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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.12.2001
Aktenzeichen: 3 Sa 36/01
Rechtsgebiete: BAT, ZPO, BGB, ArbGG


Vorschriften:

BAT § 70
ZPO § 92
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 4
BGB § 852
BGB § 852 Abs. 1
ArbGG § 72a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
3 Sa 36/01

verkündet am 12. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Höfle, den ehrenamtlichen Richter Berner und den ehrenamtlichen Richter Stossun auf die mündliche Verhandlung vom 12.12.2001 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 16.03.2001 - 6 Ca 346/00 - abgeändert wie folgt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 196.770,75 DM nebst 4 % Zinsen vom 01.02.2000 bis 30.04.2000 und 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 01.05.2000 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte trägt 20/27, die Klägerin trägt 7/27 der Kosten des Rechtsstreits.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten mit ihrer am 31.07.2000 eingereichten Klage auf Schadenersatz mit der Behauptung in Anspruch, er habe es in subjektiv vorwerfbarer Weise verursacht, dass

a) nicht geleistete Arbeitsstunden einem Werkunternehmer vergütet worden seien,

b) (Wiege-Deponie-)Gebühren demselben doppelt erstattet wurden.

Der Beklagte war bei der Klägerin angestellt und als Bautechniker im Bereich ihres Hochbauamtes eingesetzt. Er erhielt Vergütung nach Verg.Gr. VI b BAT, dessen Geltung einzelvertraglich vereinbart war. Zu seinen Aufgaben gehörte es, kleinere Bauaufträge im Wege freihändiger Vergabe eigenverantwortlich zu erteilen und deren sach- und fachgerechte Ausführung zu überwachen. Ferner oblag ihm, die Abrechnungen des Werkunternehmers (Rapporte, Rechnungen) auf sachliche und rechnerische Richtigkeit hin zu prüfen, das gegebenenfalls mit dem entsprechenden Vermerk unterschriftlich zu bestätigen und die Abrechnung zur - demgemäßen - Erteilung der Auszahlungsordnung, die sodann von der Kasse vollzogen wurde, weiterzuleiten. Gleichfalls hatte er die sogenannten Wiegescheine (Beleg über die bare Zahlung von Gebühren für die Deponieverbringung von Bauschutt u. ä.) zu prüfen und gegebenenfalls in entsprechender Weise die Verauslagung seitens des Werkunternehmers als sachlich und rechnerisch richtig unterschriftlich zu bestätigen, worauf demgemäß weiter verfahren wurde.

Im klagegegenständlichen Zeitraum von 1983 bis Frühherbst 1996 erteilte der Beklagte einem H. P. Vieleringer (künftig = V.) zahlreiche solche Aufträge im Wert von jeweils unter 15.000,-- DM, die "auf Nachweis" abzurechnen waren. In diesem Zusammenhang hatte V. gegebenenfalls den Bauschutt o. ä. zur Deponie abzufahren, wobei die entsprechenden Gebühren anfielen, die er bar zu begleichen hatte.

Der Beklagte erkrankte im Laufe des Jahres 1996. Unter Berücksichtigung seines Urlaubs war er seit Anfang September 1996 nicht mehr tätig. V. erhielt ab diesem Zeitpunkt keinen Auftrag mehr. Er stellte alsbald seine Tätigkeit ein und verstarb am 29.08.1998.

Der Beklagte schied aufgrund am 20.03.1997 krankheitshalber geschlossenen Aufhebungsvertrags mit dem Ablauf dieses Tages bei der Klägerin aus. Seither befindet er sich im Ruhestand.

Aufgrund einer Mitteilung des Finanzamts Konstanz vom 28.10.1998 im Zusammenhang mit der steuerlichen Prüfung des V., an den in Betracht kommenden Unregelmäßigkeiten seien möglicherweise städtische Mitarbeiter beteiligt, unterzog die Klägerin die Anfang November 1998 vom Finanzamt zurückerhaltenen Abrechnungsunterlagen einer "groben" Prüfung, die aus ihrer Sicht den Verdacht erhärtete, ein oder mehrere ihrer Mitarbeiter seien in strafrechtlich-relevanter Weise in die Angelegenheit verwickelt. Sie übermittelte der Staatsanwaltschaft am 06.11. eine entsprechende Vorabmeldung und erstattete mit Schreiben vom 01.12.1998 Strafanzeige. Das führte zu einem gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahren. Er wurde durch zwischenzeitlich rechtskräftiges Urteil der Strafkammer beim Landgericht Ravensburg vom 26.11.2001 u. a. wegen Untreue zum Nachteil der Klägerin zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt.

