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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.05.1999
Aktenzeichen: 4 Sa 128/98
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG, BGB, GKG, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 2
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 373
ZPO § 543 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 1 Abs. 3
KSchG § 23 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 1
GKG § 25 Abs. 2
ArbGG § 12 Abs. 7
ArbGG § 72a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 128/98

verkündet am 20.05.1999

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Roth und den ehrenamtlichen Richter Prof. Dr. Ziegler auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 1. September 1998 - 9 Ca 34/98 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Wert des Gegenstands im 2. Rechtszug: 3.315,00 DM

Von der Mitteilung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen, da das Urteil der Revision nicht unterfällt.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast bezüglich der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG in der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitbefangenen Kündigung maßgeblichen Fassung nicht genügt. Diese Kündigung ist deshalb nicht auf ihre soziale Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 KSchG zu überprüfen. Auf andere Unwirksamkeitsgründe, etwa nach § 138 Abs. 1 BGB, hat sich die Klägerin nicht berufen. Solche sind trotz der von der Klägerin genannten Gründe für ihre verspätete Rückkehr aus dem Urlaub auch nicht evident.

Dass der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Betrieb, in dem er beschäftigt ist, dem betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (§ 23 Abs. 1) unterfällt, entspricht noch der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. etwa BAG, Urteil vom 9. September 1982 - 2 AZR 253/80 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Hausmeister, II 4 b der Gründe) und wurde von der Klägerin auch nicht angezweifelt. Hierzu sind deshalb trotz Bedenken in der Literatur (vgl. etwa KR-Weigand, 5. Aufl., § 23 KSchG Rz. 54 - 54b m.w.Nw.) keine weiteren Ausführungen erforderlich. Den damit verbundenen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin aber nicht. Dabei kann die Meinung, die das Arbeitsgericht vorliegend anscheinend vertritt, Zweifeln begegnen, ob die Klägerin im Rahmen eines Beweisantrags ihre Erkenntnisquellen hätte angeben müssen. Es ist nach deutschem Verfahrensrecht regelmäßig nicht darzutun, woraus sich ergeben könnte, dass etwas geschehen ist, bzw. von wem, in welcher Weise und mit welchem bestimmten Inhalt er von diesem Tatbestand unterrichtet wurde. Denn für die Schlüssigkeit genügt die Behauptung derjenigen Tatsachen, die geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen, und ob die Behauptung auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht. Ein tatsächliches Vorbringen ist nur dann nicht beachtlich und beweisbedürftig, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sie zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet ist, diese aber auf das Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue" aufgestellt, also aus der Luft gegriffen ist und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist aber Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Voraussetzungen rechtfertigen können (BGH, Urteil vom 8. Mai 1992 - V ZR 95/91 - NJW 1992, 3106 m.w.Nw.). Kann eine Prozesspartei mangels nur bei einem besonders Sachkundigen vorhandener Kenntnis von Einzeltatsachen nicht umhin, von ihr zunächst nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einzuführen, so liegt keine unzulässige Ausforschung vor (BGH, Urteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 31/94 - AP Nr. 3 zu § 138 ZPO).

Unter diesen Voraussetzungen ist der Vortrag der Klägerin unzureichend. Er enthält keine Tatsachen, die im Sinne des § 373 ZPO eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des von ihr genannten Zeugen rechtfertigen könnten. In diesem Sinne betrifft die Behauptung, einzelne Arbeitnehmer arbeiteten in einem bestimmten zeitlichen Umfang, keine Tatsache, sondern nur eine Schlussfolgerung aus bestimmten, dieser Würdigung zugrunde liegenden Umständen wie etwa die Arbeit an konkret bestimmten Tagen und Stunden, der Inhalt des Arbeitsvertrags oder ein bestimmtes Arbeitsergebnis, das nach aller Erfahrung den Einsatz während einer bestimmten Arbeitszeit erfordert. Nach § 373 ZPO müssen diejenigen Tatsachen bezeichnet werden, zu denen der Zeuge vernommen werden soll, wobei als Tatsachen konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände anzusehen sind (BAG, Urteil vom 25. August 1982 - 4 AZR 878/79 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifliche Übung). Notwendiger Inhalt eines Beweisantrags ist die spezifizierte Bezeichnung der Tatsachen, welche bewiesen werden sollen; wie konkret die jeweiligen Tatsachenbehauptungen sein müssen, muss unter Berücksichtigung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Einlassung des Gegners beurteilt werden. Ein Beweisantritt, dem die ausreichende Bestimmtheit der zu ermittelnden Tatsachen fehlt, ist abzulehnen (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 243/92 - NJW-RR 1994, 377, 378). Bei der Prüfung, ob ein Parteivorbringen hinreichend durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substantiiert ist, ist zu berücksichtigen, ob sich die Geschehnisse im Wahrnehmungsbereich der Partei abgespielt haben (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1998 - VIII ZR 345/97 - NJW-RR 1999, 360). Der Partei, die sich auf Umstände beziehen muss, die sich im Wahrnehmungsbereich der Gegenseite abgespielt haben, kommen insoweit Erleichterungen hinsichtlich der Darlegungslast zugute mit der Folge, dass ihr nur dann der Vortrag näherer Einzelheiten obliegt, wenn dies durch das Vorbringen der Gegenseite veranlasst ist. Insoweit gilt eine abgestufte Darlegungslast.

