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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.07.2001
Aktenzeichen: 21 Sa 40/01
Rechtsgebiete: AGBG, TVG, AV, BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 5
AGBG § 8
AGBG § 9
AGBG § 9 Abs. 1
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
AGBG § 10
AGBG § 11
AGBG § 11 Nr. 6
AGBG § 23
AGBG § 23 Abs. 1
TVG § 3
AV § 2
AV § 5
AV § 5 Satz 1
AV § 5 Satz 2
AV § 5 Satz 3
AV § 10
BGB § 134
BGB §§ 194 ff.
BGB § 196 Satz 1 Nr. 8
BGB § 196 Satz 1 Nr. 9
BGB § 196 Satz 1 Nr. 10
BGB § 242
BGB § 315
BGB § 339
BGB § 611
BGB § 611 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 2 lit. a
ArbGG § 64 Abs. 6
ArbGG § 66 Abs. 1
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 518
ZPO § 519
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
21 Sa 40/01

verkündet am 19. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer -durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leicht, den ehrenamtlichen Richter Burkard und den ehrenamtlichen Richter Kraus auf die mündliche Verhandlung vom 19.07.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 01.03.2001 - Aktenzeichen 2 Ca 531/00 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 1 490,77 brutto zu zahlen.

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin 17/25, die Beklagte 8/25 zu tragen.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 3/5, die Beklagte 2/5 zu tragen.

IV. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im zweiten Rechtszug noch über Ansprüche der Klägerin auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 1998 sowie auf Weihnachtsgeld für die Jahre 1999 und 2000.

Die am 23.08.1971 geborene, verheiratete Klägerin und Mutter war bei der Beklagten, einer lüftungstechnischen Ingenieurgesellschaft, die in 97999 Igersheim einen Fertigungsbetrieb unterhält, ab 01.07.1992 als Montage- und Fertigungsarbeiterin gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt DM 3 040,00 beschäftigt. Die Arbeitsvertragsbedingungen im einzelnen sind im Formulararbeitsvertrag der Parteien (ArbG-Akte Blatt 5) niedergelegt. Darin heißt es unter anderem:

"§ 2 Tarifverträge

( ) Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Anwendung.

(x) Das Arbeitsverhältnis unterliegt nicht der Tarifbindung. Es gelten jedoch die bestehenden Betriebsvereinbarungen.

§ 3 Probe-, Anlernzeit

Die Probe- bzw. Anlernzeit beträgt 4 Wochen. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von jeder Seite

( ) (bei Tarifbindung) mit tarifvertraglicher Mindestfrist von Wochen

(x) (ohne Tarifbindung) mit der gesetzlichen Mindestfrist von 2 Wochen gekündigt werden.

§ 5 Sonstige betriebliche Leistungen²

Die Arbeiterin erhält 30 % Urlaubsgeld, 30 % Weihnachtsgeld nach den tariflichen Bestimmungen³/nach den betrieblichen Vereinbarungen³/als betriebliche Leistung mit Rechtsanspruch³. Ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation besteht nicht. Wird eine solche gewährt, stellt sie eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers dar³.

§ 10 Geltendmachung von Ansprüchen

Gegenseitige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis (zum Beispiel aus Mehrarbeit, rückständigem Lohn u. ä.) sind innerhalb/der tariflichen Frist³/von 2 Monaten³/geltend zu machen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind alle daraus herrührenden sonstigen Ansprüche innerhalb der tarifvertraglichen Frist³/von 3 Monaten³ nach Beendigung geltend zu machen. Nach Ablauf der genannten Fristen ist der Anspruch verwirkt, sofern er dem Arbeitgeber gegenüber nicht vorher erfolglos geltend gemacht wurde.

Anmerkung² bestimmt: In Betracht kommen Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen, Fahrgelderstattung, Essenszuschuß, Ertragsbeteiligung, Altersversorgung, Wohngeld.

Anmerkung³ bestimmt: Nichtzutreffendes streichen."

Die Klägerin erhielt unstreitig von 1993 bis 1996 Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von 30 % einer Monatsvergütung. Im Dezember 1992 hatte sie ein anteiliges Weihnachtsgeld in Höhe von DM 50,00 erhalten. Das Urlaubsgeld wurde regelmäßig am 31.07., das Weihnachtsgeld am 30.11. eines Jahres abgerechnet und ausgezahlt. Ab 1997 bezahlte die Beklagte weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld an die Klägerin. Diese befand sich in der Zeit vom 17.08.1998 bis 17.08.2001 im Erziehungsurlaub.

Mit Anwaltsschreiben vom 07.11.2000 (ArbG-Akte Blatt 6/7) machte die Klägerin Urlaubsgeld für 1997/1998 sowie Weihnachtsgeld für das Jahr 1998 in Höhe von zunächst DM 3 750,00 netto geltend. Dieses Zahlungsansinnen wies die Beklagte mit Schreiben vom 20.11.2000 (ArbG-Akte Blatt 8) unter anderem unter Hinweis auf die arbeitsvertraglichen Verfallfristen in § 10 des Arbeitsvertrages (im folgenden kurz AV) zurück.

