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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 27.09.2004
Aktenzeichen: 15 Sa 51/04
Rechtsgebiete: BGB, ArbGG, ZPO, KSchG, AÜG, TVG


Vorschriften:

BGB § 611
BGB § 613
BGB § 613 a
BGB § 613 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 615
BGB § 622 Abs. 1
BGB § 622 Abs. 2 Nr. 2
BGB §§ 1896 ff.
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ZPO § 222 Abs. 2
ZPO § 519
ZPO § 520
KSchG § 4
AÜG § 9
TVG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 15 Sa 51/04

verkündet am 27.09.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch, den ehrenamtlichen Richter Hepper und die ehrenamtliche Richterin Kampe-Mauz auf die mündliche Verhandlung vom 27.09.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 30. April 2004 - Az.: 3 Ca 26/04 - wird auf Kosten des Berufungsführers als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über von der Klägerin geltend gemachte Vergütungs- und Spesenansprüche für die Monate November und Dezember 2003 sowie um Annahmeverzugslohn für die Monate Januar und Februar 2004 infolge der Nichteinhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist.

Die am 01. Juli 1951 geborene, getrennt lebende und noch einem von insgesamt acht Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist mit Wirkung vom 01. Juli 1996 in den Betrieb eines Herrn S. - Kurierdienst - als Kurierfahrerin eingetreten.

Der Beklagte des vorliegenden Verfahrens, welcher am 29. April 1964 geboren worden ist, übernahm ab 01. Januar 2000 diesen Kurierdienst. Für die Tätigkeit als Kurierfahrer war unter den Parteien eine Tagespauschalvergütung in Höhe von 62,00 € zuzüglich 5,00 € Spesen vereinbart. Der Beklagte erlitt am 24. Mai 2001 einen schweren Motorradunfall. Er ist nach einer Mitteilung des Facharztes vom 12. Dezember 2003 seit dem Verkehrsunfall nicht mehr geschäftsfähig. Er ist erblindet. Das Vormundschaftsgericht ordnete am 29. Mai 2001 die vorläufige Betreuung des Beklagten durch seine Ehefrau befristet bis zum 29. November 2001 unter anderem mit dem Aufgabenkreis zur Besorgung der Vermögensangelegenheiten an. Die Ehefrau wurde am 31. Oktober 2001 vom Vormundschaftsgericht angeschrieben, die vorläufige Betreuung ende am 29. November 2001. Nach Ablauf der befristeten Betreuung durch die Ehefrau gab es bis einschließlich im Dezember 2003 keine weitere vormundschaftliche Anordnung einer Betreuung. Am 04. Dezember 2003 bestellte das Vormundschaftsgericht die Mutter des Beklagten zur vorläufigen Betreuerin, befristet bis zum 04. Juni 2004. Inzwischen ist die Mutter des Beklagten zur Dauerbetreuerin bestellt worden. Der Beklagte und seine Ehefrau leben seit Oktober 2003 getrennt.

Jedenfalls im Zeitraum Mai 2001 bis Ende 2003 waren im Betrieb "U. " bis zu 30 Arbeitnehmer beschäftigt. Vormals waren bei dem Kurierdienst zehn Fahrzeuge im Einsatz. Daneben stellten verschiedene Auftraggeber Kurierfahrzeuge zur Verfügung. Für die Klägerin, die von Beginn ihrer Beschäftigung an bei einer Firma I. , eingesetzt war, war nach dem Motorradunfall ein Herr Z. , ein ehemaliger selbstständiger Subunternehmer des Beklagten, der Ansprechpartner. Die Klägerin erhielt jeden Monat eine Lohnabrechnung, die als Arbeitgeber den "U. ", auswies. Sofern es Rückfragen wegen des Arbeitsentgeltes gab, konnte die Ehefrau des Beklagten der Klägerin weiterhelfen. In den Monaten November und Dezember 2003 hat die Klägerin ihre Arbeitsleistung erbracht. Mit einem Schreiben vom 15. Dezember 2003, welches von dem Herrn Z. unterschrieben war, wurde das Arbeitsverhältnis durch den U. wegen Geschäftsaufgabe zum 31. Dezember 2003 gekündigt. Die Ehefrau des Beklagten meldete bei ihrer Wohnsitzgemeinde am 01. November 2003 eine Tätigkeit als Kurierdienst an. Die Klägerin hat am 15. Januar 2004 die vorliegende Klage gegen den Beklagten erhoben. Durch den Beklagten ist seiner Ehefrau mit Schriftsatz vom 12. Februar 2004 der Streit verkündet worden. Die Klägerin hat in der Folgezeit die Klage auf die Ehefrau des Beklagten erweitert und um den Erlass eines Grundurteils gebeten. Sowohl die Streitverkündung als auch die gegen die Ehefrau des Beklagten gerichtete Klage sind am 30. April 2004 zurückgenommen worden.

