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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 21.02.2007
Aktenzeichen: 17 Ta 1/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 6
ZPO § 569
ZPO § 767
ZPO § 793
ZPO § 888
ZPO § 888 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 22.12.2006, Az.: 12 Ca 210/06, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandwert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 2.000,-- festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beklagte wehrt sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 16.01.2007 gegen einen ihr am 03.01.2007 zugestellten Beschluss des Arbeitsgericht Stuttgart, Kammern Ludwigsburg, vom 22.12.2006, durch welchen zur Erzwingung eines Weiterbeschäftigungstitels ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 2.000,--, hilfsweise zwei Tage Zwangshaft, zu vollstrecken am Geschäftsführer der Komplementär GmbH der Beklagten, festgesetzt wurde.

Mit Urteil vom 12.07.2006 war festgestellt worden, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 30.01.2006 nicht aufgelöst worden ist. Weiter war die Beklagte verurteilt worden, den Kläger über den Kündigungstermin hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Arbeiter weiter zu beschäftigen. Eingestellt worden war der Kläger als Polsterer; zuletzt war er in der Abteilung Kopfteil eingesetzt (Urteil vom 12.07.2006, ABl. 101 ff., 114f.).

Die Beklagte ist der Auffassung, dass es an der notwendigen Bestimmtheit des Weiterbeschäftigungstitels fehle, weil die konkreten Bedingungen der Weiterbeschäftigung sich weder aus dem Tenor, noch aus Tatbestand oder Entscheidungsgründen des Urteils vom 12.07.2006 ergäben. Der Hinweis auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers helfe nicht weiter, weil schon im Kündigungsschutzverfahren streitig gewesen sei, ob und in welchem Umfang der Kläger auf anderen Arbeitsplätzen eingesetzt worden war. Darüber hinaus sei der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers unmöglich. Sein früherer Arbeitsplatz sei entfallen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an anderer Stelle im Betrieb bestehe nicht. Dies habe das Arbeitsgericht in der Entscheidung vom 12.07.2006 selbst festgestellt.

Die Beklagte beantragt deshalb,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg vom 22.12.2006 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 26.01.2007).

II.

Die gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Beklagten, die gemäß § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt wurde, hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht durch Verhängung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, zur Erfüllung des Weiterbeschäftigungstitels angehalten. Das Beschwerdevorbringen der Beklagten rechtfertigt keine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

a) Die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Arbeiter gemäß Ziffer 2) des Urteils vom 12.07.2006 wird gemäß § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckt (Stein/Friedrich-Brehm, ZPO 2004, § 888 Rnr. 5). Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 02.01.2007 zugestellt, die Vollstreckungsklausel wurde am 11.01.2007 erteilt (§§ 704 Abs. 1, 724 Abs. 1, 750 Abs. 1 ZPO).

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Titel einen vollstreckungsfähigen Inhalt. Ein Weiterbeschäftigungstitel ist jedenfalls dann hinreichend bestimmt, wenn sich die Art der Beschäftigung aus dem Titel, gegebenenfalls unter Heranziehung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe, ergibt und zwischen den Parteien im Übrigen kein Streit über die auszuführende Tätigkeit herrscht, was bei einem Weiterbeschäftigungstitel nach unwirksamer Kündigung in der Regel angenommen werden kann (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.05.2004, 8 Ta 3/04, n.v.; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.03.1997, 2a Ta 3/97, n.v.). Ob auch die "Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen" ausreicht, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (bejahend Grunsky, ArbGG 7. Aufl. 1995, § 62 Rnr. 13a; ablehnend Schwab/Weth, ArbGG § 62 Rnr. 70; weitere Nachweise bei GK/ArbGG-Vossen, § 62 ArbGG Rnr. 11). Im vorliegenden Fall ergibt sich bereits aus dem Tenor, dass der Kläger als Arbeiter weiter zu beschäftigen ist. Da aus dem Weiterbeschäftigungstitel nur der Beschäftigungsanspruch, nicht aber die damit zusammenhängenden Ansprüche auf Entgelt, Zuwendungen etc. vollstreckt werden, erfüllt die Beklagte den Anspruch bereits dadurch, dass sie den Kläger aufgrund ihres Weisungsrechts im Betrieb als Arbeiter einsetzt (Germelmann, ArbGG 4. Aufl. 2002, § 62 ArbGG Rnr. 48 / Weiterbeschäftigungsanspruch). Eine näher bestimmte Tätigkeit könnte der Kläger aufgrund dieses arbeitgeberseitigen Weisungsrechts auch gar nicht beanspruchen. Dem steht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 08.05.2002 (5 Sa 14/00, NZA RR 2000, 663) nicht entgegen. Dort hatte das Gericht die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Meister mangels Bestimmtheit grundsätzlich für nicht vollstreckbar gehalten. Es ist dabei davon ausgegangen, dass die Bezeichnung "Meister" keinen aufgrund allgemeinen Sprachgebrauchs oder allgemein zugänglicher berufsrechtlicher Richtlinien bestimmten eindeutigen Inhalt habe und es deshalb völlig offen sei, mit welchen Aufgaben/Tätigkeiten in welchem Arbeitsbereich und in welcher Fachrichtung der Kläger als solcher zu beschäftigen sei. Demgegenüber beinhaltet die Beschäftigung als Arbeiter, dass die Beklagte den Kläger überall dort einsetzen kann, wo sie sonst Arbeiter beschäftigt und wo sie den Kläger für geeignet hält.