Die Klägerin ließ daraufhin am 29.11.2000 Zahlungsklage beim Arbeitsgericht Heilbronn - Kammern Crailsheim - einreichen. Mit Klagänderung und -erweiterung vom 30.01.2001 (ArbG-Akte Blatt 49 bis 60) machte sie erstmals Ansprüche auf Weihnachtsgeld für die Jahre 1999 und 2000 geltend.

Sie ist der Auffassung, aus § 5 AV lasse sich angesichts der Mehrdeutigkeit der in ihm enthaltenen Regelung ein Anspruchsausschluß nicht entnehmen. Voraussetzung für die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei allein, daß das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung ungekündigt fortbestehe. Da die Gratifikationszusage an keine besonderen Bedingungen anknüpfe, sei davon auszugehen, daß mit ihr lediglich die Betriebstreue abgegolten werden solle. Die Erbringung tatsächlicher Arbeitsleistungen sei hingegen hierfür nicht Voraussetzung. Sie ist weiterhin der Auffassung, bezüglich der arbeitsvertraglichen Verfallklausel sei bereits zweifelhaft, ob diese wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden sei, denn sie weise mehrere Alternativen auf, ohne daß auch nur eine von ihnen gestrichen worden wäre. Die Klausel sei mithin unklar. Darüber hinaus fehle es an einer Regelung, wann die Verfallfristen jeweils zu laufen beginnen sollen. Ferner enthalte sie keinen Hinweis, welche Rechtsfolgen im Fall der Fristversäumung eintreten sollen. Außerdem sei das Gebot inhaltlicher Ausgewogenheit verletzt, da von den Verfallfristen lediglich ihre Ansprüche, nicht hingegen diejenigen der Beklagten erfaßt seien.

Die Klägerin hat in erster Instanz zuletzt beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 4 560,00 (brutto) zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat argumentiert: Da die Klägerin für Zeiträume des Erziehungsurlaubes keinen Anspruch auf Urlaubserteilung habe, entfalle auch ein Anspruch auf Urlaubsgeld. Da sie über mehrere Jahre hinweg keine betrieblichen Leistungen mehr erhalten habe, seien eventuell einmal eingeräumte Ansprüche durch entgegenstehende betriebliche Übung wieder entfallen; außerdem wären möglicherweise entstandene Ansprüche aufgrund der vertraglichen Regelung in § 10 AV verfristet. Schließlich erhebe sie die Einrede der Verjährung bezüglich des Urlaubsgeldanspruches für 1997.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 01.03.2001 (ArbG-Akte Blatt 69 bis 84), welches dem Klägervertreter am 26.03.2001 zugestellt worden ist, abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 1997 sei bereits verjährt, der für das Jahr 1998 zwar entstanden, aber verfristet, ein Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 1998 zwar entstanden, aber ebenfalls verfallen, die Ansprüche auf Weihnachtsgeld für die Jahre 1999 und 2000 erst gar nicht entstanden.

Daß sich die Klägerin am 17.08.1998 in Erziehungsurlaub begeben habe, hindere die Entstehung des Urlaubsgeldanspruches nicht. Selbst wenn man mit der Beklagten verlange, daß der Anspruch nur dann entstehe, wenn der Urlaub, das heißt die Befreiung von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung, konkret im Arbeitsverhältnis erteilt werden könne, seien die Anspruchsvoraussetzungen jedenfalls für das Jahr 1998 erfüllt, nachdem der Urlaubsanspruch im Zeitpunkt des Antrittes des Erziehungsurlaubes bereits in voller Höhe entstanden gewesen sei.

Der Anspruch der Klägerin auf ein Weihnachtsgeld für 1998 ergebe sich aus § 5 Satz 1 AV. Dem stehe die Regelung in § 5 Satz 2 und 3 AV nicht entgegen, denn diese sei im Ganzen unklar und widersprüchlich (perplex), weshalb entsprechend dem Rechtsgedanken des § 5 AGBG die Unklarheit zu Lasten der Beklagten gehe, also der möglicherweise von ihr gewollte Anspruchsausschluß nicht greife. Der dabei vorzunehmende Günstigkeitsvergleich zwischen § 5 Satz 1 und § 5 Satz 2 und 3 AV führe zu der Annahme, daß der Klägerin ein Anspruch auf Bezahlung von Weihnachtsgeld zustehen sollte, für das im "Normalfall" auch Arbeitsleistungen im Arbeitsvertrag hätten erbracht werden sollen, und der von keinerlei weiteren Bedingungen abhängig gewesen sei. Da die Klägerin im Jahr 1998 Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht habe, sei auch ein Anspruch auf Weihnachtsgeld entstanden, nicht aber für die Jahre 1999 und 2000, als die beiderseitigen arbeitsvertraglichen Pflichten geruht hätten. Bei dem Anspruch auf Weihnachtsgeld handle es sich um eine Sonderzahlung mit reinem Entgeltcharakter, also um einen Vergütungsbestandteil, welcher in das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung (§ 611 Absatz 1 BGB) eingebunden sei und keinen weiteren Zweck verfolge als die Entlohnung tatsächlich erbrachter Arbeitsleistungen. Deshalb habe die Klägerin keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub geruht habe.

