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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 17.05.1999
Aktenzeichen: 21 TaBV 2/99
Rechtsgebiete: BetrVG, KSchG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BetrVG § 4
BetrVG § 4 Satz 1
BetrVG § 5
BetrVG § 6
BetrVG § 7
BetrVG § 8
BetrVG § 8 Abs. 1 Satz 1
BetrVG § 19 Abs. 1
BetrVG § 102 Abs. 3
BetrVG § 102 Abs. 5
KSchG § 13 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 256
ArbGG § 72 Abs. 2 Ziff. 1
ArbGG § 92 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
21 TaBV 2/99

verkündet am 17.05.99

Im Beschlußverfahren

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 21. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leicht, den ehrenamtliche Richter Dr. Hessel und den ehrenamtlichen Richter Kehl auf die Anhörung der Beteiligten am 17.05.1999

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Beteiligten 9 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.08.1998 -Aktenzeichen 4 BV 74/98 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der Betriebsratswahl in der Hauptverwaltung der Beteiligten Ziff. 1 und 2, des ............................................. bzw. der ........................................................., jeweils mit Sitz in .................., und in deren über das gesamte Bundesgebiet verteilten einzelnen Geschäftsstellen vom 26.03.1998.

Das Wahlanfechtungsverfahren betreiben die Geschäftsleitung der Beteiligten Ziff. 1 und 2 sowie sechs Arbeitnehmer, die Beteiligten Ziff. 3 bis 8. Bei dem Beteiligten Ziff. 9 handelt es sich um den in der Hauptverwaltung der Beteiligten Ziff. 1 und 2 gewählten Betriebsrat. Dieser hatte laut Wählerliste (Anlage AS 2, ABl. 13 - 15 d. Arbeitsgerichtsakte 4 BV 74/98) u. a. Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl teilnehmen lassen, denen zum 31.12.1997 betriebsbedingt gekündigt worden war, die jedoch dagegen Kündigungsfeststellungsklage erhoben hatten, ohne allerdings weiterbeschäftigt worden zu sein (vgl. Anlage AS 3, ABl. 16 d. arbeitsgerichtlichen Akte 4 BV 74/98).

Außerdem wurde gemeinsam - für alle Geschäftsstellen und die Hauptverwaltung - ein einheitlicher Betriebsrat gewählt, obwohl das Arbeitsgericht Stuttgart durch rechtskräftigen Beschluss vom 23.04.1988 - Az. 6 BV 7/87 - festgestellt hatte, dass die betriebsratsfähigen ........................... als selbstständige Betriebe im Sinne des § 4 Satz 1 BetrVG anzusehen seien und nicht dem Hauptbetrieb in ................... zugeordnet werden dürften (vgl. AS 4, ABl. 17 - 25 d. arbeitsgerichtlichen Akte 4 BV 74/98). Die Wahl fand als gemeinsame Wahl und Listenwahl statt. Laut Wahlniederschrift (Anlage AS 1, ABl. 9/10 d. arbeitsgerichtlichen Akte 4 BV 74/98) wurden 200 Stimmzettel abgegeben, von denen 4 ungültig waren. Auf die Liste 1 ("...............................................") entfielen 67, auf die Liste 2 ("...................") 86 und auf die Liste 3 (".................................") 43 Stimmen. Nach dem dŽHondtschen Höchstzahlverfahren gewann die Liste 1 zwei, die Liste 2 vier Sitze und die Liste 3 einen Sitz im Betriebsrat. Die ersten 3 Ersatzmitglieder waren von der Liste 1, 2 und 3 zu stellen. Parallel zu der angefochtenen Betriebsratswahl wurden Wahlen in ........., ........... ....... und ............... vorbereitet, in ............... am 07.04.1998 auch ein Betriebsrat gewählt.

