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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 05.09.2005
Aktenzeichen: 3 Ta 136/05
Rechtsgebiete: GKG, KostVfg, ArbGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GKG § 19 Abs. 1 Nr. 1
GKG § 21 Abs. 3
GKG § 36
GKG § 36 Abs. 1
GKG § 39 Abs. 1
GKG § 40
GKG § 66 Abs. 2
GKG § 72 Nr. 1
KostVfg § 4
ArbGG § 12 Abs. 2
ZPO § 91a
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 779
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Beschluss

Aktenzeichen: 3 Ta 136/05

Stuttgart, 05. September 2005

Im Beschwerdeverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 3. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer ohne mündliche Verhandlung am 05. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 15. August 2005 - 12 Ca 359/04 - abgeändert:

Auf die Erinnerung der Staatskasse wird der Kostenansatz des Arbeitsgerichts Freiburg in dieser Sache vom 29. Juni 2005 aufgehoben: Das Verfahren wird zur erneuten Erstellung des Kostenansatzes auf der Grundlage eines Gebührenstreitwerts von 106.202,04 EUR an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde der Staatskasse richtet sich gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts, mit dem es - so ist der Beschluss auszulegen - die Erinnerung der Staatskasse gegen den Kostenansatz des Arbeitsgerichts zurückgewiesen hat.

In dem am 23. Juli 2004 eingeleiteten Ausgangsverfahren waren mehrere Streitgegenstände, darunter auch Klagen gegen Kündigungen des Arbeitsverhältnisses seitens der Beklagten/Widerklägerin, rechtshängig gemacht worden. Am 27. Oktober 2004 hat das Arbeitsgericht durch Teilurteil erkannt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch eine außerordentliche Kündigung vom 07. Juli 2004 noch durch eine solche vom 15. Juli 2004 aufgelöst worden sei. Nicht entschieden hat es insbesondere über die Klageanträge, die sich auf eine ordentliche Kündigung bezogen, sowie über die Widerklage. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht als unzulässig verworfen. Nach Eintritt der Rechtskraft des Teilurteils hat der Kläger die Klage noch um weitere Zahlungsanträge erweitert. Im Verhandlungstermin vom 15. Juni 2004 haben die Parteien durch Prozessvergleich die gesamten noch rechtshängigen Ansprüche erledigt. Die Kostenregelung (Bl. 323 der Akte) sieht vor, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden mit Ausnahme der auf das Teilurteil entfallenden Kosten, die die Beklagte/Widerklägerin zu tragen hat.

Das Arbeitsgericht hat durch verkündeten Beschluss den Gebührenstreitwert für das Verfahren auf insgesamt 106.202,04 EUR festgesetzt. Darin ist der Streitwert der durch das Teilurteil vom 27. Oktober 2003 erledigten Gegenstände von 24.000,00 EUR einbezogen. Hierauf hat das Arbeitsgericht die Kosten nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 4 KostVfg auf der Grundlage eines Gebührenstreitwerts von nur 24.000,00 EUR angesetzt, weil es die Auffassung vertreten hat, für den Teil der Gegenstände, die durch Prozessvergleich erledigt worden sind, fielen keine Gerichtsgebühren an.

Gegen diesen Kostenansatz hat die Landeskasse Erinnerung eingelegt. Sie hat begehrt, die Kosten auf der Grundlage eines Gebührenstreitwerts von 106.202,04 EUR anzusetzen. Da der Prozessvergleich nicht das gesamte Verfahren erledigt habe, komme eine Gebührenermäßigung nach Vorbemerkung 8 des Kostenverzeichnisses in der seit 01. Juli 2004 geltenden Fassung nicht in Betracht.

Diese Erinnerung hat das Arbeitsgericht der Sache nach im Beschluss vom 09. August 2005 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Landeskasse, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat. Die Parteien des Ausgangsverfahrens treten der Auffassung des Arbeitsgerichts bei, ohne allerdings weitere Gesichtspunkte vorzutragen, die für ihren Rechtsstandpunkt sprechen sollen.

II.

Die im Hinblick auf § 66 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde der Landeskasse hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht hat sich im angefochtenen Beschluss zu Unrecht geweigert, die Kosten auf der Grundlage eines Gebührenstreitwerts von 106.202,04 EUR anzusetzen. Mit seiner Verfahrensweise wird es der ab 01. Juli 2004 geltenden Rechtslage nicht gerecht. Diese ist mit Rücksicht auf § 72 Nr. 1 GKG auch für das vorliegende Verfahren maßgeblich.

