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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.06.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 124/03
Rechtsgebiete: SGB VII, BGB


Vorschriften:

SGB VII §§ 104 ff.
SGB VII § 105 Abs. 1
SGB VII § 106 Abs. 3 3. Alternative
BGB § 253 Abs. 2 n.F.
BGB § 287
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 5 Sa 124/03

verkündet am 18.06.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg -5. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Lemm, den ehrenamtlichen Richter Benz und den ehrenamtlichen Richter Häfele auf die mündliche Verhandlung vom 18.06.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 21.11.2003 - 3 Ca 391/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen eines Unfalls vom 16.12.2002 auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch.

Der am 30.07.1934 geborene Kläger ist als Handwerksmeister bei der Firma J. W. Montagebetrieb (im Folgenden: Firma W.) aufgrund Arbeitsvertrags vom - zuletzt - 02.12.2002 (Blatt 10, 11 der Akten erster Instanz) beschäftigt. Aufgrund von Aufträgen, die die Firma Kieswerk W. GmbH & Co.KG (im Folgenden: Firma Wa.) der Firma W. erteilte, war der Kläger sei etwa fünf bis sechs Jahren immer wieder auf dem Betriebsgelände der Firma Wa. tätig, um die dort eingesetzten Maschinen zu reparieren und für bestimmte Produktionsvorgänge einzurichten. Zuletzt war der Kläger etwa vier bis fünf Monate damit beschäftigt, einen über 100 t schweren Betonbrecher (vgl. Lichtbilder Aktenblatt 31) zu reparieren. Diese Reparatur war zwei Wochen vor dem hier in Streit stehenden Unfall beendet. Seitdem war der Betonbrecher wieder in der Produktion im Einsatz. Am Unfalltag sollte der Kläger den Betonbrecher für eine kleinere Körnung einrichten. Er erschien daher auch an diesem Tag auf dem Betriebsgelände der Firma Wa. und machte sich von der dortigen Werkstat t mit einem Stufenregal gegen 8.00 Uhr auf den Weg zum Betonbrecher. Er benutzte dabei einen zu diesem führenden Fahrweg der Kiesgrube, der an der Unfallstelle mindestens 6 m breit war und auf seiner linken Seite an eine dort befindliche, aus unbehandeltem Schotter bestehende Halde angrenzte. Der Kläger bewegte sich am linken Fahrwegsrand innerhalb eines Streifens von etwa 1 m Breite auf den Betonbrecher zu.

Zu diesem Zeitpunkt war der bei der Firma Wa. als Fahrer eines 30 t schweren Radladers beschäftigte Beklagte dabei, mit dem Radlader Betonbrocken zu dem neben dem Betonbrecher befindlichen Schotterhaufen zu bringen. Diese Tätigkeit stand in keinem Zusammenhang mit der vom Kläger am Betonbrecher vorzunehmenden Einstellung für eine kleinere Körnung, sondern diente der Schaffung eines Vorrats an Betonteilen, die mittels des jeweils auf die gewünschte Körnung eingerichteten Betonbrechers zerkleinert werden sollten, wobei die Bedienung des Betonbrechers selbst, also dessen Einsatz in der Produktion, nicht durch den Kläger, sondern durch Arbeitnehmer der Firma Wa. erfolgte.

Der sich auf dem Fahrweg wie beschrieben fortbewegende Kläger hörte den vom Beklagten gesteuerten Radlader sich von hinten nähern. Der Beklagte hatte die 3,50m breite Schaufel des Radladers leicht angehoben, um zu verhindern, dass Betonteile bei Unebenheiten des Fahrwegs von der Schaufel fallen. Hierdurch waren die Sichtmöglichkeiten des Beklagten eingeschränkt, weshalb er den am linken Fahrwegsrand gehenden Kläger übersah. Er traf diesen mit der Schaufel des Radladers am Kopf, worauf dieser über das Stufenregal fiel und dabei mit dem linken Bein unter das linke Vorderrad des Radladers geriet, von dem es überfahren wurde. Der Unterschenkel des Klägers wurde dabei vollständig zerquetscht.

