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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.03.2000
Aktenzeichen: 5 Sa 79/99
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 284
BGB § 288
BGB § 372
BGB § 378
BGB § 379
BGB § 398
BGB § 614
AGBG § 9
ZPO § 91 Abs. 1
ArbGG § 72 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Sa 79/99

verkündet am 10. März 2000

In Sachen

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 5. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Lemm, den ehrenamtlichen Richter Fuchs und den ehrenamtlichen Richter Rothländer auf die mündliche Verhandlung vom 10.03.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Aalen - vom 1.6.1999 - 8 Ca 154/98 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.304,33 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 1.1.1998 zu bezahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da das Urteil des Landesarbeitsgerichts der Revision nicht unterliegt (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage, mit der der Kläger aus abgetretenem Recht (§ 398 BGB) den pfändbaren Teil des Gehaltsanspruchs von Frau Rentsch gegen ihre Arbeitgeberin, die Beklagte, für den Monat Dezember 1997 in unstreitiger Höhe von DM 1.304,33 geltend macht, zu Unrecht abgewiesen. Hierzu ist im Wesentlichen auszuführen:

1. Der Kläger ist auf Grund der Abtretungserklärung der Frau Rentsch vom 16.03.1988 (Bl. 3 d. Akten 1. Instanz) Gläubiger der streitgegenständlichen Forderung. Denn Frau Rentsch hat mit der von ihr der Beklagten spätestens im Jahre 1989 offen gelegten Abtretungserklärung vom 16.03.1988 durch Vertrag den jeweils pfändbaren Teil ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Gehaltsansprüche gegen ihren jeweiligen Arbeitgeber an den Kläger abgetreten, wodurch der Kläger gemäß § 398 BGB an Stelle von Frau Rentsch zum Gläubiger des pfändbaren Teils von deren gegenwärtigen und zukünftigen Gehaltsansprüchen wurde. Eine solche Abtretung von auch erst künftigen Gehaltsansprüchen ist grundsätzlich zulässig und unterliegt auch unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitserfordernisses keinen Bedenken, wovon auch das Arbeitsgericht erkennbar ausgegangen ist.Hieran ändert sich entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht deshalb etwas, weil die Abtretung "zur Sicherung aller gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche (des Klägers) aus dem Mandatsverhältnis und zur Sicherung aller bestehenden und künftigen - auch bedingten oder befristeten - Ansprüche (des Klägers) aus der Geschäftsverbindung" zwischen diesem und Frau Rentsch erfolgt ist und es sich bei dieser daher um eine Sicherungsabtretung handelt. Denn durch diese Sicherungsabrede wird die Bestimmtheit oder wenigstens Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderung, auf die sich das Rechtsgeschäft nach § 398 BGB allein bezieht, nicht berührt, vielmehr betrifft diese lediglich das Innenverhältnis zwischen dem Zedenten und dem Zessionar (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 58. Aufl., Rdnr. 20 ff. zu § 398). Auch wenn danach im Innenverhältnis der Umfang der Abtretung beschränkt ist, kommt es daher für die Frage der Bestimmtheit der Abtretung im Außenverhältnis, also im Verhältnis zwischen Zessionar und Schuldner, allein auf die abgetretene(n) Forderung(en) an, nicht aber - auch - auf die Forderung(en) und deren Umfang, zu deren Sicherung die Abtretung erfolgt ist, so dass diese ihrerseits nicht ebenfalls bestimmt oder wenigstens bestimmbar sein muss (müssen). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn - was hier nicht zutrifft - der Umfang der Abtretung selbst unmittelbar von der Höhe der Forderung abhängig ist, zu deren Sicherung die Abtretung vorgenommen wird, wie dies z. B. dann der Fall ist, wenn die Abtretung "bis zur Höhe des jeweiligen Schuldsaldos" erfolgt. Denn in einem solchen Falle kann der Umfang der Abtretung nur unter Berücksichtigung auch der zu sichernden Forderung beurteilt werden, was zur Unwirksamkeit der Abtretung mangels hinreichender Bestimmtheit der abgetretenen Forderung führt, wenn auf Grund dessen dem Schuldner nicht erkennbar ist, in welchem Umfange die den Gegenstand der Abtretung bildende Forderung abgetreten ist (so zutreffend BAG AP Nr. 3 zu § 398 BGB).Aus der vom Arbeitsgericht insoweit herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.06.1989 (DB 1989, 2265 = AP Nr. 5 zu § 398 BGB) ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Denn diese Entscheidung hat die Frage zum Gegenstand, welchen Anforderungen Lohnabtretungsklauseln genügen müssen, um der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standzuhalten. Die Voraussetzungen für eine Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG sind vorliegend nämlich nicht gegeben, weil der Kläger seine Gläubigerstellung weder aus von ihm verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen noch aus einer von ihm formularmäßig abverlangten Abtretungserklärung herleitet. Im Übrigen ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Lohnabtretungsklausel unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Sicherungszwecks der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhält, auf deren Inhalt abzustellen, nicht dagegen auf spätere Erklärungen des Zessionars gegenüber dem Schuldner zum Umfang der zu sichernden Forderungen. Die zu sichernden Forderungen sind in der Abtretungserklärung vom 16.03.1988 aber ebenfalls - wovon erkennbar auch das Arbeitsgericht ausgegangen ist - zumindest in genügend bestimmbarer Weise bezeichnet, so dass die Abtretung unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitserfordernisses auch der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhalten würde. Die vom Arbeitsgericht gleichwohl auf Grund der vom Kläger gegenüber der Beklagten am 19.11.1997, mit Schreiben vom 03.12.1997 und 14.07.1998 sowie im Gütetermin am 30.06.1998 gemachten unterschiedlichen Angaben zur Höhe der durch die Gehaltsabtretung gesicherten Forderungen gezogene Schlussfolgerung, die Forderungen des Klägers, wegen derer die Gehaltsabtretung erfolgt sei, genüge dem Bestimmtheitserfordernis nicht, weshalb die Abtretung mangels Bestimmtheit unwirksam sei, wäre daher selbst bei Anwendbarkeit des § 9 AGBG offensichtlich unzutreffend.