1. Bei der Auslegung der anzuwendenden Gebührenvorschriften ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Einschlägig ist in erster Linie die Vorbemerkung 8 in Teil 8 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) in der seit 01. Juli 2004 geltenden Fassung. Danach entfällt die für den betreffenden Rechtszug anfallende (Gerichts-)Gebühr nicht, wenn der Vergleich nur einen Teil des "Streitgegenstandes" betrifft. Dem Regelungsgehalt nach handelt es sich um eine parallele Vorschrift beispielsweise zum Gebührentatbestand Nr. 1211 Nr. 3 oder Nr. 1222 Nr. 3 KV GKG. Da aber bei einem Prozessvergleich im arbeitsgerichtlichen Verfahren in allen Rechtszügen die volle Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtszugs entfällt, konnte dieser Tatbestand sozusagen vor die Klammer gezogen werden, während etwa im Verfahren in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nur eine Gebührenermäßigung in unterschiedlicher Höhe in Betracht kommt und deshalb eine Regelung am jeweiligen Ort erforderlich ist. Dieses gesetzgeberische Ziel ist nachfolgend auch im Gesetz zum Ausdruck gekommen. Die Einbindung der für das arbeitsgerichtliche Verfahren geltenden Gebührenregelungen einerseits in die für alle Gerichtsbarkeiten maßgeblichen Vorschriften und die Übernahme der Grundstruktur der Gebührenberechnung, wie sie seit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 im ersten Rechtszug in der ordentlichen Gerichtsbarkeit verbindlich war, im Sinne eines Systems von Pauschalgebühren lässt auch objektiv auf den entsprechenden gesetzgeberischen Willen schließen.

2. Die Bindung der Gebührenermäßigung oder des Gebührenwegfalls an die Voraussetzung, dass das gesamte Verfahren durch einen privilegierten Umstand erledigt werden muss, mag für den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit ungewohnt erscheinen. Dies erklärt möglicherweise die verbreitete Neigung, die Neuregelung durch Interpretationsversuche zu "korrigieren", die sich an der bisherigen Rechtslage orientieren. Diese Gesetzeslage besteht aber im wesentlichen Bezugspunkt, nämlich dem Erfordernis der Erledigung des gesamten Verfahrens, in der ordentlichen Gerichtsbarkeit im ersten Rechtszug schon seit dem 01. Juli 1994. Durch die Ersetzung der bislang für das arbeitsgerichtliche Verfahren geltenden besonderen Bestimmungen im Gebührenrecht und ihre Eingliederung in die Regelungen des Gerichtskostengesetzes wurde aber ersichtlich das Anliegen des Gesetzgebers verwirklicht, auf dem Gebiet des Gebührenrechts jedenfalls in systematischer Hinsicht, wenn auch nicht in der Gebührenhöhe, eine Angleichung an die, zum Teil ebenfalls neu eingeführten, allgemeinen Regelungen der anderen Gerichtsbarkeiten vorzunehmen. Wenn also im Gebührenrecht, in dem in Teil 8 KV GKG für das arbeitsgerichtliche Verfahren Regelungen vorgesehen sind, die Gebührentatbestände ihrer Grundstruktur nach den Regelungen entsprechen, wie sie bislang insbesondere in der ordentlichen Gerichtsbarkeit Anwendung gefunden haben, wird es diesseits nicht für einleuchtend erachtet, gleichwohl wieder nach Möglichkeiten eines arbeitsgerichtlichen Sonderwegs zu suchen, den der Gesetzgeber gerade vermeiden wollte, soweit er nicht selbst besondere Regelungen geschaffen hat. In diesem Punkt ist an Art. 20 Abs. 3 GG zu erinnern.

Dementsprechend ist in der amtlichen Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 11. Februar 2004 (BT-Drs. 15/2487 - Seite 2, wortgleich mit der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundestagsfraktionen vom 11. November 2003 - BT-Drs. 15/1971 - Seite 1) unter anderem ausgeführt:

Für den Bereich des Gerichtskostengesetzes werden folgende strukturelle Änderungen vorgeschlagen:

- Im Hinblick auf die angestrebte Verbesserung der Übersichtlichkeit der Gerichtskostenregelungen sollen die arbeitsgerichtlichen Wert- und Kostenvorschriften, die derzeit im Arbeitsgerichtsgesetz enthalten sind, in das Gerichtskostengesetz eingestellt werden.

- Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 wurde für Prozessverfahren erster Instanz in Zivilsachen ohne Familiensachen und für das erstinstanzliche Verfahren über Anträge auf Anordnung, Aufhebung oder Abänderung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung eine neue Gebührenstruktur (Pauschalgebührensystem) eingeführt. Aufgrund der positiven Erfahrungen soll das Pauschalgebührensystem auf alle Rechtszüge und die Verfahren aller Zweige der Gerichtsbarkeit ausgedehnt werden. ...

Zur Begründung wird im Entwurf vom 11. November 2003 für die hier zu erörternde Fragestellung geltend gemacht (BR-Drs. 15/1971, Seite 141 ff.):

Strukturelle Änderungen

1. Es wird vorgeschlagen, im Hinblick auf die angestrebte Verbesserung der Übersichtlichkeit der Gerichtskostenregelungen die arbeitsgerichtlichen Wert- und Kostenvorschriften (derzeit: § 12 des Arbeitsgerichtsgesetzes - ArbGG) und das Gebührenverzeichnis (derzeit: Anlage 1 zu § 12 Abs. 1 ArbGG) in das GKG einzustellen. Um zu gewährleisten, dass das im Verhältnis zu Verfahren nach der Zivilprozessordnung (ZPO) geringere Gebührenniveau erhalten bleibt, wird vorgeschlagen, die bisherigen Gebührenbeträge aus § 12 Abs. 2 ArbGG nicht zu übernehmen, sondern die Gebührensätze entsprechend zu reduzieren.

2. Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 wurde für Prozessverfahren erster Instanz in Zivilsachen ohne Familiensachen und für das erstinstanzliche Verfahren über Anträge auf Anordnung, Aufhebung oder Abänderung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung eine neue Gebührenstruktur (Pauschalgebührensystem) eingeführt: Das gesamte Verfahren wird durch eine pauschale Verfahrensgebühr abgegolten, neben der Entscheidungsgebühren nicht mehr erhoben werden. Eine Ermäßigung der pauschalen Verfahrensgebühr tritt nur ein, wenn das gesamte Verfahren durch Klagerücknahme, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil oder durch Vergleich endet. Wird nur ein Teil des Verfahrens auf eine dieser Arten erledigt, verbleibt es bei der vollen pauschalen Verfahrensgebühr. Das Pauschalgebührensystem wurde zunächst auf Zivilsachen erster Instanz ohne Familiensachen beschränkt, da die Auswirkungen auf den Prozessverlauf nicht vorhersehbar waren. Eine Entscheidung über die Ausdehnung der neuen Gebührenstruktur auf weitere Bereiche sollte erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden. Die zwischenzeitlich gewonnenen Erfahrungen haben ergeben, dass das Pauschalgebührensystem zu einer spürbaren Arbeitserleichterung bei den Gerichten geführt hat. Insbesondere der Verwaltungsaufwand für die Berechnung und die Einziehung der Gerichtskosten konnte spürbar verringert werden. Die der Einführung des Pauschalgebührensystems zugrunde liegenden Überlegungen (vgl. Bundestagsdrucksache 12/6962, S. 52) haben sich als zutreffend erwiesen. Negative Auswirkungen auf den Verlauf der Rechtsstreitigkeiten sind nicht festgestellt worden. Zudem hat sich die Erwartung erfüllt, dass mit der eingeführten Gebührenstruktur der Verlust an Gebührengerechtigkeit auf ein im Interesse der Vereinfachung vertretbares und zumutbares Maß begrenzt werden konnte.

3. Aufgrund der positiven Erfahrungen wird nunmehr vorgeschlagen, das Pauschalgebührensystem auf alle Rechtszüge und die Verfahren aller Gerichtsbarkeiten ausdehnen. Für Ehesachen, Scheidungsverbundverfahren und bestimmte Lebenspartnerschaftssachen wird wegen der Besonderheiten dieser Verfahren das Pauschalgebührensystem in einer modifizierten Form vorgeschlagen (vgl. Einzelbegründung). ...