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stünden für die Monate November und Dezember 2003 entsprechend der erbrachten Arbeitsleistung die erhobenen Vergütungsansprüche und die Spesen zu. Da sie bereits seit dem 01. Juli 1996 beschäftigt sei, habe eine Kündigung erst zum 29. Februar 2004 ausgesprochen werden dürfen. Daher schulde der Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges die von ihr erhobenen Ansprüche. Entgegen der Auffassung des Beklagten habe kein Betriebsübergang auf die Ehefrau stattgefunden. Es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass die Ehefrau des Beklagten lediglich eine befristete Bestallungsurkunde gehabt habe und nur bis zu ihrem Ablauf berechtigt gewesen sei, für den Beklagten Vermögensangelegenheiten zu besorgen.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin € 1.240,00 brutto Lohn für den Monat November 2003 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 15.12.2003 zu bezahlen.

2. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin € 100,00 netto Spesen für den Monat November 2003 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 15.12.2003 zu bezahlen.

3. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin € 1.426,00 brutto Lohn für den Monat Dezember 2003 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 15.01.2004 zu bezahlen.

4. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin € 75,00 netto Spesen für den Monat Dezember 2003 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 15.01.2004 zu bezahlen.

5. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weitere Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges in Höhe von € 1.400,00 brutto für den Abrechnungsmonat Januar 2004 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2004 zu bezahlen.

6. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin weitere Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges in Höhe von € 1.400,00 brutto für den Abrechnungsmonat Februar 2004 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2004 zu bezahlen.

Der Beklagte hat zur Abwehr der Klage geltend gemacht, er sei nicht passiv legitimiert. Er sei seit dem 24. Mai 2001 geschäftsunfähig und nicht mehr in der Lage, den Geschäftsbetrieb des U. zu führen. Seine Ehefrau habe den U. über den 29. November 2001 hinaus fortgeführt und ihn, den Betreuten, insoweit außergerichtlich und gerichtlich ohne entsprechende Vertretungsmacht weiter vertreten. Damit habe die Ehefrau den Betrieb faktisch übernommen. Durch sein Ausscheiden durch den Unfall und seine dadurch begründete vollständige Geschäftsunfähigkeit sowie die faktische Übernahme des Unternehmens durch seine Ehefrau sei ein Wechsel des Betriebsinhabers erfolgt. Als ausgeschiedener Geschäftsinhaber hafte er nicht für die geltend gemachten Ansprüche. Seine Ehefrau habe sämtliche Mitarbeiter, die Betriebsmittel und die Betriebseinrichtung vollständig übernommen und das Unternehmen in der damaligen Form fortgeführt. Seine Ehefrau habe als Vertreterin ohne Vertretungsmacht das Unternehmen fortgeführt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme eines Teilbetrages in Höhe von 196,00 € stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig, da der Beklagte seit dem 04. Dezember 2003 und somit seit der Zeit vor Klagerhebung durch seine Mutter als Betreuerin gerichtlich und außergerichtlich gesetzlich vertreten werde. Die Klage sei auch im Wesentlichen begründet. Der Beklagte sei weiterhin passiv legitimiert. Das Arbeitsverhältnis sei nicht auf seine Ehefrau übergegangen. Zum Übergang bedürfe es einer vertraglichen und sonstigen rechtsgeschäftlichen Beziehung. Anhaltspunkte für einen rechtsgeschäftlichen Übertragungsakt habe der Beklagte nicht behauptet. Der im Wege des Betriebsübergangs ab dem 01. Januar 2000 übernommene Arbeitsvertrag mit der Klägerin sei infolge der unterstellten späteren Geschäftsunfähigkeit des Beklagten nicht rechtsunwirksam geworden.

