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Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.06.2000
Aktenzeichen: 20 Sa 144/99
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO, BGB, StGB, MTV


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG § 72 a
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 256
ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 123 Abs. 1
BGB § 142 Abs. 1
StGB § 242 Abs. 1
MTV § 22 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
20 Sa 144/99

Verkündet am 28. Juni 2000

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 20. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Augenschein, den ehrenamtlichen Richter Rapp und den ehrenamtlichen Richter Wischnath auf die mündliche Verhandlung vom 28.06.2000 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 04.08.1999 - 5 Ca 122/99 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen, da das Urteil des Berufungsgerichts der Revision nicht unterfällt.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ausgeführte (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518 Abs. 1 und 2, 519 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO) und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Eigenkündigung des Klägers vom 26.02.1999 mit Ablauf des 31.03.1999 aufgelöst worden ist und der Kläger diese Kündigung nicht wirksam mit der Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 BGB angefochten hat. Denn der Kläger hat keinen Anfechtungsgrund im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB dargetan.

Das Berufungsgericht schließt sich der arbeitsgerichtlichen Begründung vollinhaltlich an und sieht insoweit gemäß § 543 Abs. 1 ZPO von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Berufung gibt nur zu folgenden weiteren Ausführungen Anlaß:

I.

Selbst wenn man im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung den Tatsachenvortrag des Klägers als richtig unterstellt, wonach der Vorgesetzte Ernst der Beklagten ihn am 26.02.1999 vor die Alternative gestellt habe, entweder sofort selbst ordentlich zu kündigen und dafür ein Zeugnis mit dem Prädikat "ehrlich" zu erhalten, oder die Beklagte werde anders gegen ihn vorgehen und die bis 31.01.1999 von ihm geführte Filiale in Königsbach-Stein total auseinander nehmen und zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass darin unter anderem auch die Androhung einer arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung zu verstehen ist, erwiese sich die Drohung jedenfalls nicht als widerrechtlich im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB, weil weder die angedrohten Mittel, d. h. das angedrohte Verhalten, noch der Zweck, d. h. die abgenötigte Willenserklärung, noch jedenfalls die Verknüpfung von beidem widerrechtlich wäre, sondern die Beklagte in der konkreten Situation eine Arbeitgeberkündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte, wobei nicht erforderlich ist, dass die angekündigte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte (vgl. zum Prüfungsmaßstab für die Rechtswidrigkeit einer angedrohten Arbeitgeberkündigung neben dem vom Arbeitsgericht angegebenen Zitaten auch BAG, Urteil vom 21.03.1996 - 2 AZR 543/95 - AP Nr. 42 zu § 123 BGB; Urteil vom 12.08.1999 - 2 AZR 832/98 - AP Nr. 51 zu § 123 BGB).

1. Im Streitfall hat der Kläger nicht nur den objektiven Tatbestand des § 242 Abs. 1 StGB erfüllt, indem er den Kräuterquark ohne Bezahlung und unter Umgehung der Kasse aus dem Ladenbereich der Filiale in Niefern-Öschelbronn entfernt hat. Seine Einlassungen zur subjektiven Seite sind auch nicht von einer solchen Qualität, um den Verdacht eines deliktischen Verhaltens zwingend zu zerstreuen.

a) Zum einen hat der Kläger erstmals in der Berufungsbegründung vorgetragen, auf dem Weg zum Kassenbereich sei ihm eingefallen, noch die Obst- und Gemüselieferscheine und die Abschriften dieser Abteilung abholen zu müssen, die er üblicherweise nach der Frühstückspause auswerte. Deshalb habe er den eigentlichen Ladenbereich durch den direkt in die Obst- und Gemüseabteilung führenden Kundeneingang verlassen und in der Eile vergessen, dass er den Kräuterquark noch nicht bezahlt habe. Während der Frühstückspause habe er erfahren, dass der ursprünglich auf 10.00 Uhr anberaumte Seminartermin im ca. 500 Meter entfernten Hotel "Krone", in dem er als Ansprechpartner für junge Marktmanager zur Verfügung stehen sollte, auf 12.00 Uhr verschoben worden sei.

Dieses Vorbringen begegnet bereits insoweit Bedenken, als der Kläger nicht ansatzweise erläutert hat, weshalb und inwieweit er sich an diesem Tage in einer solchen Eile befunden habe, dass er trotz seiner langjährigen Berufserfahrung das Einmaleins der Verhaltensmaßregeln als Mitarbeiter im Einzelhandel außer acht lassen konnte.