Darüber hinaus besteht über den Inhalt der vom Kläger geschuldeten Tätigkeit zwischen den Parteien auch kein Streit. Der seit 1992 bei der Beklagten beschäftigte Kläger war zuletzt als Polsterer in der Abteilung Kopfteil tätig. Dass sich seine Tätigkeit auf diesen Einsatz konkretisiert habe, hat keine Partei behauptet. Deshalb ist es unerheblich, dass die Parteien darüber stritten, ob und in welchem Umfang der Kläger bisher tatsächlich auf anderen Arbeitsplätzen eingesetzt wurde.

c) Der Vollstreckung des Weiterbeschäftigungstitels steht auch nicht entgegen, dass der Beklagten die Vornahme der geschuldeten Handlung unmöglich wäre. Zwar geht die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO nicht zulässig ist, wenn die zu erbringende Handlung dem Schuldner nicht (mehr) möglich ist. Der Schuldner kann durch staatliche Zwangsmittel nicht zu etwas gezwungen werden, was nicht in seiner Macht steht (LAG München, Beschluss vom 01.08.2005, 4 Ta 250/05, n.v., JURIS, m.w.N.; Stein/Friedrich-Brehm, ZPO 2004, § 888 Rnr. 30).

(1) Die Beklagte beruft sich darauf, dass ihr die Weiterbeschäftigung des Klägers unmöglich sei, weil der frühere Arbeitsplatz entfallen und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an anderer Stelle im Betrieb oder Unternehmen nicht bestehe. Diese Ausführungen waren jedoch schon Gegenstand des Erkenntnisverfahrens. Das Arbeitsgericht ist dennoch zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger sei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen. Einwände hiergegen hat die Beklagte deshalb gegebenenfalls im Berufungsverfahren vorzubringen. Sie stehen der (vorläufigen) Vollstreckbarkeit des Urteils vom 12.07.2006 nicht entgegen (LAG Köln, Beschluss vom 26.10.1998, 10 Ta 153/98, Bibliothek des Bundesarbeitsgerichts, MDR 1999, 303). Soweit andere Landesarbeitsgerichte Unmöglichkeit auch dann annehmen, wenn der Arbeitgeber sich bereits im Erkenntnisverfahren auf eine Organisationsmaßnahme berufen hat, die zu einem Verlust des Arbeitsplatzes führt (LAG München, Beschluss vom 14.02.2006, 10 Ta 493/05, AuA 2006, 228, JURIS; LAG Berlin, Beschluss vom 13.10.2003, 6 Ta 1968/03, Bibliothek Bundesarbeitsgericht, LAGE Nr. 2 zu § 611 BGB 2002 Beschäftigungspflicht), kann dem nicht gefolgt werden. Das Zwangsvollstreckungsverfahren dient nicht der Korrektur des Erkenntnisverfahrens. Ob nachträglich eintretende Umstände, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen, im Zwangsvollstreckungsverfahren Berücksichtigung finden können, erscheint im Hinblick auf § 767 ZPO fraglich, bedarf hier aber keiner Entscheidung, weil solche Umstände hier nicht geltend gemacht werden.

(2) Unabhängig davon ist der Beklagten die Weiterbeschäftigung auch deshalb nicht unmöglich, weil sich die Beschäftigung des Klägers nicht auf einen bestimmten Arbeitsplatz konkretisiert hatte. Das Arbeitsgericht ist in seiner Entscheidung zwar davon ausgegangen, dass eine unternehmerische Entscheidung vorliegt, durch die bei einer Gesamtbelegschaft von 100 Mitarbeitern 11 Arbeitsplätze abgebaut werden. Damit wird aber die Beschäftigung des Klägers selbst dann nicht unmöglich, wenn sein Arbeitsplatz direkt davon betroffen wäre, was im vorliegenden Fall wohl aber schon deswegen ausscheidet, weil die Abteilung Kopfteil nicht vollständig stillgelegt wurde und die Auswahl des Klägers allein über § 1 Abs. 3 KSchG erfolgte. Wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat, hat die Beklagte dem Kläger im Rahmen ihres Direktionsrechts einen Arbeitsplatz in dem nach wie vor bestehenden Betrieb zuzuweisen. Dass die Beklagte zur Verwirklichung ihrer Organisationsentscheidung statt des Klägers gegebenenfalls eine andere Person kündigen muss, begründet keine Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung im Sinne des § 888 ZPO, sondern ist Konsequenz aus dem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach einer unwirksamen Kündigung, wie er nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit der Entscheidung vom 27.02.1985 (GS 1/84, BAGE 48, 122, NZA 1985, 702) begründet ist (im Ergebnis ebenso LAG Köln, Beschluss vom 26.10.1998, 10 Ta 153/98, a.a.O.). In dieser Entscheidung ist auch aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen das Weiterbeschäftigungsbegehren des Arbeitnehmers trotz Obsiegens im Kündigungsschutzrechtsstreit unbegründet sein kann.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens entspricht der Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes.

Ende der Entscheidung

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