In der Begründung "zu Teil 8" (aaO., Seite 175) wird ausgeführt:

In diesen Teil sollen die Gebührenvorschriften für Verfahren vor den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit aus der Anlage 1 (zu § 12 Abs. 1 ArbGG) zum Arbeitsgerichtsgesetz übernommen werden. Wie im geltenden Recht soll das Gebührenniveau zwar unter dem der Verfahren nach der Zivilprozessordnung bleiben, jedoch sollen die Prozessparteien stärker an den Kosten der Verfahren beteiligt werden. Um die Gebührenvorschriften in die Struktur des GKG einzupassen, wird vorgeschlagen, die bisherige Gebührentabelle der Anlage 2 (zu § 12 Abs. 2 ArbGG) zum Arbeitsgerichtsgesetz mit den hierauf abgestimmten Gebührensätzen in Anlage 1 nicht zu übernehmen, sondern die Gebührensätze für Verfahren in Arbeitssachen um rund 30 bis 40 % zu reduzieren. Auch in diesem Bereich soll für alle Rechtszüge das Pauschalgebührensystem eingeführt werden. Die Struktur der Regelungen unterscheidet sich im Hinblick auf die Besonderheiten des Arbeitsgerichtsprozesses von denen des Zivilprozessverfahrens.

Beispielsweise ist in der Vorbemerkung 8 vorgesehen, dass die Verfahrensgebühr derjenigen Instanz entfällt, in der sich die Parteien vergleichen. Damit soll grundsätzlich jede Form der Verständigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in besonderer Weise auch gebührenrechtlich gefördert werden.

In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sollen - trotz des nur vorläufigen Charakters dieser Verfahren - Gebühren in gleicher Höhe wie für das Prozessverfahren entstehen, wenn durch Urteil entschieden wird. In vielen Fällen wird nämlich bereits im Eilverfahren in der Regel auch die Hauptsache miterledigt, so dass es häufig nicht mehr zum Hauptsacheverfahren kommt. ...

Insbesondere für den Gebührentatbestand der Nr. 8112 waren folgende Erwägungen maßgeblich:

Die Vorschrift soll an die Stelle der Nummern 9113 bis 9118 der Anlage 1 zum Arbeitsgerichtsgesetz treten und entspricht im Wesentlichen der vorgeschlagenen Nummer 1211 KV GKG-E. Der Gebührensatz ist um 60 % auf 0,4 reduziert. Auf die Begründung zu Teil 8 wird verwiesen. Die Vorschrift soll nur zum Tragen kommen, wenn bereits eine streitige Verhandlung stattgefunden hat. Andernfalls soll die Verfahrensgebühr nach Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 8210 KV GKG-E entfallen. Die Beendigung des Verfahrens durch Beschluss nach § 91a ZPO soll wie im Zivilprozessverfahren grundsätzlich nicht mehr privilegiert werden, weil damit für das Gericht erheblicher Aufwand anfallen kann.

Wenn also das seit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 für die ordentliche Gerichtsbarkeit teilweise geltende System auch in den anderen Gerichtsbarkeiten eingeführt werden sollte, so ergibt sich aus der Gesetzesbegründung das Bestreben, hier weit gehend ein einheitliches Verfahren zu gestalten und die Grundsätze, die bislang für den genannten Bereich gegolten haben, auf die anderen Bereiche auszudehnen, wenn nicht den Besonderheiten der einzelnen Gerichtszweige Rechnung zu tragen ist. Dies ist, soweit für diese Entscheidung von Bedeutung, in der Weise geschehen, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein Prozessvergleich zum völligen Wegfall der Gerichtsgebühren führt. Auch die Gebührenhöhe ist herabgesetzt. Ansonsten verbleibt es aber bei den Grundüberlegungen für die Fassung der Gebührentatbestände, dass es nämlich stets auf die Gesamterledigung des Verfahrens ankommt. Dies ist der Kerngehalt der Gesetzesbegründung.

3. Damit steht aber fest, dass sich die Auslegung der Gebührenvorschriften im arbeitsgerichtlichen Verfahren daran auszurichten hat, was bereits zuvor teilweise im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit galt, und, da dem Gesetzgeber geläufig, daran, wie diese Regelungen von der Rechtsprechung aufgenommen und ausgelegt worden sind.

