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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: 4 Sa 82/01
Rechtsgebiete: BetrAVG, ArbGG, ZPO, GKG


Vorschriften:

BetrAVG § 1 Abs. 4
BetrAVG § 2
BetrAVG § 2 Abs. 1
BetrAVG § 2 Abs. 4
BetrAVG § 6
BetrAVG § 6 Abs. 1
ArbGG § 12 Abs. 7 Satz 2
ArbGG § 72 a
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 258
GKG § 25 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Sa 82/01

verkündet am 28. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Pfitzer, den ehrenamtlichen Richter Lux und den ehren-amtlichen Richter Stein auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des beklagten Vereins wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25. April 2001 - 30 Ca 7005/00 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der beklagte Verein wird verurteilt, an den Kläger 79,76 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 55,22 EUR seit dem 12. April 2001 und aus 24,54 EUR seit 02. August 2001 zu bezahlen.

2. Der beklagte Verein wird ferner verurteilt, an den Kläger ab 01. August 2001 über unstreitig als Betriebsrente monatlich zu zahlende 23,52 EUR hinaus monatlich weitere 6,14 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diesem Betrag, jeweils ab 01. des Folgemonats, zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Seine weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 1/7 und dem beklagten Verein 6/7 auferlegt.

IV. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert im zweiten Rechtszug: 257,69 EUR

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.

Der am 22. März 1939 geborene Kläger war bei dem Trägerunternehmen des beklagten Vereins in der Zeit vom 08. Oktober 1979 bis 31. Juli 1996 als Zimmermann beschäftigt. Dieses gewährt seinen ehemaligen Arbeitnehmern durch den Beklagten nach Maßgabe der Versorgungsregelung vom 20.12.1993 Altersruhegeld, soweit sie keine Leistung nach einer anderen allgemeinen oder individuellen Versorgungsregelung - z. B. der Ruhegeldordnung von 1988 des Trägerunternehmens (B 4.5) - beziehen. Die für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Regelungen der Versorgungsordnung haben folgenden Wortlaut:

B Laufende Unterstützungen

4. Allgemeine Voraussetzungen zur Zahlung laufender Leistungen

...

4.3. Der Betriebsangehörige muss bei Eintritt des Versorgungsfalles eine Wartezeit von 15 anrechnungsfähigen Dienstjahren (vgl. Ziff. 5) zurückgelegt haben.

4.4. Der Betriebsangehörige muss bei Eintritt des Versorgungsfalles in den Diensten der Firma gestanden haben, es sei denn, dass vor Eintritt des Versorgungsfalles bereits ein unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung gegeben war.

Eine gesetzliche Unverfallbarkeit liegt derzeit vor, wenn ...

5. Anrechnungsfähige Dienstjahre

5.1. Als anrechnungsfähige Dienstjahre zählen alle während der anrechnungsfähigen Dienstzeit zurückgelegten vollen Dienstjahre, zu deren Ermittlung jedoch Dienstzeiten nach dem vollendeten 65. Lebensjahr unberücksichtigt bleiben. ... Ein nach Erfüllung der Wartezeit verbleibendes angefangenes Dienstjahr, welches mehr als 6 Monate umfasst, steht im Übrigen einem vollen Dienstjahr gleich.

5.2. Als anrechnungsfähige Dienstzeit gilt die vom Betriebsangehörigen seit seinem letzten Eintritt in die Firma bis zum Eintritt des Versorgungsfalles ununterbrochen zurückgelegte Dienstzeit.

...

6. Höhe der Alters- und Invalidenrente

6.1. Die Höhe der monatlichen Altersrente (vgl. Ziffer 7) bzw. Invalidenrente (vgl. Ziffer 8) ist abhängig von der Anzahl der vom Betriebsangehörigen bis zum Eintritt des Versorgungsfalles zurückgelegten anrechnungsfähigen Dienstjahre (vgl. Ziffer 5) und errechnet sich aus dem in Ziffer 6.2. genannten Betrag pro anrechnungsfähigem Dienstjahr. Der Betrag selbst ist abhängig von der Tarifgruppenzugehörigkeit bei Eintritt des Versorgungsfalles auf der Grundlage des Rahmentarifvertrages (BRTV).

