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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 02.09.2004
Aktenzeichen: 15 Ta 15/04
Rechtsgebiete: ZPO, SGB III, BSHG


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 1
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 115 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 127 Abs. 3 Satz 2
SGB III § 139 Satz 2
SGB III § 339 Abs. 1 Satz 1
BSHG § 88
BSHG § 88 Abs. 1
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG § 88 Abs. 3 Satz 1
BSHG § 88 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 15 Ta 15/04

Stuttgart, 02.09.2004

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 15. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Braasch am 02. September 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse wird Ziffer 2) des Beschlusses des Arbeitsgerichts Stuttgart, Ka. Ludwigsburg - Az.: 12 Ca 3039/03 - vom 12. März 2004 wie folgt abgeändert:

Der Kläger hat zur Bestreitung der Kosten des Verfahrens aus seinem Vermögen einen Betrag von höchstens 1.250,00 € einzusetzen.

2. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Vertreterin der Staatskasse erstrebt mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss vom 12. März 2004 dessen Abänderung dahin, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens den zehnten Teil der vereinbarten Abfindung als Vermögenswert einzusetzen hat.

Mit der am 01. Dezember 2003 erhobenen Klage hat der durch einen Rechtsbeistand vertretene, am 10. August 1958 geborene, verheiratete und den in den Jahren 1989 und 1991 geborenen Kindern gegenüber unterhaltspflichtige Beschwerdegegner die Unwirksamkeit der schriftlichen Kündigung vom 28. November zum 31. Dezember 2003 des im Mai 2001 begonnenen Arbeitsverhältnisses geltend gemacht und um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Im Monat Oktober 2003 wurde gegenüber dem Kläger ein Bruttogehalt in Höhe von 5.112,92 € abgerechnet, welches zu einem Auszahlungsbetrag in Höhe von 3.198,82 € führte. In der Sitzung vom 19. Januar 2002 ist der Rechtsstreit im Wege des Vergleichs beigelegt worden. Die Arbeitgeberin hat sich verpflichtet, eine Sozialabfindung in Höhe von 12.500,00 € zu bezahlen. Bezüglich der in der Sitzung überreichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist dem Beschwerdegegner durch Verfügung vom 29. Januar 2004 aufgegeben worden, darin enthaltene Angaben glaubhaft zu machen.

Durch Beschluss vom 12. März 2004 ist dem Beschwerdegegner ab dem 13. Januar 2004 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Dagegen hat sich die Vertreterin der Staatskasse unter mehreren Gesichtspunkten gewandt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Im Beschwerdeverfahren geht die Vertreterin der Staatskasse davon aus, der Beschwerdeführer verfüge unter Berücksichtigung des aus Arbeitslosengeld bestehenden Einkommens und der verschiedenen Abzüge über kein ratenfähiges Einkommen. Sie macht jedoch weiterhin geltend, der Beschwerdegegner habe eine Einmalzahlung maximal in Höhe von einem Zehntel des Bruttoabfindungsbetrages auf die Prozesskosten zu leisten.

Der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdegegners hat die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen in Höhe von 917,56 beantragt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie auch Erfolg. Nach der überwiegend von einer Vielzahl von Beschwerdegerichten vertretenen Auffassung hat der Beschwerdegegner einen Teil der vereinbarten Abfindung als Vermögen gemäß § 115 Abs. 2 ZPO einzusetzen. Dies gilt vorliegend schon deswegen, weil über den erst in der Sitzung vom 19. Januar 2004 vervollständigten Antrag am 12. März 2004 entschieden worden ist. Weil der Kläger des Ausgangsverfahrens Belastungen aus Fremdmitteln in Höhe von 2.016,91 € angegeben hatte, hat das Arbeitsgericht deren Glaubhaftmachung für erforderlich erachtet.

1. Nach § 127 Abs. 3 Satz 1 ZPO findet gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nach § 127 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten hat. Die Frist für die sofortige Beschwerde beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses (§ 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO).

Die sofortige Beschwerde der Vertreterin der Staatskasse ist rechtzeitig und formgerecht (§ 569 ZPO i. V. m. § 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO) eingelegt worden. Der Bewilligungsbeschluss datiert vom 12. März 2004. Die sofortige Beschwerde vom 22. März 2004 ist am 24. März 2004 beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Beschwerdefrist ist somit gewahrt.