Gegen diese am 12. Mai 2004 zugestellte Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 30. April 2004 wendet sich der Beklagte mit seiner am 14. Juni 2004 als Fax und am Folgetag im Original eingereichten Berufung, die er sogleich ausgeführt hat. Der 12. Juni 2004 fiel auf einen Sonnabend.

Der Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht sei rechtsirrig davon ausgegangen, er hafte für die Vergütungsansprüche der Klägerin. Er meint, für einen Betriebsübergang reiche der Übergang der tatsächlichen Nutzungs- und Verfügungsgewalt aus. Entscheidend sei allein, dass der Wechsel in der Person des Betriebsinhabers nicht durch eine Gesamtrechtsnachfolge oder Hoheitsakt vermittelt worden sei. Da es lediglich auf den Wechsel in der Person des Inhabers und die tatsächliche Nutzung durch den Nachfolger ankomme, sei die Art des Rechtsgeschäfts und die Frage, ob ein solches überhaupt existiere, unerheblich. Er meint, vorliegend sei die Frage entscheidend, ob ein Übergang des Betriebes auch ohne oder sogar gegen den Willen des Veräußerers die Rechtsfolge des § 613 BGB nach sich ziehe. Er nimmt insoweit Bezug auf den Grundgedanken der Vorschrift, nämlich den Bestandsschutz. Er führt des Weiteren aus, das Tatbestandsmerkmal Rechtsgeschäft setze nicht voraus, dass zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber vertragliche Beziehungen bestünden. Erforderlich sei allein, dass der Erwerber auf tatsächliche Weise die Möglichkeit erwerbe, eine im Wesentlichen unveränderte Arbeitsaufgabe fortzuführen. Er sei nach dem Unfall nicht mehr in der Lage gewesen, den Geschäftsbetrieb zu führen. Auf Grund seiner Geschäftsunfähigkeit sei er auch nicht in der Lage gewesen, Dritte mit der Geschäftsführung zu beauftragen und entsprechende Vollmachten zu erteilen. Die Ehefrau habe auf der Grundlage der Betreuungsvollmacht bei der Volksbank die Zugangsberechtigung zum Onlinebanking beantragt und somit Zugriff auf die Geschäfts- wie Privatkonten erhalten. Bereits im Juli 2001 sei abzusehen gewesen und auch von den Ärzten eindeutig artikuliert worden, er, der Beklagte, werde auf Grund der erlittenen Verletzungen einen massiven Gehirnschaden davontragen. Er meint, aus seiner Sicht habe es seinem objektiven Interesse und seinem mutmaßlichen Willen entsprochen, dass der Geschäftsbetrieb eingestellt und das Unternehmen formal liquidiert werde. In der Zwischenzeit habe die neue vorläufige Betreuerin den Betrieb eingestellt. Seine Ehefrau habe das Schreiben des Vormundschaftsgerichts im Hinblick auf die Befristung der Betreuung bewusst ignoriert und über den 29. November 2001 hinaus über das Vermögen verfügt. Sie habe das Unternehmen U. eigenmächtig an sich gezogen und ab dem 30. November 2001 zur eigenen Einnahmequelle gemacht. Die Ehefrau habe sämtliche Kunden übernommen und mit diesen jeweils neue Kurierverträge abgeschlossen. Die Aufträge seien von der Ehefrau mit den Mitarbeitern und Fahrzeugen der Fa. U. ausgeführt und abgerechnet worden. Die Ehefrau, die seit dem 01. November 2003 ein eigenes neues Unternehmen betreibe, habe zwei Fahrer übernommen. Soweit sich die Klägerin auf einen Widerruf der Vollmachten durch einen Vertreter berufe, habe es sich um einen Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt. Im Übrigen sei der Widerruf nur vorsorglich erfolgt, da die getrennt lebende Ehefrau im Außenverhältnis ihn ohne entsprechende Vollmacht verpflichtet habe. Er sei in seinem Unternehmen nie wieder tätig und dort nur lediglich sporadisch anwesend gewesen, wenn eine anderweitige Betreuung nicht möglich gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