Dass eine Gebührenermäßigung aufgrund der jeweiligen Bindung an die Erledigung des gesamten Verfahrens in den einzelnen Ermäßigungstatbeständen nur eintritt, wenn für alle erledigten Streitgegenstände eine Privilegierung eintritt (vgl. insbesondere amtliche Anmerkung zu Nr. 1211 und Nr. 1222 KV GKG), ist angesichts des im Grundsatz klar zum Ausdruck kommenden Willens des Gesetzgebers, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung nicht im Streit, jedenfalls aber überwiegende Überzeugung. So hat etwa das OLG München (Beschluss vom 17. Februar 2005 - 11 W 2807/04 - NJW-RR 2005, 1016 mit zahlreichen Nachweisen) für den Fall der Nr. 1222 KV GKG eine Gebührenermäßigung unter Berufung auf die bisher im ersten Rechtszug geltende Regelung und die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht angenommen, wenn beide Parteien Berufung eingelegt haben, aber nur eine Partei ihre Berufung wieder zurücknimmt, während über die Berufung der anderen Partei durch Urteil zu entscheiden ist. Verwiesen werden soll beispielsweise auch auf den Beschluss des OLG Nürnberg vom 5. Dezember 2002 (13 W 3607/02 - MDR 2003, 416), wonach die Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 KV GKG auch dann nicht eintritt, wenn die zunächst erhobene Teilklage nach Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung erweitert und später die Klage insgesamt zurückgenommen wird. Das Kammergericht (Beschluss vom 18. Dezember 2001 - 1 W 445/01 - MDR 2002, 722 f.) hat (aus diesseitiger Sicht zu Recht, hierauf kommt es vorliegend aber nicht an) eine Ausnahme vom Erfordernis der Gesamterledigung aller Gegenstände für die Ermäßigung der Gerichtsgebühren gemacht, wenn es sich um eine subjektive Klagehäufung auf der Beklagtenseite handelt und die Beklagten durch unterschiedliches Prozessverhalten (Anerkenntnis) nur teilweise eine Erledigung herbeiführen, die - im Falle der Gesamterledigung - zu einer Ermäßigung der Gerichtsgebühr führt.

Auf der Grundlage dieser einhelligen Auffassung in der Rechtsprechung und der in den genannten Entscheidungen auch zitierten Literatur hat der Gesetzgeber die Erweiterung des Pauschalgebührensystems der Struktur nach unter anderem auch in den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit vorgenommen. Aus diesseitiger Sicht erscheint des deshalb ausgeschlossen, trotz der insoweit eindeutig gefassten gesetzlichen Vorgaben an der Maßgeblichkeit der Erledigungsart einzelner Streitgegenstände im Verfahren festzuhalten und die jeweiligen Privilegierungstatbestände auch auf Teilerledigungen anzuwenden.

4. Allerdings könnten Zweifel im Hinblick auf den Erledigungstatbestand des Vergleichs an den Wortlaut der Vorbemerkung 8 zu Teil 8 KV GKG anknüpfen:

Bei Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich entfällt die in dem betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr; im ersten Rechtszug entfällt auch die Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids. Dies gilt nicht, wenn der Vergleich nur einen Teil des Streitgegenstands betrifft (Teilvergleich).

