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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 30.08.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 12/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
BeschSchG § 2 Abs. 2 Nr. 2
BeschSchG § 4 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 519
ZPO § 520
BGB § 142 Abs. 1
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 312 Abs. 1
BGB § 355
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 15 Sa 12/04

verkündet am 30.08.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, die ehrenamtliche Richterin Faisst-Steigleder und den ehrenamtlichen Richter Zeyer auf die mündliche Verhandlung vom 30.08.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2004 - Az.: 25 Ca 5194/03 - wird auf Kosten des Berufungsführers als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage der Wirksamkeit einer "Ausscheidensvereinbarung".

Der am 17. September 1950 geborene Kläger ist verheiratet und hat einen GdB von 50. Er stand seit März 1975 in Diensten der Beklagten. Zuletzt war er als Gruppenmeister eingesetzt. Sein Bruttoeinkommen belief sich auf 4.200,00 €. Der Kläger war vor 13 Jahren in eine andere Abteilung versetzt worden, weil sich drei seiner Mitarbeiterinnen wegen seiner zum Teil zweideutigen Äußerungen belästigt gefühlt hatten. Von 1995 bis längstens 1999 hatte er ein intimes Verhältnis zu der ihm direkt unterstellten Mitarbeiterin G. . Am 07. März 2003 wurde der Kläger mit dem von dem Betriebsratsmitglied P. herrührenden Vorwurf, der Lebensgefährte dieser Frau G. ist, konfrontiert, er habe sich gegenüber jener in sexuell nötigender Weise verhalten. Vom 10. bis 21. März 2003 befand sich der Kläger im Urlaub. Er suchte in den darauf folgenden Tagen das Gespräch mit seiner Teamleiterin, dem Betriebsrat sowie der Sozialberatung der Beklagten, um Klarheit zu erlangen, ob und mit welchen Konsequenzen er zu rechnen habe. Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe führte die Beklagte Gespräche mit der Frau G. , die eine umfassende schriftliche Stellungnahme abgab. Am 28. April 2003 traf der Kläger zufällig das Betriebsratsmitglied H. , welcher um eine kurze Unterredung bat. Dieser eröffnete dem Kläger, dass am selben Nachmittag eine Konferenz wegen seiner Personalangelegenheit stattfinden werde, an welcher außer den Betriebsräten und Mitarbeitern der Personalabteilung sowie der Sozialberaterin auch seine Teamleiterin teilnehmen würden. Das Betriebsratsmitglied H. ließ sich vom Kläger die Angelegenheit kurz schildern und sagte zu, den Kläger nach der Konferenz zu informieren. Am darauffolgenden Morgen teilte dieses Betriebsratsmitglied dem Kläger mit, auf der Personalkonferenz seien Vorwürfe gegen ihn erhoben worden, insbesondere von der Frau G. . Das Betriebsratsmitglied äußerte sich dahin, die Situation des Klägers sehe nicht gut aus. Anschließend besprach der Kläger die Angelegenheit mit seiner Teamleiterin. Dieser gegenüber äußerte er, er sei fix und fertig. Er bat nach Hause gehen zu dürfen. Dies wurde von der Teamleiterin abgelehnt mit der Begründung, am selben Tag solle noch ein Personalgespräch mit dem Kläger stattfinden. In der Zeit zwischen 12.45 Uhr und 15.45 Uhr wurde der Kläger von zwei Mitarbeitern des Sicherheitsmanagements zu den Vorwürfen angehört. Darüber wurde ein Protokoll gefertigt, welches der Kläger unterzeichnet hat. Im Anschluss daran fand ein Gespräch im Personalbereich statt, an welchem der Personalleiter R. , die Mitarbeiter des Sicherheitsmanagements, die Personalberaterin und auf Bitten des Klägers das Betriebsratsmitglied H. teilnahmen. Der Kläger bestätigt in diesem Rahmen die zuvor beim Sicherheitsmanagement gemachten Angaben. Der Personalleiter erklärte, die eingeräumten Vorfälle machten die Fortsetzung der Arbeit unzumutbar und rechtfertigten eine außerordentliche Kündigung. Vom Personalleiter wurde eine Ausscheidensvereinbarung mit dem Beendigungstermin 31. Mai 2003 vorgeschlagen. Der diesbezügliche Text war bereits vorbereitet. Es fehlte lediglich noch das Datum. Der Kläger fragte den Personalleiter nach einer Abfindung, welche von diesem abgelehnt wurde. Dem Kläger wurde als Beendigungstermin der 30. Juni 2003 angeboten. Auf seinen Wunsch zog sich der Kläger mit dem Betriebsratsmitglied in ein Besprechungszimmer zurück. Von dort kehrte das Betriebsratsmitglied nach ca. 1/4 Stunde zurück und fragte, ob der Kläger nicht doch eine Abfindung bekommen könne. Dieses wurde erneut abgelehnt. Weiter fragte das Betriebsratsmitglied, ob nicht der Ausscheidenszeitpunkt bis Ende September verlängert werden könne. Der Personalleiter erklärte seine Bereitschaft, den Kläger bis 31. Juli bezahlt von der Arbeit freizustellen. Mit diesem Angebot ging das Betriebsratsmitglied zum Kläger zurück. Nach erneuter Beratung kam das Betriebsratsmitglied wiederum zurück und fragte, ob nicht eine Freistellung bis Ende September möglich sei, weil der Kläger schwerbehindert sei, sich selbständig machen wolle und noch Schulden auf seinem Haus habe. Damit erklärte sich der Personalleiter einverstanden. Als der Kläger zusammen mit dem Betriebsratsmitglied in das Büro des Personalleiters zurückkam, erkundigte sich der Kläger, ob er sein Fahrzeug im Rahmen des Firmenangehörigengeschäfts behalten könne. Dazu wurde er von dem Personalleiter an die zuständige Stelle verwiesen. Der Kläger unterschrieb die streitige Ausscheidensvereinbarung. Er wurde sofort von der Arbeit freigestellt und erhielt ein Werksverbot. Seit dem 02. Mai 2003 ist der Kläger arbeitsunfähig krank.

