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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 09.02.2006
Aktenzeichen: 19 Sa 54/05
Rechtsgebiete: TV-BSW, BETV(BDE)


Vorschriften:

TV-BSW § 1 Abs. 2
TV-BSW § 2
TV-BSW § 2 Abs. 1
TV-BSW § 2 Abs. 2
BETV(BDE) § 5
BETV(BDE) § 5 Abs. 1
BETV(BDE) § 5 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 20.07.2005 - Az.: 5 Ca 201/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf eine tarifliche Einmalzahlung hat, bzw. ob diese zu 75 % auf seine bisherige Vergütung angerechnet werden kann.

Der Kläger, der langjähriges Mitglied der Gewerkschaft v. ist, arbeitet seit 1986 bei der Beklagten als Kraftfahrer. Die Beklagte ist ein Entsorgungsunternehmen der U., deren Muttergesellschaft die U. ist. Die Beklagte ist seit 01.01.2005 Mitglied des Bundesverbandes der Deutschen Energiewirtschaft e.V. (BDE). Bis 2004 galten bei der Beklagten die von der U. mit der Gewerkschaft v. abgeschlossenen Haustarifverträge, zuletzt der Manteltarifvertrag vom 15.04.2002 (ABl. 39-50 d. Vorakte), gekündigt zum 31.12.2004 und für die gewerblichen Mitarbeiter der Vergütungstarifvertrag Nr. 2 vom 15.01.2003 (ABl. 51-56 d. Vorakte), gekündigt zum 30.04.2004. Aufgrund des zum 30.04.2004 gekündigten Entgelttarifvertrages war der Kläger in Vergütungsgruppe 7 mit einem Stundenlohn von EUR 12,93 eingruppiert. Nach dem mit der Gewerkschaft v. abgeschlossenen Bundesentgelttarifvertrag des Bundesverbandes der Deutschen Energiewirtschaft BETV(BDE) alt, war der Kläger in Vergütungsgruppe 6 bei einem Stundenlohn von EUR 12,36 einzugruppieren. Die Eingruppierung wurde mit Wirkung zum 01.01.2005 vorgenommen.

Mit Rücksicht auf dieses unterschiedliche Vergütungsniveau zwischen dem bis 2004 geltenden Haustarifvertrag und dem BETV(BDE) schlossen die U. und v. mit Wirkung vom 01.05.2004 einen Tarifvertrag zur Besitzstandswahrung (TV-BSW) ab (vgl. ABl. 76-79 d. Vorakte), wonach die ursprünglichen Tabellenvergütungen und Tabellenlöhne der Haustarifverträge maßgeblich bleiben, so lange sie die Löhne und Vergütungen des BETV(BDE) übersteigen (§ 2 Abs. 1). Unter § 2 Abs. 2 dieses Tarifvertrages heißt es "künftige tarifliche Erhöhungen von Löhnen und Vergütungen des BETV(BDE) können auf der Basis der einzelnen Arbeitsstunde zu 75 % so lange angerechnet werden, bis die jeweils geltenden Löhne und Vergütungen des BETV(BDE) erreicht sind.

Mit Wirkung zum 01.09.2004 wurde von BDE und v. ein neuer Entgelttarifvertrag, der ab 01.01.2005 eine prozentuale Erhöhung der Monats- und Stundenvergütung vorsah, abgeschlossen. Für die Zeit von September bis Dezember 2004 wurde als Ausgleich für die "Nullmonate" eine Pauschalzahlung von EUR 200,00 brutto, auszahlbar im Februar 2005 vorgesehen (§ 5 BETV(BDE)). Die Beklagte hat in Anlehnung an § 2 Abs. 2 TV-BSW 25 % der Pauschalzahlung, also EUR 50,00 an den Kläger ausgezahlt.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe Anspruch auf die volle Einmalzahlung von EUR 200,00. Er sei erst zum 01.01.2005 in Vergütungsgruppe des BETV eingruppiert worden. Für die Zeit von September bis Dezember 2004 habe daher keine Tariflohndifferenz bestanden.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 150,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.03.2005 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der BETV(BDE) neu finde für die Zeit vor dem 01.01.2005 mangels Verbandszugehörigkeit der Beklagten keine Anwendung. Auch stelle die Pauschalzahlung eine Vergütungserhöhung dar, die auf die Monate September bis Dezember 2004 herunterzurechnen sei. Für diesen Zeitraum falle somit in der für den Kläger einschlägigen Vergütungsgruppe 6 ein Stundenlohn von EUR 12,65 an. Die tatsächliche Vergütung des Klägers liege mit EUR 12,93 darüber, weshalb eine Anrechnung in Höhe von 75 % zu erfolgen habe. Einer förmlichen Feststellung der zutreffenden Vergütungsgruppe nach dem BETV bedürfe es für den Vergleich der Vergütungshöhen nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Offen gelassen wurde, ob der BETV(BDE) bereits für den Zeitraum von September bis Dezember 2004 anzuwenden war. Der geltend gemachte Anspruch des Klägers bestehe ohnedies nicht. Die formale Feststellung der zutreffenden Vergütungsgruppe sei für einen Vergleich zwischen bisheriger Vergütung und der Vergütung nach dem BETV(BDE) nicht erforderlich. Es stehe fest, dass die Tätigkeit des Klägers in Vergütungsgruppe 6 anzusiedeln sei. Zur näheren Sachdarstellung wird das Urteil vom 20.07.2005 in Bezug genommen. Der Kläger hat gegen das am 25.07.2005 zugestellte Urteil am 08.08.2005 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 25.10.2005 ausgeführt.