2. Soweit die sofortige Beschwerde auf eine Vielzahl von Gesichtspunkten abgestellt hat, kommt es auf diese bis auf den, der Abfindungsanspruch sei nicht berücksichtigt worden, nicht mehr an. Die Vertreterin der Staatskasse geht selbst davon aus, der Arbeitslosengeld beziehende Beschwerdegegner verfüge über kein ratenfähiges Einkommen. Allerdings hat die Vertreterin der Staatskasse das aus Arbeitslosengeld bestehende Einkommen des Beschwerdegegners zu dessen Ungunsten unzutreffend ermittelt. Da sich nach dem Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes G. vom 26. Januar 2004 der wöchentliche Leistungsbetrag auf 485,45 € beläuft, nach § 139 Satz 2 SGB III auf jeden Kalendertag ein Siebtel des wöchentlichen Arbeitslosengeldes entfällt und nach § 339 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Berechnung von Leistungen ein Monat mit 30 Tagen berechnet wird, beläuft sich das in der Form von Arbeitslosengeld einzusetzende Einkommen auf 2.080,50 €. Die Anwendung des Faktors 4,33 widerspricht der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.

3. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdegerichte wird überwiegend die Auffassung vertreten, eine im Wege des Vergleichs vereinbarte Sozialabfindung - deren Höhe das sog. Schonvermögen i. S. von § 88 BSHG übersteigt - sei grundsätzlich - in den Grenzen der Zumutbarkeit - als einzusetzendes Vermögen i. S. des § 115 Abs. 2 Satz 2 ZPO zur Deckung der Prozesskosten mit heranzuziehen (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 24. Juni 1987 - 5 Ta 91/87, LAGE § 115 ZPO Nr. 25; LAG Frankfurt/M., Beschluss v. 07. April 1988 - 13 Ta 28/88, LAGE § 115 ZPO Nr. 28; LAG Köln, Beschluss v. 07. Juni 1988 - 10 Ta 75/88, LAGE § 115 ZPO Nr. 30; LAG Nürnberg, Beschluss v. 22. Juli 1988 - 7 Ta 16/88, LAGE § 114 ZPO Nr. 14; LAG Berlin, Beschluss v. 05. April 1989 - 9 Ta 6/89, LAGE § 115 ZPO Nr. 34; LAG Nürnberg, Beschluss v. 24. August 1989 - 4 Ta 39/89, LAGE § 115 ZPO Nr. 40; LAG Hamm, Beschluss v. 19. Februar 2003 - 18 Ta 40/03, NZA-RR 2003, 381; zustimmend auch GK-ArbGG/Bader, § 11 a Rn. 86 f.; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 4. Aufl., § 11 a Rn. 40 f.; Grunsky, ArbGG, 7. Aufl., § 11 a Rn. 2 c). Eine gegenteilige Auffassung vertreten nur das LAG Bremen (Beschluss v. 16. August 1982 - 4 Ta 38/82, EzA § 115 ZPO Nr. 5 = AP Nr. 1 zu § 115 ZPO; Beschluss v. 20 Juli 1988 - 1 Ta 38/88, LAGE § 115 ZPO Nr. 29) und eine Kammer des LAG Berlin (Beschluss v. 18. August 1981 - 12 Sa 63/81, DB 1981, 2388) sowie Hauck/Helml, ArbGG, 2. Aufl., § 11 a Rn. 11, allerdings ohne jede Begründung.

a) Die den Einsatz einer im Wege des Prozessvergleichs vereinbarte Abfindung verneinenden bzw. bejahenden Erkenntnisse der angeführten Beschwerdegerichte unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass die Fragen bezüglich der Zumutbarkeit gemäß § 115 Abs. 2 ZPO und des Vorliegens einer Härte i. S. des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG gegenteilig beantwortet werden. Soweit auf die Besonderheiten der Abfindung in den den Einsatz einer solchen verneinenden Entscheidungen (vgl. LAG Bremen, Beschluss v. 20. Juli 1988, a. a. O.) abgestellt wird, wird unberücksichtigt gelassen, dass nach dem geltenden Recht ein Anspruch auf eine Abfindung die Ausnahme darstellt. Selbst wenn objektiv ein Kündigungsgrund gegeben ist, einigen sich die Parteien im Kündigungsschutzverfahren häufig auf die Zahlung einer Abfindung, um alsbald klare Verhältnisse herzustellen. Vorliegend ist die Kündigung nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens ausgesprochen worden, weil sich die Beklagte gezwungen gesehen hat, weitere Stellen abzubauen. Wenn sich die Beklagte entschlossen hat, zukünftig keinen Vertriebsleiter mehr zu beschäftigen, könnte es sich dabei um eine Unternehmerentscheidung handeln, die nur in engen Grenzen überprüfbar gewesen wäre.