V. hat nach der Behauptung der Klägerin in 237 Fällen, in 126 von ihnen war auf ihrer Seite allein der Beklagte dienstlich eingebunden, nicht verfahrene Stunden verrechnet, indem der nämliche Mitarbeiter für denselben Tag an verschiedenen Baustellen mit insgesamt weit mehr als neun Arbeitsstunden verrechnet wurde (Beispiel: Fall Nr. 11)

Rechnung vom 03.01.1994, Margaretenstr. 11, Rapport 20.12.1993 07.12. 3 Mann à 7,5 Stunden 08.12. 3 Mann à 6,0 Stunden

Rechnung Nr. 23 vom 21.02.1994 Villa Cals Rapport 07.12. 3 Mann à 9,0 Stunden 08.12. 3 Mann à 8,5 Stunden

Rechnung Nr. 24 vom 21.02.1994 G.Z.G Rapport 08.12. 3 Mann à 8,5 Stunden

usf.

Auf diese Weise wurden für jeden Mitarbeiter für den 07.12. 25 Arbeitsstunden und für den 08.12. 40 Arbeitsstunden verrechnet. Die Personenidentität ergibt sich, soweit nicht die Namen aufgeführt sind, daraus, dass V. nie mit mehr als drei Mitarbeitern für die Klägerin tätig war und es sich bei diesen stets um die nämlichen gehandelt hat.

Die Klägerin hat ihren Schaden so berechnet, dass sie für jeden der rapportierten Arbeitstage pro eingesetztem Mitarbeiter 9 Arbeitsstunden als geleistet zugrunde legt, die sich daraus zur Zahl der verrechneten Stunden ergebende Differenz mit dem seitens V. verrechneten Stundensatz multipliziert und zu dieser Summe die hierauf entfallende Mehrwertsteuer hinzurechnet (die Klägerin ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt); vgl. im einzelnen das Beispiel auf Bl. 6 der Klageschrift (VA-Bl. 6). Hieraus hat sie einen Gesamtschaden von 269.767,74 DM ermittelt.

Während sie im ersten Rechtszug unter Anführung einer Reihe aus ihrer Sicht indizieller Umstände behauptet hat, der Beklagte habe es "mindestens" in grobfahrlässiger Weise verursacht, dass V. sie in strafrechtlich-relevanter Weise zu schädigen vermocht habe, hat sie im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 20.11.2001 unter Bezugnahme insbesondere auf die Zeugenaussage der Witwe des V. in dem gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahren behauptet, dieser habe im Zusammenwirken mit jenem die Schadenshandlungen zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil vorgenommen.

Dementsprechend sei bei den sogenannten Wiegescheinen vorgegangen worden und habe der Beklagte in zehn Fällen veranlasst, dass die Gebühr doppelt erstattet wurde, indem er auch den Durchschlag der Gebührenberechnung entsprechend akzeptiert und weitergereicht habe. Dadurch sei ihr ein Schaden von 1.253,84 DM entstanden.

Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 23.02.1999, ergänzt durch Anwaltsschreiben vom 17.01.2000, hat sie mit ihrer Klage beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 271.021,58 DM nebst 4 % Zinsen seit 01.02.2000 zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat eine Vertragsverletzung bestritten, behauptet, die von ihm geübte Arbeitsweise sei bekannt und von der Abteilungsleitung gebilligt gewesen. Er hat sich zum behaupteten Schaden mit dem Hinweis streitig gestellt, die fraglichen Arbeiten seien - unstreitig - ausgeführt worden und hat Mitverschulden der Klägerin eingewendet. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, denn hinsichtlich der verrechneten Stunden sei ein Schaden nicht nachgewiesen, in Bezug auf die Wiegescheine könne nicht von einem grobfahrlässigen Vertragsverstoß des Beklagten ausgegangen werden. Soweit die Klägerin das Klagbegehren im Kammertermin hilfsweise auf Ersatzansprüche aus einer von dem Beklagten zur Verteidigung behaupteten Nebentätigkeit gestützt habe, stehe das in Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag und mangle es an jedem substanziierten Vorbringen zu einem etwaigen solchen Anspruch.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren, nunmehr in erster Linie gestützt auf das Beweisergebnis des Strafverfahrens und die dort erfolgte rechtliche Beurteilung, weiter.