6.2. Im einzelnen gelten folgende Beträge:

Rentengruppe Betrag

1. Berufsgruppen (BRTV)

Gruppen III bis VIII. M III bis M VI

Fachwerker bis Spezialfacharbeiter DM 3,50

...

7. Altersrente

7.1. Der Betriebsangehörige erhält eine lebenslänglich zahlbare betriebliche Altersrente ab Ausscheiden aus der Firma nach Vollendung des 65. Lebensjahres.

7.2. Eine Altersrente kann bereits ab Ausscheiden aus der Firma nach vollendetem 60. Lebensjahr beansprucht werden, sofern gleichzeitig eine Altersrente als Vollrente vor dem Alter 65 aus der gesetzlichen Altersrente bezogen wird. Als Versorgungsfall gilt für diese Altersrente der Zeitpunkt des Ausscheidens vor Erreichen der festen Altersgrenze 65. ...

Seit 01. April 1999 bezieht der Kläger vorgezogene gesetzliche Altersrente und vom Beklagten betriebliche Altersrente in Höhe von 46,00 DM.

Mit der Klage verlangt der Kläger eine monatliche Rente von (nach damaliger Währung) 60,00 DM, da von einer Betriebszugehörigkeit von 17 Jahren auszugehen sei. Dies führe zu einer monatlichen Rente von 59,50, aufgerundet von 60,00 DM.

Der Kläger hat beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Betriebsrente für den Zeitraum Juli 1999 bis Juli 2000 in Höhe von DM 182,00 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine monatliche Betriebsrente in Höhe von DM 60,00 brutto, beginnend ab dem 01.08.2000 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 1. des jeweiligen Folgemonats zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch auf Bezahlung einer über die bezahlten 46,00 DM hinausgehenden weiteren Betriebsrente von 14,00 DM monatlich bestehe nicht. Richtig sei, dass dem Kläger im Ausgangspunkt eine Betriebsrente von aufgerundet 60,00 DM zustehe. Allerdings sei der Beklagte im Hinblick auf die Inanspruchnahme vorgezogener betrieblicher Altersrente berechtigt, die Betriebsrente zu kürzen. Nach der Ruhegeldzusage habe der Kläger nur Anspruch auf Altersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres. Vorgezogene Altersrente könne der Kläger deshalb nur nach § 6 Abs. 1 BetrAVG verlangen. Dessen Voraussetzungen lägen hier vor. Die danach vorgezogen beanspruchte Rente könne nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur zeitanteilig im Verhältnis zur vollen Altersrente bei Vollendung des 65. Lebensjahres verlangt werden. Wenn der Kläger bis zum Zeitpunkt des Rentenbezugs, also dem 31. März 1999, in den Diensten der Trägergesellschaft geblieben wäre, hätte sich eine Rente von monatlich DM 67,00 ergeben. Diese Rente sei zu kürzen um den Quotienten Betriebszugehörigkeit ./. fiktive Betriebszugehörigkeit bis zum Alter von 65 Jahren. Dieser Quotient betrage demnach 202 : 293. Um diesen Quotienten sei die (fiktive) Rente von 67,00 DM zu kürzen, woraus sich ein Betrag von 46,00 DM ergebe. Dem entsprechend sei der Beklagte berechtigt, die Betriebsrente um den sogenannten Unverfallbarkeitsfaktor zu kürzen.

Das Arbeitsgericht hat im angegriffenen Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben, weil eine Kürzung der Rente nach den Versorgungsregelungen des Beklagten nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der weiterhin seinen Klageabweisungsantrag verfolgt, weil die Kürzung der Rentenzahlung zu Recht erfolgt sei. Insbesondere stellt er darauf ab, dass im Wege der Auslegung der Ruhegeldregelungen sich die Kürzungsmöglichkeit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergebe. Der Kläger hingegen verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und bittet um Zurückweisung der Berufung, weil sich eine solche Kürzungsmöglichkeit aus der Ruhegeldordnung nicht ergebe. Darüber hinaus sei der Kläger aus betriebsbedingten Gründen im Rahmen einer Personalreduzierung gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis mit 58 Jahren ausgeschieden, damit er mit 60 Jahren in Rente gehen könne. Nach § 5 der aus diesem Anlass abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vom 30. Januar 1998 sollten die Ansprüche der entlassenen Arbeitnehmer auf die bis zum Ausscheiden erworbene Betriebsrente erhalten bleiben.