Der Kläger hat die Ausscheidensvereinbarung mit dem am 07. Mai 2003 bei Gericht eingereichten Schriftsatz wegen Bedrohung angefochten und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Zur Begründung hat er dazu ausgeführt, am 29. April 2003 habe eine Überrumpelungssituation vorgelegen. Bis zu dem Gespräch mit dem Personalleiter habe er nicht davon ausgehen können und müssen, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehe überhaupt zur Diskussion. Er habe davon ausgehen dürfen, dass sein immerhin 28 Jahre bestehendes Arbeitsverhältnis ein Wert an sich darstelle, insbesondere weil er in den ganzen Jahren keine einzige Abmahnung erhalten habe. Er habe nicht mit einer verhaltensbedingten Kündigung rechnen müssen. Nach seiner Überzeugung lägen keinerlei rechtswidrigen Übergriffe gegenüber der Frau G. vor. Ihm sei angedroht worden, er sei für die Beklagte als Meister in einer Führungsposition nicht weiter tragbar. Ein anderer Arbeitsplatz stehe für ihn nicht zur Verfügung. Er hat geltend gemacht, der Ton in der Abteilung sei recht locker gewesen. Am 29. April 2003 sei es ihm nicht gut gegangen. Sein Gesundheitszustand habe sich im Verlauf des Gesprächs im Personalbüro verschlechtert. Er habe nicht mehr gewusst, was er von den Vorwürfen und den wechselseitigen Argumenten im Einzelnen halten solle. Er habe sich wiederholt an das Betriebsratsmitglied H. gewandt, um von diesem Hilfe zu erhalten. Dieser habe ihn jedoch in keiner Weise beraten oder unterstützt. Insbesondere habe er ihn nicht davor gewarnt, eine Erklärung abzugeben. Ihm sei auch nicht angeboten worden, die Angelegenheit zusammen mit Vertretern der IG Metall bzw. mit Rechtssekretären zu erörtern. Als einzige Alternative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine fristlose Kündigung sei der Abschluss der Ausscheidensvereinbarung genannt worden. Er sei entgegen den Formulierungen der Ausscheidensvereinbarung nicht auf mögliche Konsequenzen bezüglich eventueller Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung hingewiesen worden. Er vertritt des Weiteren die Auffassung, wegen der fehlenden Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Integrationsamts sei die Ausscheidensvereinbarung unwirksam.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch deren Ausscheidensvereinbarung vom 29.04.2003 nicht zum 30.09.2003 beendet werden wird, es wird insbesondere festgestellt, dass die Ausscheidensvvereinbarung der Parteien vom 29.04.2003 rechtsunwirksam ist.

2. Es wird festgestellt, dass die Suspendierung des Klägers vom Arbeitsverhältnis, ausgesprochen durch die Beklagte am 29. 04. 2003 rechtsunwirksam ist. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger ab sofort weiter zu beschäftigen zu den bisherigen Arbeitsbedingungen.