Sie beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zur Zahlung von 271.021,58 DM nebst 4 % Zins hieraus für die Zeit vom 01.02.2000 bis 30.04.2000 und 5 % Zins über dem Basiszinssatz ab 01.05.2000 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an seinem Verteidigungsvorbringen fest und verweist wiederholt darauf, die fraglichen Baustellen seien sämtlich "erledigt" worden. Er beruft sich auf Verfall der Ansprüche nach § 70 BAT.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Unterlagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere in der verlängerten Frist ausgeführte Berufung hat überwiegend Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin den durch die Bezahlung der nicht verfahrenen Arbeitsstunden entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ausschlussfrist nach § 70 BAT ist jedoch für den außerhalb des Zeitraums "Dez. 93 - Ende 1996" entstandenen Anspruch nicht gewahrt (1). Hinsichtlich der doppelt erstatteten Aufwendungen (sogenannte "Wiegescheine") kann ein vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Vertragsverstoß des Beklagten nicht festgestellt werden, deshalb scheidet seine Einstandspflicht aus (2).

(1)

I.

Sachentscheidungshindernisse bestehen nicht, vor allem ist im Lichte der der Klageschrift beigefügten Einzelaufstellung (Anlage K2, ABl. 21/58) zweifelsfrei, was den Gegenstand der bestimmten Vielheit in Form sogenannter objektiver Häufung zur Entscheidung gestellten prozessualen Ansprüche bildet (§§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 322 Abs. 1 ZPO).

II.

Die Klage ist überwiegend begründet, und zwar sowohl aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der sogenannten positiven Vertragsverletzung, wie als deliktsrechtlicher Anspruch, ohne dass es hier auf das Konkurrenzverhältnis von insbesondere - Betrug und Untreue (§§ 263, 266 StGB) ankäme.

1. Der Schaden der Klägerin besteht darin, dass sie die Gegenleistung für nicht erbrachte Leistungen bewirkt, nämlich nicht verfahrene Arbeitsstunden vergütet hat. Ihr diesbezüglicher Vortrag ist schlüssig und außerdem, wenngleich es darauf nach der Rechtsprechung des BGH nicht ankommt, plausibel. Das zeigt sich - unter anderem - an dem im Tatbestand aufgeführten Beispielsfall, wie aber auch - unter anderem - an dem Umstand, dass auf der Grundlage der Rapporte jeder der fraglichen Mitarbeiter des V. jahresdurchschnittlich etwa 3.500 Arbeitsstunden erbracht hätte.

Der Einwand des Beklagten, die Baustellen seien alle "erledigt", also die erteilten Aufträge ausgeführt worden, ist unerheblich. Der erhobene Anspruch betrifft nicht geleistete Arbeitsstunden.

Sein Bestreiten ist substanz- und deshalb prozessual wirkungslos. Er hat - trotz Hinweises des Berufungsgerichts (vgl. Nr. 2 der Verfügung vom 28.10.2001, ABl. 50) - nicht zu einem Fall einen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich ergeben hätte, einer der Mitarbeiter des V. habe an einem Tag (auf der jeweiligen Baustelle) mehr als 9 Arbeitsstunden geleistet, was ihm zu kontrollieren und nachzuprüfen als Teil seiner Hauptarbeitspflicht oblag.

Die im Tatbestand angeführte Berechnungsweise ermittelt den Schaden zutreffend. Substanzielle Einwendungen sind, und zwar auch was das Rechenwerk im Einzelnen anlangt, nicht erhoben.

2. Die Vertragsverletzung besteht darin, dass der Beklagte entgegen einer seiner wesentlichsten Arbeitspflichten die fraglichen Angaben - unter anderem - als rechnerisch und sachlich richtig festgestellt und das unterschriftlich bestätigt sowie diese inhaltlich unzutreffende Urkunde zur Erteilung der demgemäßen Kassenanweisung weitergeleitet hat.