Wegen des Vortrags der Parteien im Einzelnen wird auf ihre im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze sowie das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Beklagten ist nur zu einem kleinen Teil erfolgreich. Dem Kläger steht gem. §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 1 und 4 BetrAVG seit Eintritt in den Ruhestand nach den Versorgungsregelungen des beklagten Vereins ein Anspruch auf monatliches Ruhegeld in Höhe von 58,00 DM zu. Dies entspricht 29,65 EUR. Darüber hinaus ist sein Anspruch allerdings unbegründet.

Soweit der Klageantrag sich auch auf die künftige Bezahlung der Betriebsrente erstreckt, ist er auszulegen. Für die Erhebung einer Klage besteht nur insoweit Anlass, als der beklagte Verein eine geringere Altersrente bezahlt als sie vom Kläger beansprucht wird. Streit besteht nur in Höhe der Differenz von 14,00 DM (7,16 EUR). Nur in diesem Umfang ist der Anspruch zum Streitgegenstand erhoben. Dies hat das Arbeitsgericht entgegen seinen Ausführungen bezüglich der Zulässigkeit einer auf den Gesamtbetrag gerichteten Klage im Grunde auch so gesehen, sonst hätte es nämlich den Streitwert gemäß § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG auf 60 DM mal 36 Monate, und nicht auf 14 DM mal 36 Monate festsetzen müssen. Diesbezüglich wird der Klageantrag ausgelegt, so dass nur monatlich 14,00 DM Streitgegenstand sind. Insoweit ist die Klage in der Tat nach § 258 ZPO zulässig.

Der Kläger hat Anspruch auf ein monatliches Ruhegeld von 58,00 DM (29,65 EUR). Dieses Ruhegeld des Klägers ist nach den Ruhegeldregelungen wie folgt zu berechnen:

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht gilt bezüglich der Höhe des vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers, der vorgezogenes Ruhegeld in Anspruch nimmt, Folgendes: Die vorgezogene Betriebsrente (§ 6 BetrAVG) des vorzeitig mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmers ist unter Rückgriff auf die Grundsätze des Betriebsrentengesetzes zu errechnen. Eine gesetzliche Berechnungsregel gibt es hierfür nicht. Dies bedeutet für den Regelfall, dass wegen seines vorzeitigen Ausscheidens die von dem Arbeitnehmer bis zum Erreichen der festen Altersgrenze erreichbare Vollrente in unmittelbarer Anwendung von § 2 BetrAVG zeitanteilig zu kürzen ist. Im zweiten Schritt kann der so zum Zeitpunkt des vorzeitigen Ausscheidens ermittelte erdiente Versorgungsbesitzstand wegen des früheren und längeren Bezuges ein zweites Mal gekürzt werden. Soweit die Versorgungsordnung dies vorsieht, kann deshalb ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgenommen werden. In diesem Falle scheidet eine weitere mindernde Berücksichtigung der fehlenden Betriebstreue zwischen dem vorgezogenen Ruhestand und der in der Versorgungsordnung festgelegten festen Altersgrenze grundsätzlich aus (vgl. BAG, Urteil vom 24. Juli 2001 - 3 AZR 567/00 - soweit ersichtlich, noch nicht veröffentlicht).