das am 30.04.2004 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Az.: 3 Ca 26/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin führt zur Begründung ihres Berufungszurückweisungsantrages aus, das Arbeitsverhältnis sei nicht auf die Ehefrau des Beklagten übergegangen. Ein Betriebsübergang erfordere einen Übergang im Rahmen vertraglicher oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen. Ein solcher Übertragungsakt sei nicht erfolgt. Vielmehr habe die Ehefrau für den Beklagten und dessen Familie nach dem Unfall auf dessen Weisung den Betrieb fortgeführt. Sie sei mit Vollmachten ausgestattet gewesen. Sie sei ihren familienrechtlichen Pflichten nachgekommen. Diese familienrechtliche Verpflichtung bzw. Erlaubnis habe durch Entziehung sämtlicher Vollmachten durch die frühere Prozessbevollmächtigte des Beklagten bzw. dessen Betreuerin geendet. Vollmachten könnten nur dann entzogen werden bzw. sie bestünden gar nicht erst, wenn es sich um den eigenen Betrieb der Ehefrau handeln würde. Sie meint, ohne bzw. gegen den Willen eines Veräußerers könne ein Betrieb nicht übergehen. Die Ehefrau habe den Beklagten immer wieder in den Betrieb gefahren, damit dieser dort mit dem Betriebsleiter Z. die Verhältnisse überprüfen und Anweisungen erteilen konnte. Die Ehefrau habe keine arbeitsrechtlichen Weisungen erteilt und sei nicht als Arbeitgeberin aufgetreten. Sie bestreite, der Beklagte sei geschäftsunfähig gewesen, als er seine Ehefrau bevollmächtigt habe. Ob es im objektiven Interesse des Beklagten gestanden habe, den Betrieb einzustellen bzw. formal zu liquidieren, könne dahingestellt bleiben. Die Ehefrau habe weder Arbeitsverträge unterzeichnet noch Terminplanungen vorgenommen noch Anweisungen erteilt noch Lohnabrechnungen erstellt. Sie habe keine Löhne ausbezahlt oder angewiesen. Da der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2003 gekündigt habe, habe er demonstriert, dass er rechtsgeschäftlich handlungsfähig sei. Er habe auch sämtliche Konto- und Handlungsvollmachten gekündigt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten gegen das dem Begehren der Klägerin im Wesentlichen stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts vom 30. April 2004 ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. b ArbGG), denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den gesetzlichen Grenzwert. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und sogleich ausgeführt worden. Es ist somit gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520, 222 Abs. 2 ZPO zulässig. In der Sache kann es jedoch keinen Erfolg haben. Der Beklagte und nicht seine von ihm seit Oktober 2003 getrennt lebende Ehefrau haftet auf der Grundlage der arbeitsrechtlichen Vorschriften und Grundsätze für die geltend gemachten, der Höhe nach unstreitigen Ansprüche auf Vergütungen und Spesen. Ob dem Beklagten gegen seine Ehefrau - aus welchem Rechtsgrund auch immer - Ansprüche zustehen, ist für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang.

II.

Der Beklagte ist der Klägerin gegenüber aus dem auf ihn am 01. Januar 2000 übergegangenen Arbeitsverhältnis zur Zahlung der der Klägerin vom Arbeitsgericht zuerkannten Ansprüche verpflichtet. Dieses Arbeitsverhältnis ist durch die schriftliche Kündigung vom 15. Dezember 2003, gegen welche sich die Klägerin als solche nicht, sondern nur insoweit wendet, als die gesetzliche Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist, mit dem 29. Februar 2004 beendet worden.