3. Das verursachte bei dem Anweisungsberechtigten einen entsprechenden Irrtum, der zur Ausstellung der jeweiligen Auszahlungsanordnung führte, in deren Verfolg die Kasse die entsprechende Auszahlung vornahm, wodurch der Schaden bei der Klägerin (Reduzierung ihres entsprechenden Guthabens auf dem fraglichen Konto) eintrat, weshalb auch Kausalität gegeben ist.

4. Der Beklagte hat schuldhaft gehandelt und zwar fällt ihm Vorsatz zur Last. Die Klägerin hat diese innere Tatsache nicht lediglich behauptet, sondern diese durch mittelbare (äußere) Umstände untermauert. Danach liegt dem Gesamtvorgang eine bestimmte Methode zu Grunde. Denn es widerspricht der Lebenserfahrung, anzunehmen, V. sei über Jahre hinweg immer wieder das nämliche (Schreib- oder Rechen-)Versehen zu seinen Gunsten unterlaufen. Solches behauptet der Beklagte selbst nicht; richtig verstanden legt er seiner Rechtsverteidigung - stillschweigend - hilfsweise die Behauptung zu Grunde, V. habe ihn - sinngemäß - systematisch getäuscht. Die genaue Kenntnis ("Insiderwissen") von den Aufgaben und Befugnissen des Beklagten, seiner Arbeitsweise und dem regelmäßigen weiteren verwaltungsinternen Ablauf, war, wenn nicht notwendig, so doch durchaus hilfreich. Dazu hat sich der Beklagte nicht erklärt.

Die Klägerin hat sich die Aussage der von der Strafkammer als Zeugin vernommenen Witwe des V. als Parteivortrag zu eigen gemacht, wonach - unter anderem - deren damaliger Ehemann ihr erklärt habe, sie brauche die Rechnungen nicht mehr (mit Hand) zu schreiben, das mache nunmehr der Beklagte (mit der Schreibmaschine). Von ihr darauf angesprochen, warum er - immer wieder - Geldscheine als (in) "Bündel" in seine Hemdtasche stecke, habe V. erklärt, der Beklagte wolle wieder Geld, sonst bekomme er, V., keine Aufträge mehr. Mit diesem Vorbringen hat sich der Beklagte nicht auseinandergesetzt.

Schließlich hat die Klägerin, so ist ihr Vorbringen zu verstehen, behauptet, V. habe dem Beklagten - aus der gemeinsamen Unternehmung - immer wieder runde Summen in bar übergeben, die dieser dann auf eines seiner bei der Volksbank Friedrichshafen unterhaltenen Girokonten (Größenordnung 300.000,-- DM) einbezahlt habe.

Das hat der Beklagte gleichfalls nicht wirksam bestritten. Da dieser Vortrag eigene Handlungen von ihm betrifft, konnte er sich nicht wirksam nach § 138 Abs. 4 ZPO erklären. Da das wegen dieses Gesamtsachverhaltes gegen ihn gerichtete Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, hätte er die Erklärung über diese Tatsachen auch nicht mit dem Hinweis, eine denkbare Selbstbelastung dort zu vermeiden, wirksam verweigern können. Seine Einlassung, das Geld rühre aus "Schwarzarbeit mit einer Putzerkolonne her" ist unsubstanziiert und keiner Sacherwiderung zugänglich. Darauf wurde er in der Verfügung vom 28.10.2001 (dort Nr. 4, ABl. 50) und - wiederholt - in der mündlichen Berufungsverhandlung hingewiesen. Er hat sich nicht zur Ergänzung seines Vortrags verstehen können.

Angesichts dieser Umstände ist die Behauptung der Klägerin der Entscheidung als unstreitig zu Grunde zu legen. Deshalb kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte nicht sagt, was an den von der Strafkammer diesbezüglich getroffenen Feststellungen und deren straf-(rechtlicher) Würdigung unrichtig erscheine.

5. Der Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB) trägt nicht. Der Beklagte zeigt nicht auf, in welcher Hinsicht insoweit ein Organisationsmangel bei der Klägerin vorliege oder dass nicht der vorgegebenen Organisation gemäß gehandelt worden sei. Man muss dabei sehen, dass der modus operandi zwar - bildhaft formuliert - "verblüffend einfach" war, sich aber gerade deshalb, insbesondere der insoweit üblichen stichprobenweisen Kontrolle entzog. Außerdem hatte die Klägerin keine wie immer gearteten Anhaltspunkte für Zweifel dahin, der Beklagte obliege dieser zentralen Kontrollpflicht vorsätzlich zu ihrem Nach- und zu seinem Vorteil nicht.