Solche greifen aber nicht durch. Von den Ermäßigungstatbeständen in den für die anderen Gerichtsbarkeiten geltenden Regelungen unterscheidet sich der Wortlaut insoweit, als nicht auf die Beendigung des gesamten Verfahrens abgestellt wird, sondern die hinsichtlich der Gebührenhöhe privilegierende Wirkung dann nicht eingreifen soll, wenn sich der Vergleich nur auf "einen Teil des Streitgegenstandes" bezieht. Aus welchen Gründen der Wortlaut von den anderen Regelungen abweicht, lässt sich, soweit ersichtlich, der amtlichen Begründung nicht entnehmen. Die Vorbemerkung 8 ist deshalb ausschließlich nach ihrem objektiv zum Ausdruck gebrachten Sinngehalt unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs auszulegen. Dabei erschließt sich allerdings der Sinn der Regelung nicht, wenn hier auf den einzelnen Streitgegenstand im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO abgestellt wird. Zumeist dürfte sich eine "Teileinigung" bei einem einzelnen prozessualen Anspruch als Teilverzicht oder Teilanerkenntnis darstellen und deshalb nicht die Merkmale eines Vergleichs im Sinne des § 779 BGB aufweisen können. Ein sinnvolles Ergebnis lässt sich nur herleiten, wenn dieses Merkmal als "kollektiver Singular" zu verstehen ist und als "Teil der Streitgegenstände" zu lesen ist. Denn praktische Bedeutung kann diese Einschränkung nur dann erlangen, wenn bei mehreren Streitgegenständen die Einigung sich nur auf einige von ihnen bezieht und sich das Prozessgericht wegen der weiteren Gegenstände die Arbeit machen muss, die nach der vorstehend zitierten Gesetzesbegründung auch einer teilweisen Ermäßigung der Gerichtsgebühr entgegenstehen soll. Das Gesetz ist auch sonst nicht genau in seiner Ausdrucksweise, wenn es etwa in § 39 Abs. 1 und § 40 GKG korrekt von mehreren Streitgegenständen oder dem "jeweiligen" Streitgegenstand spricht, andererseits aber in § 36 Abs. 1 GKG wieder an Handlungen anknüpft, die nur "einen Teil des Streitgegenstandes" betreffen. Soweit also das Gesetz in diesem Zusammenhang von "dem Streitgegenstand" spricht, meint es ersichtlich die Gesamtheit der Gegenstände des jeweiligen Verfahrens. Auch aus diesem Zusammenhang ergibt sich, dass mit der Wortwahl des Gesetzes nichts anderes gemeint ist, als wenn es ansonsten von der Beendigung des gesamten Verfahrens spricht. Denn sonst hätte eine Formulierung nahe gelegen, die eine etwa gewollte Abgrenzung deutlicher hervorhebt. Da es sich um eine Regelung handelt, die nur in Teil 8 des Kostenverzeichnisses vorkommt, ist davon auszugehen, dass mit dieser Formulierung nur die Terminologie, nicht das System gewechselt wurde. Weiterhin kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass für eine aus diesseitiger Sicht allenfalls verschwindend geringe Zahl von Fällen, in denen im Rahmen eines einzigen Streitgegenstandes im prozessualen und nicht im kostenrechtlichen Sinne eine Teileinigung möglich wäre, eine solche Regelung getroffen worden wäre. Schließlich spricht auch die amtliche Anmerkung bei Nr. 8211 KV GKG für diese Auslegung, weil hier der Begriff "Teilvergleich", in der Vorbemerkung als Vergleich definiert, der nur einen Teil des Streitgegenstandes betrifft, auch zusammen mit anderen Ermäßigungstatbeständen in einer Reihe genannt wird. Diese setzen aber voraus, dass das gesamte Verfahren durch privilegierte Handlungen beendet wird.