Soweit die Klägerin im Jahr 1998 Ansprüche erworben habe, seien diese jedoch im Hinblick auf die Verfallklausel in § 10 AV verfristet. Diese sei nicht unwirksam. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin enthalte sie keine unklare Regelung. Zwar eröffne die Vertragsbestimmung zwei Alternativen für den Zeitraum, innerhalb dessen die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verwirken könnten, nämlich "innerhalb der vertraglichen Frist" oder "oder innerhalb von 2 Monaten"; eindeutig hätten die Arbeitsvertragsparteien aber eine Verfallfrist von zwei Monaten vereinbart, denn unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt finde ein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Daß die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages zwischen den Parteien nicht gewollt gewesen sei, folge schon daraus, daß sie in § 2 AV angekreuzt hätten, daß das Arbeitsverhältnis nicht der Tarifbindung unterliege und dort auch nicht eingetragen worden sei, welcher Tarifvertrag zur Anwendung kommen solle. Es sei zudem nicht zu erkennen, welcher Tarifvertrag welcher Branche vom betrieblichen Geltungsbereich her einschlägig sein könnte. Deshalb sei eindeutig eine Verfallfrist von zwei Monaten vereinbart worden. Die "Unklarheiten-Regelung" komme nicht zur Anwendung, da diese voraussetze, daß ein Günstigkeitsvergleich zwischen zwei Alternativen überhaupt möglich sei, was aber vorliegend mangels Kenntnis eines anzuwendenden bestimmten Tarifvertrages nicht zutreffe.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 17.04.2001 beim Landesarbeitsgericht eingereichten und zugleich ausgeführten Berufung, ausgenommen die Klagabweisung hinsichtlich des Urlaubsgeldanspruches für 1997.

Sie rügt insbesondere die vom Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung des § 10 AV. Dieses habe verkannt, daß die Parteien in §10 AV auf einen - allerdings nicht näher genannten - Tarifvertrag Bezug genommen hätten und dessen Inhalt zum Gegenstand des Arbeitsvertrages selbst gemacht hätten, ohne dadurch eine Tarifgebundenheit im Sinne des § 3 TVG zu erzeugen. Wenn unklar geblieben sei, welcher Tarifvertrag gemeint sei und welcher vom betrieblichen Geltungsbereich her einschlägig sein könnte, so gehe dies nicht zu ihren, der Klägerin, Lasten, sondern führe dazu, daß die Verfallklausel in entsprechender Anwendung von § 9 AGBG wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sei. Dieses Gebot verpflichte den Verwender, seine Vertragsbedingungen so zu gestalten, daß der rechtsunkundige Durchschnittsbürger in der Lage sei, die ihn benachteiligende Wirkung einer Klausel ohne Einholung von Rechtsrat zu erkennen. Eine dagegen verstoßende Klausel sei unwirksam; denn es könne sich daraus, daß eine Regelung unklar, unverständlich oder undurchschaubar sei, eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 9 AGBG ergeben. Zwar finde das AGBG gemäß § 23 AGBG bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts keine Anwendung, bei gestörter Vertragsparität könnten jedoch im Wege der richterlichen Billigkeitskontrolle über die §§ 242, 315 BGB die Grundsätze dieses Gesetzes herangezogen werden.