Demnach ist der Anspruch wie folgt zu berechnen: Zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis hätte der Kläger, wenn der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten wäre, einen Rentenanspruch von 59,50 DM (30.42 EUR) erworben. Da der Kläger aber vor Erreichen des Versorgungsfalles aus den Diensten der Trägergesellschaft ausgeschieden ist, hat er eine unverfallbare Anwartschaft erworben, die auch die Dynamik der Versorgung durch einen jährlichen Steigerungsbetrag mit umfasst (vgl. BAG, Urteil vom 23. Januar 2001 - 3 AZR 562/99 - EzA § 6 BetrAVG Nr. 24 = demnächst AP § 6 BetrAVG Nr. 26; vgl. auch Urteil vom 24. Juli 2001 - 3 AZR 567/00 - zu III.1. der Gründe). Wie der Beklagte unter Nr. 3 seiner Berufungsbegründungsschrift (Seite 6 ff. des Schriftsatzes vom 26. November 2001) zu Recht darstellt, muss nach der Versorgungsordnung des Beklagten der Anspruch des Berechtigten beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres errechnet werden. Wenn der Kläger erst zu diesem Zeitpunkt ausscheiden würde, hätte er dann einen monatlichen Rentenanspruch von 84,00 DM (42,95 EUR - 24 volle Dienstjahre, multipliziert mit dem jährlichen Steigerungsbetrag von 3,50 DM = 1,79 EUR), erworben. Dieser Betrag ist zu Grunde zu legen, wenn das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahrs angenommen wird. Er ist sodann mit der tatsächlichen Zugehörigkeitsdauer zum Unternehmen des Trägerunternehmens von 202 Monaten zu multiplizieren, das Produkt hieraus durch 293 mögliche Monate zu teilen. Dies führt zu einem Anspruch von 57,91 DM (29,61 EUR) monatlich. In Höhe dieses Betrags hat der Kläger nach § 2 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 BetrAVG eine unverfallbare Anwartschaft beim tatsächlichen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erworben.

Wird vom Versorgungsfall zum 31. März 1999 ausgegangen, führen 19 berücksichtigungsfähige Dienstjahre zu einem Rentenanspruch von 66,50 DM. Bei 202 Monaten der tatsächlichen und 233 der möglichen Betriebszugehörigkeit führt dies zu einer Rente von monatlich 57,65 DM. Da unstreitig aufzurunden ist, führen beide Berechnungsmöglichkeiten zum selben Ergebnis, nämlich zu einer Anwartschaft auf eine Rente von monatlich 58,00 DM (29,65 EUR).

Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung führt zum selben Ergebnis, wie wenn im Rahmen einer zweiten ratierlichen Kürzung analog § 2 BetrAVG der Betrag von 57,91 DM mit 233 Monaten multipliziert und der sich hieraus ergebende Betrag durch 293 Monate dividiert worden wäre. Dies hätte zu einem monatlichen Rentenanspruch von 46,00 DM (abgerundet) geführt. Diese Berechnung setzt also voraus, dass der monatliche Rentenanspruch im Hinblick auf § 6 BetrAVG zu einem früheren Zeitpunkt, als es die Ruhegeldordnung vorsieht, die betriebliche Altersrente in Anspruch genommen wird. Ob der Beklagte bei der ursprünglichen Berechnung des Anspruchs damit selbst davon ausgegangen ist, eine weitere zeitratierliche Kürzung der Anwartschaft wegen des vorzeitigen Bezugs der Ruhegeldleistung vornehmen zu können, mag zweifelhaft sein. Nach seiner Berechnung hat er dies nicht getan. Er geht nur von einem falschen erreichbaren Rentenbetrag aus, nämlich dem bis zum tatsächlichen Versorgungsfall und nicht von dem bis zum Erreichen der "festen Altersgrenze" erreichbaren Betrag. Zu einem solchen Abschlag war der Beklagte jedenfalls aber nicht berechtigt. Dies ergibt eine Auslegung der Ruhegeldregelungen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gestattet § 6 BetrAVG die Kürzung des vorgezogenen betrieblichen Altersruhegeldes, zwingt aber nicht dazu. Versorgungsregelungen, die nur die Höhe der Leistungen für den mit Vollendung des 65. Lebensjahrs vereinbarten Versorgungsfall bestimmten, waren mit Einführung des § 6 BetrAVG lückenhaft und ergänzungsbedürftig geworden. Ihnen fehlte die Angabe, welche Leistungen gewährt würden, wenn das betriebliche Altersruhegeld vor dem 65. Lebensjahr einsetzt (vgl. BAG, Urteil vom 01. Juni 1978 - 3 AZR 216/77 - AP § 6 BetrAVG Nr. 1). Später hat der Dritte Senat dann Regeln für die Ausfüllung einer solchen Regelungslücke aufgestellt. Er hat entschieden, dass dann, wenn eine Versorgungsordnung den Sonderfall der flexiblen Altersgrenze nicht regele, eine ergänzende Auslegung dahin geboten sei, dass der Arbeitgeber die Renten der vorzeitig pensionierten Arbeitnehmer zeitanteilig kürzen könne, einen versicherungsmathematischen Abschlag aber nicht vornehmen dürfe (vgl. BAG, Urteil vom 24. Juni 1986 - 3 AZR 630/84 - AP BetrAVG § 6 Nr. 12; bestätigt durch BAG, Urteil vom 13. März 1990 - 3 AZR 338/89 - AP BetrAVG § 6 Nr. 17 = EzA BetrAVG § 6 Nr. 13). Das Bundesarbeitsgericht hat in allen Entscheidungen aber auch immer wieder deutlich gemacht, dass die Auslegungsregel, wonach ohne weiteres eine zeitratierliche Kürzung bei vorgezogener Inanspruchnahme möglich ist, während ein versicherungsmathematischer Abschlag nur erlaubt sei, wenn er in der Versorgungsordnung vorgesehen sei, nur dann und soweit gelte, wie die betriebliche Versorgungsregelung keine eigene billigenswerte Bestimmung getroffen habe (vgl. BAG, Urteil vom 29. Juli 1997 - 3 AZR 114/96 - AP BetrAVG § 6 Nr. 23, und Urteil vom selben Tag - 3 AZR 134/96 - AP BetrAVG § 6 Nr. 24). Bei diesen Rechtssätzen des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich nicht um ein gesetzliches Modell, sondern um eine Auslegungsregel für den Fall einer lückenhaften Versorgungszusage. Eine eigene billigenswerte Regelung hat demgegenüber immer Vorrang (vgl. BAG, Urteil vom 20. März 2001 - 3 AZR 229/00 - nicht amtlich veröffentlicht; EzA § 6 BetrAVG Nr. 22). Es ist also nicht stets im Wege ergänzender Vertragsauslegung eine zeitratierliche Kürzung für den Fall der vorzeitigen Rentenbezugs anzunehmen. Insbesondere ist dies dann nicht zwangsläufig geboten, wenn es sich um eine Ruhegeldordnung handelt, die nach Einführung des § 6 BetrAVG erlassen wurde. Eine ergänzende Auslegung ist aber dann angezeigt, wenn sich aus der Ruhegeldordnung ergibt, dass Ruhegeldleistungen erst mit Erreichen des 65. Lebensjahres gewährt werden. Der beklagte Verein stützt sich nach diesseitiger Auffassung insofern zu Unrecht auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Juli 2001 (3 AZR 567/00), wenn dort ausgeführt wird, dass dann, wenn eine Versorgungsordnung keinen versicherungsmathematischen Abschlag vorsieht, eine (zweite) mindernde Berücksichtigung der fehlenden Betriebstreue zwischen der vorgezogenen Inanspruchnahme und dem Erreichen der festen Altersgrenze zulässig sei und dass sich dies in aller Regel aus einer ergänzenden Auslegung solcher Versorgungsregelungen ergibt. Dies trifft nur zu, wenn sich aus der Versorgungsordnung ergibt, dass die volle Rente nur für den Fall gezahlt werden soll, wenn die feste Altersgrenze erreicht ist, weil der Arbeitgeber die Leistungen nach der Ruhegeldordnung autonom festlegt und festlegen kann. Deshalb ist zunächst eine Auslegung des Regelungsinhalts in Bezug auf die hier zu erörternde Frage vorzunehmen. Aus dieser ergibt sich aber eine abschließende Regelung, die einen Abschlag für den Fall des vorzeitigen Rentenbezugs nicht vorsieht und nicht regeln will.

