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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: 4 Sa 52/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, TzBfG


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Ziff. 2
ZPO § 313 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 519
ZPO § 520
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 64 Abs. 6
TzBfG § 8
TzBfG § 8 Abs. 4 Satz 1
TzBfG § 8 Abs. 4 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 4 Sa 52/03

verkündet am 19.05.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer -

durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, den ehrenamtlichen Richter Müller und die ehrenamtliche Richterin Schäfer auf die mündliche Verhandlung vom 19.05.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn, Kammern Crailsheim, vom 03.09.2003 -7 Ca 376/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Ziffer 1 des Tenors zur Klarstellung wie folgt gefasst wird:

Die Beklagte wird verurteilt, der Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin auf 22,5 Stunden pro Woche bei einer gleichmäßigen Verteilung dieser Arbeitszeit von Montag bis Freitag von 07.45 Uhr bis 12.15 Uhr zuzustimmen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der von der Klägerin begehrten Verringerung und Neuverteilung ihrer bisherigen Arbeitszeit zuzustimmen.

Die am 15.12.1969 geborene, verheiratete Klägerin ist seit 15.11.1989 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug zuletzt 37,5 Stunden. Das monatliche Bruttoentgelt der Klägerin belief sich auf ca. € 2.000,00.

Die Beklagte betreibt ein Möbelhaus. Die Klägerin war dort zuletzt im Kundenservicezentrum beschäftigt. Die Aufgaben der Klägerin ergeben sich aus einem Zwischenzeugnis vom 15.02.2001 sowie aus einer Stellenbeschreibung, die dem Schriftsatz der Beklagten vom 23.02.2004 beigefügt war. Danach gehörte zu den Tätigkeiten der Klägerin die EDV-Erfassung der abgeschlossenen Kaufverträge, die Kontrolle und Bearbeitung von Auftragsbestätigungen, Wareneingangs-Lieferscheinen und Warenrechnungen, die Bearbeitung der Lagerbestellungen, der Schriftverkehr und Telefonkontakt mit Lieferanten und Kunden, die Terminüberwachung, die Aufnahme von Kundenreklamationen, die telefonische Auskunft und Vergabe und Lieferterminen an Kunden und die Kassentätigkeit im Rahmen der Warenabgabe und der selbständige Kassenabschluss.

Bei der Beklagten sind im kaufmännischen Bereich insgesamt 17 Arbeitnehmer beschäftigt. Der kaufmännische Bereich gliedert sich in verschiedene Abteilungen, darunter die Verwaltung, der Einkauf, die Buchhaltung und das Kundenservicezentrum. Im Kundenservicezentrum waren und sind derzeit noch drei vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen tätig. Die Arbeitszeit beläuft sich derzeit von 07.45 bis 12.15 Uhr und von 13.15 bis 16.30 Uhr. Die Arbeit ist unter den Sachbearbeiterinnen alphabetisch nach den Kundennamen aufgeteilt. Wegen der Einzelheiten des Arbeitsablaufs wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 29.07.2003, Seite 2 ff. sowie auf die mit Schriftsatz vom 23.02.2004 vorgelegte Stellenbeschreibung verwiesen.

Zusätzlich zur Kernarbeitszeit ist das Kundenservicezentrum von Montag bis Mittwoch bis 16.30 Uhr und am Donnerstag und Freitag bis 20.00 Uhr erreichbar. Während dieser Zeit nehmen entweder eine der drei im Kundenservice beschäftigten Arbeitnehmerinnen oder auch andere kaufmännische Mitarbeiter den Dienst wahr. Während der Mittagspause von 12.15 bis 13.15 Uhr sowie samstags von 09.00 bis 16.00 Uhr wird das Telefon auf andere Abteilungen des Möbelhauses umgestellt.

Die Klägerin bekam am 03.09.2000 ein Kind. Sie befand sich sodann vom 30.10.2000 bis 03.09.2003 im Erziehungsurlaub. Mit Schreiben vom 30.04.2003 beantragte die Klägerin ab dem 03.09.2003 die Verringerung und Neuverteilung ihrer Arbeitszeit von Montag bis Freitag jeweils 07.45 bis 12.15 Uhr. Mit Schreiben vom 13.06.2003 erwiderte die Beklagte, dass sie im Anschluss an die mündlich durchgeführte Erörterung dem Wunsch der Klägerin nicht zustimmen könne. Die Verringerung der Arbeitszeit beeinträchtige die Organisation und den Arbeitsablauf in der Abteilung wesentlich.

