - verwiesen. Diesem Angebot war beigefügt eine "Ergänzung zum Arbeitsvertrag vom 22.08.2003" mit allgemeinen Verhaltensregeln -Abl. 75 bis 76 - und eine weitere einseitige Anlage mit folgendem Inhalt:

"Vereinbarungen zum Gehaltssystem

Mit Herrn W. H.

wird vom 01.07.2004 bis zum Eintritt einer neuen Vereinbarung folgende Zusamensetzung des Gehaltes festgelegt:

a) Garantiegehlt

b) Variable Zielprämie

Die Zahlung der variablen Entgeltbestandteile ist eine freiwillige Leistung des Unternehmens, die jederzeit veränder- bzw. widerrufbar ist. Ein Rechtsanspruch auf Art um Umfang dieser Leistung ergibt sich auch aus regelmäßiger Zahlung nicht."

Der Kläger hat das Änderungsangebot der Beklagten ohne Vorbehalt abgelehnt und am 11.09.2003 Kündigungsschutzklage erhoben, seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen als Abteilungsleiter "Elektro" begehrt und mit Klagerweiterungen vom 31.10.2003 und 16.12.2003 die vorenthaltene Vergütungsdifferenz aus der Tariferhöhung in Höhe von monatlichen € 45,64 brutto für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2003 begehrt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.04.2004 wie folgt erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 22.08.2003 aufgelöst ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Vertragsbedingungen als Abteilungsleiter "Elektro" weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 273,88 brutto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus € 45,64 vom 01.08.2003 bis 31.08.2003, aus € 91,28 vom 01.09.2003 bis 30.09.2003 aus € 136,92 vom 01.10.2003 bis 31.10.2003 aus € 182,56 vom 01.11.2003 bis 30.11.2003 aus € 228,20 vom 01.12.2003 bis 31.12.2003 aus € 273,88 seit dem 01.01.2004 zu zahlen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

5. Der Streitwert wird auf € 8.502,94 festgesetzt.

Zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Änderungsangebot der Beklagten sei nicht hinreichend bestimmt, da es nicht mit einem schlichten "Ja" annehmbar gewesen sei.

Die "variable Zielprämie" der angebotenen "Vereinbarungen zum Gehaltssystem" sei inhaltlich nicht bestimmt und nicht bestimmbar.

Außerdem sei das Änderungsangebot mit seinen 18 Paragraphen (Anlage K 6) zu weitreichend, weil es nicht nur solche Änderungen zum Gegenstand gehabt habe, die billigerweise vom Kläger hätten hingenommen werden müssen. Dies deswegen nicht, weil es etwa 30 Änderungen zu Lasten des Klägers enthalte, die nach dem Konzept der Beklagten im Interessenausgleich nicht notwendig gewesen seien.

Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung sei die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Abteilungsleiter bis zur Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung weiterzubeschäftigen.

Infolge des Verweises von § 3 des Anstellungsvertrages auf die Tarifregelungen im Einzelhandel sei die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine monatliche Gehaltsdifferenz in Höhe von € 45,65 brutto für die Zeit von Juli bis Dezember 2003 zu gewähren. Sie beruhe auf der Erhöhung des Taifentgeltes von € 2.488,00 auf € 2.530,00.

Das tarifliche Urlaubsgeld habe sich durch die Tariferhöhung von ehedem € 957,50 erhöht auf nunmehr € 975,00, was einem jährlichen Differenzbetrag von € 17,50 entspreche. Die weitere tarifliche Sonderzuwendung habe vor der Tariferhöhung € 1.555,00 und danach € 1.581,25 brutto betragen, was einem jährlichen Differenzbetrag von € 26,25 entspreche. Der zuerst errechnete Grundbetrag von monatlich € 42,00 brutto erhöhe sich also um jeweils 1/12 aus dem Differenzbetrag des Urlaubsgeld- und des Sonderzuwendungsbetrages.