5. Das Arbeitsgericht meint unter Berufung auf Creutzfeldt (RdA 2004, 281 ff, 285), das von ihm getroffene Ergebnis rechtfertige sich aus § 36 GKG (§ 21 GKG in der vor dem 01. Juli 2004 geltenden Fassung). Diese Auffassung ist unrichtig. Die dort genannte Rechtsprechung gibt es nicht. So führt etwa das OLG Frankfurt im Beschluss vom 03. Juli 2000 (25 W 1/00 - NJW-RR 2001, 717 f. mit umfassender Darstellung der bis zum diesem Zeitpunkt ergangenen Rechtsprechung zu dieser Frage) aus, "die Entscheidung der Frage nach einer Kostenermäßigung in den Fällen, in denen nur ein Teil des Streitgegenstandes von den Privilegierungstatbeständen der Nr. 1202 KV erfasst wird, hat zunächst vom Wortlaut der Bestimmung auszugehen. Dieser sieht vor, dass die Privilegierungen greifen, wenn sie 'zur Beendigung des gesamten Verfahrens' führen. Diese Fassung des Gesetzes verbietet die Ausdehnung der Privilegierung auf Fälle nur teilweiser Beendigung des Verfahrens durch Klagerücknahme, Vergleich, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil. Sie geht als speziellere Regelung auch der Bestimmung des § 21 GKG (alt, jetzt § 36 GKG) vor". Insoweit bedarf es aus diesseitiger Sicht der von Creutzfeldt vermissten vertieften Befassung mit dem Verhältnis der Gebührentatbestände zu § 36 GKG nicht. Es wäre doch sonst zu fragen, wozu der Gesetzgeber in aller Genauigkeit in den Gebührentatbeständen stets auf den Umstand abgehoben hat, dass das gesamte Verfahren durch eine privilegierte Handlung beendet worden sein muss, damit eine Gebührenermäßigung, und im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein völliger Wegfall der Gebühren (vgl. auch Anmerkung 2 zu Nr. 8210 KV GKG), eintreten kann, wenn dies durch § 36 GKG wieder konterkariert werden könnte. Dies bedeutet, dass im Bereich der dort geregelten Gebührentatbestände § 36 GKG aus Gründen des Vorrangs einer speziellen Regelung nicht eingreifen kann. Ob für diese Norm im arbeitsgerichtlichen Verfahren noch ein Regelungsbereich bleibt, ist hier nicht von Bedeutung. Denkbar wäre dies insbesondere im Falle einer subjektiven Klagehäufung dann, wenn sich die Beklagten unterschiedlich zur Klage verhalten (vgl. hierzu den oben zitierten Beschluss des Kammergerichts vom 18. Dezember 2001, 1 W 445/01) oder im Falle der Entscheidung durch Urteil über die Frage, ob ein Teilvergleich neben anderen privilegierten Tatbeständen den Rechtsstreit erledigt hat oder aber wirksam angefochten worden ist. Auch auf das bei Hartmann (Kostengesetze, 35. Aufl., GKG § 36 Rdnr. 2) genannte Beispiel kann Bezug genommen werden. Schließlich kommen unterschiedliche Gebührentatbestände in den anderen Zweigen der Gerichtsbarkeit bei einem Vergleich vor, der auch nicht oder anderweitig rechtshängige Gegenstände einbezieht (vgl. etwa Nr. 1900 KV GKG). Die Berufung Creutzfeldts auf eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 09. Dezember 1987 - 15 WF 348/87 - SchlHA 1988, 65) kann aus diesseitiger Sicht schon deshalb nicht seine Meinung stützen, weil die maßgeblichen Gebührenvorschriften im ersten Rechtszug der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit erst am 01. Juli 1994 eingeführt worden sind. Zur Problematik, wie sie hier von Bedeutung ist, hat sich zitierte Entscheidung also noch gar nicht verhalten können. Damals galt nämlich das Pauschalgebührensystem noch nicht, vielmehr war auch hier die Erledigungsart jedes einzelnen Gegenstandes maßgeblich (vgl. die Gebührentatbestände Nr. 1010 bis 1019 KV GKG in der damaligen Fassung). Demgegenüber ist es nach der Rechtssprechung der Oberlandesgerichte so, dass auch ein alle Gegenstände des Verfahrens betreffender Gesamtvergleich keine Ermäßigung der Gebühr auslöst, wenn auch nur ein nicht bestandskräftig gewordenes Versäumnisurteil vorausgegangen und nach Einspruchseinlegung sogar die Klage erweitert worden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 1999 - 10 W 124/99 - NJW-RR 2000, 1595 f.). Diese Entscheidung beruft sich insoweit auf die amtliche Begründung zu Nr. 1202 GKG KV (BT-Drs. 12/6962, S. 52, S. 70), wonach gerade der Ermäßigungsausschluss für die Fälle, in welchen nur bezüglich bestimmter Teile des Verfahrensgegenstands die Ermäßigungsvoraussetzungen gegeben sind, eine deutliche Vereinfachung der Kostenberechnung zur Folge haben soll. Ließe man eine Teilermäßigung zu, wären gemäß (damals) § 21 Abs. 3 GKG (jetzt § 39 GKG) zwangsläufig auch die Gebühren für die Teile gesondert zu berechnen. Unerheblich sei, ob anlässlich des dem Vergleichsschluss vorangegangenen und die Gebührenermäßigung ausschließenden Urteils bereits der weitere Teil des Streitgegenstands rechtshängig war, der durch die gerichtliche Streitentscheidung nicht betroffen war, oder ob die Rechtshängigkeit dieses Teils später eintrat. In jedem Fall dürfe wegen der gebotenen einheitlichen Berechnung keine differenzierende Gebührenerhebung erfolgen, welche durch die ausschließliche Privilegierung der Gesamterledigung des Rechtsstreits gerade vermieden werden soll. Instruktiv ist für das weitere Verständnis der Regelung auch etwa der Beschluss des OLG Stuttgart vom 07. August 2001 (8 W 9/01 - MDR 2002, 298 f.) und der Beschluss vom 23. November 1995 (8 W 597/95 -NJW-RR 1996, 1535 f.).