Der Einspruch der Geschäftsleitung der Beteiligten Ziff. 1 und 2 gegen die Wählerliste zur Wahl vom 26.03.1998 hatte ebenso wenig Erfolg wie ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Sie reichten deshalb am 08.04.1998 unter dem Aktenzeichen 4 BV 74/98 einen Antrag auf Anfechtung der Betriebsratswahl ein, wobei sie hauptsächlich den Verstoß gegen § 7 BetrVG und gegen § 4 BetrVG rügten. Unter umfangreichem Tatsachenvortrag argumentierten sie u. a., dass trotz einer grundlegenden Strukturreform, der zahlreiche Geschäftsstellen zum Opfer gefallen seien, die neu eingerichteten Geschäftsstellen/Vertriebszentren jeweils betriebsratsfähige selbstständige Einheiten bildeten, so dass dort eigene Betriebsräte zu wählen seien.

Am 08.04.1998 leiteten die Beteiligten Ziff. 3 bis 8 unter dem Aktenzeichen 6 BV 78/98 ebenfalls ein Wahlanfechtungsverfahren ein, wobei sie prinzipaliter die Nichtigkeit, hilfsweise die Anfechtbarkeit (Ungültigkeit) der Betriebsratswahl vom 26.03.1998 geltend machten. Sie verwiesen insbesondere auf die Entscheidung der 6. Kammer des Arbeitsgerichts Stuttgart aus dem Jahre 1988 und monierten außerdem, dass der Betriebsrat eigenmächtig eine bereits vorliegende ....... aufgespalten habe, zumindest ohne den Beteiligten Ziff. 4 zu befragen, der dort kandidiert habe.

Mit Beschluss der 4. Kammer des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 31.07.1998 wurden die beiden Wahlanfechtungsverfahren miteinander verbunden. Seitdem ist das zuerst eingeleitete Verfahren mit dem Aktenzeichen 4 BV 74/98 führend.

Der Antragsgegner, der Beteiligte Ziff. 9, hat erstinstanzlich vor allem geltend gemacht, die von den Antragstellern aufgeführten Geschäftsstellen/Vertriebszentren könnten keine Betriebsteile im Sinne des § 4 Satz 1 BetrVG sein, weil sie in Abwicklung begriffen und die neuen Vertriebszentren noch im Aufbau befindlich seien. Auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart aus dem Jahre 1988 könnten sich die Antragsteller deshalb nicht berufen.

Auf die Wählerliste - Anlage AS 3 - könnten die Antragsteller ihre Anfechtung nicht stützen, da diese veraltet gewesen sei. Die Mitarbeiter ...... und ....... seien gestrichen, ............................ ........................................................................................................................................................ und .................... (insgesamt 14) hätten nicht gewählt. Die Arbeitnehmer, die Kündigungsschutzklage eingereicht hätten, seien weiterhin wahlberechtigt. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG 1972. Zudem habe der Betriebsrat allen Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG widersprochen. Die gekündigten Arbeitnehmer hätten deshalb einen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Sie seien weiterhin betriebsangehörig. Es könne nicht darauf ankommen, ob dieser Anspruch tatsächlich realisiert worden sei oder nicht.

Die Antragsteller haben demgegenüber darauf verwiesen, dass zumindest 11 ausgeschiedene Mitarbeiter an der Betriebsratswahl teilgenommen hätten. Dies habe sich wesentlich auf die Zusammensetzung des Betriebsrates ausgewirkt.

Die Beteiligten Ziff. 1 und 2 haben in erster Instanz beantragt,

die Betriebsratswahl vom 26.03.1998 für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten Ziff. 3 bis 8 haben beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Betriebsratswahl in der ................. Zentrale des ............. .............................. vom 26.03.1998 nichtig ist,

hilfsweise:

Es wird festgestellt, das die Betriebsratswahl in der ................. Zentrale des ............... ............................ vom 26.03.1998 ungültig ist.

Der Beteiligte Ziff. 9 hat beantragt,

die Anträge der Beteiligten Ziff. 1 bis 8 zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 25.08.1998, den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten Ziff. 3 bis 9 am 21.01., den Beteiligten Ziff. 1 und 2 am 25.01.1999 zugestellt, den Hauptantrag der Beteiligten Ziff. 3 bis 8 auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl zurückgewiesen, auf ihren Hilfsantrag und auf den Antrag der Beteiligten Ziff. 1 und 2 dagegen die Betriebsratswahl für ungültig erklärt.