Mit ihrer am 27.06.2003 eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Teilzeitbegehren gerichtlich geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, es seien keine Gründe erkennbar, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Organisation oder des Arbeitsablaufes führten, falls sie in der beantragten Weise teilzeitbeschäftigt wäre.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin, die Arbeitszeit von Montag bis Freitag jeweils von 07.45 bis 12.15 Uhr zu verteilen, anzunehmen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Zeit von 07.45 bis 12.15 Uhr in Crailsheim zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, aus der Tätigkeitsbeschreibung für das Kundenservicezentrum ergebe sich, dass alle Arbeiten taggenau und termingerecht erledigt werden müssten. Die ganzheitliche Abwicklung der Aufträge erfordere, dass der Sachbearbeiter sowohl vormittags als auch nachmittags in der gleichen Sache ansprechbar sei, und zwar sowohl vom Lieferanten als auch vom Kunden. Die Kunden erwarteten, während der betriebsüblichen Arbeitszeiten einen festen Ansprechpartner zu haben. Eine Übergabe der Geschäfte des am Vormittag tätigen Sachbearbeiters an den am Nachmittag tätigen Sachbearbeiter sei faktisch unmöglich und führe zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Organisation und des Arbeitsablaufs. Der Arbeitsplatz sei faktisch nicht teilbar.

Die Klägerin hat erwidert, bereits die verlängerte Anwesenheitszeit bis 18.30 bzw. 20.00 Uhr führe zu Überstunden, die für jede Mitarbeiterin zwei Freizeittage im Monat bedeuteten.

Zusätzlich zu 30 Tagen Urlaub ergebe sich eine Abwesenheitszeit von 54 Tagen jährlich. Jede andere Mitarbeiterin sei aufgrund der EDV in der Lage, für die abwesende Mitarbeiterin den Bearbeitungsstand nachzuvollziehen. Darüber hinaus würden schriftliche Notizen hinterlegt. Die Abwesenheit der zuständigen Sachbearbeiterinnenstelle stelle kein Hindernis dar, dem Kunden oder Lieferanten kompetente Auskünfte zu erteilen.

Mit Urteil vom 03.09.2003 hat das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Klageantrags Ziff. 1 stattgegeben, während es die Klage hinsichtlich des Klageantrags Ziff. 2 abgewiesen hat. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht angeführt, entgegen der Auffassung der Beklagten liege im vorliegenden Fall kein unteilbarer Arbeitsplatz vor. Schon aufgrund der üblichen Ladenöffnungszeiten könne die Auftragsabwicklung nicht ganzheitlich durch dieselbe Sachbearbeiterin erfolgen. Während der Mittagspause, der verlängerten Anwesenheitszeit bis 18.30 Uhr bzw. 20.00 Uhr sowie samstags könnten Auskünfte nicht in jedem Fall von der zuständigen Sachbearbeiterin erteilt werden. Jede Sachbearbeiterin könne die notwendigen Informationen aus dem Computer abrufen. Es sei zudem nicht ersichtlich, dass die Aufteilung der Stelle eine taggenaue Auftragsabwicklung gefährde. Demzufolge stünden dem Teilzeitbegehren der Klägerin keine betrieblichen Gründe entgegen. Für eine vorläufige Beschäftigung der Klägerin mit der verringerten Arbeitszeit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits gebe es hingegen keine Anspruchsgrundlage.