Der Kläger war bis zum 13.03.2003 in stationärer Behandlung im E.-Krankenhaus in R.. Dort musste ihm am 07.01.2003 sein linker Unterschenkel einschließlich des Knies amputiert werden. Anschließend befand er sich bis zum 17.04.2003 zur Rehabilitation in der Berufsgenossenschaftlichen Klinik in Tübingen. Auch danach war und ist der Kläger in seiner Beweglichkeit erheblich eingeschränkt. Eine Unterschenkelprothese konnte ihm zunächst nur provisorisch angepasst werden. Vom 23.03.2004 bis zum 13.04.2004 war er erneut in stationärer Behandlung in Bad Saalgau. Jedenfalls eine ambulante Behandlung ist weiterhin erforderlich. Ob sich die erheblichen Phantomschmerzen jemals bessern werden, ist ungewiss.

Die Berufsgenossenschaft der Firma W., die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft hat den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt. Sie hat die Behandlungskosten erstattet und gewährt dem Kläger Verletztengeld.

Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe durch das Fahren mit der beladenen Schaufel in Sichthöhe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Aufgrund der Breite des Fahrwegs und der Tatsache, dass ständig Fahrzeuge und Fußgänger auf dem Gelände des Kieswerks unterwegs seien, habe er davon ausgehen können, dass der Radlader an ihm vorbeifahre. Das Haftungsprivileg nach §§ 104 ff. SGB VII komme dem Beklagten nicht zugute.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich auf das Haftungsprivileg nach §§ 104 ff. SGB VII berufen und weiter geltend gemacht, dass den Kläger ein Mitverschulden treffe und das geforderte Schmerzensgeld überhöht sei.

Das Arbeitsgericht hat mit am 21.11.2003 verkündeten, dem Beklagten am 26.11.2003 zugestellten Urteil (Blatt 87 bis 91 der Akten erster Instanz), auf das verwiesen wird, den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 25.000,00 € verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Haftung des Beklagten nicht nach §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen sei, dieser fahrlässig gehandelt habe, den Kläger kein Mitverschulden treffe und das von diesem mindestens geforderte Schmerzensgeld unter Abwägung aller Umstände im angemessenen Bereich liege.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 19.12.2003 eingelegten und am 20.01.2004 ausgeführten Berufung. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen des Haftungsprivilegs nach §§ 104 ff. SGB VII verneint. Der Kläger sei seit Jahren faktisch wie ein Arbeitnehmer der Firma Wa. tätig gewesen, so dass die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGB VII vorliegen würden, zumindest seien aber die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 3. Alternative SGB VII erfüllt, da mehr als nur eine sogenannte Arbeitsberührung vorgelegen habe. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auch ein Mitverschulden des Klägers verneint. Dieser hätte sich ohne weiteres durch eine Drehung oder ein Wegducken dem Kontakt mit der Schaufel des von ihm akustisch wahrgenommenen Radladers entziehen können. Angesichts des Mitverschuldens und der altersbedingten Lebensumstände des Klägers sei auch das zuerkannte Schmerzensgeld zu hoch.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

da das angefochtene Urteil richtig sei. Der Kläger sei nicht in den Betrieb der Firma Wa. eingegliedert gewesen, sondern habe Vertragspflichten seiner eigenen Arbeitgeberin ausgeführt. Er habe bei der Ausführung der seiner Arbeitgeberin erteilten Aufträge keinen Weisungen der Firma Wa. unterlegen. Auch hätten die Parteien im Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte gearbeitet, da sich die Tätigkeiten des Klägers und des Beklagten weder ergänzt noch unterstützt hätten und ein Zusammenwirken der Parteien auch zur Erledigung der ihnen jeweils obliegenden Aufgabe nicht erforderlich gewesen sei. Vielmehr sei der Arbeitsauftrag des Beklagten völlig unabhängig von der Tätigkeit des Klägers gewesen. Die Höhe des Schmerzensgeldes sei angesichts der irreparablen Schäden, der entstandenen Schmerzen und Unannehmlichkeiten sowie des Umstandes, dass hinter dem Beklagten - was unstreitig ist - eine Haftpflichtversicherung stehe, nicht zu beanstanden.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 16.01.2004 (Aktenblatt 12 bis 17), die Berufungserwiderungsschrift vom 12.02.2004 (Aktenblatt 21 bis 24) sowie deren Erklärungen im Termin am 18.06.2004 (Aktenblatt 29, 30) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach mit zutreffen den Erwägungen, denen das Berufungsgericht nach Maßgabe der folgenden Ausführungen folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), zu Recht entsprochen.

