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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.01.2009
Aktenzeichen: 7 Sa 75/08
Rechtsgebiete: TV-L, ZPO, BGB, ArbGG


Vorschriften:

TV-L § 16
TV-L § 16 Abs. 2
TV-L § 16 Abs. 2 Satz 1
TV-L § 16 Abs. 2 Satz 2
TV-L § 16 Abs. 2 Satz 3
TV-L § 16 Abs. 2 Satz 4
TV-L § 17 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 260
ZPO § 263
ZPO § 264
ZPO § 267
ZPO § 525
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 533
ZPO § 533 Nr. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 311 Abs. 2
BGB § 315 Abs. 3
ArbGG § 64 Abs. 6
Anrechnung der bei einem anderen Arbeitgeber erworbenen Zeiten einschlägiger Berufserfahrung; Gleichheitswidrigkeit der tariflichen Anrechnung im Verhältnis zur Anrechnung von Zeiten beim selben Arbeitgeber; Anrechnungstatbestand zur Deckung des Personalbedarfes; Ermessensanrechnung oder einseitiges Bestimmungsrecht des Arbeitgebers
Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 09.07.2008 - 14 Ca 984/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten über die zutreffende Stufenzuordnung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) und damit über die Höhe des Arbeitsentgelts der Klägerin.

Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf den nicht angegriffenen Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen und verwiesen.

Mit Urteil vom 09.07.2008 hat das Arbeitsgericht den auf Feststellung der Vergütungspflicht der Beklagten ab 18.12.2006 nach Stufe 5, hilfsweise 4, hilfsweise 3 der unstreitigen Entgeltgruppe 13 gerichteten Antrag der Klägerin mangels Anspruchsgrundlage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts unter I Bezug genommen und verwiesen.

Gegen das der Klägerin am 15.09.2008 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts legte die Klägerin mit beim Berufungsgericht am 13.10.2008 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein und führte sie mit beim Landesarbeitsgericht am 17.11.2008 (Montag) eingegangenem Schriftsatz aus.

Sie rügt näher bestimmt fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts insoweit, als sie schon deswegen Anspruch auf Vergütung nach einer höheren als der Stufe 2 der Entgeltgruppe 13 habe, weil die Zeiten ihrer vorherigen beruflichen Tätigkeit "förderlich" im Sinne des § 16 Absatz 2 Satz 4 TV-L seien und das beklagte Land diese Zeiten, hätte es sein ihm nach Auffassung des Arbeitsgerichts zuständiges Ermessen ausgeübt, hätte berücksichtigen müssen. Darüber hinaus lägen Zeiten einschlägiger Berufserfahrung im Sinne des § 16 Absatz 2 Satz 1 TV-L vor, die wegen der Verfassungswidrigkeit des § 16 Absatz 2 Satz 3 TV-L als solche bei der Stufenzuordnung vollständig hätten berücksichtigt werden müssen. Im Übrigen stehe ihr ein Anspruch auf die geltend gemachte höhere Vergütung wegen der Zuordnung zu einer anderen Stufe auch deswegen zu, weil ihr die höhere Vergütung (zwischen EUR 3 668,89 und EUR 3 994,46 brutto) im Zuge des Einstellungsverfahrens ausdrücklich ihr in Aussicht gestellten worden sei.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 07.09.2008 - 14 Ca 894/08 - zu ändern und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit Wirkung vom 18.12.2006 aus Entgeltgruppe 13 Stufe 5, hilfsweise 4, hilfsweise 3 zu vergüten.

Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung seiner erstinstanzlichen Rechtsansicht.

Wegen des zweitinstanzlichen Vortrages der Parteien in seinen Einzelheiten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 16.01.2009 ergänzend Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A

Die statthafte, frist- und formgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die im Wege der eventuellen Klagenhäufung zur Entscheidung gestellten Anträge sind jeweils zulässig. Sie sind jedoch unbegründet, da jeweils eine Anspruchsgrundlage nicht gegeben ist. Die als Klageänderung zu beurteilende nachträgliche objektive Klagenhäufung ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 533 ZPO liegen vor. Eine Anspruchsgrundlage besteht jedoch auch insoweit nicht.