6. Es kann dem ersichtlich in Kenntnis dieser Ausgangslage in der Rechtsprechung vom Gesetzgeber erlassenen Gebührenrecht in der seit 01. Juli 2004 geltenden Fassung (sonst hätte der Rechtsausschuss kaum zur Auffassung gelangen können, die mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 eingeführten Änderungen hätten sich bewährt) nicht entnommen werden, dass dies alles für den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit nicht gelten solle. Maßgeblich kommt es deshalb ausschließlich darauf an, dass für alle ins Verfahren eingeführten Gegenstände die Voraussetzungen einer Gebührenprivilegierung vorliegen müssen, damit sie eingreifen kann. Deshalb sind auch alle Streitgegenstände zusammen zu bewerten (§ 39 GKG). Auch eine Aufteilung und Bestimmung der Werte nach einzelnen Zeit- oder Verfahrensabschnitten wird der gebührenrechtlichen Situation nicht gerecht (so aber etwa Natter, NZA 2004, 686, 688; vgl. demgegenüber den Beschluss der Kammer vom 27. Juni 2005 - 3 Ta 87/05 - www.lagbw.de/Ta/3ta8705.htm). Die Vereinfachungsbemühungen des Gesetzgebers bewirken, dass alle Gegenstände im Verfahren, wann immer sie anhängig gemacht wurden und wie lange dies auch der Fall war, zusammen gesehen und gewürdigt werden müssen und eine Ermäßigung oder einen Wegfall der entstandenen Gebühr nur eintreten kann, wenn solche Privilegierungen für alle Gegenstände vorliegen. Die Vereinfachung für die Kostenberechnung liegt auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren darin, dass vom Kostenbeamten jetzt nicht in jedem Fall dem Schicksal jedes einzelnen Anspruchs nachgegangen werden muss, um zu ermitteln, ob und in welchem Umfang eine Gebührenermäßigung eingetreten ist, und auch nicht, welche Teilwerte auf die unterschiedlichen Erledigungstatbestände fallen. Sondern wenn er einen Anspruch findet, für den kein Ermäßigungstatbestand einschlägig ist, kann und muss er die nicht ermäßigte Gebühr für alle Gegenstände des gesamten Verfahrens ansetzen. Es kommt auch nicht darauf an, wann im Rahmen des Verfahrensablaufs der Teilvergleich geschlossen worden ist. Teilvergleich im Sinne der Vorbemerkung 8 zu Teil 8 KV GKG ist auch ein Vergleich, der sich nur noch auf die restlichen Verfahrensgegenstände bezieht, nachdem andere zuvor auf andere Weise erledigt wurden.

7. Soweit das Arbeitsgericht darauf abhob, das neue Gebührenrecht könne dazu führen, dass in Zukunft häufiger zusammengehörende Ansprüche in getrennten Verfahren verhandelt werden, kann davon ausgegangen werden, dass dies dem Gesetzgeber auch bekannt war und er gleichwohl diese Regelung zum Gesetz erhoben hat (" ... hat sich in der Praxis bewährt ..."). Darüber hinaus können auch andere Regelungen, wie etwa die degressive Steigerung der Anwaltsgebühren, für Anwälte größere Anreize für eine Trennung mehrerer Verfahren ausüben. Es handelt sich um eine rechtspolitische Vorstellung, die auf die Auslegung der einschlägigen Normen keinen Einfluss haben kann, denn der Gesetzgeber hielt andere Zielsetzungen für wichtiger. Dies ist auch im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit zu respektieren, zumal die Klagehäufung auch durch eine degressive Steigerung der Gerichtsgebühren "belohnt" wird.

III.

Nach allem hat das Arbeitsgericht die Kosten unter Beachtung der hier vertretenen Rechtsauffassung auf der Basis des vom Arbeitsgericht festgesetzten Gebührenstreitwerts anzusetzen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Ende der Entscheidung

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