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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.03.2002
Aktenzeichen: 8 Sa 21/01
Rechtsgebiete: BAT, BGB, ArbZG, DRK-TV, ArbGG


Vorschriften:

BAT § 70
BGB § 612 Abs. 2
ArbZG § 2
ArbZG § 3 Abs. 1
ArbZG § 5 Abs. 3
ArbZG § 7 Abs. 2
DRK-TV § 14 Abs. 1
DRK-TV § 14 Abs. 2
DRK-TV § 14 Abs. 2 b
DRK-TV § 14 Abs. 2 a
DRK-TV § 18 Abs. 2
DRK-TV § 38 a Abs. 1
DRK-TV § 65 Abs. 2
ArbGG § 64 Abs. 2 b
ArbGG § 72 Abs. 2 Ziff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
8 Sa 21/01

verkündet am 19. März 2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 8. Kammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgerichts Kaiser, den ehrenamtlichen Richter Czakaj und den ehrenamtlichen Richter Homann auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.2002 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 14.07.2000, Az. 2 Ca 221/99, teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers auf 49 Stunden unwirksam ist.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 12.119,33 (DM 23.703,35) brutto nebst jeweils 4 % Zinsen aus € 10.420,78 seit 20.08.1999, aus € 22,72 seit 15.06.2000 und aus € 1.675,82 seit 28.05.2001 zu bezahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.

3. Von den Kosten erster Instanz trägt der Kläger 1/3, der Beklagte 2/3, von den Kosten der Berufung trägt der Kläger 3/5, der Beklagte 2/5.

4. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Klägers auf Überstundenvergütung und Wechselschichtzulage sowie über die Zulässigkeit der Erhöhung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit des Klägers.

Der Kläger ist seit 1962 als Rettungsassistent beim Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag (West) über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes vom 31. Januar 1984 (TV-DRK) Anwendung. Dieser regelt in

§ 14 Regelmäßige Arbeitszeit

1. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 39 Stunden (ab 1.4.1990: 38,5 Stunden) wöchentlich. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist in der Regel ein Zeitraum von 26 Wochen zu Grunde zu legen. Bei Mitarbeitern, die ständig Wechselschicht oder Schichtarbeit zu leisten haben kann ein längerer Zeitraum zu Grunde gelegt werden.

2. Die regelmäßige Arbeitszeit kann verlängert werden

a) bis zu 10 Stunden täglich (durchschnittlich 49 Stunden wöchentlich) wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens 2 Stunden täglich fällt.

b) bis zu 11 Stunden täglich (durchschnittlich 54 Stunden wöchentlich) wenn in sie regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens 3 Stunden täglich fällt,

c) bis zu 12 Stunden täglich (durchschnittlich 60 Stunden wöchentlich) wenn der Mitarbeiter lediglich an der Arbeitsstelle anwesend sein muss, um im Bedarfsfall vorkommende Arbeiten zu verrichten.

Sonderregelungen für das Personal in Rettungsdiensten und Krankentransport (Anlage 2), Protokollnotiz:

Die Möglichkeit zur Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 14 Abs. 2 DRK-TV wird wie folgt eingeschränkt: ...

Ab 1 Januar 1993:

§ 14 Abs. 2 a: von 47 Stunden/Woche auf 45 Stunden/Woche § 14 Abs. 2 b: von 51 Stunden/Woche auf 49 Stunden/Woche § 14 Abs. 2 c: von 56,5 Stunden/Woche auf 44 Stunden/Woche.

§ 38 a Wechsel- und Schichtzulagen

1. Der Mitarbeiter, der ständig nach einem Schichtplan (Dienstplan) eingesetzt ist, der einen regelmäßigen Wechsel der täglich Arbeitszeit in Wechselschichten (§ 17 Abs. 6 unter Absatz 2) vorsieht und der dabei in je 5 Wochen durchschnittlich mindestens 40 Arbeitsstunden in der dienstplanmäßigen oder betriebsüblichen Nachtschicht leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 200,00 DM monatlich. ...

3. Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für

a) Pförtner und Wächter.

b) Angestellte in deren regelmäßige Arbeitszeit regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens 3 Stunden täglich fällt.

§ 65 Ausschlussfristen

.......

2. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden anderenfalls verfallen sie. Dies gilt auch für Ansprüche des DRK gegenüber dem Mitarbeiter.

Zum 01.04.1997 erhöhte der Beklagte die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers gemäß § 14 Abs. 2 b DRK-TV auf 49 Stunden pro Woche. Der Beklagte ging dabei - gestützt auf ein von den Krankenkassen in Auftrag gegebenes Gutachten der Firma F. Dr. S. GmbH vom 16.12.1996 (Blatt 30 ff. der Akte) davon aus, dass die durchschnittliche Arbeitsbereitschaft des Klägers mehr als 3 Stunden betrage, weshalb auch die Wechselschichtzulage entfalle. Mit den Blatt 124 und Blatt 125 der Akte bildenden Schreiben hat der Kläger die Berechtigung des Beklagten zur Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit bestritten und "alle über 38,5 Stunden durchschnittlich wöchentlich hinausgehenden Arbeitsstunden als Überstunden" sowie seine Wechselschichtzulage geltend gemacht.

Der Kläger bestreitet den Umfang der vom Beklagten angenommenen Arbeitsbereitschaft. Das Gutachten der Firma F. sei methodisch angreifbar und hinsichtlich der konkreten Arbeitszeiten des einzelnen Mitarbeiters, insbesondere aber des Klägers, nicht aussagekräftig. Für das Vorliegen von Arbeitsbereitschaft sei die Beklagte individuell beweispflichtig. Ihm stehe deshalb Überstundenvergütung für die über 38,5 Wochenstunden hinausgehenden Arbeitsstunden zu wie auch die tarifvertragliche Wechselschichtzulage. Der Kläger hat daher in erster Instanz die Beklagte zur Zahlung von 28.193,95 DM brutto Überstundenvergütung sowie 5.200,00 DM brutto Wechselschichtzulage für den Zeitraum 01.04.97 - 31.05.99, jeweils nebst Zinsen beantragt und die Feststellung begehrt, dass die Anordnung der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers auf 49 Stunden unwirksam sei.

Der Beklagte verteidigt das Gutachten der Firma F. und behauptet, auch aus den Arbeitszeitnachweisen des Klägers vom 05.01.1998 bis 09.06.1998 (Blatt 38 ff. der Akte) ergebe sich eine Arbeitsbereitschaft von 3,66 Stunden. Der Kläger habe seine Zahlungsansprüche im Übrigen nicht fristgerecht geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 14.07.2000 verkündeten Urteil der Zahlungsklage in Höhe von 25.593,96 DM (Überstundenvergütung) sowie weiterer 5.200,00 DM (Wechselschichtzulage) und der Feststellungsklage stattgegeben. Der Beklagte habe es versäumt, im Einzelnen vorzutragen, dass beim Kläger Arbeitsbereitschaft von mehr als 3 Stunden täglich vorliege. Die Bezugnahme auf das Gutachten der Firma F. genüge nicht. Die über 38,5 Stunden hinaus geleisteten dienstplanmäßig angeordneten Stunden seien deshalb als Überstunden mit dem tarifvertraglichen Überstundensatz zu vergüten. Aus den Darlegungen des Klägers ergebe sich für das Jahr 1999 allerdings lediglich ein Betrag von 11.232,06 DM (394,8 x 28,45). Die Wechselschichtzulage stehe dem Kläger zu.