I.

Die Klägerin kann vom beklagten Land ab 18.12.2006 auf der Grundlage des § 16 Absatz 2 TV-L keine höhere Vergütung als nach Stufe 2 beanspruchen. Dafür liegen die Voraussetzungen des § 16 Absatz 2 Satz 4 und § 16 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit Satz 2 TV-L nicht vor.

1. Der eventual-kumulierte Klageantrag ist zulässig. Er ist als so genannter Eingruppierungsfeststellungsantrag im öffentlichen Dienst nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bedenkenfrei zulässig (zum Beispiel Urteil vom 06.06.2007 - 4 AZR 456/06 - ZTR 2008, 156 ff., zu I der Gründe = Randnummer 12 mit weiteren Nachweisen). Gegen seine Zulässigkeit bestehen auch insoweit keine Bedenken, als er eine Stufenzuordnung zum Gegenstand hat (BAG, Urteil vom 26.06.2008 - 6 AZR 498/07 - ZTR 2008, 547 f., zu I der Gründe = Randnummer 14).

2. Eine Anspruchsgrundlage für eine Stufenzuordnung höher als Stufe 2 ab 18.12.2006 besteht nicht. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet sowohl auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit als auch auf Grund der Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages vom 18.12.2006 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006 Anwendung. Das steht auf Grund des schlüssigen und zwischen den Parteien unstreitigen Vortrages der Klägerin fest.

b) § 16 TV-L hat, soweit vorliegend von Interesse, folgenden Wortlaut:

"(1) Stufen der Entgelttabelle 1 Die Entgeltgruppen 9 bis 15 umfassen fünf Stufen und die Entgeltgruppen 2 bis 8 sechs Stufen.

2 Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 geregelt.

(2) 1 Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. 2 Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. 3 Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, bzw. - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3. 4 Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.

Protokollerklärungen zu § 16 Absatz 2:

1. Einschlägige Berufserfahrung ist eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogenen entsprechenden Tätigkeit.

2. Ein Berufspraktikum nach dem Tarifvertrag über die vorläufige Weitergeltung der Regelungen für die Praktikantinnen/Praktikanten gilt grundsätzlich als Erwerb einschlägiger Berufserfahrung.

3. Ein vorheriges Arbeitsverhältnis im Sinne des Satzes 2 besteht, wenn zwischen dem Ende des vorherigen und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von längstens sechs Monaten liegt; bei Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern ab der Entgeltgruppe 13 verlängert sich der Zeitraum auf längstens 12 Monate.

(3)

1 Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe

- von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Absatz 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit); - Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,

- Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

- Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,

- Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und

- Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5 bei den Entgeltgruppen 2 bis 8. 2 Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 16 geregelt. ...

(5) 1 Zur regionalen Differenzierung, zur Deckung des Personalbedarfs, zur Bindung von qualifizierten Fachkräften oder zum Ausgleich höherer Lebenshaltungskosten kann Beschäftigten abweichend von der tarifvertraglichen Einstufung ein bis zu zwei Stufen höheres Entgelt ganz oder teilweise vorweg gewährt werden. 2 Beschäftigte mit einem Entgelt der Endstufe können bis zu 20 v. H. der Stufe 2 zusätzlich erhalten. 3 Die Zulage kann befristet werden. 4 Sie ist auch als befristete Zulage widerruflich."

c) Die vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen liegen nicht vor.

(1) § 16 Absatz 2 Satz 2 TV-L ist nicht einschlägig, da die Klägerin nicht bereits zuvor beim beklagten Land beschäftigt war ("zum selben Arbeitgeber").

(2) Auch aus Satz 3 des § 16 Absatz 2 TV-L ergibt sich für die Klägerin keine höhere Stufenzuordnung ab 18.12.2006. Das beklagte Land hat die Klägerin rückwirkend ab 18.12.2006 der Stufe 2 zugeordnet und dementsprechend auch vergütet. Das haben die Parteien übereinstimmend in der Berufungsverhandlung erklärt. Eine höhere Stufenzuordnung lässt § 16 Absatz 2 Satz 3 TV-L für Einstellungen bis zum 31.01.2010 nicht zu.