Hinzu komme, daß die Klausel auch gegen § 11 Nr. 6 AGBG verstoße, welcher entsprechende Anwendung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts finden könne. Nach § 10 AV verfriste nämlich ein Lohnanspruch des Arbeitnehmers selbst dann, wenn dieser infolge höherer Gewalt oder ohne eigenes oder ihm zurechenbares Verschulden Dritter daran gehindert sei, die Zwei- bzw. Drei-Monats-Frist einzuhalten. Der Beklagten werde hingegen in jedem Fall Forderungsfreiheit gewährt. Dadurch führe die Klausel zu einer Rechtsfolge, welche einer Vertragsstrafe entspreche. Eine von § 339 BGB verschuldensunabhängige Vertragsstrafe könne nur dann hingenommen werden, wenn ausreichende sachliche Gründe die Unwirksamkeitsvermutung des § 9 Absatz 2 Nr. 1 AGBG ausräumen würden. Hieran fehle es im vorliegenden Fall. Deshalb habe sie Anspruch auf das Urlaubsgeld für 1998, aber auch auf Weihnachtsgeld für die Jahre 1998 bis 2000. Entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts handle es sich bei dem versprochenen Weihnachtsgeld um eine Sonderzahlung mit Gratifikationscharakter und nicht um einen Teil der im Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung stehenden Vergütung. Dies erschließe sich zum einen daraus, daß diese Zuwendung im Arbeitsvertrag als sonstige betriebliche Leistung bezeichnet werde und der Beklagten darüber hinaus - jedenfalls nach Streichung des "nicht zutreffenden" Satzteiles - die Möglichkeit eröffnet worden sei, ihr einen Rechtsanspruch gerade nicht zu gewähren. Danach bestehe zumindest die Möglichkeit, daß die Weihnachtsgratifikation eine freiwillige, widerrufbare Leistung des Arbeitgebers habe darstellen sollen, für welche die in BAG NZA 1995, 1096 ff. entwickelten Rechtsgrundsätze eingreifen würden, wonach das Weihnachtsgeld auch in den Zeiten zu gewähren sei, in denen das Arbeitsverhältnis wegen Erziehungsurlaubes ruhe, es denn, der Arbeitgeber hätte sich eine anteilige Kürzung für Ruhenszeiten ausdrücklich vorbehalten. Das Arbeitsgericht habe hingegen durch die Einordnung des Weihnachtsgeldes als "sonstige betriebliche Leistung mit Rechtsanspruch" und durch die Qualifizierung dieser Leistung als "Vergütungsbestandteil" die Unklarheiten-Regelung des § 5 AGBG entgegen der gesetzlichen Intention zu ihrem Nachteil angewendet und somit ihre Rechte in unzulässiger Weise verkürzt. Im vorliegenden Fall sei deshalb zu ihren Gunsten davon auszugehen, daß es sich bei dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Weihnachtsgeld um eine freiwillige Leistung der Beklagten ohne Rechtsanspruch habe handeln sollen, weil dies im Hinblick auf die Unklarheiten-Regelung die für sie günstigste Vertragsauslegung beinhalte.

Dementsprechend beantragt die Klägerin in zweiter Instanz:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 01.03.2001, Aktenzeichen 2 Ca 531/00, wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 3 648,00 (brutto) zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt grundsätzlich das arbeitsgerichtliche Urteil, bekämpft aber dessen Rechtsauffassung, daß die Klägerin einen Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 1998 erworben habe. Die Klägerin habe es versäumt, für den Zeitraum vor Antritt des Erziehungsurlaubes darzulegen, ob und wann sie Urlaub durch Freizeitnahme in Natur verwirklicht haben wolle. Das Urlaubsgeld solle nur besondere Aufwendungen, die während der tatsächlichen Urlaubsnahme anfielen, abdecken. Ohne Urlaubsnahme bestehe kein Anspruch auf Urlaubsgeld und werde auch nicht fällig. Die von der Klägerin gegen § 10 AV vorgebrachten Gründe seien nicht stichhaltig. Die von ihr angesprochene einzelvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages oder einer in einem Tarifvertrag enthaltenen Verfallklausel sei mangels Bestimmtheit nicht wirksam vereinbart. Zur Anwendung der Unklarheiten-Regelung komme es deshalb nicht; aber auch auf das Transparenzgebot könne sich die Klägerin nicht berufen, weil dies zunächst eine unklare Rechtslage voraussetze. Die Klausel in § 10 AV sei bei verständiger Würdigung so zu lesen, daß jedenfalls für den Verfall von gegenseitigen Ansprüchen eine Verfallfrist von zwei Monaten gelten solle.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und ihrer Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A

Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Absatz 2 lit. a ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und zugleich ordnungsgemäß ausgeführt worden, so daß sie gemäß §§ 64 Absatz 6, 66 Absatz 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO zulässig ist.

B

Die Berufung hat jedoch nur zum Teil Erfolg. Das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts ist teilweise abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von DM 1 490,77 brutto zu verurteilen. Im übrigen ist die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin hat nämlich für das Jahr 1998 Anspruch auf ein Urlaubsgeld in Höhe von DM 912,00 brutto sowie auf anteiliges Weihnachtsgeld im Betrag von DM 578,77 brutto. Im übrigen ist ihre Klage aber unbegründet.

I.

1. Der Anspruch auf Zahlung eines zusätzlichen freiwilligen Urlaubsgeldes ergibt sich aus § 611 BGB in Verbindung mit § 5 Satz 1 AV. Danach erhält der Arbeitnehmer 30 % Urlaubsgeld nach den "tariflichen Bestimmungen³/nach den betrieblichen Vereinbarungen³/als betriebliche Leistung mit Rechtsanspruch³". Zwar besagt die Hochzahl, daß Nichtzutreffendes zu streichen sei, da aber nichts gestrichen worden ist, ist zunächst davon auszugehen, daß alle im Vertragstext genannten Alternativen nebeneinander gelten sollen. Dies hat zur Folge, daß Unklarheit darüber besteht, von welchen rechtlichen Parmetern der eingeräumte Anspruch auf Urlaubsgeld abhängen soll. Da es sich bei dem zwischen den Parteien unterzeichneten Vertrag um einen Formulararbeitsvertrag handelt, findet nach mittlerweile gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung in völliger Übereinstimmung mit der Rechtsliteratur der Rechtsgedanke des § 5 AGBG bei der Vertragsauslegung entsprechende Anwendung gemäß § 242 BGB, obwohl nach § 23 Absatz 1 AGBG dieses Gesetz keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts finden soll (vergleiche hierzu BAGUrteil vom 26.11.1995 = AP Nr. 1 zu § 3 AGB-Gesetz mit weiteren Nachweisen). Danach gehen etwaige Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Erstellers des Vertragsformulares (vergleiche BAG AP Nr. 10 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag mit weiteren Nachweisen).

