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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.01.2008
Aktenzeichen: 19 Sa 37/07
Rechtsgebiete: TV Sonderzahlung


Vorschriften:

TV Sonderzahlung § 1
TV Sonderzahlung § 2 Ziff. 1
TV Sonderzahlung § 2 Ziff. 1 Abs. 1
TV Sonderzahlung § 2 Ziff. 1 Abs. 2
TV Sonderzahlung § 4
TV Sonderzahlung § 8
TV Sonderzahlung § 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 13.06.2007 - 8 Ca 66/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Sonderzahlung für das Jahr 2006.

Der Kläger war bei der Beklagten seit 1980 als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Die jeweiligen Tarifverträge der Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie finden auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung.

Nach dem Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlung (13. Monatseinkommen), der auf einen Schlichtungsstellenspruch beruht und ab 31.05.2006 Wirksamkeit erlangt hat, hat der Kläger Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung.

§ 2 Ziff. 1 des Tarifvertrages hat folgenden Wortlaut:

1. Für Arbeitnehmer/innen nach § 1, die jeweils am 1. Dezember eines Jahres in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb oder Unternehmen ununterbrochen mehr als 12 volle Kalendermonate angehören, beträgt die betriebliche Sonderzahlung 2006 75 % und ab 2007 70 % eines nach dem Durchschnitt der abgerechneten Lohn- bzw. Gehaltszeiträume, die voll in das laufende Kalenderjahr fallen, berechneten Monatseinkommens.

Betriebe mit Ergänzungstarifverträgen vor dem 31.05.2006 werden von dieser Regelung nicht erfasst, für sie gilt der bisherige Prozentsatz (80%).

...

Zwischen dem Verband der B.-W. Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung e.V. und der IG Metall wurde unter dem 28.06.2005 ein Tarifvertrag zur langfristigen Sanierung und Standortsicherung der Beklagten abgeschlossen. In diesem wurden vorübergehende zusätzliche Maßnahmen bezüglich der Arbeitszeit getroffen. Die Arbeitszeitleistung wurde monatlich um ca. 11 Stunden bei gleichbleibendem monatlichen Arbeitseinkommen erhöht.

Die Beklagte zahlte an den Kläger für das Jahr 2006 ein 13. Monatseinkommen in Höhe von 75 %.

Der Kläger, der Nachzahlung von 5 % seines Monatseinkommens in rechnerisch unstreitiger Höhe fordert, hält den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für einen Ergänzungstarifvertrag im Sinne des § 2 Ziff. 1 TV Sonderzahlung.

Er hat beantragt:

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 146,27 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, bei den im Rahmen der Schlichtungsverhandlungen geführten Gesprächen habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Ausnahmeregelung nicht pauschal bei sämtlichen Ergänzungstarifverträgen anzuwenden sei, sondern nur in solchen Fällen, in denen Ergänzungstarifverträge auf die frühere Regelung des Flächentarifvertrages (80 %) als Ermittlungsgröße bei einer abgesenkten Zahlung Bezug genommen hätten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage am 13.06.2007 abgewiesen. Die Besserstellung von Arbeitnehmern in Betrieben mit Ergänzungstarifverträgen gegenüber anderen tarifgebundenen Arbeitnehmern, lasse den Schluss zu, dass rechtfertigender Grund dafür in einem Ausgleich für durch die Ergänzungstarifverträgeentstandenen Nachteile zu sehen sei. Es bedürfe daher einer Konkretisierung der Auswirkungen, die als nachteilig im Sinne der Ausnahmeregelung zu verstehen sind, dies seien die für die Höhe des Anspruchs maßgebenden Faktoren, hier vor allem das Durchschnittseinkommen, das bei einer Verringerung bereits mittelbar zu einer Reduzierung der Jahressonderzahlung führe. Dass auch andere Nachteil, die sich nicht unmittelbar auf die Höhe der Sonderzahlung auswirkten, zu berücksichtigen seien, sei nicht erkennbar. So sei die besondere Belastung einer erhöhten Arbeitszeit im Betrieb der Beklagten ohne zusätzliche Vergütung hinzunehmen und kein Nachteil in diesem Sinne. Denn die Beklagte habe dafür als Gegenleistung einen erheblichen Bestandsschutz eingeräumt.