Das Urteil ist dem Beklagten am 21.07.2000 zugestellt worden. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 21.08.2000 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und innerhalb der bis 23.10.2000 verlängerten Begründungsfrist am 23.10.2000 ausgeführten Berufung. Er bezieht sich zunächst auf sein Vorbringen erster Instanz und beanstandet das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit, als es pauschal 10,5 Überstunden pro Woche zu Grunde gelegt habe. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass er im streitgegenständlichen Zeitraum im Durchschnitt exakt 49 Stunden gearbeitet habe. Unter Zugrundelegung der (von ihm bestrittenen) Aufzeichnungen des Klägers sei jedenfalls eine durchschnittliche tägliche Arbeitsbereitschaft von 2 Stunden 50 Minuten angefallen, so dass eine Arbeitsverlängerung nach § 14 Abs. 2 a DRK-TV möglich gewesen wäre. Der Beklagte habe das F.-Gutachten nicht lediglich in Bezug genommen. Weiter rügt der Beklagte die Berücksichtigung der Umkleidezeit des Klägers als Arbeitszeit, die Nichtberücksichtigung von Pausen und die fehlende Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankheitszeiten. Der Beklagte meint, die Geltendmachungsschreiben des Klägers genügten den Voraussetzungen des § 65 Abs. 2 TV-DRK nicht.

Er beantragt,

Das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 14.07.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

1. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers auf 49 Stunden unwirksam ist.

hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Anordnung der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit über 38,5 Stunden über den Termin der letzten mündlichen Verhandlung hinaus, unwirksam ist.

hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Anordnung der regelmäßigen, durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit über 42,5 Stunden über den Termin der letzten mündlichen Verhandlung hinaus, unwirksam ist.

hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Anordnung der regelmäßigen, durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit über 45 Stunden über den Termin der letzten mündlichen Verhandlung hinaus, unwirksam ist.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 29.150,60 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Er verfolgt nun noch seine Überstunden- und Wechselschichtansprüche bis Dezember 2000. Aus der vorgelegten Kalenderwochenübersicht (Blatt 204 ff. der Akte) ergebe sich bei einer Saldierung der Wochenarbeitszeiten eine Differenz von mindestens 1666,27 Stunden, weshalb sich folgende Überstundenvergütungen ergeben:

01.04. - 31.12.1997: 347,5 Stunden x 28,03 DM: 9.740,42 DM 01.01. - 31.12.1998: 532,66 Stunden x 28,45 DM: 15.154,17 DM 01.01. - 31.12.1999: 481,8 Stunden x 39,33 DM: 14.131,19 DM 01.01. - 31.07.2000: 106,16 Stunden x 29,33 DM: 3.113,67 DM 01.08. - 31.12.2000: 197,4 Stunden x 29,91 DM: 5.904,23 DM.

Hinzu komme Wechselschichtzulage für 44 Monate seit 01.05.1997 à 200,00 DM insgesamt 8.800,00 DM.

Der Beklagte beantragt die erweiterte Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 14.07.2000 sowie die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und auch in gehöriger Form und Frist eingelegt und ausgeführt und damit insgesamt zulässig; sie ist aber nur teilweise begründet. Auch die im Wege der Anschlussberufung verfolgte Klageerweiterung ist zulässig, insbesondere sachdienlich (§§ 522 a, 523, 263 ZPO) aber nur teilweise begründet.