Das Arbeitsgericht meint, ein zur Nichtigkeit führender grober Verstoß gegen Wahlvorschriften oder Grundsätze des Wahlrechts habe nicht vorgelegen. Dagegen wertete es die Teilnahme von mindestens 9 gekündigten aus dem Betrieb ausgeschiedenen Arbeitnehmern mangels Wahlberechtigung als einen Verstoß gegen Vorschriften des Wahlrechts, welcher einen wesentlichen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt habe. Der Hinweis des Beteiligten Ziff. 9 auf BAG AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG helfe nicht. Die zur Frage der Wählbarkeit aufgestellten Grundsätze gälten nicht in gleicher Weise für die Bestimmung der aktiven Wahlberechtigung. Jene setze nicht notwendigerweise eine objektiv bestehende Wahlberechtigung voraus.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19.02.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und mit Schriftsatz vom 16.03.1999 (ABl. 8 - 10 d. LAG-Akte) ausgeführte Beschwerde des Beteiligten Ziff. 9. Er vertritt weiterhin die Auffassung, die Teilnahme der 9 gekündigten Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl beinhalte keinen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die vom Arbeitsgericht vertretene Rechtsauffassung, die der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur entspreche, sei unzutreffend, weil sie zu einem Wertungswiderspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Voraussetzungen des passiven Wahlrechts (AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG 1972) führe. Für das aktive Wahlrecht dürften keine anderen Voraussetzungen gelten als für das passive Wahlrecht. Denn die Wählbarkeit folge aus der Wahlberechtigung. Eine andere Betrachtungsweise zeitige seltsame Ergebnisse: So hätten im vorliegenden Falle die 9 gekündigten Arbeitnehmer wohl für den Betriebsrat kandidieren und gewählt werden können, nicht aber selbst wählen dürfen. Stellte sich in diesem Falle ihre Nichtwählbarkeit im Nachhinein heraus, wäre das Wahlergebnis verfälscht. Nicht anders sei es, wenn ein gekündigter Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl aktiv teilnehme und später die Wirksamkeit der Kündigung festgestellt werde. Zwar argumentiere das Bundesarbeitsgericht mit der Korrekturmöglichkeit im Falle des passiven Wahlrechts, wenn an die Stelle des nicht berechtigten Arbeitnehmers ein Ersatzmitglied in das Betriebsratsamt nachrücke. Doch nehme der Gesetzgeber auch bewusst in Kauf, dass Arbeitnehmer unmittelbar nach dem Tag der Betriebsratswahl aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden können, ohne dass dies Auswirkungen auf das Wahlergebnis hätte. Daraus sei zu schließen, dass die Frage der Wählbarkeit und der Wahlberechtigung nicht von einer Differenzierung im Hinblick auf die Folgen einer sich nachträglich herausstellenden fehlenden Wahlberechtigung bzw. Nichtwählbarkeit abhängig sei. Das Wahlergebnis werde im Vergleich zum Zeitpunkt der Wahl in gleicher Weise verfälscht, ob nun der mit der höchsten Stimmenzahl Gewählte im Nachhinein betrachtet in Wahrheit nicht wählbar gewesen sei und deshalb sein Amt nicht habe antreten können oder ob er nur deswegen das Betriebsratsamt erlangt habe, weil seine Mehrheit auf der Stimme eines Arbeitnehmers beruhe, dessen mangelnde Wahlberechtigung sich im Nachhinein herausgestellt habe.

Der Beteiligte Ziff. 9 beantragt in der Beschwerdeinstanz sinngemäß:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.08.1998 - Az.: 4 BV 74/98 - wird abgeändert.