Die Beklagte hat den gegenteiligen Rechtsstandpunkt eingenommen. Sie hat gemeint, die vom Kläger eingeräumten Vorfälle seien wichtige Gründe für eine arbeitgeberseitige Kündigung. Sowohl aus dem Grund der Fürsorgepflicht als auch nach dem Beschäftigungsschutzgesetz sei sie verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Mitarbeiterinnen zu schützen. Der Kläger sei bereits vor Jahren aufgrund vergleichbarer Vorfälle zwangsversetzt worden. Die Ausscheidensvereinbarung sei durch den Personalleiter erläutert und der Kläger sei unter anderem darauf hingewiesen worden, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitslos zu melden. Auch sei er auf Sperr- und Ruhezeiten hingewiesen worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch sein am 22. Januar 2004 verkündetes Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Ausscheidensvereinbarung beendet worden. Die Anfechtung des Klägers, die auf widerrechtliche Drohung gestützt werde, gehe ins Leere. Die von der Beklagten in Aussicht gestellte außerordentliche Kündigung halte dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab statt. Der Feststellungsantrag bezüglich der Suspendierung sei unzulässig.

Gegen diese am 11. Februar 2004 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 17. April 2004 eingereichten Berufung, die er vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ausgeführt hat.

Der Kläger vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe fehlerhaft angenommen, die Beklagte habe in der konkreten Situation ernsthaft eine Kündigung in Erwägung ziehen dürfen. Es möge noch zutreffend sein, dass das vom Kläger eingeräumte Verhalten gegenüber der untergebenen Mitarbeiterin generell als wichtiger Grund geeignet sei, jedoch habe das Arbeitsgericht die Umstände, wie es zu der Unterzeichnung gekommen sei, nicht ausreichend gewürdigt. Nicht die Mitarbeiterin G. habe den Vorwurf erhoben, sondern dieser stamme von dem Lebensgefährten, dem Betriebsratsmitglied P. . Auch habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass die Mitarbeiterin G. bei der Fahrt im Aufzug den Kläger auf ihren neuen BH aufmerksam gemacht habe. Wenn sein Vortrag zutreffend sei, dass nach dem Anheben des Pullis der Mitarbeiterin durch den Kläger, diese noch ausdrücklich auf ihren neuen BH hingewiesen habe, könne von einer sexuellen Belästigung gerade keine Rede sein. Wenn die Mitarbeiterin G. an seinem Verhalten im Aufzug keinen Anstoß genommen habe, sondern ihn ihrerseits sogar auf ihren neuen BH hingewiesen habe, fehle es an einer sexuellen Belästigung. Ein verständiger Arbeitgeber hätte nach der Lektüre des ausführlichen Berichts des Werkschutzes erhebliche Veranlassung zur weiteren Ermittlungen gehabt. Auch habe die Beklagte gegen das Übermaßverbot verstoßen. Das 13 Jahre zurückliegende beanstandete Verhalten habe nämlich in einer verbalen Verfehlung bestanden. In seiner Abteilung habe ein recht lockerer Umgangston geherrscht und anzügliche Redewendungen seien keine Ausnahme gewesen. Es läge folglich keine gleichartige Pflichtverletzung vor. Seine totale Konfusion zeige sich in seinem Verhalten während des Gesprächs in der Personalabteilung. Sowohl das Verhalten des Personalleiters als auch das des Betriebsrats H. seien rechtswidrig. Die Gespräche seien ohne Beisein der Schwerbehindertenvertretung geführt worden, auch habe keine Anhörung des Betriebsrats stattgefunden. Sowohl der Personalchef als auch das Betriebsratsmitglied hätten ihn in dem Irrglauben gelassen, als einzige Alternative zur Ausscheidensvereinbarung sei nur die sofortige Kündigungserklärung gegeben. Der Personalchef habe erkannt, dass das Betriebsratsmitglied den Kläger nicht oder äußerst unzureichend über seine Rechte informiert habe. Durch unzulässige Mittel sei er zum Abschluss der Ausscheidensvereinbarung gezwungen worden.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.01.2004, Aktenzeichen 25 Ca 5194/03, wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch deren Ausscheidensvereinbarung vom 29.04.2003 nicht zum 30.09.2003 beendet worden ist, es wird insbesondere festgestellt, dass die Ausscheidensvereinbarung der Parteien vom 29.04.2003 rechtsunwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger über den 30.09.2003 hinaus weiterzubeschäftigen zu den bisherigen Arbeitsbedingungen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Sie verweist darauf, der Aufhebungsvertrag sei abgeschlossen worden, nachdem der Kläger gegenüber dem Werkschutz eingeräumt habe, dass er seiner untergebenen Mitarbeiterin im Aufzug an die Brust gefasst habe. Er habe gesagt, er müsse auf die Toilette, sie solle mitgehen, um ihn heben zu helfen. Außerdem habe der Kläger ein außereheliches Verhältnis angeboten. Der Kläger habe auf Nachfrage des Personalchefs erklärt, die im unterschriebenen Protokoll enthaltenen Aussagen seien richtig. Die Beklagte vertritt die Rechtsansicht, ein vernünftiger Arbeitgeber habe eine außerordentliche Kündigung in Erwägung ziehen dürfen. Die Mitarbeiterin G. habe den Kläger in einem am 23. April 2003 unterzeichneten Bericht beschuldigt, sie über Jahre sexuell belästigt zu haben. Soweit der Kläger den Vorfall anspreche, versuche er diesen zu bagatellisieren. Eine Überrumpelung habe in keiner Weise stattgefunden. Hinweise und Aufklärungspflichten, welche Rechte bei Ausspruch einer Kündigung bestanden hätten, bestünden nicht.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers gegen das seine Klage abweisende Urteil ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. c ArbGG). Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, welches die Beklagte durch den Abschluss der "Ausscheidensvereinbarung" als aufgelöst erachtet, während der Kläger meint, die Vereinbarung sei infolge der von ihm erklärten Anfechtung nichtig. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und vor Ablauf der auf den fristgerechten Antrag hin durch Verfügung vom 07. April 2004 verlängerten Frist zur Berufungsbegründung ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die somit gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässige Berufung kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen angenommen, die vom Kläger im Hinblick auf die am 29. April 2003 abgeschlossene Vereinbarung, nach deren Inhalt das Arbeitsverhältnis zum 30. September 2003 im gegenseitigen Einvernehmen beendet werden sollte, erklärte Anfechtung habe nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge, weil die Anfechtung nicht wirksam sei.