Jedenfalls tritt ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin in vollem Umfang hinter ihre jahrelange vorsätzliche Schädigung in Ausnutzung und unter Umkehr der dienstlichen Pflichten des Beklagten zum eigenen Vorteil zurück.

6. Allerdings hat die Klägerin die Ausschlussfrist nach § 70 BAT für die Ansprüche außerhalb des im Geltendmachungsschreiben vom 23.02.1999 bezeichneten Zeitraums, der solche im Gesamtbetrag von 72.996,99 DM umfasst, nicht gewahrt.

Fällig war der jeweilige Schadenersatzanspruch in dem Zeitpunkt, in dem ihr zur Zahlung benütztes Konto entsprechend belastet wurde. Von diesem Zeitpunkt an konnte sie die "Rückgewähr" von dem Beklagten als jetzt zu erbringen berechtigt beanspruchen (§ 271 BGB).

Nach dem Vortrag der Klägerin wurde hinsichtlich der zeitlich jüngsten (und letzten) Rechnung Nr. 268 des V. vom 10.09.1996 (richtig: 02.09.1996) die Zahlungsanweisung am 17.10.1996 erteilt. Bei regelmäßigem Verlauf der Dinge wurde sie mit Sicherheit noch im Oktober 1996 ausgeführt, weshalb der diesbezügliche Anspruch spätestens am 31.10.1996 fällig war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt Fälligkeit im hier interessierenden Sinn jedoch voraus, dass der Gläubiger praktisch in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen. Das war vorliegend angesichts der im Tatbestand festgestellten Entwicklung beginnend mit dem Hinweis der Finanzbehörden im Oktober 1998, vor allem des Umstandes, dass die Unterlagen sich sodann bis Anfang November 1998 in den Händen der Steuerfahndung (Verfahren gegen V.) befanden, erst am 01.12.1998 der Fall. Zu diesem Zeitpunkt waren die Unterlagen "grob geprüft" und bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet. Von diesem Zeitpunkt an war die Klägerin im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts faktisch in der Lage, dem Beklagten gegenüber ihren Schadenersatzanspruch nach Grund und Höhe hinreichend bestimmt und betragsmäßig ausreichend spezifiziert geltend zu machen. Das ist im eingangs bezeichneten Umfang durch das sicher noch im Monat Februar 1999 dem Beklagten zugegangene Schreiben vom 23.02.1999 (VA-Bl. 99, 100) inhaltlich ordnungsgemäß und rechtzeitig geschehen.

Für die weiteren Ansprüche geschah dies jedoch erst durch Anwaltsschreiben vom 17.01.2000. Das war nicht rechtzeitig. Soweit in ihm und in der Klageschrift (S. 18, 19; VA-Bl. 18/19) dargelegt wird, seinerzeit (gemeint ist das Datum des vorangeführten Schreibens vom 23.02.1999) habe der Schaden seinem Umfang nach noch nicht überblickt werden können, weshalb eine genaue Bezifferung noch nicht möglich gewesen sei, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Zum einen bedurfte es vorliegend zur Wahrung der Ausschlussfrist nicht der Bezifferung auf "Mark und Pfennig", und zum anderen stand nichts im Wege, die Unterlagen für den hier interessierenden weiteren Zeitraum zu prüfen, was, wie im Schreiben vom 23.02.1999 geschehen, zu einer genauen rechnerischen Ausmittelung geführt haben würde.

Eine im Lichte der praktischen Möglichkeit zur Geltendmachung diese Zäsur tragender Sachverhalt ist nicht aufgezeigt oder ersichtlich. Das "Ermittlungsergebnis" der Klägerin, das zu dem Geltendmachungsschreiben vom 23.02.1999 geführt hat, legte es vielmehr durchaus nahe, auch den weiteren Zeitraum in die Prüfung einzubeziehen, schon um festzustellen, wann - aus ihrer Sicht - mit dieser Vorgehensweise begonnen worden war.