Gegen dieses am 03.08.2004 zugestellte Urteil wehrt sich die Beklagte mit ihrer am 30.08.2004 eingelegten und am 04.10.2004 ausgeführten Begründung wie folgt:

Die variable Zielprämie nach Maßgabe der weiteren Anlage zum Änderungsangebot habe deswegen nicht Gegenstand der Überprüfung gemäß § 2 KSchG sein können, weil es sich um eine freiwillige Leistung mit Vorbehalt gehandelt habe. Zumindest sei diese variable Zielprämie sehr wohl, wenngleich einseitig durch die Beklagte, bestimmbar.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Änderungskündigung auch wegen der etwa 30 Änderungen zu Lasten des Klägers scheitern lassen. Auf ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Festlegung dieser Änderungen habe es nicht ankommen können, weil Gegenstand der unternehmerischen Entscheidung ein völlig neuer Universalarbeitsbereich gewesen sei, der nichts mit den bisherigen Arbeitsinhalten gemein habe. Die Beklagte habe das Recht gehabt, das Profil dieses Arbeitsbereiches selbst zu bestimmen und demgemäß auch die Gegenleistung zu definieren. Es sei der Beklagten darum gegangen, ein umfassendes Direktionsrecht zu ermöglichen.

Die Beklagte sei zur Weiterbeschäftigung nicht verpflichtet, weil ihr dies tatsächlich unmöglich sei. Der Markt in Pfaffengrund sei so umgebaut worden, dass die bisherigen Abteilungen aufgehört hätten zu existieren. So gebe es auch keine Abteilung "Elektro" mehr. Zu Unrecht sei auch eine Weiterbeschäftigungspflicht ohne zeitliche Einschränkung im Tenor erfolgt.

Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht ein tarifliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld zugesprochen. Beide Beträge seien nicht berücksichtigungsfähig, da sie von der Beklagten in der Vergangenheit nicht in monatlichen Raten gewährt worden seien. Das Arbeitsgericht habe dies im Tatbestand als unstreitig dargestellt, obwohl mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 14.04.2004 Gegenteiliges ausgeführt worden sei, nämlich: "... in das vormals zu zahlende Gehalt kann das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld nicht eingerechnet werden. Der Tarifvertrag sieht eine andere Fälligkeit vor, nämlich zu bestimmten Stichtagen..." - Abl. 90 der Vorakte -.

Der Zahlungsklage stehe schließlich die dreimonatige Ausschlussfrist von § 26 des Manteltarifvertrages entgegen.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 28.04.2004 - Az.: 10 Ca 566/03 - wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung. Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt - unter anderem - vor, die etwa 30 Änderungsbedingungen seien nicht unabweisbar notwendig gewesen, vielmehr habe es sich um für die Beklagte vorteilhafte Mitnahmeeffekte gehandelt, soweit im Änderungsangebot eine Kündigung vom dem 01.07.2004 ausgeschlossen, das bisherige Urlaubs- und Weihnachtsgeld als freiwillig bezeichnet und die 40-Stunden-Woche eingeführt worden sei; unnötig sei zum Beispiel auch ein Abtretungs- und Pfändungsverbot ohne Zustimmung der Beklagten, die Streichung zusätzlichen Urlaubs, die Anordnung einer Verschwiegenheitsverpflichtung hinsichtlich der Gehaltshöhe, die Rücknahme der Kündigungsfristen auf das gesetzliche Maß, die Regelung des Vertragendes bei Erwerbsunfähigkeit, die Verhängung eines Sektenverbotes, die Verkürzung der tariflichen Ausschlussfrist auf das Maß von 2/3 desselben, die eigenständige Regelung von nachteiligen Haftungsregeln, das Erfordernis eines aktuellen polizeilichen Führungszeugnisses und die Abschaffung des tariflichen Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer.

Die Weiterbeschäftigung sei der Beklagten sehr wohl tatsächlich möglich, weil die bisherigen Abteilungen wieder hergestellt werden könnten.

Die Berufung der Beklagten hinsichtlich der Gehaltszahlungen sei teils unzulässig, teils unbegründet. Innerhalb offener Berufungsbegründungsfrist habe die Beklagte keine Ausführungen hinsichtlich des monatlichen Gehaltsdifferenzbetrages über € 45,65 brutto gemacht. Die Berufungsbegründungsfrist sei am 04.10.2004 abgelaufen.

Erstmals mit Schriftsatz vom 16.12.2004 - Abl. 70 der Berufungsakte - führt die Beklagte aus, der Kläger habe eine "AT-Vergütung" erhalten, sodass er von tariflichen Sonderzahlungen habe ausgenommen werden können.

Der Kläger erwidert hierauf, seit Frühjahr 1998 sei in Verträgen von Arbeitskollegen die Gewährung ratierlicher monatlicher Zahlungen geregelt worden sei, was auf eine allgemeine tarifliche Übung schließen lasse. So habe auch der Kläger ausweislich vorgelegter Lohnabrechnungen exakt diejenigen Anteile monatlich erhalten, die 1/12 der tariflichen Sonderzahlungen entsprochen hätten. Die Ausschlussfrist von § 26 Nr. 1 b des MTV sei gewahrt, sie betrage drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Die Forderung sei bereits mit der Klagschrift vom 11.09.2003 unter Ziffer 6 geltend gemacht worden.