Vorliegend geht zwar die Ruhegeldordnung von einer "festen Altersgrenze" von 65 Jahren aus. Dabei muss aber gesehen werden, dass der Begriff "feste Altersgrenze" in erster Linie zur Berechnung der Höhe der unverfallbaren Anwartschaft nach § 2 BetrAVG dient. In § 6 BetrAVG findet sich ein solcher Begriff nicht. Eine ausdrückliche Regelung, dass ein Abschlag für den Fall vorzeitigen Ruhestandes vorzunehmen oder nicht vorzunehmen ist, findet sich in der Ruhegeldordnung nicht. Ob aus der Tatsache, dass für die Angestellten des Trägerunternehmens in der dort geltenden Ruhegeldordnung ein versicherungsmathematischer Abschlag ausdrücklich vorgesehen war, der Schluss zulässig ist, dass dann, wenn auch für die unter die vorliegenden Ruhegeldregelungen fallenden Arbeitnehmer ein Abzug gewollt gewesen wäre, dies auch hier ausdrücklich geregelt worden wäre, kann hier dahingestellt bleiben. Die objektive Auslegung der Ruhegeldregelungen führt nach diesseitiger Auffassung zur Annahme, dass eine Kürzung wegen vorzeitigen Ausscheidens vor der festen Altersgrenze nicht gewollt war. Dies hat bereits das Arbeitsgericht insoweit zutreffend erkannt.

Die Ruhegeldregelungen regeln sehr ausführlich die Voraussetzungen für Grund und Höhe einer Leistung. Es werden sogar im Hinblick auf die Unverfallbarkeit des Anspruchs die gesetzlichen Voraussetzungen eingehend wiedergegeben. Auch der Versorgungsfall ist exakt bestimmt. Es wird eine Leistung für den Versorgungsfall zugesagt. Versorgungsfall ist entweder, soweit hier von Interesse, das Ausscheiden aus dem Trägerunternehmen mit Vollendung des 65. Lebensjahres (Nr. 7.1.), ohne dass es auf das Vorliegen eines Rentenanspruchs ankommt, oder aber ein Ausscheiden nach dem vollendeten 60. Lebensjahr, sofern gleichzeitig ein Anspruch auf eine sozialversicherungsrechtliche Vollrente besteht. Dem steht gleich, dass eine unverfallbare Anwartschaft besteht, wenn das Dienstverhältnis nicht mehr zu den fraglichen Zeitpunkten bestanden hat. Jedenfalls, nachdem im Einzelnen der Anspruch auch für den Fall der unverfallbaren Anwartschaft detailliert geregelt wurde, obwohl eine entsprechende gesetzliche Regelung besteht, ergibt sich aus den Ruhegeldregelungen, dass diese so vollständig wie nur möglich die Voraussetzungen einer laufenden Leistung nach Grund und Höhe beschrieben haben. Für die Annahme einer Regelungslücke bleibt dann wenig Raum. Die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit einer Anwartschaft sind ja im Einzelnen gesetzlich geregelt. Nicht gesetzlich geregelt ist die Höhe der Ruhegeldleistung bei vorzeitiger Inanspruchnahme nach § 6 BetrAVG. Dass die vorzeitige Inanspruchnahme möglich ist, wird wiederum trotz vorliegender gesetzlichen Regelung eigens erwähnt. Wenn die Leistung unter diesen Voraussetzungen für den - jeweiligen - Versorgungsfall zugesagt wird, spricht zunächst alles dafür, dass die jeweils bis zum Eintritt des Versorgungsfalls angewachsene Leistung zu erbringen ist. Bei einer ansonsten derart detaillierten Regelung wäre auch in dieser Frage eine Regelung zu erwarten gewesen, wenn dies bei Erlass der Ruhegeldregelungen gewollt gewesen wäre.