2. Auch der Antrag der Beteiligten Ziff. 1 und 2 und der Hilfsantrag der Beteiligten 3 bis 8 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten Ziff. 1 bis 8 beantragen ihrerseits,

die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 9 zurückzuweisen.

Sie machen sich zuvörderst die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe zu Eigen.

Die Beteiligten Ziff. 3 bis 8 berufen sich auch im Beschwerdeverfahren auf die erstinstanzlich vorgetragenen Anfechtungsgründe und nehmen insoweit insbesondere auf ihren Schriftsatz vom 08.04.1998 an das Arbeitsgericht Stuttgart und die dortigen Beweisantritte Bezug. Sie verweisen im Übrigen darauf, dass die Umstrukturierung im Unternehmensbereich der Beteiligten Ziff. 1 und 2 mittlerweile abgeschlossen sei und die 11 neu errichteten Vertriebszentren auch in Zukunft betriebsratsfähige Einheiten mit jeweils 6 Beschäftigten darstellen würden, so dass in den Außenstellen und in der Zentrale jeweils getrennte Betriebsräte zu wählen seien. In den Vertriebszentren ................ und ................ bestünden seit Mitte 1998 bereits unanfechtbar gewählte Betriebsräte. Hätte die Beschwerde Erfolg, seien die dort durchgeführten Betriebsratswahlen als nichtig anzusehen, was weder Sinn und Zweck des § 4 BetrVG noch dem Willen der dort Beschäftigten entsprechen würde.

Die Beteiligten Ziff. 1 und 2 weisen darauf hin, dass die Entscheidung des BAG AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG zur Begründung der Position des Beschwerdeführers nicht geeignet sei. Das BAG habe sich mit den Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht auseinandergesetzt, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ausschließen wollen und deshalb zu Gunsten des gekündigten Arbeitnehmers seine Betriebsangehörigkeit bezüglich der Wählbarkeit zum Betriebsrat fingiert. Diese Fiktion trete aber nicht auch in Bezug auf das aktive Wahlrecht ein. Grundsätzlich solle nur der an den Geschicken des Betriebs per Wahl mitwirken, der diesem angehörig sei. Dies sei zu bejahen im Falle der Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb, wenn der gekündigte Arbeitnehmer tatsächlich weiterbeschäftigt werde. Eine tatsächliche Weiterbeschäftigung setze möglicherweise voraus, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung vollstrecken müsse. Sei der Arbeitnehmer einmal aus dem Betrieb ausgeschieden, so sei er weder wählbar noch wahlberechtigt. Das Wahlrecht sei an die tatsächliche Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer zu koppeln.

Im vorliegenden Fall seien die 9 gekündigten Arbeitnehmer, die an der Betriebsratswahl teilgenommen hätten, nicht weiterbeschäftigt worden. Selbst wenn ihre Kündigungsschutzklagen Erfolg hätten, so wären sie im Zeitpunkt der Betriebsratswahl nicht betriebszugehörig gewesen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen verwiesen.

B.

Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Beteiligten Ziff. 9 ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat dem zulässigen Anfechtungsbegehren der Beteiligten Ziff. 1 bis 8 zu Recht und mit zutreffender Begründung entsprochen. Die Betriebsratswahl in dem .................. Betrieb der Beteiligten Ziff. 1 und 2 am 26.03.1998 ist ungültig. Die von dem Beteiligten Ziff. 9 in der Beschwerdebegründung gegen die erstinstanzliche Entscheidung vorgebrachten Argumente überzeugen nicht.