1. Das Arbeitsgericht, welches die Frage, ob der Beklagte geschäftsunfähig und damit auch prozessunfähig sei, hat dahinstehen lassen, ist von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen, da der Beklagte seit einem Zeitpunkt vor der Klagerhebung von seiner vom Vormundschaftsgericht zur vorläufigen Betreuerin bestellten Mutter gerichtlich und außergerichtlich in Vermögensangelegenheiten gesetzlich vertreten werde. Dagegen wendet sich der Beklagte nicht.

2. Während die Klägerin in der zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts erhobenen Klage noch ausgeführt hat, das Arbeitsverhältnis habe zum 31. Dezember 2003 geendet, hat sie im Verlaufe des ersten Rechtszuges nach Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten geltend gemacht, die von dem Beklagten eingehaltene Kündigungsfrist von zwei Wochen widerspreche der gesetzlichen Kündigungsfrist, denn diese richte sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, die am 01. Juli 1996 begonnen habe.

Vorliegend kommt es auf die umstrittene Frage, ob nach den am 01. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des Kündigungsschutzgesetzes durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) die Klagerhebungsfrist des § 4 KSchG auch dann gewahrt werden muss, wenn ausschließlich die Nichteinhaltung der zutreffenden Kündigungsfrist gerügt werden soll, nicht an (bejahend: HaKo-KSchG/Gallner, 2. Aufl., § 7 Rn. 5; HaKo-KSchG/Pfeifer, a. a. O., § 13 Rn. 68; Bader/Bram/Dörner/Wenzel, KSchG, § 4 Rn. 35 b; Bader, NZA 2004, 65 [68]; Löwisch, BB 2004, 154 [159]; ErfK/Müller-Glöge, 4. Aufl., § 113 InsO Rn. 36; verneinend: Dollmann, BB 2004, 2073 ff.). Die Neufassung des § 4 KSchG, nach welcher der Arbeitnehmer die dreiwöchige Klagfrist auch dann zu wahren hat, wenn er geltend machen will, eine Kündigung sei aus anderen Gründen rechtsunwirksam, gilt nur für die Kündigungen, die nach dem In-Kraft-Treten der geänderten Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes erklärt worden sind. Vorliegend ist die Kündigung mit dem Schreiben vom 15. Dezember 2003 ausgesprochen worden. Jedenfalls nach der alten Rechtslage konnte die mangelnde Wahrung der zutreffenden Kündigungsfrist unabhängig von der Frist des § 4 KSchG bis zur Grenze der Verwirkung gerichtlich geltend gemacht werden (KR-Friedrich, 6. Aufl., § 13 KSchG Rn. 304 ff.).

3. Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Rechtsauffassung ist durch eine faktische Übernahme des Unternehmens durch seine Ehefrau, weil diese den U. über den 29. November 2001 hinaus fortgeführt habe, kein Wechsel der Betriebsinhaberschaft erfolgt, so dass er nicht für die streitgegenständlichen Ansprüche hafte.

a) Nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht, dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.

§ 613 a BGB regelt den rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang als Einzelrechtsnachfolge. Ein Betriebsübergang im Sinne der Vorschrift setzt die Wahrung der Identität der betreffenden Einheit voraus. Durch die Norm ist ein Vertragsübergang kraft Rechtsgeschäfts geregelt. Es erfolgt dadurch ein Austausch der Vertragspartner auf Arbeitgeberseite. Erfasst werden alle Fälle einer Fortführung der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen vertraglicher oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen, ohne dass unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen. Nach dem Inhalt der vertraglichen und sonstigen rechtsgeschäftlichen Beziehungen muss dem Betriebserwerber die Fortführung des Betriebes möglich sein. Solche Beziehungen müssen nicht unmittelbar zwischen dem neuen und dem früheren Betriebsinhaber bestehen. Vielmehr genügt es, wenn die betriebliche Fortführungsmöglichkeit durch mehrere Rechtsgeschäfte vermittelt wird.