(3) Mit dem Arbeitsgericht ist auch davon auszugehen, dass unbeschadet der Rechtsfolge § 16 Absatz 2 Satz 3 TV-L im Verhältnis zu § 16 Absatz 2 Satz 2 TV-L insoweit nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 GG verstößt, als zuvor erworbene Zeiten einschlägiger Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber anders als nach Satz 3 vollständig auf die Stufenzuordnung angerechnet werden.

(a) Die Tarifvertragsparteien haben bei der tariflichen Normsetzung den Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 GG zu beachten (BAG, Urteil vom 29.01.2008 - 3 AZR 214/06 - ZTR 2008, 377 bis 379, zu B I 1 b aa der Gründe = Randnummer 25). Die durch Artikel 9 Absatz 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und die sich daraus ergebende Tarifautonomie werden durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt (BVerfG, Beschluss vom 27.04.1999 - 1 BvR 2203/93 - NJW 1999, 3033 ff., zu B II 1 c aa der Gründe = Randnummer 53). Kollidierende, verfassungsrechtlich begründete Positionen können sich insbesondere aus den Grundrechten der normunterworfenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben. Das Grundrecht des Artikels 9 Absatz 3 GG und die Grundrechte der vom Tarifvertrag erfassten Personen begrenzen sich wechselseitig. Die Abwägung ist ein Problem der so genannten praktischen Grundrechtskonkurrenz (BAG, Urteil vom 29.01.2008 - 3 AZR 214/06 - a. a. O., zu B I 1 b aa der Gründe = Randnummer 25). Den Tarifvertragsparteien steht dabei allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt vielmehr, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 28.01.2003 - 1 BvR 487/01 - NJW 2003, 737 ff., zu B I der Gründe = Randnummer 25). Es muss mit anderen Worten ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Differenzierung fehlen, es sich also um eine Regelung handeln, die unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheint, so dass die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident ist (BAG, Urteil vom 30.10.2008 - 6 AZR 682/07 - EzA-SD 2008, Nr. 23,10 bis 11, zu II 2 c aa der Gründe = Randnummer 21).

(b) Hieran gemessen verstößt die tarifvertragliche Regelung nicht gegen Artikel 3 Absatz 1 GG. Die unterschiedliche Behandlung der Anrechnung der Zeiten einschlägiger Berufserfahrung nach den Sätzen 2 und 3 des § 16 Absatz 2 TV-L ist sachlich motiviert und damit willkürfrei. Nach Satz 2 des § 16 Absatz 2 TV-L soll sich ersichtlich die berufliche und finanzielle Stellung des Arbeitnehmers durch das Erfordernis eines neuen Vertragsschlusses mit dem früheren Arbeitgeber, sofern eine zeitliche Verklammerung vorliegt (siehe Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Absatz 2 TV-L), nicht verschlechtern. Demgegenüber wird in Satz 3 des § 16 Absatz 2 TV-L berücksichtigt, dass einschlägige berufliche Erfahrungen bei einem anderen Arbeitgeber zwar nützlich und förderlich sein können, dass aber die spezifischen Kenntnisse der Betriebsabläufe und der organisatorischen Strukturen und Bedingungen typischerweise nicht vorhanden sind (siehe auch LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.12.2008 - 3 Sa 17/08 - zu 2 der Gründe). Im Rahmen des den Tarifvertragsparteien zustehenden weiten normativen Gestaltungsspielraumes kommt es nicht darauf an, dass sie jeder von dem konkreten Tarifvertrag erfassten Berufsgruppe, geschweige denn jedem Einzelfall gerecht werden, sondern dass sie aus typischen Geschehensabläufen ihre innere Rechtfertigung beziehen. Insofern besteht diesbezüglich ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Regelungsbedürftigkeit des Sachverhaltes wie auch ein Handlungsermessen bezüglich der konkret zu treffenden Maßnahme seitens der Tarifvertragsparteien.

(4) Auch aus § 16 Absatz 2 Satz 4 TV-L erwächst der Klägerin kein Anspruch. Zwar sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben; jedoch steht das Ob und Wie der Anrechnung erforderlicher Vorbeschäftigungszeiten im freien Ermessen des beklagten Landes. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm.