b) Für den Einsatz einer im Wege des Prozessvergleichs vereinbarten Abfindung zur Deckung der Prozesskosten spricht der Sinn und Zweck des Instituts der Prozesskostenhilfe. Dabei handelt es sich um eine Leistung staatlicher Daseinsfürsorge, vergleichbar der Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen (vgl. BGH, Beschluss v. 12. September 2002 - III ZB 43/02, NJW 2002, 3554). Daher hat eine Partei nur dann einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn sie, abgesehen von den objektiven Bewilligungsvoraussetzungen, die Kosten der Prozessführung überhaupt nicht oder nur zum Teil tragen kann. Sie hat nach § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO ihr Einkommen und nach § 115 Abs. 2 ZPO ihr Vermögen einzusetzen. Hinsichtlich des Vermögenseinsatzes muss dieser zumutbar sein.

Ebenso wie zur Ermittlung des einzusetzenden Einkommens nach § 115 Abs. 1 ZPO nimmt § 115 Abs. 2 auf das Bundessozialhilfegesetz Bezug und erklärt dessen § 88 für entsprechend anwendbar. Somit ist der Vermögensbegriff des § 88 Abs. 1 BSHG maßgebend, wonach zum Vermögen das gesamte verwertbare Vermögen gehört. Nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG darf Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge und sonstiger Geldwerte, wobei die besondere Notlage des Hilfesuchenden zu berücksichtigen ist. Zur Bestimmung der kleineren Barbeträge und sonstiger Geldwerte legt die auf der Grundlage des § 88 Abs. 4 BSHG erlassene Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes vom 11. Februar 1988 (BGBl. I S. 150) in der Fassung des Art. 17 des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) Freibeträge fest. Diese belaufen sich vorliegend in der Summe auf 3.427,00 € (Kläger: 2.301,00 €; Ehefrau des Klägers: 614,00 €; je Kind: 256,00 €).

Selbst wenn dieser Betrag gemäß § 2 der Verordnung vom 11. Februar 1988 verdoppelt wird, verbleibt noch von der Gesamtabfindung in Höhe von 12.500,00 € ein Betrag in Höhe von 5.646,00 €. Anhaltspunkte dafür, dass es für den Beschwerdegegner und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte i. S. des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG bedeuten würde, wenn 10 % der Gesamtabfindung zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen sind, sind nicht ersichtlich und nicht dargetan worden. Dem Beschwerdegegner und seinen Familienangehörigen stehen zwar nur noch monatlich 2.958,50 € zur Bestreitung der Lebenskosten zur Verfügung, während es vormals 4.076,82 € waren. Die monatliche Differenz in Höhe von 1.118,32 € zehrt die erhaltene Abfindung zwar schon in ca. 11 Monaten auf, gleichwohl stellt die Heranziehung der vereinbarten Abfindung in dem Umfang von einem Zehntel im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe keine Härte dar, zumal das gekündigte Arbeitsverhältnis nur 32 Monate bestanden hat und sich die vereinbarte Abfindung auf nahezu das Zweieinhalbfache eines Bruttomonatsverdienstes beläuft.

Dementsprechend war der von der Vertreterin der Staatskasse angefochtene Bewilligungsbeschluss in seiner Ziffer 2) dahin abzuändern, dass von dem Beschwerdegegner weiterhin keine monatlichen Raten aufzubringen sind, er jedoch einen Betrag in Höhe von bis zu 1.250,00 € zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen hat.

III.

1. Für eine Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung, denn die Vertreterin der Staatskasse war mit ihrer sofortigen Beschwerde erfolgreich.

2. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Begründete Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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