Für die Fallentscheidung folgt daraus vorliegend, daß zugunsten der Klägerin davon auszugehen ist, daß ihr die Beklagte ein Urlaubsgeld als betriebliche Leistung mit Rechtsanspruch hatte zusagen wollen. Zwar trifft § 5 AV keine Aussage über die für die Anspruchsberechnung maßgebliche Größe (100 %); sinngemäß ist die vertragliche Bestimmung aber aus der Sicht der begünstigten Arbeitnehmerin so zu verstehen, daß ihr die Beklagte 30 % ihres durchschnittlichen Monatslohnes im Fälligkeitszeitpunkt gewähren wollte, nachdem in fast allen Wirtschaftsbranchen üblicherweise Weihnachtsgelder und -gratifikationen, Urlaubsgeld und zusätzliche Leistungen zu den laufenden Bezügen in Höhe eines Bruchteiles oder eines Prozentsatzes der fest vereinbarten oder durchschnittlich bezahlten Monatsvergütung gewährt werden. Dem entspricht auch die Durchführung des Vertrages in der Vergangenheit. Die Beklagte zahlte der Klägerin in den Jahren 1993 bis 1996 unstreitig jeweils ein Urlaubsgeld, welches etwa 30 % eines Monatslohnes entsprach.

Wie schon das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, steht der Anspruchsentstehung nicht entgegen, daß die Klägerin am 17.08.1998 ihren Erziehungsurlaub angetreten hat; denn sie hatte - unstreitig - vor diesem Zeitpunkt bereits ihren gesamten Jahresurlaub für das Jahr 1998 genommen, so daß der Einwand fehlender Akzessorietät des geltend gemachten Urlaubsgeldanspruches zum Anspruch auf Urlaub im Sinne einer Freistellung von der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht nicht mehr greifen kann.

Die Klägerin kann deshalb Urlaubsgeld für 1998 in der geforderten Höhe von DM 912,00 brutto beanspruchen.

2. Die Klägerin hat außerdem Anspruch auf Zahlung eines anteiligen Weihnachtsgeldes in Höhe von DM 578,77 brutto für 1998.

Dieser Anspruch folgt ebenfalls aus § 5 Satz 1 AV. Insofern gilt Entsprechendes wie oben unter Ziffer 1 ausgeführt. Die Unklarheiten-Regel bei der Auslegung dieser Bestimmung führt zu der Annahme, daß die Beklagte der Klägerin ohne jeden Vorbehalt ein Weihnachtsgeld in Höhe von 30 % des durchschnittlichen Bruttomonatslohnes als betriebliche Leistung mit Rechtsanspruch zugesagt hat. Gegen diese Auslegung spricht auch nicht der Wortlaut der Sätze 2 und 3 AV, wonach ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation nicht bestehe, und, wenn eine solche gewährt werde, diese eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers darstelle. Der Regelungsgehalt des § 5 Satz 1 AV steht nur scheinbar im Widerspruch zu dem der Sätze 2 und 3 des § 5 AV. Diese sprechen - anders als Satz 1 - von Weihnachtsgratifikation, Satz 1 aber von Weihnachtsgeld. Wendet man die Unklarheiten-Regel bei der Auslegung des § 5 Satz 1 AV im Hinblick auf die dort genannten alternativen Tatbestandsvarianten in dem Sinne an, daß die Beklagte Weihnachtsgeld als betriebliche Leistung mit Rechtsanspruch gewähren wollte, dann ergibt sich daraus zwangsläufig der Schluß, daß die Sätze 2 und 3 des § 5 AV einen anderen Regelungsbereich betreffen sollen, nämlich diejenigen Leistungen, welche neben den betrieblichen Leistungen mit Rechtsanspruch in Betracht kommen können, nämlich freiwillige zusätzliche Leistungen. Die Sätze 2 und 3 des § 5 AV beziehen sich demnach auf zusätzliche neben den Leistungen nach § 5 Satz 1 AV gewährte, ins Belieben der Beklagten gestellte Zahlungen.