(a) Der Tatbestand des § 16 Absatz 2 Satz 4 TV-L ist gegeben.

(aa) Die Klägerin wurde vom beklagten Land neu eingestellt. Sie war zuvor beim I. B. - zuletzt als Schulleiterin - beschäftigt. Aufgrund des mit dem beklagten Land abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 18.12.2006 ist sie mit Wirkung vom selben Tag auf unbestimmte Zeit mit vollem Unterrichtsauftrag und Entgelt nach Entgeltgruppe 13 TV-L an der Gewerblichen Schule im H. in S. eingestellt worden.

(bb) Die Neueinstellung der Klägerin erfolgte auch zur Deckung des Personalbedarfes.

(aaa) Das Erfordernis der zur Deckung des Personalbedarfes motivierten Neueinstellung ist nicht bereits schon dann erfüllt, wenn es lediglich um die Besetzung freier im Haushaltsplan ausgewiesener Stellen geht. Vielmehr setzt dieses Tatbestandsmerkmal Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung voraus. Der Personalbedarf muss andernfalls quantitativ oder qualitativ nicht hinreichend abgedeckt werden können (vergleiche BAG, Urteil vom 26.06.2008 - 6 AZR 498/07 - ZTR 2008, 547 f., zu II 3 c cc (3) der Gründe = Randnummer 29; Breier/Dassau/Kiefer/ Thivessen, TV-L, Stand 3/2008, § 16 Randnummer 22). Mit der Regelung soll erreicht werden, etwaigen Personalgewinnungsschwierigkeiten flexibel zu begegnen. Derartige Schwierigkeiten können arbeitsmarktbedingt in bestimmten Tätigkeitsbereichen oder Fachrichtungen, aber auch bei örtlich besonders schwieriger Bewerberlage für bestimmte Aufgaben auftreten (vergleiche Durchführungshinweise des Finanzministeriums des beklagten Landes zum TV-L unter Nr. 16.2.6).

(bbb) Nach diesen Grundsätzen erfolgte die Neueinstellung der Klägerin entgegen der Ansicht des beklagten Landes zur Deckung des Personalbedarfes. Die Neueinstellung der Klägerin erfolgte, weil andernfalls sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht der durch den plötzlichen Tod des vollzeitbeschäftigten Lehrers M. M. im Oktober 2006 an der Gewerblichen Schule im H. entstandene Personalbedarf nicht hätte gedeckt werden können. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin standen weder gymnasiale Bewerber noch qualitativ geeignete, auf der Realschulliste stehende Lehrkräfte zur Verfügung. Der Schulleiter der Gewerblichen Schule im H. führte in seinem Schreiben vom 23.04.2007 (Blatt 14 der ArbG-Akte) insoweit aus, der ausfallende Unterricht könne nicht mehr durch Mehrarbeitsunterrichtsstunden aufgefangen werden. Um die Unterrichtsversorgung sicher zu stellen, sei die rasche Neueinstellung einer Lehrkraft dringend geboten. Die Dringlichkeit der durch Neueinstellung zu deckenden Unterrichtsversorgung kommt auch sowohl durch das Absehen eines Ausschreibungsverfahrens als auch durch die der Klägerin auferlegten Verpflichtung zum Ausdruck, drei Jahre an der Gewerblichen Schule im H. bleiben zu müssen. Hinzu kommt, dass die Klägerin ihr bis dahin bestehendes Arbeitsverhältnis als Schulleiterin erst nach einem vom beklagten Land ermöglichten Gehaltsvergleich gekündigt hat. Insoweit behauptet die Klägerin, Herr R. vom Regierungspräsidium S. habe ihr eine Vergütung zwischen EUR 3 668,89 brutto und EUR 3 994,96 brutto zugesagt, was sie dann veranlasst habe, ihr bestehendes Arbeitsverhältnis zu kündigen.

(cc) Die vorherige berufliche Tätigkeit der Klägerin ist auch förderlich für ihre Tätigkeit an der Gewerblichen Schule im H. in S.. Ihre jetzige Tätigkeit an der beruflichen Schule deckt sich weitgehend mit ihrer unter anderem beim I. B. langjährig ausgeübten Tätigkeit mit Auszubildenden. Das ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Das beklagte Land hat die Vorbeschäftigung der Klägerin sogar als einschlägige Berufserfahrung im Sinne der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 16 Absatz 2 TV-L bewertet (vergleiche Schreiben vom 07.03.2007 = Blatt 11 der ArbG-Akte).