Der Kläger verfolgt seine Klage weiter. Er meint, mit dem Begriff Löhne und Vergütungen in § 2 Abs. 2 TV-BSW seien die Entgelttabellen in beiden Tarifverträgen gemeint. Da Einmalzahlungen nicht in die Tabellen eingerechnet würden und die Höhe der geltenden Vergütungen und Löhne nicht bestimmten, finde eine Anrechnung nicht statt. Pauschalzahlungen seien von § 2 Abs. 2 TV-BSW nicht erfasst.

Die Beklagte wiederholt, dass der BETV(BDE) im Jahr 2004 noch keine Anwendung finde. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 TV-BSW sollten außerdem gerade alle "tariflichen Erhöhungen von Löhnen und Vergütungen", also auch Pauschalzahlungen angerechnet werden.

Wegen des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Rechtszügen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine pauschale Zahlung von weiteren EUR 150,00 für die Monate September bis Dezember 2004.

1. Dem Arbeitsgericht ist darin zu folgen, dass dahinstehen kann, ob der BETV(BDE) neu und damit die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 vor dem 01.01.2005 überhaupt auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet. Die Problematik insoweit hat das Arbeitsgericht unter I.1. der Entscheidungsgründe aufgezeigt, weiterer Ausführungen dazu bedarf es nicht.

2. Auch wenn § 5 Abs. 1 Satz 1 BETV(BDE) neu auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet und dem Kläger somit an sich ein Anspruch auf die Pauschalzahlung für die Monate September bis Dezember 2004 in Höhe von insgesamt EUR 200,00 brutto zusteht, konnte er dennoch nur den von der Beklagten gezahlten Betrag von EUR 50,00 brutto fordern. Die Beklagte war nämlich berechtigt, die Pauschalzahlung von EUR 200,00 nach § 2 Abs. 2 TV-BSW um 75% zu kürzen. Auch insoweit kann auf die sorgfältigen und überzeugenden Darlegungen des Arbeitsgerichts unter I.2. der Entscheidungsgründe Bezug genommen werden.

3. Zusammenfassend ist auszuführen:

a) findet der BETV(BDE) aufgrund der Regelungen in der Präambel und in § 1 Abs. 2 des TV-BSW bereits vor dem 01.01.2005 Anwendung, so gilt auch die Regelung des § 2 Abs. 2 dieses Tarifvertrages. Danach können 75 % der tariflichen Erhöhungen von Löhnen und Vergütungen des BETV(BDE) so lange angerechnet werden, bis die jeweils geltenden (und gegenüber dem Haustarif geringer bemessenen) Löhne des BETV(BDE) erreicht sind.

b) Gegen eine solche tarifliche Anrechnungsregelung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Besitzstandswahrung in § 2 Abs. 1 TV-BSW, wonach die bisherigen Tabellenlöhne, soweit sie die Löhne und Vergütungen des BETV(BDE) übersteigen, weiter gezahlt werden, bestehen keine Zulässigkeitsbedenken.

c) Bei der Pauschalzahlung nach § 5 Abs. 1 BETV(BDE) handelt es sich um eine tarifliche Erhöhung von Löhnen im Sinne des § 2 Abs. 2 TV-BSW. Dem steht nicht entgegen, dass die Pauschalzahlung für die Monate September bis Dezember 2004 nicht in die Tabellen eingerechnet und im Wesentlichen für eine zurückliegende Zeit gezahlt wurde. § 2 Abs. 2 TV-BSW läßt eine solche Einschränkung weder im Wortlaut, noch nach Sinn und Zweck erkennen.