1. Gegen die zutreffende Annahme des Arbeitsgerichts, dass sich der Beklagte objektiv und subjektiv verkehrswidrig verhalten hat und dem Kläger daher dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens aus den §§ 823 Abs. 1 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB n.F. zusteht, wendet sich die Berufung zu Recht nicht. Da es um eine Haftung gegenüber einem Dritten geht, kommt es auf Haftungsmilderungsgrundsätze im Arbeitsverhältnis nicht an.

2. Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Arbeitsgericht zu Recht die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nach §§ 104 ff. SGB VII verneint.

a) Die Verletzung des Klägers stellte für diesen einen Arbeitsunfall dar. Dies steht zwischen den Parteien außer Streit und aufgrund der dahingehenden Entscheidung der für die Firma W. zuständigen Berufsgenossenschaft zudem mit Bindungswirkung auch für die Zivilgerichte fest (§ 108 Abs. 1 SGB VII). Die Bindungswirkung erstreckt sich dabei auch auf die Frage, in welchem Betrieb sich der Unfall ereignet hat. Die Tatsache, dass die Berufsgenossenschaft der Arbeitgeberin des Klägers angenommen hat, dass sich der Versicherungsfall in deren Betrieb ereignet hat, steht jedoch einer Feststellung des Zivilgerichts darüber, dass der Unfall auch einem anderen Betrieb als Arbeitsunfall zuzurechnen und insoweit die Haftungsfreistellung gegeben ist, nicht entgegen, da insoweit keine Bindung besteht.

b) Das Haftungsprivileg des § 105 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass Unfallverursacher und Geschädigter im Unfallzeitpunkt demselben Betrieb angehören. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat der Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht schlüssig dargetan.

Zwar müssen Schädiger und Geschädigter gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII nicht notwendig selbst Angehörige des Unfallbetriebs sein. Vielmehr reicht es zur Begründung des Haftungsausschlusses nach dieser Vorschrift aus, dass Schädiger oder Geschädigter im Zeitpunkt des Unfallgeschehens wie ein Beschäftigter für den Unfallbetrieb tätig war. Dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt für den Betrieb der Arbeitgeberin des Klägers wie ein Beschäftigter tätig war, behauptet dieser selbst nicht. Aber auch der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht etwa umgekehrt im Betrieb der Arbeitgeberin des Beklagten wie ein Beschäftigter tätig. Vielmehr sollte die Tätigkeit des Klägers im Interesse seiner Arbeitgeberin erfolgen, nämlich in Erfüllung der dieser von der Arbeitgeberin des Beklagten erteilten Auftrags, den Betonbrecher für die Produktion einer kleineren Körnung einzurichten. Allein zu diesem Zweck befand sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin des Beklagten. Dafür, dass der Kläger bei der Erfüllung dieses Auftrags dem Weisungsrecht der Arbeitgeberin des Beklagten unterliegen sollte, ist nichts dargetan und ersichtlich. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund seines etwa seit fünf oder sechs Jahren erfolgten ständigen, teilweise über mehrere Tage oder gar Monate andauernden Einsatzes im Betrieb der Arbeitgeberin des Beklagten generell in diesen eingegliedert, in diesem also "wie" ein Beschäftigter der Arbeitgeberin des Beklagten tätig war.

Denn allein hieraus folgt nicht, dass der Kläger bei der Verrichtung der seiner Arbeitgeberin jeweils erteilten Aufträge einem Weisungsrecht der Arbeitgeberin des Beklagten unterlag. Nur in diesem Falle wären Kläger und Beklagter aber Angehörige desselben Betriebs, nämlich desjenigen der Arbeitgeberin des Beklagten gewesen. Zwar hat der Beklagte behauptet, dass der Kläger bei seinen Einsätzen im Betrieb der Firma Wa. deren Weisungsrecht unterstanden habe. Angesichts des Bestreitens des Klägers hätte der Beklagte sein dahingehendes pauschales Vorbringen aber in tatsächlicher Hinsicht näher substantiieren müssen, was nicht geschehen ist. Eine Beweisaufnahme kam daher mangels eines einer solchen zugänglichen Tatsachenvortrags des Beklagten hierzu nicht in Betracht.

c) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, dass die Haftung des Beklagten auch nicht nach § 106 Abs. 3 3. Alternative SGB VII ausgeschlossen ist, ist entgegen der Auffassung des Beklagten ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn der Unfall, aus dem der Kläger seinen Schmerzensgeldanspruch herleitet, hat sich nicht auf einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 3. Alternative SGB VII ereignet.