Gegen das ihr am 12.09.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 07.10.2003 Berufung eingelegt und diese am 12.11.2003 begründet. Sie trägt vor, sie habe erstinstanzlich ihr Organisationskonzept hinsichtlich der ganztägigen Arbeitszeit im Kundenservicezentrum dargestellt. Das Arbeitsgericht meine, dieses Organisationskonzept sei deshalb nicht relevant, weil sich die Ladenöffnungszeiten einerseits und die Arbeitszeiten der betreffenden Sachbearbeiterinnen nicht deckten. Damit sei jedoch der Betriebsablauf missverstanden worden. Auch die Lieferanten hätten feste Arbeitszeiten, die mit ihren Bürozeiten nahezu identisch seien. Die Kunden selbst hielten sich bei ihren Anrufen ebenfalls an die üblichen Bürozeiten. Wenn das Kundenservicezentrum ab 16.30 Uhr noch mit einer Mitarbeiterin besetzt sei, so sei das Tagesgeschäft mit den Lieferanten bereits abgeschlossen. Es gehe um die Kernzeiten, zu denen die betreffenden Sachbearbeiter sowohl für die Lieferanten als auch für die Kunden zur Verfügung stehen müssten. Wenn die auf eine ganztägige Arbeitszeit vorgesehene Tätigkeit einer Sachbearbeiterin auf eine Halbtagsstelle verteilt werde, müssten alle nachmittags eingehenden Telefonate von den anderen Sachbearbeitern aufgenommen werden. Diese müssten sodann mangels Zuständigkeit und eigener Kenntnis Berichte und Zettel schreiben. Dies werfe vor allem deswegen ein Problem auf, weil die Sachbearbeiterinnen gerade mit den hochpreisigen und hochwertigen Möbeln und Einrichtungen befasst seien. Häufig müssten Sonderwünsche der Kunden beachtet werden. Auch seien viele Absprachen mit den Lieferanten erforderlich. Bei einer Aufteilung des Arbeitsplatzes sei die im Organisationskonzept vorgesehene Auftragsbearbeitung in einer Hand nicht mehr möglich.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn - Kammern Crailsheim - vom 03.09.2003, Az. 7 Ca 376/03, wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, zu Recht habe das Arbeitsgericht erkannt, dass betriebliche Gründe der Teilzeitbeschäftigung nicht entgegen stünden. Bereits bei Krankheit und Urlaub, aber auch darüber hinaus während der üblichen Ladenöffnungszeiten sei die Auftragsabwicklung durch stets dieselbe Sachbearbeiterin nicht gegeben. Die bei der Beklagten gehandhabte Regelung widerspreche auch deren Vortrag, dass die Kunden oder Lieferanten stets denselben Ansprechpartner benötigten. Darüber hinaus habe die Beklagte ihre Organisationsentscheidung nicht näher konkretisiert. Alle Informationen, die für einen Kundenauftrag eingingen, seien in der elektronischen Datenverarbeitung so hinterlegt, dass von jedem Mitarbeiter über den Kundenauftrag Auskunft gegeben werden könne. Diese Konzeption sei auch sinnvoll, weil die Kunden sowohl über die Mittagszeit als auch nach Büroschluss anriefen. Könne ausnahmsweise keine Auskunft gegeben werden, so werde der Kundenanruf notiert und der Kunde nach Klärung zurückgerufen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist gem. § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie ist auch gem. § 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Gegenstand der Berufung ist nach rechtskräftiger Abweisung des ursprünglichen Klageantrags Ziff. 2 nur noch der Antrag Ziff. 1 der Klägerin, die Beklagten zu verurteilen, der begehrten Teilzeitarbeit zuzustimmen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klage mit dem ursprünglichen Antrag Ziff. 1 zulässig und begründet ist.

1. Die Klage auf Verringerung der Arbeitszeit ist zulässig. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Zustimmung der Beklagten zur Verringerung ihrer Arbeitszeit und deren Verteilung. Die Klage ist zutreffend auf die Annahme des Angebots zur Vertragsänderung gerichtet (zuletzt BAG, 14.10.2003 - 9 AZR 636/02 - zur Veröffentlichung vorgesehen; ausführlich Grobys/Bram, NZA 2001, 1175). Auf Anregung der Kammer hat die Klägerin den konkreten Umfang der gewünschten Arbeitszeit in den Antrag aufgenommen. Der ursprünglich gestellte Antrag ließ nicht mit Sicherheit erkennen, ob in der täglichen Arbeitszeit von 07.45 - 12.15 Uhr eine unbezahlte Pause enthalten ist, die sich auf die Dauer der Arbeitszeit auswirkt. Aufgrund des klargestellten Antrags steht fest, dass die Klägerin die Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden auf 22,5 Stunden begehrt. Soweit die Klägerin eine Verteilung dieser Arbeitszeit montags bis freitags von 07.45 - 12.15 Uhr wünscht, handelt es sich - im Hinblick auf die Kinderbetreuung - ersichtlich um ein einheitliches Angebot, das vom Arbeitgeber nur insgesamt angenommen oder abgelehnt werden kann (vgl. BAG, 18.02.2003 - 9 AZR 356/02 und 9 AZR 164/02 - AP TzBfG § 8 Nr. 1 und 2).