(b) Entgegen der Ansicht der Klägerin steht ihr gleichwohl kein Anspruch ab 18.12.2006 auf eine höhere Stufenzuordnung als Stufe 2 zu. Das Ob und Wie einer Anrechnung nach § 16 Absatz 2 Satz 4 TV-L steht im freien Ermessen des beklagten Landes. Insoweit handelt es sich um ein einseitiges Bestimmungsrecht, das nicht dem Prüfungsmaßstab des billigen Ermessens unterfällt. Das ergibt die Auslegung der Tarifregelung. Eine Selbstbindung des beklagten Landes im Lichte des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes hat die Klägerin nicht aufgezeigt.

(aa) Die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages erfolgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder die praktische Tarifübung ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG, Urteil vom 30.05.2001 - 4 AZR 269/00 - AP Nr. 4 zu § 23b BAT, zu B I 1 d aa der Gründe = Randnummer 28).

(bb) Danach steht dem beklagten Land hinsichtlich des Ob und Wie der Anrechnung ein freies Bestimmungsrecht zu.

Dafür spricht bereits der Wortlaut. § 16 Absatz 2 Satz 4 TV-L räumt dem beklagten Land auf der Rechtsfolgenseite ein "Kann" ein. Insofern steht dem Arbeitgeber ein echter Ermessensspielraum zu (BVerwG, Beschluss vom 27.08.2008 - 6 P 11/07 - ZTR 2008, 689 ff., zu II 3 c der Gründe = Randnummer 32; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 07/05.2008 - 2 Sa 296/07 - ZTR 2008, 379, zu 2 der Gründe = Randnummer 27).

Auch der Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung spricht für ein einseitiges Bestimmungsrecht des beklagten Landes. Die Regelung soll es den Dienststellen erleichtern, etwaigen Personalgewinnungsschwierigkeiten flexibel zu begegnen (vergleiche Durchführungshinweise des Finanzministeriums Baden-Württemberg zum TV-L zu 16.2.6). Damit wird allein im Interesse des Arbeitgebers ein Personalsteuerungselement zur Verfügung gestellt, um beispielsweise auf eine arbeitsmarktbedingte schwierige Bewerberlage mit Anreizen personelle Deckungslücken kompensieren zu können. Interessen der Bewerber sind insoweit nicht zu erkennen.

Aber auch die Systematik des § 16 Absatz 2 auch im Lichte des Absatzes 5 rechtfertigen diesen Befund. Nach dem Ausgangstatbestand des § 16 Absatz 2 Satz 1 TV-L werden eingestellte Beschäftigte grundsätzlich der Stufe 1 zugeordnet. Sofern diese Beschäftigten jedoch über einschlägige Berufserfahrung verfügen, werden diese Zeiten differenziert nach den Tatbeständen der Sätze 2 und 3 im Rahmen einer gebundenen Entscheidung angerechnet. Unabhängig von diesen anspruchsbegründenden und damit nicht der freien Disposition des Arbeitgebers unterliegenden Anrechnungstatbeständen sieht Satz 4 des Absatzes 2, aber auch Absatz 5 des § 16 TV-L zur Personaldeckung in enumerativ aufgelisteten Ausnahmefällen allein im öffentlichen Interesse, nämlich zum Beispiel zur Sicherung des Funktionierens des Schulwesens, liegende Steuerungselemente vor. Insoweit handelt es sich ausschließlich um im Interesse der Allgemeinheit liegende Ausnahmetatbestände. Aufgrund der freien Entscheidungsbefugnis des beklagten Landes, dementsprechend steht dem Gericht keine ersetzende Entscheidungsbefugnis zu (vergleiche BAG, Urteil vom 02.07.2008 - 4 AZR 246/07 - NZA 2008, 1432, zu II 3 b cc (2) (b) der Gründe = Randnummer 29), findet auch unter dem Prüfungsmaßstab des billigen Ermessens nach § 315 Absatz 3 BGB keine Ergebniskontrolle statt. Etwas anderes kann sich nur im Anwendungsbereich der Selbstbindung des Arbeitgebers im Lichte des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes ergeben. Die Klägerin hat jedoch keine Praxis des beklagten Landes aufgezeigt, die eine gleichbehandlungsbegründende Selbstbindung zur Folge hätte. Die insoweit fehlende Darlegung der Klägerin bezieht sich sowohl auf das Ob als auch auf das Wie der von ihr begehrten Anrechnung ab dem 18.12.2006. Eine Anrechnung ab einem späteren Zeitpunkt entspricht weder dem Begehren der Klägerin noch ist es von Rechts wegen möglich, da der Tatbestand des § 16 Absatz 2 Satz 4 TV-L für die Anrechnung auf eine Neueinstellung abstellt.