II.

Der Kläger konnte die Ausscheidensvereinbarung nicht erfolgreich mit der Nichtigkeitsfolge nach § 142 Abs. 1 BGB anfechten, da ihm ein Anfechtungsgrund nicht zur Seite stand. Die Angriffe des Klägers gegen das klageabweisende Urteil greifen nicht durch.

1. Der Kläger hat die in dem Einverständnis mit dem Abschluss der Ausscheidensvereinbarung liegende Erklärung nicht wirksam angefochten. Ein Anfechtungsgrund war nicht gegeben.

Das Arbeitsgericht ist zutreffend von den höchst richterlichen Grundsätzen ausgegangen, wonach die Ankündigung bzw. das in Aussichtstellen einer außerordentlichen Kündigung eine Drohung i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB beinhaltet, denn sie stellt die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden Arbeitgebers vorliegend in der Gestalt des Personalleiters liegt (vgl. BAG, Urteil vom 16. November 1979 - 2 AZR 1041/77, BAGE 32, 194 = AP Nr. 21 zu § 123 BGB; Urteil vom 06. Dezember 2001 - 2 AZR 396/00, BAGE 100, 52 = AP Nr. 33 zu § 286 ZPO; Urteil vom 05. Dezember 2002 - 2 AZR 478/01, AP Nr. 63 zu § 123 BGB; Urteil vom 27. November 2003 - 2 AZR 135/02, EzA § 312 BGB 2002 Nr. 1). Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung des Zweckes anzusehen, ist die Drohung widerrechtlich (BAG, Urteil vom 21. März 1996 - 2 AZR 543/95, AP Nr. 42 zu § 123 BGB). Es ist nicht erforderlich, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Rechtsstreit über die Kündigung als wirksam erwiesen hätte (vgl. BAG, Urteil vom 30. September 1993 - 2 AZR 268/93, BAGE 74, 281 = AP Nr. 37 zu § 123 BGB; Urteil vom 05. Dezember 2002, a.a.O.; Urteil vom 27. November 2003, a.a.O.).