1. Die Anfechtung einer Betriebsratswahl gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG ist nur dann erfolgreich, wenn gegen mindestens eine der wesentlichen wahlrechtlichen Vorschriften des BetrVG und/oder der dazu ergangenen Wahlordnung verstoßen worden ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Ein solcher Verstoß liegt u. a. dann vor, wenn nicht wahlberechtigte Arbeitnehmer an der Wahl teilgenommen haben und das Ergebnis der Wahl dadurch beeinflusst werden konnte.Nach § 7 BetrVG sind alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, berechtigt, bei der Wahl des Betriebsrates mitzuwählen. Aus dem Sinnzusammenhang dieser Norm und den §§ 5, 6 BetrVG folgt jedoch, dass nur diejenigen Arbeitnehmer zum Betriebsrat aktiv wahlberechtigt sind, die dem Betrieb angehören, für den der Betriebsrat gebildet wird. Betriebsangehörig sind nur solche Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und innerhalb der Betriebsorganisation des Arbeitgebers abhängige Arbeitsleistungen erbringen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht sowohl für das passive als auch das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat ausdrücklich entschieden (vgl. BAG AP Nr. 2 zu § 8 BetrVG 1972 bzw. Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972 mit weiteren Nachweisen). Zu den konstitutiven Merkmalen der Betriebszugehörigkeit gehören danach grundsätzlich zwei Komponenten: einerseits ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber, welches in der Regel durch einen Arbeitsvertrag, ausnahmsweise aber auch durch Gesetz (z. B. § 10 Abs. 1 AÜG) zu Stande kommen kann, andererseits eine tatsächliche Eingliederung des Arbeitnehmers in die Betriebsorganisation. Eine bloß tatsächliche Eingliederung eines Arbeitnehmers - ohne arbeitsvertragliche Bindung zum Betriebs- inhaber - in die Betriebsorganisation ist nicht geeignet, eine Betriebszugehörigkeit zu begründen (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972 mit weiterer Begründung).Diese Kriterien sind im Regelfall durchaus geeignet, die Betriebszugehörigkeit und damit die Wahlberechtigung von Arbeitnehmern zu bestimmen. Sie greifen aber dann nicht mehr verlässlich, wenn einem Arbeitnehmer gekündigt worden und somit ungewiss ist, ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis wirksam beendet hat oder nicht, insbesondere wenn der Arbeitnehmer eine form- und fristgerechte Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung erhoben hatte. Einhellig wird die Auffassung vertreten, dass mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. nach fristloser Kündigung seine Betriebszugehörigkeit grundsätzlich ende, auch wenn er Kündigungsschutzklage nach den §§ 4 Satz 1 bzw. 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG oder ganz allgemein Klage auf Feststellung gemäß § 256 ZPO erhoben hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst sei. Dies wird damit begründet, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zur Rechtskraft eines Urteils im Kündigungsschutzprozess in der Schwebe bleibe und wegen dieser Unklarheit von der Wirksamkeit der Kündigung auszugehen sei. Lediglich Schneider vertritt in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 5. Aufl., § 7 Anm. 13, die Auffassung, dass die Ungewissheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht zu Lasten der gekündigten Arbeitnehmer gehen könne, so dass sie als betriebszugehörig und damit als wahlberechtigt angesehen werden müssten, sofern sie nur rechtzeitig und formgültig Kündigungsschutzklage erhoben hätten. Dagegen wird teilweise die Betriebszugehörigkeit dann bejaht, wenn der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung widersprochen und der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung nach § 102 V BetrVG verlangt hat, auch wenn er tatsächlich nicht weiterbeschäftigt wird (so Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 7 Rdnr. 34 f.; Galperin/Löwisch, BetrVG 1972, 6. Aufl. Rdnr. 18; unklar Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 7 Anm. 29). Nach einer weiteren Meinung ist in diesem Fall ein Arbeitnehmer bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Kündigungsrechtsstreits (aus welchen Gründen auch immer) nur dann als betriebszugehörig anzusehen, wenn er tatsächlich weiterbeschäftigt wird (so Fabricius/Kraft/Wiese/Kreutz/Oetker, BetrVG, 6. Aufl., § 7 Rdnr. 30; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 7 Rdnr. 15; Joost in Münchener Kommentar zum Arbeitsrecht, § 296 Rdnr. 72; LAG Berlin LAGE § 19 BetrVG Nr. 12 S. 4). Dieser Rechtsauffassung ist nach Auffassung der erkennenden Kammer der Vorzug zu geben, bietet sie doch einen stringenten Lösungsansatz. Zwar steht bis zur Rechtskraft des Urteils nicht fest, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet worden ist oder nicht. Die rechtliche Beziehung zum Betriebsinhaber ist jedoch in diesen Fällen ebenso wenig zweifelhaft wie die tatsächliche. Denn auch wenn die Klage später abgewiesen wird, so erfolgte die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb auf Grund des Weiterbeschäftigungsverhältnisses und stellte somit eine ausreichende Rechtsbeziehung zum Betriebsinhaber dar. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG 1972 die passive Wählbarkeit eines gekündigten Arbeitnehmers bejaht, wenn seiner vor der Wahl erhobenen Kündigungsschutzklage nach Durchführung der Betriebsratswahl stattgegeben wird, und zwar unabhängig davon, ob der Bewerber für das Betriebsratsamt tatsächlich weiterbeschäftigt worden war oder nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat dies damit begründet, dass andernfalls der Arbeitgeber die Möglichkeit hätte, durch den Ausspruch unberechtigter Kündigungen gegenüber unliebsamen Wahlbewerbern Einfluss auf die Zusammensetzung des Betriebsrats zu nehmen, was dem Sinn und Zweck der Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes, die eine vom Willen des Arbeitgebers unbeeinflusste Bildung der Arbeitnehmervertretung gewährleisten wollten, widerspreche. Hinzu komme, dass die Frage der Wählbarkeit gekündigter Arbeitnehmer im Gegensatz zur Frage der Wahlberechtigung dieses Personenkreises im Zeitpunkt der Durchführung der Betriebsratswahl keiner abschließenden Klärung bedürfe. Denn stelle sich erst nach der Wahl die Unwirksamkeit der Kündigung heraus, bleibe der Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsverfahrens und bei fehlender tatsächlicher Weiterbeschäftigung an der Amtsausübung gehindert. Er werde dann durch ein Ersatzmitglied vertreten. Bei negativem Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens seien die Voraussetzungen der Wählbarkeit von vornherein nicht gegeben gewesen, die Wahl des Betriebsratsmitglieds sei unwirksam, das ihn vertretende Ersatzmitglied rücke nach.Die vom Bundesarbeitsgericht zum passiven Wahlrecht angestellten Überlegungen können nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht auf die Fälle der aktiven Wahlberechtigung übertragen werden. Während im Falle der Wählbarkeit das Wahlergebnis unschwer korrigiert werden kann, wenn sich die Nichtberechtigung des gekündigten Arbeitnehmers nachträglich herausstellt, gilt dies in den Fällen der aktiven Wahlberechtigung nicht in gleicher Weise. Eine Korrektur des Wahlergebnisses ist schon wegen des Wahlgeheimnisses nicht möglich, da nicht festgestellt werden kann, auf welche Kandidaten und welche Listen die Stimmen der nicht wahlberechtigten Arbeitnehmer entfallen sein könnten. Ein Wahlergebnis, das den Wählerwillen korrekt widerspiegeln würde, lässt sich nur auf Grund einer Neuwahl erzielen. Wollte man allen gekündigten Arbeitnehmern, die eine Kündigungsschutzklage eingereicht haben, die aktive Wahlberechtigung einräumen, so wäre dies zwar in den Fällen unschädlich, in denen die Kündigungsschutzklage Erfolg hätte. Dann wäre dem Wählerwillen optimal Rechnung getragen worden. In den Fällen, in denen die Kündigungsschutzklage erfolglos bliebe, wäre dagegen das Wahlergebnis mit der oben dargelegten Konsequenz verfälscht. Daraus resultiert aber auch eine tiefgreifende Beeinträchtigung des Wahlrechts der übrigen betriebsangehörigen Arbeitnehmer. Wird dagegen ein gekündigter Arbeitnehmer, dessen aktive Wahlberechtigung sich im Nachhinein herausstellt, zur Teilnahme an der Betriebsratswahl nicht zugelassen, so wird dadurch nur sein individuelles Wahlrecht tangiert, nicht aber das einer Vielzahl anderer Wahlberechtigter. In dieser Kollisionslage erscheint die Beeinträchtigung der individuellen Rechtsposition des gekündigten Arbeitnehmers, der nicht tatsächlich weiterbeschäftigt wird und dessen betriebliche Bindung gelockert erscheint, vor dem kollektiven Interesse an einer reibungslosen Durchführung der Betriebsratswahl hinnehmbar, nachdem die Konfliktsituation durch das geltende Kündigungsschutzrecht strukturell bedingt ist.Soweit schließlich der Beteiligte Ziff. 9 formal argumentiert, schon der Wortlaut des § 8 BetrVG 1972, dass nämlich wählbar alle Wahlberechtigten seien, so dass die passive Wählbarkeit die aktive Wahlberechtigung voraussetze, dass also für die Bestimmung der aktiven Wahlberechtigung dieselben Voraussetzungen gelten müssten wie für die der Wählbarkeit, verkennt er, dass der Begriff der Wahlberechtigung in § 7 und in § 8 BetrVG nicht denknotwendig deckungsgleich ist. Er ist jeweils funktionsbezogen auszulegen, um die oben dargestellten Wertungswidersprüche zu vermeiden. Nach allem ist festzuhalten, dass ein gekündigter Arbeitnehmer, der die Kündigung im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens angegriffen hat, nach Auffassung des Beschwerdegerichts nur dann aktiv wahlberechtigt ist, wenn er tatsächlich im Betrieb weiterbeschäftigt worden ist.