Aus den von der Klägerin aufgestellten Behauptungen wird nicht deutlich, inwieweit sie ihrem eigenen Wahrnehmungsbereich unterliegen, inwieweit sie in das Wissen des benannten Zeugen aufgrund dessen besonderer Sachkunde (ist er etwa Personalsachbearbeiter bei der Beklagten?) gestellt sind und inwieweit die Klägerin darauf angewiesen ist, mangels konkreter Möglichkeit eigener Wahrnehmung Behauptungen aufzustellen, die nicht ihren positiven Kenntnissen entsprechen, für deren Richtigkeit sie aber bestimmte Anhaltspunkte besitzt. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beklagte konkret die regelmäßigen Arbeitszeiten der fraglichen Arbeitnehmer genannt hat und ihrer Einlassungslast gemäß § 138 Abs. 2 und 3 ZPO jedenfalls zunächst nachgekommen ist. Die Klägerin hätte deshalb die Umstände, welcher Art sie auch immer sind, nennen müssen, aus denen sie ihre Schlüsse gezogen hat. Darüber hinaus wäre auch in Betracht gekommen, dass sich die Klägerin weiterhin mit allgemeinen Behauptungen begnügen kann, wenn ihr der nähere Sachvortrag nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre. Aber auch die hierfür erforderlichen Voraussetzungen hätte sie darlegen müssen.

Soweit die Klägerin im ersten Rechtszug im Hinblick auf einzelne Arbeitnehmer "bestritten" hat, dass es sich um Auszubildende handelt, hat sie ihre Behauptung, es handele sich bei ihnen um Arbeitnehmer, die nach § 23 Abs. 1 KSchG zu ihren Gunsten zu berücksichtigen seien, ausweislich der Sitzungsniederschrift über die letzte mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht nicht mehr aufrecht erhalten.

Hinsichtlich der weiteren Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit streitig ist, durfte sie sich zunächst mit der pauschalen Behauptung solcher Arbeitszeiten begnügen, die die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG als erfüllt erscheinen lassen können. Dieser Behauptung ist die Beklagte aber mit der konkreten Nennung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit entgegen getreten. Darüber hinaus hat sie der Klägerin auch die Arbeitszeitprotokolle zur Einsicht angeboten, die die von den einzelnen Arbeitnehmern tatsächlich geleistete Arbeitszeit dokumentieren sollen. Hiervon hat die Klägerin aber keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr verblieb sie weiterhin bei ihrer pauschalen Behauptung längerer Arbeitszeiten. Nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO hat sich aber jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Hieraus folgt, dass eine Partei, soll ihr Vortrag beachtlich sein, auf Behauptungen des Prozessgegners unter Umständen "substantiiert" (d.h. mit näheren positiven Angaben) zu erwidern hat. Eine solche Pflicht besteht zwar nicht schlechthin, kommt aber dann in Betracht, wenn die betreffende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85 - NJW 1987, 2008, 2009; vgl. hierzu auch BGH Urteil, vom 27. Oktober 1994 - VII ZR 217/93 - NJW 1995, 399). Hier hätte es der Klägerin oblegen, die Umstände mitzuteilen, die ihren Schluss rechtfertigen können, dass entgegen der Behauptung der Beklagten und ohne Rücksicht auf die von ihr als nicht aussagekräftig erachteten Arbeitszeitprotokolle einzelne Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig eine längere wöchentliche Arbeitszeit zu erbringen hätten als von der Beklagten angegeben, und zwar in einem Umfang, der ihren Darlegungen entspricht. Bei Auswertung der Protokolle hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, konkret darzulegen, inwieweit sie unrichtig sind und in welchem Umfang Arbeitsleistungen erbracht worden sein sollen, die dort nicht dokumentiert wurden. Hätte die Klägerin diese Protokolle in einzelnen Fällen entkräften können, hätte es der Beklagten oblegen, ihren Vortrag zu ergänzen und seine Unrichtigkeit auszuräumen. Auch eine Beweisaufnahme hätte sich auf solche Zeiträume beschränken können, die zwischen den Parteien tatsächlich streitig sind. Diese Möglichkeit hat die Klägerin aber nicht wahrgenommen. Ihr Vortrag lässt völlig im Dunkeln, welche Tatsachen den Schluss rechtfertigen sollen, dass die Arbeitnehmer, bezüglich derer der Vortrag der Parteien streitig ist, tatsächlich regelmäßig wöchentlich in einem Umfang beschäftigt werden, wie ihn die Klägerin behauptet und in welchen Zeiträumen tatsächlich von ihnen Arbeitsleistungen erbracht werden, in denen dies nach der Behauptung der Beklagten nicht der Fall sein soll.

Die Klägerin hätte sich insoweit auf den Inhalt der etwa vorliegenden Arbeitsverträge, auf Beobachtungen oder irgendwelche Umstände, die entsprechende Schlussfolgerungen zulassen, beziehen können. Dies hat sie nicht getan. Sie hat auch offenbar nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich bei den fraglichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern über die tatsächlichen Verhältnisse zu erkundigen, und auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen ihr dies gegebenenfalls nicht möglich gewesen sein soll. Damit hat sie ihrer Darlegungslast nicht genügt, so dass mangels ausreichend bestimmten Beweisantrags ihr Vorbringen ohne Beweisaufnahme unberücksichtigt bleiben muss. Deshalb findet das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien keine Anwendung.

Da sonach die Kündigung nicht auf ihre soziale Rechtfertigung hin überprüft werden kann und die Klägerin sich auch nicht auf Umstände bezogen hat, die die Kündigung aus anderen Gründen als nichtig hätten erscheinen lassen können, ist die Klage vom Arbeitsgericht zu Recht als unbegründet angesehen worden. Die Berufung der Klägerin ist deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der wegen § 25 Abs. 2 GKG durch Beschluss festzusetzende Gegenstandswert bestimmt sich gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG nach der Vergütung der Klägerin bei der Beklagten für ein Kalendervierteljahr.

Ende der Entscheidung

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