Der Kläger hat gegen das am 15.06.2007 zugestellte Urteil am 04.07.2007 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist, am 14.09.2007, ausgeführt. Er verfolgt sein Klagebegehren weiter. Ziel und Zweck der tariflichen Regelung sei, die bereits durch Ergänzungstarifverträge benachteiligten Arbeitnehmer nicht zusätzlich durch eine Kürzung des 13. Monatseinkommens zu belasten. Dies sei im Schlichtungsverfahren auch so angesprochen worden, ohne dass die Arbeitgeberseite dem widersprochen hätte. Dem neutralen Wortlaut der Regelung sei nicht zu entnehmen, welcher Art die ergänzenden Firmentarifverträge zu sein hätten, insbesondere auch nicht, dass deren Inhalt eine Besserstellung der betroffenen Arbeitnehmer rechtfertigen müsse. Überdies beeinflusse der Sanierungstarifvertrag vom 28.06.2005 die maßgeblichen Faktoren für die Berechnung des Durchschnittseinkommens. Durch die Nichtbezahlung von zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden verringere sich das der Sonderzahlung zugrunde zu legende Durchschnittseinkommen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Bei dem Sanierungstarifvertrag vom 28.06.2005 handle es sich nicht um einen Ergänzungstarifvertrag im Sinne des § 2 Ziff. 1 Abs. 2 TV-Sonderzahlung. Dieser ergänze nicht die Regelung zur betrieblichen Sonderzahlung.

Wegen des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze im ersten und im zweiten Rechtszug verwiesen.

Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere 5 % seines durchschnittlichen Monatseinkommens als betriebliche Sonderzahlung für das Jahr 2006. Der bei der Beklagten geltende Sanierungstarifvertrag vom 28.06.2005 (TV-Sanierung) ist kein Ergänzungstarifvertrag im Sinne des § 2 Ziff. 1 Absatz 2 TV-Sonderzahlung. Der Betrieb der Beklagten wird daher von der Regelung des § 2 Ziff. 1 Absatz 1 TV-Sonderzahlung erfasst. Danach beträgt die betriebliche Sonderzahlung im Jahr 2006 nur noch 75 % eines Durchschnittseinkommens.

1. Mit dem Arbeitsgericht und den Parteien ist davon auszugehen, dass es sich bei den in § 2 Ziff. 1 Absatz 2 in Bezug genommenen Ergänzungstarifverträgen um solche handelt, die firmen- und nicht flächenbezogen sind. Über den notwendigen Gegenstand solcher Ergänzungstarifverträge enthält § 2 Ziff. 1 Abs. 2 TV-Sonderzahlung keine Hinweise. Allerdings bedarf es solcher auch nicht. Aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich nämlich, dass nur Ergänzungstarifverträge gemeint sein können, die sich mit der im TV-Sonderzahlung geregelten Materie befassen und den TV-Sonderzahlung somit ergänzen, in dem sie abweichende, auf die Belange des einzelnen Betriebes zugeschnittene Regelungen über die Sonderzahlung enthalten.

Hätten die Tarifvertragsparteien eine davon abweichende Regelung treffen wollen, so hätte dies zusätzlicher Anhaltspunkte, wenn nicht sogar einer Klarstellung bedurft. An einer solchen Klarstellung oder auch nur an solchen Anhaltspunkten fehlt es gänzlich.

Auf den Willen der an dem Tarifabschluss Beteiligten kann es nicht ankommen, denn deren - zwischen den Parteien streitige - Überlegungen haben in dem Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden.

Dieses Verständnis der Regelungen in § 2 Ziff. 1 Abs. 2 TV-Sonderzahlung wird bestätigt durch die Erwägungen des Arbeitsgerichts auf der Seite 5 und der Seite 6 des Urteils, auf die verwiesen wird.

2. Der für den Betrieb der Beklagten geltende Sanierungstarifvertrag vom 28.06.2005 hat nicht die betriebliche Sonderzahlung zum Gegenstand und ist deshalb kein Ergänzungstarifvertrag im Sinne des § 2 Ziff. 1 Abs. 2 TV-Sonderzahlung. In diesem Tarifvertrag wird zwar den betroffenen Arbeitnehmern eine zusätzliche Arbeitsleistung ohne zusätzliche Vergütung abverlangt. Auswirkungen auf die betriebliche Sonderzahlung hat dies indes nicht. Das monatliche Durchschnittseinkommen, das maßgebliche Bemessungsgrundlage für das 13. Monatseinkommen ist, wird nämlich nicht gesenkt, es bleibt unverändert. Zudem enthält der Sanierungstarifvertrag für diese zweifelsohne bestehende Belastungen für die Arbeitnehmer auch Ausgleichsregelungen, so die Beschäftigungssicherung in § 4, bei Umgruppierung eine günstigere Anrechnungsvorschrift bei Tariferhöhung auf den Besitzstand in § 8, die Möglichkeit einer Bonuszahlung in § 9. Dies lässt auf ein geschlossenes System schließen, das nicht als Ergänzung des Tarifvertrages zur betrieblichen Sonderzahlung angesehen werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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