2. Letztere Voraussetzung war im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Die 9 gekündigten Arbeitnehmer, die an der Betriebsratswahl vom 26.03.1998 in der ............... Zentrale der Beteiligten Ziff. 1 und 2 teilgenommen hatten, hatten zwar Kündigungsschutzklage erhoben, auch hatte der Betriebsrat den Kündigungen widersprochen. Keiner von ihnen war jedoch nach Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich weiterbeschäftigt worden. Somit steht für die Kammer fest, dass mindestens 9 nicht wahlberechtigte Arbeitnehmer an der Betriebsratswahl teilgenommen hatten. Darin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht. Durch diesen Verstoß konnte auch das Wahlergebnis wesentlich beeinflusst werden. Denn bei einer Teilnahme von lediglich 191 anstatt 200 Wählern an der Betriebsratswahl hätte sich die Zusammensetzung des Betriebsrats, jedenfalls bei der Bestimmung der Ersatzmitglieder ändern können, je nachdem, auf welche Liste die Stimmen der nicht wahlberechtigten Arbeitnehmer entfallen waren. Wären alle von ihnen auf die Liste 2 entfallen, dann wäre das zweite Ersatzmitglied nicht von der Liste 2, sondern von der Liste 3 gestellt worden, wären sie auf die Liste 1 entfallen, dann wäre das erste Ersatzmitglied von der Liste 3, das zweite von der Liste 2 gestellt worden.Aus diesen Gründen ist die Betriebsratswahl der ................. Zentrale der Beteiligten Ziff. 1 und 2 unwirksam.Auf weitere (aufwendige) Feststellungen zur Klärung der Frage, ob an der Betriebsratswahl vom 26.03.1998 Arbeitnehmer selbstständig betriebsratsfähiger Betriebe unter Verkennung des Betriebsbegriffes teilgenommen hatten und dadurch das Wahlergebnis verfälscht wurde, kam es nach allem nicht mehr entscheidungserheblich an.Der Beschwerde konnte somit kein Erfolg beschieden sein.

C.

Dieses Beschwerdeverfahren ist kostenfrei (§§ 12 Abs. 5, 2 a Abs. 1 ArbGG).

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG, nachdem der Sache im Hinblick auf die Frage, inwieweit gekündigte Arbeitnehmer, die gegen ihre Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben haben, zur Teilnahme an einer Betriebsratswahl aktiv wahlberechtigt sind, grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.

Ende der Entscheidung

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