Mit dem Hinweis auf das Strafverfahren lässt sich ihre Auffassung nicht begründen. Es handelt sich vorliegend nicht um die Entscheidung, ob ein fristgebundenes einseitiges Gestaltungsrecht, vorzugsweise eine außerordentliche Kündigung, wegen - gegebenenfalls des Verdachts - einer in Bezug auf das Arbeitsverhältnis schwerwiegenden Straftat auszusprechen sei, die binnen der recht knappen Frist von 2 Wochen seit der Kenntnis von dem Kündigungsgrund (§ 626 Abs. 2 BGB) zu treffen ist. Im Streitfall geht es um die Geltendmachung eines bürgerlich-rechtlichen Schadenersatzanspruchs, über dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Zivilgerichte zu befinden haben. Dabei wurde vorliegend das Ergebnis des Strafverfahrens auch nicht abgewartet, sondern am 31.07.2000 Klage eingereicht, nachdem auch der hier interessierende Anspruch mit Schreiben vom 17.01.2000 erfolglos geltend gemacht worden war.

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin annehmen wollte, die hier maßgebende Voraussetzung habe (nicht schon am 01.12.1998, sondern erst) am 30.06.1999 vorgelegen, wahrte das vorbezeichnete, dem Beklagten erstens am 17.01.2000 zugegangene Schreiben die Frist nicht.

Es ist kein Sachverhalt vorgetragen oder sonst ersichtlich, der es mit Rücksicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben geböte, der mit dem Fristablauf eingetretenen Rechtsfolge des Verfalls der Ansprüche die Wirkung zu versagen.

7. Die Einrede der Verjährung ist nicht begründet. Zu Gunsten des Beklagten wird umstandslos die Dreijahresfrist des § 852 BGB (§ 96 Abs. 2 Satz 1 LBG) zu Grunde gelegt. Am 31.07.2000, dem Zeitpunkt der Einreichung der alsbald zugestellten, die Unterbrechung des Laufs der Verjährung bewirkenden Klageschrift (§ 209 BGB; §§ 253, 270 ZPO), war sie noch nicht abgelaufen, selbst wenn man davon auszugehen hätte, Kenntnis im Sinn von § 852 Abs. 1 BGB habe bereits am 01.10.1998 vorgelegen.

8. Die Zinsentscheidung rechtfertigt sich nach Grund und Höhe aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 284, 288 Abs. 1 BGB).

(2)

I.

Sachentscheidungshindernisse bestehen insoweit ebenfalls nicht (vgl. oben (1) I.).

II.

Die Klage ist jedoch in diesem Punkt nicht begründet, denn da die Klägerin nicht bewiesen hat, hierzu falle dem Beklagten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last, scheidet seine Einstandspflicht aus (§ 14 BAT i.V.m. §§ 1, 96 Abs. 1 LBG).

1. Dieser Sachverhalt steht außerhalb des Komplexes der Abrechnung nicht verfahrener Arbeitsstunden, und zwar vor allem hinsichtlich der dort geübten Methode. Die Klägerin zeigt auch nicht auf, das habe den Gegenstand der strafrechtlichen Verurteilung gebildet und die Zeugenaussage der Witwe des V. betrifft diesen Punkt gleichfalls nicht. Das Geschehen als solches zwingt nicht zur Annahme im hier interessierenden Sinne vorsätzlichen Verhaltens; es ist ebenso als Folge nicht hinreichender Aufmerksamkeit erklärbar. Einen Beweis für diese (innere) (Haupt-Beweis-)Tatsache hat die Klägerin nicht angetreten; der Antrag, die Strafakten beizuziehen, stellt, abgesehen davon, dass er den Bereich nicht verfahrene Stunden betrifft, keinen solchen dar.

Die amtswegige Vernehmung des Beklagten als Partei (§ 448 ZPO) war nicht angezeigt.

2. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist grobe Fahrlässigkeit gegeben, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben werden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte und auch subjektiv ein unentschuldbares Verhalten vorliegt.

Ein solches Verhalten kann unter Berücksichtigung des Vorgesagten angesichts des in diesem Punkt erheblichen Bestreitens des Beklagten nicht festgestellt werden. Auch hierzu hatte seine amtwegige Parteivernehmung zu unterbleiben.

Hinsichtlich des sogenannten Wiegescheins vom 23.11.1992 (Rechnung-Nr. 358) über 117,48 DM ist nach dem Vorgesagten (vgl. oben (1) II. 6.) die Ausschlussfrist nach § 70 BAT nicht gewahrt, denn dieser Anspruch wurde erst mit dem Anwaltsschreiben vom 17.01.2000 geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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