Die Klägerin hat deshalb Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 1998. Dessen Höhe ist jedoch auf lediglich DM 578,77 (entsprechend dem Verhältnis der Kalendertage vom 01.01. bis 17.08.1998 zum gesamten Jahr) begrenzt; denn die Klägerin muß sich eine Kürzung ihres auf das ganze Jahr bezogenen Anspruches im Hinblick auf die Lohnausfallzeiten aufgrund ihres Erziehungsurlaubes gefallen lassen. Bei dem Anspruch auf "Weihnachtsgeld" handelt es sich nämlich wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts um eine Sonderzuwendung mit Entgeltcharakter im Sinne einer zusätzlichen Zuwendung für erbrachte Dienstleistungen im Rahmen der synallagmatischen Verpflichtung zwischen Vergütung und Arbeitspflicht im Rahmen des § 611 Absatz 1 BGB, ohne daß die Beklagte mit der Leistungsgewährung einen weiteren erkennbaren Zweck verfolgt hätte als den, tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen zusätzlich entlohnen zu wollen.

Auch wenn das Arbeitsverhältnis durch einen besonderen Arbeitnehmerschutz geprägt ist, so bleibt es doch im wesentlichen ein Austauschverhältnis. Dieses wird bestimmt durch das funktionelle Synallagma von Leistung und Gegenleistung, das mit der Formel "ohne Arbeit kein Lohn" beschrieben und nur ausnahmsweise von Entgeltfortzahlungspflichten durchbrochen wird. Genauso wie es dem Interesse des Arbeitnehmers widerspricht, umsonst zu arbeiten, ist der Arbeitgeber erkennbar nicht interessiert daran, Fehlzeiten zu vergüten. Dies gilt für Zeiten des unentschuldigten Fehlens gleichermaßen wie für Ausfallzeiten, in denen der Arbeitnehmer öffentliche Lohnersatzleistungen (Krankengeld, Wehrsold, Erziehungsgeld) bezieht. Stellt es aber eine Erfahrungsregel dar, daß kein vernünftig denkender Mensch ohne Gegenleistung ein Rechtsgeschäft eingeht, das für ihn mit nachteiligen Folgen verbunden ist, dann hat dies auch für Sonderzahlungszusagen des Arbeitgebers zu gelten und führt zu der Auslegungsregelung, daß eine Sonderzahlung im Zweifel Arbeitsentgelt im engeren Sinne ist (so LAG Düsseldorf NZA-RR 1996 Seite 441 f. mit überzeugender Begründung und weiteren Nachweisen). Aus diesem Grund stellt die Annahme, daß eine vereinbarte Sonderzahlung andere oder weitere Zwecke verfolgt, als die Gewährung eines zusätzlichen Arbeitsentgeltes, eine Ausnahme dar. Hierfür muß die Vereinbarung der Parteien besondere Anhaltspunkte hergeben.

Solche besonderen Anhaltspunkte vermochte die Kammer dem Inhalt des Formulararbeitsvertrages nicht zu entnehmen. Auch sonstige Anhaltspunkte für eine abweichende Regelungsabsicht haben die Parteien nicht vorgetragen. Zu Recht hat das Arbeitsgericht deshalb darauf abgestellt, daß die vorbehaltlose Zusage des Weihnachtsgeldes - Fehlen einer bestimmten Wartezeit, einer Rückzahlungsvereinbarung, weiterer tatbestandlicher Anspruchsvoraussetzungen und eines Freiwilligkeitsvorbehaltes - dagegen spricht, daß damit ein weiterer besonderer von der tatsächlichen Erbringung einer Arbeitsleistung losgelöster Zweck verfolgt werden sollte.

Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, daß bei richtiger Anwendung der Unklarheiten-Regelung aufgrund des inhaltlichen Wertungswiderspruches zwischen Satz 1 und den Sätzen 2 und 3 des § 5 AV ihr Anspruch auf Weihnachtsgeld anders qualifiziert werden müsse; denn dies würde zu einer Auslegung der Vertragsbestimmung im Sinne einer variablen Meistbegünstigung für die Klägerin führen, die nicht der Funktion der Auslegungsregel entspräche. Es kann nicht angehen, daß die Klägerin einerseits geltend machen könnte, die Beklagte habe ihr eine Sonderzahlung mit vorbehaltslosem Rechtsanspruch zugesagt, wenn diese sich auf den Freiwilligkeitsvorbehalt berufen oder die Zusage widerrufen wollte, bei der Geltendmachung des Weihnachtsgeldes während des Erziehungsurlaubes aber einwenden könnte, die Zusage sei unabhängig von der Erbringung einer Gegenleistung aus anderen Zwecken gemacht worden. Vielmehr ist die Unklarheiten-Regel in dem Sinne anzuwenden, daß unabhängig von der tatsächlichen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, zu prüfen ist, welche Vertragsauslegung potentiell für die Klägerin günstiger ist. Im Normalfall ist dies aber immer die Annahme, daß die Einräumung eines vorbehaltlosen Rechtsanspruches höher zu bewerten ist, als die Inaussichtstellung einer freiwilligen, jederzeit widerrufbaren Leistung.