Darüber hinaus überzeugt der Vortrag auch insoweit nicht, als der Kläger zum Zeitpunkt des Antritts der Frühstückspause noch davon ausgehen musste, die Auswertung der Obst- und Gemüselieferscheine und die Abschriften dieser Abteilung vor seinem Weggang zum Seminar gar nicht mehr vornehmen zu können, weshalb gar keine Veranlassung bestand, diese, wenn er es schon eilig hatte, andererseits aber trotzdem noch Zeit fand, mit der Kollegin Renoffio zu frühstücken, gerade in Unterbrechung eines Einkaufsvorgangs abzuholen.

b) Des weiteren hat der Kläger ausgeführt, am 25.02.1999 in der Zeit von 10.00 Uhr bis kurz vor 12.00 Uhr mehrmals daran gedacht zu haben, seinen Kräuterquark noch bezahlen zu müssen, aber jedesmal durch Vertreter- und Lieferantenverkehr daran gehindert worden zu sein. Der Kläger hat diese Behauptung, trotz des bereits erstinstanzlichen Bestreitens der Beklagten, nicht weiter durch Angabe von konkretem Anlaß und/oder von Anzahl und Namen seiner Kontaktpersonen in der fraglichen Zeit präzisiert und so nichts weiter dazu beigetragen, den bei der Beklagten aufgekommenen Eindruck der Schutzbehauptung zu entkräften. Hinzu kommt, dass er unstreitig keinerlei Maßnahmen ergriffen hat, die auf seine Zahlungsabsicht hätten schließen lassen, wie etwa entsprechende Äußerungen gegenüber einen Mitarbeiter oder eine handschriftliche Notiz oder das Aufbewahren des Bechers als Gedächtnisstütze.

c) Eingedenk dieser Umstände hätte es der Beklagten nicht verwehrt werden können, trotz der fast 18jährigen, nbeanstandeten, geschätzten Tätigkeit des Klägers für sie und im übrigen keinerlei behaupteter Anhaltspunkte für unredliches Verhalten eine Beendigungskündigung, sogar eine fristlose, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, weil sich aufgrund der Vertrauensstellung des Klägers die im Streitfall einschlägige Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende gemäß § 22 Nr. 2 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für die Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer/-innen des Einzelhandels in Baden-Württemberg vom 13.01.1994 in der Fassung vom 11.10.1996 im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung unter Umständen zu seinem Nachteil hätte auswirken können (vgl. hierzu KR-Fischermeier, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 5. Auflage, § 626 BGB Rdnr. 298 ff. m. w. N.).

2. Die unterstellte Drohung mit einer außerordentlichen oder ordentlichen Arbeitgeberkündigung hätte sich auch nicht deshalb als rechtswidrig im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB erwiesen, wenn die Beklagte diese noch damit verknüpft und untermauert hätte, dem Kläger im Zeugnis keine Ehrlichkeit zu bescheinigen. Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend entschieden, dass eine solche Drohung nicht rechtswidrig gewesen wäre, weil die entgegen der bestehenden Kassenanweisung nicht sofort erfolgte Bezahlung des verzehrten Kräuterquarks geeignet gewesen wäre, dass Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers zu erschüttern. Deshalb hätte auch kein Anspruch des Klägers auf Aufnahme der Bezeichnung als "ehrlich" in einem Zeugnis bestanden, weshalb sich das Abhängigmachen einer nicht geschuldeten Leistung von der angeblich geforderten Eigenkündigung nicht als widerrechtlich erwiesen hätte (vgl. hierzu LAG Brandenburg, Urteil vom 16.10.1997 - 3 Sa 196/97 - DB 1998, 2376).

3. Dasselbe gilt für die Drohung, die Filiale in Königsbach-Stein "auseinander zu nehmen". Nach dem durch den Kläger selbst hervorgerufenen Zweifel an seiner Redlichkeit hätte es der Beklagten nicht verwehrt werden können, dessen Verhalten einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Damit darf sie dann im Vorfeld auch drohen, ohne sich im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB widerrechtlich zu verhalten.

II.

Erweist sich die Eigenkündigung des Klägers mithin als wirksam, ist die von der Beklagten ausgesprochene vorsorgliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10.03.1999 nicht zur Entscheidung angefallen, weil der diesbezügliche Klagantrag des Klägers im Verhältnis zum Bestandsschutzantrag gemäß § 256 ZPO bezüglich der ordentlichen Eigenkündigung eventual kumnuliert war. Dasselbe gilt auch für das Berufungsverfahren einschließlich der nur insoweit erklärten Anschlussberufung der Beklagten.

III.

Die Kostenfolge beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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