Allerdings müssen die Betriebsmittel auf Grund solcher Beziehungen zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sein. Erbringt eine dritte Person dagegen nur Leistungen an und mit fremden Geräten und Maschinen innerhalb fremder Räume, ohne dass ihm die Befugnis auf Grund der genannten Beziehungen eingeräumt ist, über die Art und Weise der Nutzung der Betriebsmittel in eigenwirtschaftlichem Interesse zu entscheiden, können ihm diese Betriebsmittel nicht als eigene zugerechnet werden (vgl. BAG, Urteil v. 11. Dezember 1997 - 8 AZR 426/94, BAGE 87, 296 = AP Nr. 171 zu § 613 a BGB). Die Rechtsfolge eines von § 613 a BGB erfassten Betriebsübergangs besteht darin, dass der neue Betriebsinhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt.

Das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Betriebsinhaber erlischt (vgl. die Zusammenfassung von Hauck, Neueste Entwicklung der Rechtsprechung zu § 613 a BGB, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/2004 S. 17 ff.).

b) Die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Betriebsübergang sind vorliegend nicht erfüllt. Fehl geht schon die Annahme des Beklagten, durch den Unfall und seine dadurch begründete vollständige Geschäftsunfähigkeit sei er aus dem von ihm ab dem 01. Januar 2000 übernommenen U. ausgeschieden. Der Verlust der - auch insoweit zumindest zu unterstellenden - Geschäftsunfähigkeit hatte zur Folge, dass rechtsgeschäftliche Willenserklärungen wirksam von ihm nicht mehr abgegeben und entgegengenommen werden konnten. Dadurch ist er jedoch rechtlich nicht aus seiner Stellung als Inhaber eines Betriebes bzw. Unternehmens ausgeschieden. Weil der Beklagte zu einer eigenverantwortlichen Teilnahme am Rechtsverkehr nicht mehr fähig war, ist seine Ehefrau durch das Vormundschaftsgericht zur vorläufigen Betreuerin gemäß §§ 1896 ff. BGB bestellt worden, wobei anders als bei der Mutter, die zunächst auch als vorläufige Betreuerin, in der Folgezeit jedoch als Dauerbetreuerin bestellt worden ist, kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist.

Für die Dauer der befristeten Bestellung der Ehefrau als vorläufige Betreuerin, wobei der Aufgabenkreis der vorläufigen Betreuerin die Besorgung von Vermögensangelegenheiten des Beklagten umfasste, vertrat diese den Beklagten gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). Die Ehefrau handelte somit in Vertretungsmacht.

Folgerichtig macht der Beklagte auch nicht geltend, ein Betriebsübergang sei schon zum Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Betreuung eingetreten. Mit der Beendigung der befristet angeordneten Betreuung endete die gesetzliche Vertretungsmacht der Ehefrau. Soweit sie in der Folgezeit in Bezug auf den U. handelte, geschah dies als Vertreterin ohne Vertretungsmacht. Dies hat der Beklagte selbst zutreffend so gesehen, denn in der Streitverkündungsschrift hat er ausgeführt, seine Ehefrau habe als Vertreterin ohne Vertretungsmacht das Unternehmen fortgeführt. Handelt jedoch eine Person als Vertreter(in) ohne Vertretungsmacht, schließt dies gerade irgendwelche vertraglichen oder sonstigen rechtsgeschäftlichen Beziehungen aus. Ein ohne Vertretungsmacht geschlossener Vertrag ist zunächst nicht nichtig, sondern nur schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Darauf, ob die später zur Dauerbetreuung bestellte Mutter des Beklagten dadurch, dass sie nach dem Vorbringen des Beklagten in der Zwischenzeit den Betrieb eingestellt hat, für den Beklagten die ohne Vertretungsmacht von seiner Ehefrau abgeschlossenen Verträge ausdrücklich oder konkludent genehmigt hat, kommt es vorliegend nicht an. Mit der Klägerin hat die Ehefrau des Beklagten keinen Vertrag abgeschlossen, vielmehr ist das Arbeitsverhältnis nur fortgeführt worden.