2. Soweit kürzlich gegen die Figur des verständigen Arbeitgebers Einwände erhoben worden sind (Benecke, Der verständige Arbeitgeber, RdA 2004, 147 ff.), unterscheidet sich diese Ansicht im Ausgangspunkt nicht von den höchstrichterlich aufgestellten Grundsätzen, denn es wird auch von der Frage ausgegangen, wann das Inaussichtstellen einer Kündigung ein inadäquates Mittel sei, um den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu bewegen. Die vorgeschlagene Formel, die Drohung mit einer Kündigung zum Zwecke der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - auch in der Form der Eigenkündigung - sei dann widerrechtlich, wenn der Arbeitnehmer dadurch zu einer überstürzten Entscheidung gezwungen worden sei, ist jedoch zum einen zu unbestimmt und könnte zum anderen der vom Kläger erklärten Anfechtung nicht zum Erfolg verhelfen, denn die unstreitigen Begleitumstände im vorliegenden Fall lassen nicht den Schluss zu, dem Kläger sei eine sachliche Abwägung der Vor- und Nachteile einer Kündigung auf der einen und eines Aufhebungsvertrags auf der anderen Seite nicht möglich gewesen. Nachdem vom Personalleiter der Beklagten eine Ausscheidensvereinbarung zum 31. Mai 2003 vorgeschlagen worden war, fragte der Kläger nach einer Abfindung. Die Leistung einer solchen wurde abgelehnt, dem Kläger jedoch als Beendigungstermin der 30. Juni 2003 angeboten. Nach weiteren Verhandlungen einigten sich die Parteien schließlich auf den 30. September 2003, dies nachdem das vom Kläger hinzugezogene Betriebsratsmitglied darauf hingewiesen hatte, der Kläger sei schwerbehindert, wolle sich selbständig machen und habe noch Schulden auf seinem Haus. Dieser unstreitige Ablauf schließt die Annahme aus, dem Kläger sei eine sachliche Abwägung der Vor- und Nachteile nicht möglich gewesen.

3. Unter Anwendung des Prüfungsmaßstabes, wonach der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen darf, um damit den Arbeitnehmer zum Einlenken oder zum Akzeptieren einer fristgemäßen Kündigung bei Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder - wie hier - zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen, wenn der Arbeitgeber unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruches einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, hat das Arbeitsgericht zutreffend die Widerrechtlichkeit der Drohung des Personalleiters mit einer außerordentlichen Kündigung verneint. Immerhin geht der Kläger davon aus, das von ihm eingeräumte Verhalten gegenüber seiner untergebenen Mitarbeiterin sei generell als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Daran können ernsthafte Zweifel nicht bestehen. Keine Rolle spielt es, von wem der Vorwurf erhoben worden ist.

Dies hat keinen Einfluss auf die unstreitige Tatsache, dass es der Kläger war, der die Mitarbeiterin im Aufzug im Bau 18 an die Brust gefasst und ihr gesagt hat, dass da ja nichts mehr dran sei. Die vom Kläger geschilderte Reaktion der sexuell belästigten Mitarbeiterin, diese habe noch ausdrücklich auf ihren neuen BH hingewiesen, ist nach seiner Schilderung erst erfolgt, nachdem der Kläger den Pulli der Mitarbeiterin angehoben hatte.

Die sexuelle Belästigung ist folglich von ihm ausgegangen. Die Reaktion der Mitarbeiterin lässt das Verhalten nicht etwa in einem milderen Licht erscheinen, denn die Handlung des Klägers stellt eine sexuell bestimmte körperliche Berührung i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Beschäftigtenschutzgesetz dar. Im Übrigen hat der Kläger bei seiner Vernehmung durch Mitarbeiter des Sicherheitsmanagements noch geäußert, die Mitarbeiterin habe auf seine sexuell bestimmte körperliche Berührung überhaupt nicht reagiert und es kommentarlos akzeptiert. Wenn er erstmals im zweiten Rechtszug einführen will, die Mitarbeiterin habe auf ihren neuen BH hingewiesen, konnte dies schwerlich vom Arbeitsgericht berücksichtigt werden. Sein neues Vorbringen erscheint auch wenig glaubhaft, wenn er erst über ein Jahr nach seiner Anhörung dies als Verteidigung geltend machen will.

Im Hinblick auf den ausführlichen Inhalt des von den Mitarbeitern des Sicherheitsmanagements aufgenommenen und vom Kläger genehmigten Protokolls, dessen Inhalt der Kläger im Gespräch im Personalbereich bestätigt hat, bestand keine Veranlassung für weitere Ermittlungen, zumal darin nicht nur der Vorfall im Aufzug enthalten ist. Zu dem Vorfall vom 31. Januar 2003, welcher eine Aufforderung zu einer sexuellen Handlung beinhaltete, äußert sich der Kläger überhaupt nicht. Soweit der Kläger im Verlaufe der Berufungsverhandlung die Bemerkung für angezeigt gehalten hat, "hätte ich nur nicht die Wahrheit gesagt", lässt dies auf eine bedenkliche Einstellung schließen. Ebensowenig liegt ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vor. Der Kläger geht fehl, wenn er die von ihm begangenen Verfehlungen als vergleichsweise gering gewertet wissen will. Er stellt sich damit in Widerspruch zu seiner eigenen, zutreffenden Wertung, das von ihm eingeräumte und objektiv erfolgte Verhalten sei generell als wichtiger Grund geeignet.