2. Die Klage ist auch begründet, weil die formellen Voraussetzungen für das Teilzeitbegehren der Klägerin erfüllt sind und die Beklagte sich nicht auf betriebliche Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG berufen kann, die der Teilzeitarbeit der Klägerin entgegenstehen.

a) Die formellen Voraussetzungen des § 8 TzBfG für die Beantragung der Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit lagen im Zeitpunkt der Antragstellung am 30.04.2003 vor. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand zu diesem Zeitpunkt länger als sechs Monate. Die Beklagte beschäftigte in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer. Die dreimonatige Ankündigungsfrist hatte die Klägerin ebenfalls gewahrt, weil sie einen Teilzeitarbeitsplatz erst mit Beendigung des Erziehungsurlaubs am 03.09.2003 wünschte.

b) Die Beklagte hat keine hinreichenden betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG dargetan, die der begehrten Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen.

aa) Nach der genannten Vorschrift hat der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen und ihre Verteilung entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festzulegen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Beispielhaft definiert § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG, dass ein betrieblicher Grund insbesondere vorliegt, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.

Beginnend mit dem Urteil vom 18.02.2003 (9 AZR 164/02 - AP TzBfG § 8 Nr. 2; vgl. ferner BAG, 30.09.2003 - 9 AZR 665/02; BAG, 09.12.2003 - 9 AZR 16/03) hat das Bundesarbeitsgericht unter eingehender Auseinandersetzung mit der Gesetzesbegründung und dem Schrifttum ein dreistufiges Prüfungsschema entwickelt. Es hat hierbei insbesondere hervorgehoben, die vom Arbeitgeber angeführten Gründe müssten nicht nur rational und nachvollziehbar, sondern auch hinreichend gewichtig sein. Die Kammer folgt der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.02.2003 (9 AZR 164/02 unter B III 1 u. 2 der Gründe) Bezug.

Somit ist in der ersten Stufe zu prüfen, ob überhaupt und wenn ja, welches betriebliche Organisationskonzept der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zu Grunde liegt. Organisationskonzept ist das Konzept, mit dem die unternehmerische Aufgabenstellung im Betrieb verwirklicht werden soll. Die Darlegungslast dafür, dass das Organisationskonzept die Arbeitszeitregelung bedingt, liegt beim Arbeitgeber. Die Richtigkeit seines Vertrags ist arbeitsgerichtlich voll überprüfbar. Die dem Organisationskonzept zu Grunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung und die daraus abgeleiteten organisatorischen Entscheidungen sind jedoch hinzunehmen, soweit sie nicht willkürlich sind. Voll überprüfbar ist dagegen, ob das vorgetragene Konzept auch tatsächlich im Betrieb durchgeführt wird.

In einer zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit die Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Dabei ist auch der Frage nachzugehen, ob durch eine dem Arbeitgeber zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen und des Personaleinsatzes der betrieblich als erforderlich angesehene Arbeitszeitbedarf unter Wahrung des Organisationskonzepts mit dem individuellen Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers zur Deckung gebracht werden kann.

Ergibt sich, dass das Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers nicht mit dem organisatorischen Konzept und der daraus folgenden Arbeitszeitregelung in Übereinstimmung gebracht werden kann, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen: Werden durch die vom Arbeitgeber gewünschte Abweichung die in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG genannten besonderen betrieblichen Belange oder das betriebliche Organisationskonzept und die ihm zu Grunde liegende unternehmerische Aufgabenstellung wesentlich beeinträchtigt?

bb) Bei Anwendung dieses Prüfungsschemas hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, dass betriebliche Gründe dem Teilzeitbegehren der Klägerin nicht entgegenstehen.