Aus all dem folgt, daß die Klägerin für die Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruhte - im Jahr 1998 in der Zeit vom 17.08. bis zum 31.12. -, keinen Anspruch auf ein anteiliges Weihnachtsgeld hatte.

Insgesamt kann die Klägerin deshalb von der Beklagten für das Jahr 1998 Urlaubsgeld im Betrag von DM 912,00 sowie ein anteiliges Weihnachtsgeld in Höhe von DM 578,77 verlangen.

3. Die von der Beklagten erhobene Einwendung, die Ansprüche der Klägerin seien jedenfalls nach § 10 AV verfristet, verfängt - entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts und der Klägerin - nicht; denn die Ausschlußklausel ist unwirksam.

Zwar hält die Kammer die vom Arbeitsgericht vertretene Auslegung für zutreffend, daß bei Würdigung aller Umstände von der wirksamen Vereinbarung einer zweimonatigen Geltendmachungsfrist auszugehen ist. Die von der Klägerin beschworene Unklarheit von § 10 Satz 1 AV, die zu einer Unwirksamkeit der gesamten Regelung führen müßte, besteht bei genauerem Hinsehen nicht. Die von der Klägerin angesprochene Inbezugnahme einer anderen - möglicherweise ihr günstigeren - tarifvertraglichen Bestimmung ist mangels Bestimmbarkeit der in den Einzelarbeitsvertrag zu inkorporierenden Regelung unwirksam. § 10 Satz 1 AV ist deshalb so zu lesen, als wäre der Satzteil "der tarifvertraglichen Frist" tatsächlich als nichtzutreffend gestrichen worden.

§ 10 Satz 3 AV ist jedoch im Hinblick auf Artikel 3 GG in Verbindung mit § 134 BGB deshalb nichtig, weil er einseitig den Rechtsverlust zu Lasten der Klägerin, nicht aber auch zu Lasten der Beklagten vorsieht, wenn die Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis nicht rechtzeitig erfolglos geltend gemacht worden sind. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht wiederholt die Zulässigkeit einseitiger tarifvertraglicher Ausschlußfristen bejaht (vergleiche BAG AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Fernverkehr, Nr. 143 zu § 4 TVG Ausschlußfristen); doch die für den kollektivrechtlichen Bereich entwickelten Grundsätze können für das Individualarbeitsrecht nicht in gleicher Weise Gültigkeit beanspruchen. Während beim Abschluß von Tarifverträgen von der Parität beider Vertragsparteien und einer gewissen Richtigkeitsgewähr der getroffenen Vereinbarungen ausgegangen werden kann, trifft dies beim Abschluß eines Einzelarbeitsvertrages - noch dazu in Gestalt eines Formulararbeitsvertrages - aufgrund der strukturellen Unterlegenheit und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers regelmäßig nicht zu. Der Inhalt des von der Beklagten verwendeten Vertragsmusters unterliegt deshalb in besonderer Weise einer Angemessenheitskontrolle nach § 242 BGB. Diese orientiert sich inhaltlich an dem Grundgedanken der §§ 8 bis 11 AGBG.

Diese Inhaltskontrolle führt vorliegend zu der Feststellung, daß § 10 Satz 1 AV unwirksam ist.

Nach dem Grundgedanken des § 9 Absatz 1 AGBG sind Bestimmungen in Formulararbeitsverträgen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Letzteres ist im Zweifel unter anderem anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Zwar gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen, welche speziell die Verfristung individualrechtlicher Ansprüche generell-abstrakt regeln würden; in den Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB hat sich der Gesetzgeber jedoch einer artverwandten Regelungsmaterie angenommen. So verjähren nach § 196 Satz 1 Nr. 8 bis 10 Ansprüche der Arbeitnehmer wegen Gehaltes, Lohnes und sonstiger Bezüge und Leistungen mit Einschluß der Auslagen sowie Ansprüche der Arbeitgeber wegen der auf solche Ansprüche gewährten Vorschüsse regelmäßig in zwei Jahren. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt hingegen 30 Jahre (§ 195 BGB). Die Verjährung kann zwar durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch erschwert werden; Erleichterungen der Verjährung, insbesondere die Abkürzung der Verjährungsfrist, sind indes zulässig (vergleiche § 225 BGB). Eine übermäßige Verkürzung der Verjährungsfristen ohne Rücksicht auf berechtigte Gläubigerinteressen (vergleiche BGHZ 104, 294) oder die einseitige Abkürzung (etwa zu Lasten des Handelsvertreters für Ansprüche nach § 88 HGB, vergleiche BGH NJW-RR 1991, 35) erscheinen jedoch unzulässig. Der daraus zu ziehende generelle Rechtssatz, daß die übermäßige zeitliche Beschränkung der Geltendmachung eines Rechts oder eine nur einseitige Erschwerung der Geltendmachung grundsätzlich unzulässig sind, kann ohne weiteres bei der Beurteilung von arbeitsvertraglichen Verfallfristen herangezogen werden. Zwar erscheint die Vereinbarung von zweimonatigen Verfallfristen nicht grundsätzlich unangemessen (vergleiche hierzu BAG AP Nr. 2 zu § 74b HGB), doch ist unter eine solche Verfallklausel die bloß einseitige Unterwerfung eines Vertragspartners, jedenfalls des verhandlungsschwächeren Arbeitnehmers, unzulässig, wenn nicht besondere sachliche Gründe eine derartige Vertragsabrede rechtfertigen; denn die Vereinbarung unterschiedlicher Rechtsfolgen für Ansprüche der Arbeitnehmer einerseits und Ansprüche des Arbeitgebers andererseits bei der nicht rechtzeitigen Geltendmachung beinhaltet einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 GG, wenn die Differenzierung ohne sachlichen Grund geschieht. Schon darin liegt eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, der seiner Ansprüche verlustig geht.