Das Arbeitsgericht ist zutreffend von der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zum Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte ausgegangen. Danach erfasst dieser Begriff über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein (vgl. etwa BAG, Urteil vom 12.12.2002 - 8 AZR 94/02 - AP Nr. 2 zur § 105 SGB VII; BGH, Urteil vom 16.12.2003 - VI ZR 103/03 - NJW 2004, 947 jeweils mit Nachweisen).

Diese Voraussetzungen liegen insbesondere nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung am 18.06.2004 nicht vor. Danach war der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Wege zum Betonbrecher, um diesen mittels des mitgeführten Stufenregals zu besteigen und diesen für die Produktion einer kleineren Körnung einzurichten. Der Beklagte erfüllte die ihm obliegende Aufgabe, Betonteile zu der neben dem Betonbrecher befindlichen Halde zu transportieren und dort abzulagern, also dort einen Vorrat an Betonteilen für die Produktion anzulegen, die unter Einsatz des Betonbrechers erfolgen sollte. Mit der Produktion selbst, also der Zerkleinerung der vom Beklagten herangeschafften und heranzuschaffenden Betonteile mittels des vom Kläger hierfür einzurichtenden Betonbrechers, hatten die Parteien dagegen nichts zu tun. Bezogen auf diese Produktion kam den Tätigkeiten der Parteien zwar jeweils eine unterstützende Funktion und damit ein gemeinsames Endziel zu. Dies reicht zur Begründung einer gemeinsamen Betriebsstätte aber nicht aus. Denn die Tätigkeiten der Parteien waren selbst weder aufeinander bezogen noch miteinander verknüpft. Auch waren diese nicht auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet, sondern wurden unabhängig voneinander parallel ausgeübt. Insbesondere gab es das erforderliche "bewusste Miteinander" nicht beim konkreten Unfallvorgang. Zwar hielt sich der Kläger am Unfallort auf, weil er eine für die Produktion der Arbeitgeberin des Beklagten erforderliche unterstützende, nämlich vorbereitende Handlung vornehmen sollte und wollte. Dies reicht für die Annahme eines bewussten Miteinander der Parteien aber ebenso wenig aus wie deren gleichzeitige Anwesenheit auf dem Betriebsgelände der Arbeitgeberin des Beklagten. Fälle, in denen Beteiligte zwar im gleichen Betrieb arbeiten, sich dort aber nur zufällig, d.h. - wie hier - ohne eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit über den Weg laufen, scheiden als Haftungsprivilegierungsfälle aus, da es an der erforderlichen Arbeitsverknüpfung fehlt (vgl. BAG, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, ob sich eine solche gleichzeitige Arbeit von Mitarbeitern verschiedener Unternehmen im gleichen Betrieb als einmaliger oder wiederholter Vorgang darstellt und sich diese jeweils über einen kürzeren oder längeren Zeitraum hinzieht. Denn gemeinsame Betriebsstätte ist gerade mehr als dieselbe Betriebsstätte, so dass das bloße, auch häufigere und länger andauernde Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Betriebe nicht genügt. Hinzukommen muss vielmehr in jedem Falle ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, und zwar auch beim konkreten Unfallvorgang (vgl. BAG a.a.O.), woran es im Streitfall mangels jeglicher Arbeitsverknüpfung fehlt.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Berufung schließlich auch gegen die Höhe des vom Arbeitsgericht zuerkannten Schmerzensgeldes.

Nach § 253 Abs. 2 BGB n.F. muss das Schmerzensgeld der Billigkeit entsprechen.