(1) Der Beklagten ist einzuräumen, dass der im Kundenservicezentrum bestehenden Arbeitszeitregelung im Grundsatz ein betriebliches Organisationskonzept zu Grunde liegt. Dieses hat zum Inhalt, dass die drei im Kundenservicezentrum eingesetzten kaufmännischen Mitarbeiterinnen den Lieferanten und Kunden soweit wie möglich während der üblichen Büroöffnungszeiten zur Verfügung stehen und die täglich anfallenden Arbeiten möglichst taggenau erledigen. Die Beklagte hat dieses Organisationskonzept u. a. in der Stellenbeschreibung "Sachbearbeiter Auftragsbearbeitung" niedergelegt. Hiernach ist Ziel der Stelle die termingerechte Erfassung und Bearbeitung aller Kundenaufträge, die Erledigung von Rückfragen, um eine schnelle, reibungslose Abwicklung zu gewährleisten, und die volle Zufriedenheit der Kunden, die freundlich und zuvorkommend zu behandeln sind. Die Beklagte hat das Organisationskonzept auf die Weise umgesetzt, dass sich die Sachbearbeiterinnen des Kundenservicezentrums die Kunden nach dem Alphabet aufteilen. Auf diese Weise soll eine ganzheitliche Sachbearbeitung der eingehenden Aufträge gewährleistet werden.

Das Organisationskonzept der Beklagten ist allerdings nicht so durchgeführt, dass es auf der Grundlage der bisherigen Arbeitszeitregelung konsequent eingehalten werden kann. Hierbei geht es nicht um die von der Klägerin angeführten Urlaubs- und Krankheitsfälle, die zwangsläufig eine wechselseitige Vertretung der Mitarbeiterinnen im Kundenservicezentrum bedingen. Denn Urlaubs- und Krankheitsvertretungen fallen regelmäßig an; sie können vom Arbeitgeber nicht beeinflusst werden (BAG, 14.10.2003 - 9 AZR 636/02 - zur Veröffentlichung vorgesehen; ArbG Freiburg, 04.09.2001 - 7 Ca 143/01 - NZA 2002, 216). Eine gewisse Diskrepanz zwischen den Büroöffnungszeiten im Kundenservicezentrum und den arbeitsvertraglichen Arbeitszeiten der Mitarbeiterinnen ergibt sich aber bereits daraus, dass sich die Büroöffnungszeit auf 38,75 Stunden beläuft (07.45 - 12.15 Uhr, 13.15 - 16.30 Uhr = 5 x 7,45 Stunden), die arbeitsvertragliche Arbeitszeit hingegen auf lediglich 37,5 Stunden. Es fällt somit wöchentlich eine Mehrarbeit von 1,25 Stunden pro Mitarbeiterin an.

Die Diskrepanz zwischen Büroöffnungszeit und arbeitsvertraglicher Arbeitszeit vergrößert sich noch, wenn man die sog. Abendöffnungszeiten berücksichtigt. Unstreitig ist das Kundenservicezentrum nach 16.30 Uhr von Montag bis Mittwoch bis 18.30 Uhr und am Donnerstag und Freitag bis 20.00 Uhr besetzt. Die Mitarbeiterinnen im Kundenservicezentrum werden zu den Spätöffnungszeiten jedenfalls in einem erheblichen Umfang neben anderen Arbeitnehmern eingeteilt. Die Spätöffnungszeiten führten und führen noch dazu, dass die Mitarbeiter/innen des Kundenservicezentrums Woche für Woche Überstunden aufbauen, die anschließend wieder abgebaut werden müssen. Der Umfang der Mehrarbeit wird von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Die Klägerin ist unwidersprochen von zwei Freizeittagen pro Monat ausgegangen. Wegen der flexiblen Arbeitszeiten führten die Beschäftigten nach der Darstellung der Klägerin in der Berufungsverhandlung ein Arbeitszeitkonto. Die Arbeitszeitregelung hatte und hat noch zur Folge, dass während der allgemeinen Büroöffnungszeit nicht alle drei Beschäftigten des Kundenservicezentrums stets im Dienst sein können. Dieser Umstand stellt zwar nicht das gesamte Organisationskonzept in Frage (so im Fall des Bundesarbeitsgerichts vom 30.09.2003 - 9 AZR 665/02 - zur Veröffentlichung vorgesehen), lässt aber erkennen, dass der Arbeitgeber sein Organisationskonzept nicht so konsequent durchhält, wie dies im Rahmen des Verfahrens angeführt wurde.