2. Sonstige Umstände, aus denen sich die Unwirksamkeit der Abtretung ergeben könnte, sind weder dargetan noch ersichtlich. Insbesondere ist diese nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Der Umstand, dass die Abtretung zeitlich nicht befristet ist, begründet als solcher keinen Sittenverstoß, da zeitlich unbefristete Vorausabtretungen künftiger Gehaltsansprüche grundsätzlich zulässig sind. Nur wenn darüber hinausgehende Umstände hinzutreten, kommt daher eine Unwirksamkeit einer zeitlich unbefristeten Vorausabtretung nach § 138 BGB in Betracht (vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 398 BGB). Hierfür bietet der Sachvortrag der Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere reicht es nicht aus, dass die Abtretung zur Sicherung auch aller künftigen Ansprüche aus der "Geschäftsverbindung" dienen soll. Denn angesichts der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt kann mangels eines substanziierten gegenteiligen Sachvortrags nicht davon ausgegangen werden, dass aus der "Geschäftsverbindung" zukünftig in einem unübersehbaren Umfang Forderungen entstehen. Vielmehr ist deren Umfang durch die berufliche Tätigkeit des Klägers von vornherein sachlich eng begrenzt, so dass auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Abtretung der Sicherung auch aller künftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung dienen soll, nicht ohne weiteres von einer übermäßigen, auch die Belange sonstiger Gläubiger missachtenden Sicherung ausgegangen werden kann. Dies gilt erst recht, wenn entsprechend der Behauptung des Klägers trotz eines rechtskräftigen Titels vom 20.09.1988 über rückständige Honorarforderungen in Höhe von DM 169.174,12 die Abtretung im Innenverhältnis auf den Betrag von DM 80.000,00 der zu sichernden Forderungen beschränkt worden sein sollte.