Entscheidungsgründe:

1.

Die Berufung der Beklagten hinsichtlich der erstinstanzlich als unwirksam festgestellten Änderungskündigung ist unbegründet.

a.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die soziale Rechtfertigung der Änderungskündigung vom 22.08.2003 unter anderem daran scheitern lassen, dass mit dem Änderungsangebot, welches primär auf eine Gehaltskürzung und eine inhaltliche Änderung der Hauptarbeitspflichten zielt, zugleich eine Vielzahl weiterer Verschlechterungen des vertraglichen status quo verknüpft worden ist, ohne dass hierfür überhaupt dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG vorgetragen wurden. Das Änderungsangebot der Beklagten beinhaltet ausweislich des der Kündigung beigefügten Vertragsangebotes neben anderen Regelungen eine nicht unerhebliche Verschlechterung materiellrechtlicher Arbeitsbedingungen, für die es keine Gründe gibt, die den Anforderungen von § 1 Abs. 2 KSchG entsprechen.

Auch dann, wenn der Arbeitnehmer, wie vorliegend, die Änderung der Arbeitsbedingungen gänzlich abgelehnt hat, ist gleichwohl Gegenstand der Überprüfung die soziale Rechtfertigung eben dieser Änderungen und nicht nur diejenigen Gründe, die zur Beendigung des bisherigen Arbeitsvertrages geführt habe. Bezieht sich das Änderungsangebot des Arbeitgebers auf eine Vielzahl von Arbeitsbedingungen, ist notwendiger Weise die soziale Rechtfertigung für jeden einzelnen Grund zu prüfen. Ist nur eine der beabsichtigten Änderungen nicht sozial gerechtfertigt, hat dies die Unwirksamkeit der gesamten Änderungskündigung zur Folge, weil eine Änderungskündigung eben nicht nur in Teilen für wirksam erklärt werden kann (BAG, 06.03.1986, Az.: 2 ABR 15/85 unter B II. 5. der Entscheidungsgründe). So liegt der Fall hier, wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat.

Der Einwand der Beklagten, es handele sich um ein völlig neu geschaffenes Tätigkeitsbild, sodass die Arbeitsbedingungen, insbesondere die Vergütung auch frei hätten festgesetzt werden können, verfängt nicht. Vielmehr wurde das bisherige Tätigkeitsfeld des Klägers einerseits angereichert um weitere Tätigkeiten (Auspacken, Lagertätigkeiten, Kassiertätigkeiten) und andererseits wurde es abgereichert um die Abteilungsleiterfunktion. Auf jeden Fall verblieb allerdings der Kernbereich der Tätigkeit, nämlich derjenige, der den Verkauf betrifft.

b.

Insbesondere ergibt sich die Unwirksamkeit der Änderungskündigung aus dem Angebotsteil, der sich mit der Regelung eines Garantiegehaltes und einer variablen Zielprämie befasst. Insoweit hat das Arbeitsgericht zur Recht darauf hingewiesen, dass er keineswegs mit einem schlichten "Ja" hätte angenommen werden können. Nach § 3 Abs. 1 des (Haupt-) Arbeitsvertrages-Angebots sollte der Kläger für seine vertragliche Tätigkeit ein monatliche Bruttogehalt von "... insgesamt ... € 1.650,00" erhalten, andererseits sehen die "Vereinbarungen zum Gehaltssystem" bis auf weiteres, also "bis zum Eintritt einer neuen Vereinbarung" eine andere Zusammensetzung des Gehaltes vor, bestehend aus Garantiegehalt und einer variablen Zielprämie, letztere feiwillig, jederzeit veränder- und widerrufbar.

Wenn aber die Gesamtsumme € 1.650,00 pro Monat betragen sollte, so kann dies zur Folge haben, dass durch eine veränderte Zielprämie auch die Höhe des Bruttogehalt gemäß § 3 eine Änderung erfährt.

Die Formulierung "insgesamt" lässt womöglich die Auslegung zu, dass die Summe aus Garantiegehalt und variabler Zielprämie € 1.650,00 nicht überschreiten darf. Eine derartige Auslegung - wäre sie zutreffend - würde zur Folge haben, dass die variable Zielprämie zu einer Reduzierung des Gesamtgehaltes führt.