Hinzu kommt, dass sich der Rentenanspruch mit jedem Jahr der Betriebszugehörigkeit um einen festen Betrag steigert. Aus objektiver Sicht kann im Zusammenhang mit den vorstehenden Erwägungen angenommen werden, dass der beklagte Verein es als ausreichend ansah, dass ein vorzeitiger Eintritt des Versorgungsfalls vor Vollendung des 65. Lebensjahrs nicht zum möglichen Höchstbetrag des Ruhegeld führt. Insoweit wird für den Fall, dass vorzeitiges Altersruhegeld bezogen wird, das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis also nicht lediglich zu einer unverfallbaren Anwartschaft führt (dann ist ja § 2 BetrAVG unmittelbar anzuwenden), eine Berechnung nach dem Rechtsgedanken des § 2 BetrAVG für zulässig erachtet, ohne dass dies eines ausdrücklichen Vorbehalts bedarf (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Juli 2001, B 2 2 a) der Gründe). Damit wird zwar nicht der Tatsache, dass der Rentenbezug früher eintritt, die Zahlungen also über einen längeren Zeitraum zu erfolgen haben, und dass zu einem früheren Zeitpunkt die dafür einzusetzenden Mittel abfließen, sowie dass die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versorgungsfalls erhöht wird, Rechnung getragen (sogenannte "zweite Verschiebung" im Sinne des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Juli 2001, B 2 2 b) der Gründe). Nachdem aber der Rentenbetrag ohnehin eher eine symbolische Höhe erreicht, ist der Schluss zulässig, das es der beklagte Verein bei einer Minderung der Rente ausschließlich wegen einer geringeren Betriebstreue bewenden lassen wollte. Die auszuzahlende Minimalleistung sollte nicht noch durch Kürzungen wegen des vorzeitigen Bezugs weiter vermindert werden. Wenn also der beklagte Verein das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ausdrücklich als eigenständigen Versorgungsfall ansieht und dabei auch noch genau die Bedingung bestimmt, unter denen dies der Fall sein soll, nämlich ein Anspruch auf eine Vollrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung, über die Frage einer Kürzung im Falle des vorzeitigen Ausscheidens sich aber ausschweigt, obwohl sämtliche anderen maßgeblichen Umstände detailliert geregelt werden, spricht dies jedenfalls im Zusammenhang mit dem System der Leistung, das feste jährliche Steigerungsbeträge vorsieht, und die geringe Höhe der Leistung dafür, dass eine Kürzung wegen des vorzeitigen Bezugs nicht mehr erfolgen sollte. Es verbleibt demnach hier bei der Kürzung nach der hier unmittelbar anzuwendenden Vorschrift des § 2 BetrAVG. In diesem Sinne ist der Anspruch des Klägers zu berechnen. Im Unterschied zu dem vom Bundesarbeitsgericht im genannten Urteil vom 24. Juli 2001 entschiedenen Fall sieht die Ruhegeldordnung des beklagten Vereins keinen über die entsprechende Anwendung des § 2 BetrAVG hinausgehenden Abschlag im Falle des vorzeitigen Rentenbezugs vor. Ob auch die Tatsache für diese Auffassung spricht, dass die Satzung des beklagten Vereins in § 17 noch von unterschiedlichen Altersgrenzen für Männer und Frauen ohne Kürzungsmöglichkeit für letztere ausgeht, die in den Ruhegeldregelungen eingeebnet wurden im Sinne einer Gleichstellung beider Geschlechter, muss nicht weiter erwogen werden.

Auch ob die vom Kläger vorgelegte Betriebsvereinbarung ansonsten über die Ruhegeldordnung hinaus einen weiteren Anspruch gegenüber dem Trägerunternehmen darauf statuiert, dass eine Kürzung wegen vorgezogenen Altersruhegelds etwa unterbleibt, nachdem ja der Kläger von der Personalreduzierung unter dem Aspekt betroffen war, dass er mit Vollendung des 60. Lebensjahrs einen Anspruch auf Altersrente nach der gesetzlichen Rentenversicherung erwirbt, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls sollte dem Kläger aber nicht mehr gewährt werden, als was seiner damaligen Rechtsstellung entsprach, nämlich der Erhalt seiner "bis zum Ausscheiden" erworbenen Betriebsrentenansprüche. Dies ist aber seine unverfallbare Anwartschaft, wie sie vorliegend berechnet wurde.

Nach allem ist die Berufung des beklagten Vereins nur zu einem kleinen Teil begründet. Dies führt zur Kostenentscheidung nach § 92 Abs. 1 ZPO.

Der nach § 25 Abs. 2 GKG bei Beendigung des Verfahrens festzusetzende Gebührenwert berechnet sich nach § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG in Höhe der 36-fachen Differenz einer Monatsleistung.

Ende der Entscheidung

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