Welche Entschädigung als billig im Sinne von § 253 Abs. 2 BGB n.F. anzusehen ist, ist vom Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen. Entsprechend der Funktion des Schmerzensgeldes, dem Verletzten einen Ausgleich für erlittene Schmerzen zu verschaffen und diesen in die Lage zu versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise ausgleichen, hat das Arbeitsgericht zutreffend in die insoweit vorzunehmende Abwägung das Ausmaß und die Schwere der Körperverletzung, die von ihr ausgehende dauerhafte erhebliche Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Dauer der stationären Behandlung, das Erfordernis einer weiteren, nicht absehbaren ambulanten Behandlung sowie das Alter des Klägers einbezogen. Hinsichtlich des Alters hat es zutreffend berücksichtigt, dass dieses einerseits die Genesung, insbesondere die Gewöhnung an die erhaltene, möglicherweise immer noch nicht endgültige Prothese sowie die Anpassung an die hierdurch nicht unbeträchtlich veränderten Lebensumstände erschwert, andererseits auf der Grundlage der durchschnittlichen Lebenserwartung davon auszugehen ist, dass der Kläger nur einen relativ kurzen Abschnitt seines Lebens mit der Behinderung verbringen muss. Soweit die Berufung dennoch beanstandet, dass das Arbeitsgericht die altersbedingten Lebensumstände jedenfalls im Ergebnis nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt habe, geht dieser Angriff fehl. Dem Kläger vermag zwar nur noch ein relativ kurzer Lebensabschnitt verbleiben. Durch die in einem Alter, in welchem sich Arbeitnehmer gewöhnlich bereits im Ruhestand befinden, erlittenen schweren Verletzungen ist es dem Kläger aber praktisch unmöglich gemacht, seinen Ruhestand entsprechend seinen Planungen zu gestalten und zu genießen. Die Anpassung einer Prothese ist bei einem Menschen im Alter des Klägers erfahrungsgemäß mit erheblich größeren Problemen verbunden als bei einem jüngeren Menschen. Gleiches gilt für den insoweit erforderlichen Gewöhnungsprozess, wie die Phantomschmerzen, über die der Kläger klagt, anschaulich belegen sowie für die Anpassung an die hierdurch zwangsläufig veränderten äußeren Lebensumstände. Das Arbeitsgericht hat daher unter weiterer Annahme eines lediglich geringen Verschuldens des Beklagten in dem Alter des Klägers zu Recht keinen Umstand gesehen, der es rechtfertigen könnte, das vom Kläger mindestens geforderte Schmerzensgeld, welches sich gemessen an den für vergleichbare Verletzungen und Verletzungsfolgen zuerkannten Schmerzensgeldern ohnehin im unteren Bereich bewegt, der Höhe nach für nicht mehr angemessen zu erachten. Auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten hat das Arbeitsgericht wegen des Bestehens einer Haftpflichtversicherung zu Recht nicht abgestellt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt auch kein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) des Klägers vor, welches eine Unterschreitung des vom Arbeitsgericht zuerkannten Schmerzensgeldes unter Billigkeitsgesichtspunkten als geboten erscheinen lassen könnte. Zwar ist nach dem Vorbringen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2004 davon auszugehen, dass sich der Kläger durch ein Ducken seines Körpers dem Kontakt mit der Schaufel des Radladers hätte entziehen können, wenn er sich nach dem sich von hinten nähernden, von ihm akustisch wahrgenommenen Radlader umgesehen hätte. Darin, dass der Kläger letzteres unterlassen hat, liegt aber kein bei der Bemessung des Schmerzensgeldes als Bemessungsfaktor ins Gewicht fallendes Verschulden gegen sich selbst. Denn aufgrund der Breite des Fahrwegs von 6 m, der Breite der Schaufel des Radladers von 3,50 m sowie des Umstandes, dass er sich ganz links am Fahrwegsrand fortbewegte, konnte der Kläger ohne weiteres davon ausgehen, dass er durch das von hinten kommende Fahrzeug nicht gefährdet ist. Damit, dass ihn der Beklagte infolge der Stellung der Schaufel nicht sieht, musste der Kläger nämlich nicht rechnen. Dagegen musste sich dem Beklagten die Gefährlichkeit seines Handelns geradezu aufdrängen.

4. Die Berufung des Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

5. Die Zulassung der Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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