Die vom Kläger geltend gemachte totale Konfusion erschließt sich nicht aus dem Ablauf der Verhandlungen, nachdem der Personalleiter zunächst eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2003 vorgeschlagen hatte. Vielmehr haben sich die Parteien letztlich nach weiteren Verhandlungen als Beendigungstermin auf den 30. September 2003 geeinigt. Auch die weiteren Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründungsschrift sind unerheblich. Wenn auch der Personalleiter erklärt hat, die eingeräumten Vorfälle (Plural!) machten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar und rechtfertigten eine außerordentliche Kündigung, folgt daraus nicht, dass, wenn der Kläger den Abschluss der Ausscheidensvereinbarung am 29. April 2003 verweigert hätte, an diesem Tag die Kündigung erklärt worden wäre. Um ein Personalgespräch mit dem Ziel, sich mit dem Arbeitnehmer auf eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einigen, zu führen, bedarf es weder der vorherigen Beteiligung des Integrationsamtes noch des Betriebsrates als Gremium.

Dies wäre erst dann erforderlich geworden, wenn es nicht zu einer Einigung gekommen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass Aufklärungspflichten verletzt worden sind, sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, woraus sich solche Aufklärungspflichten ergeben sollen. Darauf, dass in diversen Manteltarifverträgen eine Bedenkzeit bzw. eine Widerrufsfrist vorgeschrieben ist, kommt es nicht an. Die gesetzlichen Voraussetzungen des Widerrufsrechts nach § 312 Abs. 1, § 355 BGB i.d. Fassung der Bekanntmachung vom 02. Januar 2002 sind nicht erfüllt (vgl. BAG, Urteil vom 22. April 2004 - 2 AZR 281/03, EzA § 312 BGB 2002 Nr. 2).

Letztlich hat der Kläger zutreffend erkannt, wie er in der Berufungsverhandlung geäußert hat, aus der Sicht der Arbeitgeberin habe das von ihm eingeräumte Verhalten das Arbeitsverhältnis belastet. Diese Erkenntnis hätte beim Kläger aufkommen sollen, bevor er die mehreren Verhaltensweisen an den Tag legte. Außerdem folgt daraus, dass für die Beklagte keine Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bestand, denn die Verhaltensweisen, die der Personalleiter als unvereinbar mit der Position einer Führungskraft angesehen hat, waren vom Kläger bestätigt worden.

4. Soweit der Kläger im ersten Rechtszug auf eine Entscheidung des BAG (Urteil vom 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91, EzA § 123 BGB Nr. 36) mit der Bemerkung hat hinweisen lassen, jener Entscheidung habe ein nahezu identischer Fall zugrundegelegen, verkennt er, dass seiner Aufforderung zu einer sexuellen Handlung und die sexuell bestimmte körperliche Berührung nicht den Leistungsbereich sondern den der betrieblichen Verbundenheit berührt haben. Zwar hat der Gesetzgeber als mögliche Maßnahme des Arbeitgebers in § 4 Abs. 1 Nr. 1 Beschäftigtenschutzgesetz die Abmahnung aufgeführt. Daraus ergibt sich aber nicht, dass jeder Kündigung wegen sexueller Belästigung eine erfolglose Abmahnung vorauszugehen habe, denn der Gesetzgeber hat nur vier mögliche personelle Maßnahmen angeführt, die grundsätzlich in Betracht kommen. Wenn ein Arbeitnehmer als Führungskraft wiederholt sexuelle Belästigungen gegenüber einer weiblichen Mitarbeiterin an den Tag legt, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich kündigen (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 21. Januar 2003 - 12 Sa 1418/02, NZA-RR 2004, 19; LAG Hessen, Beschluss vom 27. Januar 2004 - 13 TaBV 113/03, EzA Schnelldienst Nr. 12/2004 S. 11), zumal vorliegend dem Kläger gegenüber schon einmal eine personelle Maßnahme durchgeführt worden war.

III.

1. Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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