c) Mangelt es somit an der Erfüllung der gesetzlichen bzw. auf Grund der Rechtsprechung des EuGH und des BAG verdeutlichten Voraussetzungen für einen Betriebsübergang, weil es an vertraglichen oder sonstigen rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen dem Beklagten als ehemaligem Betriebsinhaber und seiner Ehefrau als vermeintlicher Betriebsübernehmerin fehlt, kommt auch eine analoge Anwendung der Vorschrift vorliegend nicht in Betracht. Darauf zielt die von dem Beklagen in den Raum gestellte und von ihm bejahte Frage ab, ob ein Übergang eines Betriebes auch ohne oder sogar gegen den Willen des Veräußerers zu der Rechtsfolge des § 613 a BGB führen könne. Abgesehen davon, dass der von dem Beklagten in diesem Zusammenhang verwandte Begriff "Veräußerer" verfehlt ist, denn dies würde gerade eine vertragliche oder sonstige rechtsgeschäftliche BBeziehung zum Erwerber voraussetzen, kann sich der Beklagte nicht auf den Grundgedanken des § 613 a BGB berufen. Der von ihm angeführte Grundgedanke des Bestandsschutzes soll den Arbeitnehmer schützen, nicht jedoch denjenigen, gegen dessen angebliche Interessen der Betrieb von einer nicht berechtigten Person fortgeführt worden ist.

Vorliegend liegt der Fall nicht anders als der, dass ein Angestellter oder ein Geschäftsführer im Eigeninteresse handelt und damit den Geschäftsinhaber oder die Gesellschafter verpflichtet oder schädigt. Die faktische (Fort-)Führung eines Betriebes beendet nicht die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Inhaber oder der Gesellschaft. Diese haben möglicherweise ihrerseits Ansprüche gegen den im Eigeninteresse handelnden Angestellten oder Geschäftsführer, bleiben jedoch dem Vertragspartner gegenüber verpflichtet. Ein Austausch der Vertragspartner auf Arbeitgeberseite tritt dadurch nicht ein.

d) Da nach allem die Voraussetzungen für einen Betriebsübergang nicht gegeben sind, der Beklagte vielmehr Vertragspartner der Klägerin geblieben ist, schuldet er die Vergütungsansprüche und die Spesen für die Monate November und Dezember 2003 auf Grund des Arbeitsvertrages. Zur Zahlung der geltend gemachten und vom Arbeitsgericht ebenfalls zugesprochenen Vergütungsansprüche für die Monate Januar und Februar 2004 ist der Beklagte gemäß § 611, 615 BGB verpflichtet. Auch der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug, der dem Arbeitnehmer unberechtigt kündigt, indem eine zu kurze Kündigungsfrist gewählt worden ist (vgl. BAG, Urteil v. 09. April 1987 - 2 AZR 280/86, BAGE 55, 206 = AP Nr. 1 zu § 9 AÜG; LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 10. Dezember 2003 - 3 Sa 395/03, EzA - Schnelldienst Nr. 2/2004 S. 8). Durch die Kündigung vom 15. Dezember 2003 ist nicht einmal die Frist des § 622 Abs. 1 BGB gewahrt worden. Da die Klägerin jedoch auf eine Betriebszugehörigkeit seit dem 01. Juli 1996 verweisen kann, denn der Beklagte hat den Kurierdienst ab 01. Januar 2000 von dem früheren Arbeitgeber der Klägerin übernommen, war gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende eines Kalendermonats zu wahren.

e) Hinsichtlich der zugesprochenen Zinsen ist vom Beklagten nichts erinnert worden. Die aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begründeten Lohnansprüche werden zu dem selben Zeitpunkt fällig, wie sie bei der Leistung der Arbeit fällig geworden wären (vgl. BAG, Urteil v. 27. November 1991 - 4 AZR 211/91, BAGE 69, 119 = AP Nr. 22 zu § 4 TVG Nachwirkung; Urteil v. 13. Februar 2003 - 8 AZR 236/02, EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 162).

III.

1. Die Kosten seiner erfolglosen Berufung hat der Beklagte gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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