Daß im vorliegenden Fall die einseitige Festlegung der Verfristungsfolgen zu Lasten der Klägerin aus sachlichen Gründen gerechtfertigt wäre, vermochte die Kammer nicht zu erkennen. In den Wirtschaftsbranchen, welchen das Arbeitsverhältnis zugeordnet werden könnte, etwa dem Bereich der Heizungs-, Klima- und Sanitärtechnikindustrie oder dem der Heizungs-, Klima-, Sanitärtechnik des Metallhandwerkes oder des Zentralheizungs- und Lüftungsbauerhandwerkes bzw. der metallverarbeitenden Industrie und vergleichbarer Bereiche, gibt es nach Kenntnis der Kammer keinen Manteltarifvertrag, in welchem nur die Ansprüche der Arbeitnehmer einseitig Ausschlußfristen unterworfen werden. Ein allgemein anerkanntes Bedürfnis für eine derartige Verkürzung der Arbeitnehmerrechte scheint deshalb nicht zu bestehen. Aus welchen besonderen Gründen die Beklagte Veranlassung haben konnte, sich vor der Geltendmachung berechtigter Ansprüche nach einem Zeitablauf von zwei Monaten schützen zu müssen, diesen Schutz aber der Klägerin zu versagen, ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht. Eine sachliche Rechtfertigung hierfür ist auch schwer vorstellbar.

Dies führt vorliegend dazu, daß die vertragliche Ausschlußfristenregelung insgesamt unwirksam ist und ersatzlos in Wegfall gerät. Eine ergänzende Vertragsauslegung im Hinblick auf die dadurch entstandene Vertragslücke kommt wegen des auch im Arbeitsrecht geltenden Grundsatzes des Verbotes einer geltungserhaltenden Reduktion (vergleiche Kramer, Rechtsfolgen unzulässig kurzer Kündigungs- und Ausschlußfristen, BB 1997, 731 ff., 734) nicht in Betracht.

Der Klägerin waren deshalb die geltend gemachten Ansprüche für das Jahr 1998 in Höhe von DM 1 490,77 - wie oben ausgeführt - zuzusprechen.

II.

Im übrigen hat die Berufung keinen Erfolg.

In Höhe von DM 2 157,23 ist die Klage unbegründet und war deshalb vom Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen worden; die Berufung war in dieser Höhe zurückzuweisen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld für die Zeit, in welcher die beiderseitigen Arbeitspflichten aufgrund des von ihr in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubes suspendiert waren. Auf die Regelung unter I. 2. wird verwiesen.

Aus den genannten Gründen war das Urteil des Arbeitsgerichts - wie geschehen - teilweise abzuändern, im übrigen die Berufung aber zurückzuweisen.

C

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Absatz 1, 97 Absatz 1 ZPO. Danach sind die Kosten unter anderem verhältnismäßig zu teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterlegen ist. Soweit ein Rechtsmittel erfolglos ist, hat diejenige Partei die dadurch verursachten Kosten zu tragen, die es eingelegt hat.

Die Kostenquotelung entspricht dem Verhältnis der Streitanteile zueinander, mit welchen die Parteien jeweils obsiegt haben bzw. unterlegen sind. Für die Kosten der ersten Instanz ergibt sich - nachdem die Klägerin dort zuletzt DM 4 560,00 brutto eingeklagt hatte - eine Kostenlast von 17/25 für die Klägerin und von 8/25 für die Beklagte, für die Kosten der Berufungsinstanz eine Kostenquote von 3/5 für die Klägerin und von 2/5 für die Beklagte.

2. Die Kammer hat dem Fall im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit einseitiger Verfallklauseln und die Tatsache, daß die Beklagte den mit der Klägerin abgeschlossenen Formulararbeitsvertrag in ihrem gesamten Unternehmensbereich verwendet, grundsätzliche Bedeutung beigemessen.

Deshalb ist die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG für die Beklagte veranlaßt.

Ende der Entscheidung

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