(2) Auf der zweiten Stufe der Prüfungsfolge ist festzustellen, dass das Organisationskonzept - soweit es eingehalten wird - dem Teilzeitverlangen der Klägerin entgegensteht. Sind alle drei Mitarbeiterinnen des Kundenservicezentrums im Dienst, so ist eine ganzheitliche Sachbearbeitung der eingehenden Aufträge und eine Ansprechbarkeit der jeweils zuständigen Sachbearbeiterin gewährleistet. Beendet eine der Sachbearbeiterinnen ihren Dienst bereits um 12.15 Uhr, so können am Vormittag begonnene, aber nicht abgeschlossene Arbeiten von ein und derselben Sachbearbeiterin nicht beendet werden. Dieser Eingriff in das unternehmerische Organisationskonzept lässt sich auch nicht durch eine Umgestaltung der Arbeitsabläufe vermeiden.

(3) Der Eingriff in das unternehmerische Organisationskonzept, der durch die begehrte Teilzeitarbeit der Klägerin hervorgerufen wird, ist jedoch nicht so hinreichend gewichtig, dass die Arbeitsorganisation wesentlich beeinträchtigt wird. Dies gilt für beide Aspekte des vorgetragenen Organisationskonzepts, d. h. die ganztägige Ansprechbarkeit der zuständigen Sachbearbeiterin und die ganzheitliche Sachbearbeitung.

Was die ganztägige Ansprechbarkeit der zuständigen Sachbearbeiterin angeht, so hat die Beklagte in der Berufungserwiderung präzisiert, sie gehe nicht davon aus, dass die Kunden einen gleichbleibenden Ansprechpartner benötigten. Die Kunden erwarteten aber, von einem für sie jeweils zuständigen Sachbearbeiter betreut zu werden. Nach Auffassung der Kammer stellt es zumindest keine wesentliche Beeinträchtigung des unternehmerischen Organisationskonzepts dar, wenn den Kunden am Nachmittag ein anderer Sachbearbeiter zur Verfügung steht, der zwar am Vormittag nicht anwesend war, jedoch kompetent Auskünfte geben kann. Denn für den Kunden ist jedenfalls im Regelfall nicht der Name des Sachbearbeiters, sondern dessen Kompetenz ausschlaggebend. Wäre dies anders, so müsste die Beklagte dazu übergehen, während der Spätöffnungszeiten keine der drei ständigen Sachbearbeiter/innen des Kunden-Servicezentrums zum Dienst einzuteilen. Denn die Spätöffnungszeiten führen dazu, dass jede Sachbearbeiterin Überstunden aufbaut, die während der allgemeinen Büroöffnungszeiten abgebaut werden müssen. Zwangsläufig kann nicht jede Sachbearbeiterin während der üblichen Büroöffnungszeiten stets anwesend sein. Auch während der Spätöffnungszeiten und an Samstagen muss es die Beklagte darüber hinaus in Kauf nehmen, dass nicht die jeweils zuständige Sachbearbeiterin als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht. Zwar ist es nachvollziehbar, dass sich die Lieferanten regelmäßig an die allgemeine Büroöffnungszeit halten werden. Bei den Kunden kann hiervon aber nicht durchgehend ausgegangen werden.

Was die ganzheitliche Sachbearbeitung angeht, so ist das unternehmerische Organisationskonzept ebenfalls nicht wesentlich beeinträchtigt. Der maßgebliche Grund hierfür ist, dass der heutige Stand der Datenverarbeitung und Bürokommunikation eine Sachbearbeitung ermöglicht, bei der die maßgeblichen Daten zumindest weitestgehend aus dem Datenverarbeitungssystem abgerufen werden können. Beide Parteien haben die arbeitstechnischen Abläufe im Kundenservicezentrum im Wesentlichen übereinstimmend geschildert. Danach wird die gesamte Auftragsverarbeitung EDV-gestützt abgewickelt. Soweit die einzelnen Arbeitsschritte nicht insgesamt über die EDV erledigt werden, bedient sich die Sachbearbeiterin ergänzend des Telefons.