II.

Soweit die Klägerin erstmals zweitinstanzlich zur Rechtfertigung ihres Begehrens auch auf die Gesichtspunkte Schadensersatz und Zusage in Bezug auf das persönliche Gespräch mit Herrn R. vom 06.12.2006 abstellt, ist die nachträgliche objektive Klagenhäufung als Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO zwar zulässig, aber in der Sache unbegründet. Eine Anspruchsgrundlage besteht nicht.

1. Die Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO in Verbindung mit § 64 Absatz 6 ArbGG in Bezug auf den erstmals zweitinstanzlich zur Entscheidung gestellten, denklogisch als Hilfsantrag zu bewertenden Antrag ist zulässig.

a) Die Klägerin disponiert darüber, welche Anträge sie zur Entscheidung stellt (§ 308 Absatz 1 Satz 1 ZPO). Wird in der Berufungsinstanz ein neuer Antrag im Sinne des § 253 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 2 ZPO in den Prozess eingeführt, liegt darin eine nachträgliche objektive Klagenhäufung gemäß § 64 Absatz 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 525, 260 ZPO, die eine Klageänderung darstellt bzw. entsprechend zu behandeln ist (BAG, Urteil vom 06.12.2001 - 2 AZR 733/00 - AP Nr. 3 zu § 263 ZPO, zu B I 1 der Gründe; Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage, § 263 Randnummer 2 mit zahlreichen Nachweisen). Da nach § 64 Absatz 6 ArbGG in Verbindung mit § 525 ZPO auf das Berufungsverfahren auch die im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind, ist der als Klageänderung zu bewertende neue Hilfsantrag unter den Voraussetzungen der speziellen Regelung des § 533 ZPO für das Berufungsverfahren in Verbindung mit den §§ 263, 264, 267 ZPO zulässig (vergleiche dazu grundlegend BGH, Urteil vom 17.01.1951 - II ZR 16/50 - BGHZ 1, 65 f., zu III und IV der Gründe). Danach genügt subjektiv die rügelose Einlassung im Sinne von § 267 ZPO und objektiv jedenfalls die Identität des Streitstoffes (zum Beispiel Baumann/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, § 533 Randnummer 11; MüKo/Rimmelspacher, ZPO, 2./3. Auflage 1999 f./2006, 533 ZPO Randnummer 14; kritisch dazu Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 7. Auflage, Randnummer 482).

b) Danach liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 533 ZPO vor.

aa) Der Hilfsantrag der Klägerin ist ein selbstständiger prozessualer Anspruch (Streitgegenstand). Nach dem herrschenden so genannten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff, der aus einem bestimmten Antrag und einem entsprechend zugeschnittenen Lebenssachverhalt besteht, handelt es sich im Verhältnis zum auf Stufenzuordnung aufgrund tariflicher Vorschriften gerichteten Antrag um ein eigenständiges prozessuales Begehren. Dem Hauptbegehren liegt die Tarifautomatik als Begründung zu Grunde. Demgegenüber stützt die Klägerin ihr weiteres (Hilfs-)Begehren auf die Aussage eines Mitarbeiters des Regierungspräsidiums und damit des beklagten Landes aus Anlass eines persönlichen Gespräches vom 06.12.2006.