Was unter künftigen tariflichen Erhöhungen von Löhnen und Vergütungen zu verstehen ist, ist in dem Tarifvertrag nicht definiert. Abzustellen ist deshalb auf das allgemeine Sprachverständnis. Danach ist unter einer tariflichen Erhöhung von Löhnen die Erhöhung des dem Arbeitnehmer als Arbeitsvergütung für eine bestimmte Zeitspanne tariflich geschuldeten Entgeltbetrages zu verstehen. Dazu gehört zweifelsfrei die lineare Erhöhung des Stundenentgelts um einen bestimmten Prozentsatz. Aber auch in einer Einmalzahlung kann eine solche tarifliche Erhöhung der Löhne gesehen werden und zwar - entgegen der Auffassung des Klägers - auch dann, wenn diese nicht zu einer tabellenwirksamen Erhöhung des Tariflohnes führt (BAG 19.05.2004 - 5 AZR 354/03 - EZA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 43).

Die Voraussetzung einer Tariflohnerhöhung ist bei sogenannten Einmalzahlungen gegeben, wenn eine pauschalierte, auf einzelne Abrechnungszeiträume bezogene Erhöhung des Tarifentgeltes - häufig für zum Teil bereits abgerechnete Kalendermonate - vorliegt. Der tarifvertragliche Anspruch auf solche Zahlungen wird ebenso wie der Anspruch auf sonstige Tarifentgelterhöhungen mit der Zahlung eines übertariflichen Lohnes, bzw. - wie hier - mit der Zahlung eines mit Rücksicht auf eine Besitzstandswahrung (§ 2 Abs. 1 TV-BSW) höheren Stundenlohnes (nach Haustarifvertrag) erfüllt, so lange der Effektivlohn höher liegt (vgl. zur Anrechnung auf eine übertarifliche Zulage BAG 25.06.2002 - 3 AZR 167/01 - AP Nr. 36 zu § 4 TVG übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; BAG 16.04.2002 - 1 AZR 363/01 - AP Nr. 38 zu § 4 TVG übertarifliche Lohn- und Tariflohnerhöhung).

Sinn und Zweck des § 2 TV-BSW gebieten keine andere Auslegung. Eine Anrechnung nicht tabellenwirksamer Lohnerhöhungen steht dem Ziel, das höhere Vergütungsniveau zwar zunächst zu sichern, aber auch eine allmähliche, durch geringere Lohnerhöhungen erzielte Anpassung an das Lohnniveau des nunmehr einschlägigen Tarifvertrages zu ermöglichen, nicht entgegen.

Bei der Pauschalzahlung für September bis Dezember 2004 nach § 5 BETV(BDE) handelt es sich um eine solche nachträgliche pauschalierte Lohnerhöhung. Dies ergibt sich daraus, dass sie ausdrücklich als Ausgleich für die Monate September bis Dezember 2004, für die eine prozentuale Stundenlohnerhöhung nicht vorgesehen ist, gezahlt wurde, ihre Höhe vom regelmäßigen Arbeitszeitvolumen abhängt (§ 5 Abs. 2 betr. Teilzeitarbeitskräfte) und Anspruchsvoraussetzung für sie der Bezug von Entgeltleistungen, bzw. Entgeltfortzahlungsleistungen in dem Referenzzeitraum ist (§ 5 Abs. 3).

d) Vom Arbeitsgericht näher dargelegt und unstreitig, erhielt der Kläger nach Haustarif (Vergr. 7) EUR 12,93 brutto pro Stunde während die Tariferhöhung durch die Pauschalzahlung für 4 Monate, bzw. durch die in der Folgezeit prozentuale tabellenwirksame Anhebung nach BETV (BDE) zu einem Stundenlohnanspruch von EUR 12,65, bzw. EUR 12,66 brutto geführt hat. Die 75 %-ige Anrechnung der Pauschalzahlung entsprach daher der Regelung in § 2 Abs. 2 TV-BSW.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Revision wird gem. § 72 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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