Der von den Parteien geschilderte Arbeitsablauf unterscheidet sich im Grundsatz nur wenig von den Arbeitsabläufen, die in den Verwaltungsabteilungen von Unternehmen und Behörden anfallen. So wird in nahezu jeder Unternehmung und Verwaltung der Fall auftreten, dass einzelne Arbeitsschritte nicht sofort abgewickelt werden können. Übernimmt aufgrund von Teilzeitbeschäftigung ein anderer Arbeitnehmer die begonnene Arbeit, so kann er die bereits erledigten Arbeitsschritte entweder der EDV oder einer Nachricht des vorherigen Sachbearbeiters entnehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird hierdurch die Arbeitszeit der Sachbearbeiter nicht in unzumutbarem Umfang durch das Fertigen von Notizen etc. ausgefüllt. Denn es muss berücksichtigt werden, dass im Kundenservicezentrum im Wesentlichen gleichförmige Arbeitsabläufe vorherrschen. Jede erfahrene Sachbearbeiterin weiß, welche Arbeitsschritte bei einem bestimmten Verfahrensstand zu veranlassen sind. Dies gilt auch für den Verkauf von hochwertigen Waren, der nach dem Vorbringen der Beklagten einen erheblichen Umfang einnimmt. Hier ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin zwar um eine qualifizierte Sachbearbeitung handelt, die Anforderungen aber auch nicht derart hoch sind, dass es einer hohen Spezialisierung bedürfte. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass kosten- und zeitintensive Übergabegespräche notwendig werden, die eine wesentliche Beeinträchtigung der Betriebsorganisation darstellen könnten (Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, § 8 Rz. 63; Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, 6. Aufl., § 8 TzBfG Rz. 22).

cc) Weitere betriebliche Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie hat sich insbesondere nicht darauf berufen, für die verbleibende Arbeitszeit von 13.15 - 16.30 Uhr sei keine geeignete Ersatzkraft auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch eine Vielzahl von Teilzeitwünschen eine Überforderung der Beklagten eintreten könnte. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar in seinem Urteil vom 30.09.2003 (a. a. O. unter A III. 2. b bb (3); ebenso Annuß/Thüsing, TzBfG, § 8 Rz. 139) angeführt, in Extremfällen könne durch eine Häufung von Teilzeitverlangen eine Überforderung des Arbeitgebers eintreten. Eine solche Fallgestaltung wird jedoch von der Beklagten nicht behauptet.

c) Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass der gewünschten Verteilung der verringerten Arbeitszeit betriebliche Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegenstehen. Auch wenn sich die Regelbeispiele des § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG nur auf die Verringerung der Arbeitszeit als solche beziehen, kann der Arbeitgeber auch gegen die Verteilung der Arbeitszeit betriebliche Gründe vorbringen (vgl. nur Erfurter Kommentar - Preis, 4. Auflage, § 8 TzBfG Rz. 40; Meinel/Heyn/Herms, § 8 TzBfG, § 8 Rz. 55). Die Beklagte hat jedoch nicht eingewandt, dass die von der Klägerin gewünschte Arbeitszeit ausschließlich an Vormittagen zu einer Störung des Betriebsablaufs führt. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn eine Vielzahl von Teilzeitkräften ausschließlich auf einer Arbeit an Vormittagen Wert legen sollten. Eine derartige Fallgestaltung ist jedoch von der Beklagten nicht dargetan.

Die Beklagte hat gem. § 790 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen. Die Kammer hat gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzlich Bedeutung hat. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in verschiedenen Entscheidungen eine Reihe von Rechtsfragen zu § 8 TzBfG geklärt. Soweit ersichtlich, war jedoch ein Teilzeitbegehren einer Sachbearbeiterin im Innendienst noch nicht Gegenstand einer Entscheidung.

Ende der Entscheidung

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