3. Die streitgegenständliche Forderung ist schließlich auch nicht gemäß § 378 BGB dadurch erfüllt, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Forderungsbetrag im Dezember 1997 oder Anfang Januar 1998 beim Amtsgericht Schwäbisch Gmünd hinterlegt hat. Dabei kann dahinstehen, ob die vom Kläger bestrittene Behauptung der Beklagten, sie habe gegenüber der Hinterlegungsstelle auf ihr Recht zur Rücknahme verzichtet (§ 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB), zutreffend ist. Denn die schuldbefreiende Wirkung nach § 378 BGB setzt ebenso wie das Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners nach § 379 BGB voraus, dass die Hinterlegung nach § 372 BGB rechtmäßig erfolgt ist (vgl. Palandt-Heinrichs a. a. O., Rdnr. 2 zu § 378; Rdnr. 1 zu § 379), was vorliegend zu verneinen ist.Dass sich die Beklagte im Zeitpunkt der Hinterlegung des streitgegenständlichen Forderungsbetrags in einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers befand, hat diese bereits nicht schlüssig dargetan. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung genügt nicht, dass mehrere Forderungsprätendenten auftreten. Vielmehr müssen begründete, objektiv verständliche Zweifel über die Person des Gläubigers vorliegen, die es unter Würdigung aller Umstände für den Schuldner unzumutbar erscheinen lassen, die Zweifel auf eigene Gefahr zu lösen (vgl. Palandt-Heinrichs a. a. O., Rdnr. 6 zu § 372 mit Nachw.). Daher war die Beklagte nicht schon auf Grund der Tatsache, dass im Laufe des Jahres 1997 die im Schreiben des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 19.01.1998 (Bl. 35, 36 d. A. 1. Instanz) im Einzelnen genannten Gläubiger mit den dort bezeichneten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen an sie herangetreten sind, zur Hinterlegung berechtigt. Denn die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse waren sämtlich erst zeitlich nach der Abtretung vom 16.03.1988 erlassen und der Beklagten zudem offensichtlich erst im Laufe des Jahres 1997 zugestellt worden, so dass diese sämtlich wirkungslos waren (vgl. Baumbach-Hartmann, ZPO, 57. Aufl., Rdnr. 45 zu § 829 mit Nachw.), jedenfalls aber nicht vor erfolgter Rückabtretung Wirkung entfalten konnten, was auch der Beklagten, bei der es sich ersichtlich nicht um ein kleines Unternehmen handelt, nicht unbekannt gewesen sein dürfte. Die Beklagte behauptet demgemäß auch nicht, dass sie sich insoweit in einem - nicht auf Fahrlässigkeit - beruhenden Rechtsirrtum befunden hat. Ebenso ist ihr Hinweis darauf, dass einer der anderen Gläubiger die Abtretungserklärung angezweifelt habe, ersichtlich unbehelflich. Denn ein bloßes, nicht näher begründetes Anzweifeln einer Abtretungserklärung ist mangels Substanz per se nicht geeignet, begründete, objektiv verständliche Zweifel an der Rechtswirksamkeit einer Abtretung und damit über die Person des Gläubigers hervorzurufen. Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Hinterlegungsstelle auf Grund der vorstehend erörterten Umstände die Hinterlegung des streitgegenständlichen Betrages "angenommen" hat. Denn andernfalls wären die Voraussetzungen des § 372 BGB immer bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn die Hinterlegungsstelle ein Hinterlegungsverhältnis begründet. Schließlich befand sich die Beklagte auch nicht auf Grund des Umstandes, dass der Kläger ihr gegenüber am 19.11.1997 und mit Schreiben vom 03.12.1997 - die späteren insoweitigen Erklärungen des Klägers scheiden für die Beurteilung der Frage, ob sich die Beklagte im Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Hinterlegung in einem Zustand der Ungewissheit über die Person des Gläubigers befand, von vornherein aus - hinsichtlich der Höhe der gesicherten bzw. zu sichernden Forderungen unterschiedliche Angaben gemacht hat, ohne Fahrlässigkeit im Zweifel über die Person des Gläubigers. Denn durch diesen Umstand wurde offensichtlich lediglich das für den Schuldner unmaßgebliche Innenverhältnis zwischen dem Zedenten und dem Zessionar betroffen, ohne dass hierdurch die Bestimmtheit des abgetretenen Gehaltsanspruchs auch nur ansatzweise in Frage gestellt wurde. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgeht, dass diese gleichwohl auf Grund der Sicherungsabrede der Auffassung hat sein können und dürfen, dass die Wirksamkeit der Abtretung auch von dem Bestand und/oder der Bestimmtheit bzw. der Bestimmbarkeit der zu sichernden Forderung abhängt, hätte sie auf Grund der unterschiedlichen Angaben des Klägers zu deren Höhe nicht ohne weiteres von deren Unbestimmtheit oder deren Nichtbestehen bzw. Erlöschen ausgehen dürfen, da diese Angaben, wie der jeweilige Zusatz "mindestens" verdeutlicht, erkennbar jeweils nur überschlägig ermittelte Forderungsbeträge beinhalteten und in Anbetracht der Höhe des jeweils mitgeteilten Betrages von mindestens DM 300.000,00 bzw. mindestens DM 400.000,00 jedenfalls hinsichtlich des Bestandes der zu sichernden Forderung ernsthafte Zweifel nicht bestehen konnten. Vielmehr hätte die Beklagte dem Kläger zunächst einmal Gelegenheit zur Erstellung einer genauen Forderungsaufstellung geben und sich insbesondere auch bei ihrer Arbeitnehmerin Rentsch nach dem Bestand und der Höhe der von der Sicherungsabrede erfassten Forderungen des Klägers erkundigen müssen, was als geschehen nicht behauptet ist. Eine etwaige, auf die unterschiedlichen Angaben des Klägers zur Höhe der ihm gegen Frau Rentsch zustehenden Forderungen zurückzuführende Ungewissheit der Beklagten auch über die Person des Gläubigers würde daher jedenfalls aus diesem Grunde auf Fahrlässigkeit beruhen. Die Beklagte kann sich demgegenüber zur Rechtfertigung der von ihr vorgenommenen Hinterlegung auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass selbst das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil die Abtretung für unwirksam erachtet hat. Denn das Arbeitsgericht ist zu diesem Ergebnis mit nicht mehr für vertretbar zu erachtender Begründung gelangt, nämlich zum einen unter Heranziehung einer zur im Streitfall nicht anwendbaren Vorschrift des § 9 AGBG ergangenen Entscheidung und zum anderen unter - zudem fehlerhafter - Würdigung von außerhalb der Abtretungserklärung vom 16.03.1988 liegenden und für deren Auslegung grundsätzlich unmaßgeblichen Umständen, nämlich von Äußerungen des Klägers zum für die Wirksamkeit der Abtretung unerheblichen Innenverhältnis, die dieser z. T. sogar erst nach bereits erfolgter Hinterlegung gemacht hat und insoweit der Beklagten im Zeitpunkt der Hinterlegung gar nicht bekannt waren.

4. Auf die Berufung des Klägers war daher unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu erkennen wie geschehen.

5. Die zuerkannten Zinsen beruhen auf §§ 614, 284, 288 BGB, die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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