bb) Insoweit handelt es sich auch um eine nachträgliche objektive Klagenhäufung. Der Hilfsantrag ist nämlich erst zweitinstanzlich von der Klägerin angebracht worden. Zwar hat die Klägerin erstinstanzlich ausschließlich in ihrer Klageschrift vom 04.02.2008 ihr persönliches Gespräch mit Herrn R. vom 06.12.2006 wiedergegeben, jedoch hat sie mit keinem Wort den von der Tarifautomatik zu unterscheidenden und abzugrenzenden selbstständigen Lebenssachverhalt zum Anlass genommen, irgendeine Rechtsfolge daran zu knüpfen. Dementsprechend hat auch das Arbeitsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Klägerin diesbezüglich keinen Schadensersatzanspruch geltend gemacht hat (vergleiche I 3 der Entscheidungsgründe). Erstmals zweitinstanzlich - wohl den Gedanken des Arbeitsgerichts aufnehmend - stellt die Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift ausdrücklich auch auf diesen Sachverhalt ab und begehrt insoweit unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes, alternativ Zusage, gleichfalls die mit ihrem Hauptantrag verfolgte Stufenzuordnung.

cc) Für den sonach als Klageänderung zu behandelnden Hilfsantrag liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 533 Nr. 2 ZPO vor.

(1) Eine Einwilligung des beklagten Landes im Sinne des § 267 ZPO ist gegeben. Es hat sich in der mündlichen Verhandlung auf das Vorbringen der Klägerin in ihrem Berufungsbegründungsschriftsatz eingelassen, obgleich der Vorsitzende in der Berufungsverhandlung den Gesichtspunkt der nachträglichen objektiven Klagenhäufung mit den Parteien erörtert hat.

(2) Die Identität des Streitstoffes im Sinne des § 533 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit § 529 Absatz 1 ZPO ist gegeben. Neue Tatsachen hat die Klägerin zweitinstanzlich für ihr nunmehr zur Entscheidung gestelltes Hilfsbegehren nicht vorgebracht. Die zur Rechtfertigung des Hilfsbegehrens zu Grunde gelegten Tatsachen sind Gegenstand der tatbestandlichen Feststellungen im Urteil des Arbeitsgerichts.

2. Eine Anspruchsgrundlage für das Hilfsbegehren besteht nicht.

a) Der Klägerin steht gegen das beklagte Land kein auf die begehrte Stufenzuordnung gerichteter Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung im vorvertraglichen Schuldverhältnis nach §§ 280 Absatz 1, 311 Absatz 2 BGB zu. Insoweit kann es unentschieden bleiben, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine dem beklagten Land zurechenbare rechtswidrige und schuldhafte Pflichtverletzung vorliegen; denn die Rechtsfolge ist auf die Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn die - hier - angenommene Schutzpflichtverletzung durch Herrn R. nicht erfolgt wäre (negatives Interesse). Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin (vergleiche Klageschrift vom 04.02.2008, Seite 3 = Blatt 3 der ArbG-Akte) hätte sie nämlich dann ihr damals noch bestehendes Arbeitsverhältnis nicht gekündigt. Bereits ohne den ihr von Herrn R. eröffneten Gehaltsvergleich hätte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis als Schulleiterin nicht gekündigt, erst Recht nicht, hätte Herr R. den Entgeltrahmen nicht mitgeteilt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin den Arbeitsvertrag mit dem beklagten Land ohne die angenommene Pflichtverletzung abgeschlossen hätte (Ersatz des Erfüllungsinteresses, positives Interesse).

b) Auch unter dem Gesichtspunkt einer Zusage ergibt sich die von der Klägerin begehrte Stufenzuordnung nicht. Insoweit kann es ebenfalls dahingestellt bleiben, ob ein dem beklagten Land zuzurechnender Verpflichtungstatbestand gegeben ist; denn als Rechtsfolge kann sich aus dem Vorbringen der Klägerin allenfalls ein Differenzbruttobetrag ergeben. Einen solchen hat jedoch die Klägerin nicht geltend gemacht. Der Vorsitzende hat in der Berufungsverhandlung die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich aus der mitgeteilten Entgeltspanne keine Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin in eine bestimmte Stufe entnehmen lässt.

B

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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