Andererseits könnte im Wege der Auslegung aus der Formulierung "Garantiegehalt" in den "Vereinbarungen zum Gehaltssystem" geschlossen werden, dass dem Kläger auf jeden Fall das Bruttogehalt gemäß § 3 des Hauptvertrages erhalten bleiben sollte. Dies müsste allerdings wohl eine eindeutige Klarstellung zur Voraussetzung gehabt haben, nämlich, dass mit der Bezeichnung "Garantiegehalt" die Vergütung gemäß § 3 des Arbeitsvertragsangebotes gemeint sei. Es bleiben also auch insoweit Auslegungszweifel.

Gänzlich unklar ist schließlich, was mit der Formulierung "... bis zum Eintritt einer neuen Vereinbarung..." gemeint sein sollte. Die Beklagte scheint darauf abheben zu wollen, es gehe nur um eine vorläufige Regelung bis zur Erzielung einer mit dem Betriebsrat mitbestimmten Vereinbarung. Dies erschließt sich aber aus dem Wortlaut nicht. Vielmehr könnte auch angenommen werden, dass mit "...Vereinbarungen ..." eine solche mit dem Kläger angesprochen war.

Welche Auslegung auch immer zutreffend ist, kann dahinstehen, denn auf jeden Fall verbleiben zumindest aus der Sicht des Klägers derart große Ungewissheiten, dass die Annahme, das Änderungangebot sei derart klar und bestimmt, dass es ohne weiteres mit "Ja" hätte beantwortet werden können, eher fernliegt.

2.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht erkannt, dass in Folge der erstinstanzlich festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung eine Verpflichtung zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Klägers besteht. Wenngleich nicht im Tenor, so doch in den Gründen ist ausgeführt, dass diese bis zum Rechtskraft zeitlich limitiert ist. Der Beklagten ist die entsprechende Weiterbeschäftigung nicht tatsächlich unmöglich. Wer durch einen organisatorischen Umbau Fakten schafft, kann diese auch wieder rückgängig machen.

3.

a.

Die Berufung ist unzulässig, soweit sie sich auf die Verurteilung von 6 x € 45,65 bezieht. Innerhalb offener Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte sich mit diesem Teil der erstinstanzlichen Urteilsgründe nicht auseinandergesetzt. Der Vortrag im Schriftsatz vom 16.12.2004 - Abl. 70 der Berufungsakte - erfolgte erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist.

b.

Die weiteren Ausführungen hinsichtlich der Beträge, die monatlich 1/12 aus jeweils € 17,50 und aus € 26,25 ergeben, führen nicht zur Begründetheit der Berufung. Das Arbeitsgericht hat nämlich zu Recht mit Tatbestandswirkung festgestellt, dass diese Beträge über einen längeren Zeitraum vorbehaltslos gewährt wurden. Die Beklagte hatte diesen erstinstanzlichen Tatsachenvortrag nicht mit Schriftsatz vom 14.04.2004 bestritten. Insoweit wird auf das im Tatbestand wiedergegebene Zitat verwiesen.

c.

Die Zahlungsansprüche zu Ziffer 3 b der Gründe wurden rechtzeitig innerhalb offener Verfallfrist geltend gemacht. Für das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt gemäß § 26 Abs. 1 b des MTV die tarifliche Ausschlussfrist drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres.

Die Klagerweiterung hinsichtlich der rückständigen Vergütung wurde bereits am 06.11.2003 zugestellt - Abl. 31 der erstinstanzlichen Akte -. Damit ist der Urlaubsentgeltanteil nicht verwirkt. Hinsichtlich der tariflichen Sonderzuwendung nach näherer Maßgabe von § 19 B des MTV gilt Folgendes: Sie muss spätestens am 30.11. des laufenden Jahres zur Auszahlung kommen. Im vorliegenden Fall haben die Parteien, wie oben ausgeführt, eine ratierliche monatliche Zahlung vereinbart. Insoweit kommt zur Anwendung die Ausschlussfrist von § 26 Abs. 1 c des MTV, wonach alle sonstigen Ansprüche aus diesem Tarifvertrag innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind. Der älteste Anspruch wurde fällig am 01.08.2003. Die Klagzustellung erfolgte erst am 06.11.2003, also hinsichtlich des Julianspruches um wenige Tage verspätet, aber hinsichtlich der übrigen Ansprüche rechtzeitig. Indes hat der Kläger bereits mit der am 15.09.2003 zugestellten Kündigungsschutzklage seine Vergütungsansprüche schriftlich angemeldet.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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