1. Feststellungsantrag

Der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig und begründet. Die Anordnung einer über 48 Stunden wöchentlich hinausgehenden Arbeitszeit verstößt gegen Artikel 6 der Richtlinie des Rates der Europäischen Union Nr. 93/104 vom 23.11.1993 sowie das Arbeitszeitgesetz. Zwar verpflichten die Richtlinien nach Artikel 189 Abs. 3 EWG-Vertrag grundsätzlich nur die Mitgliedsstaaten, die im Einzelfall dafür sorgen müssen, diese innerstaatlich umzusetzen und insbesondere auch richtlinienwidrige Bestimmungen aus Tarifverträgen entfernen zu lassen oder sie jedenfalls für nichtig zu erklären (Däubler, Tarifvertragsrecht, 2 EG- Recht Randziffer 507; Kempen/Zachert, TVG, Randziffer 242). Darüber hinaus sind die staatlichen Gerichte verpflichtet, Normen richtlinienkonform auszulegen, d.h. so, dass die EG rechtlich geforderte Rechtslage herbeigeführt wird. Vorliegend ergibt sich, dass das Arbeitszeitgesetz durch eine richtlinienkonforme Auslegung zu korrigieren ist: § 2 ArbZG definiert die Arbeitszeit lediglich dahin, dass sie die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen sei. Eine Definition des Bereitschaftsdienstes enthält das Arbeitszeitgesetz nicht. Nach der bisherigen allgemeinen Meinung ist Bereitschaftsdienst (Aufenthalt des Arbeitnehmers an einer vom Arbeitgeber angeordneten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes ohne dass von ihm wache Achtsamkeit gefordert wird um im Bedarfsfall die volle Arbeitsleistung unverzüglich aufzunehmen, vgl. z.B. BAG AP-Nr. 14 zu § 33 A BAT) keine Arbeitszeit. Dieser enge Arbeitszeitbegriff ist im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 03.10.2000 (NZA 2000, 1227) nicht mehr haltbar. Danach sind Bereitschaftsdienste, bei denen sich der Arbeitnehmer auf Anordnung seines Arbeitgebers in einem speziellen Bereitschaftsdienstzimmer aufhalten muss, insgesamt als Arbeitszeit im Sinne von Vollarbeit zu werten. Dass damit die §§ 5 Abs. 3, 7 Abs. 2 ArbZG in Bezug auf Bereitschaftsdienst leer laufen, muss hingenommen werden, da Gemeinschaftsrecht dem nationalen Recht vorgeht. Damit steht zugleich fest, dass § 14 Abs. 2 TV-DRK wegen Verstoßes gegen den Arbeitszeitbegriff des Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeitrichtlinie 93/104 EG nichtig ist (ebenso Linnenkohl, Das "SIMAP"-Urteil des EuGH, AUR 2002, S. 211 ff.). Die § 3 Abs. 1 ArbZG widersprechende Anordnung von 49 Arbeitsstunden wöchentlich ist damit unwirksam.

2. Zahlungsklage

a) Die Berufung ist begründet soweit das Arbeitsgericht dem Kläger Wechselschichtzulage für die Zeit vom 01.04.1997 bis 31.05.1999 in Höhe von 5.200,00 DM brutto nebst Zinsen zugesprochen hat. Insoweit hat der Kläger die tatsächlichen Voraussetzungen des § 38 a Abs. 1 TV-DRK nicht dargelegt. Die Wechselschichtzulage kann nur beanspruchen, wer in je 5 Wochen durchschnittlich 40 Arbeitsstunden in der Nachtschicht tatsächlich - und nicht nur nach Dienstplan - geleistet hat. Durch Krankheit und Urlaub nicht geleistete Schichten fließen deshalb in die Berechnung nicht mit ein. Ob und für welche Zeiträume diese Voraussetzungen vorliegen, lässt sich aus den vom Kläger vorgelegten Aufstellungen über seine Arbeitszeit nicht entnehmen. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist deshalb insoweit abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Die Anschlussberufung wegen Wechselschichtzulagen ab 01.06.1999 (bis 31.12.2000) ist als unbegründet zurückgewiesen worden.

b) Wegen der weiteren Zahlungsklage ist die Berufung des Beklagten nur teilweise begründet.

Die Ansprüche des Klägers sind nicht verfallen. Der Kläger hat sie rechtzeitig im Sinne des § 65 Abs. 2 TV-DRK geltend gemacht. Sein Schreiben vom 17.04.1997, wonach er "alle über 38,5 Stunden durchschnittlich wöchentlich hinausgehenden Arbeitsstunden als Überstunden geltend" mache und den Beklagten zugleich zur Berechnung und Auszahlung der Überstunden aufforderte, ist hinreichend bestimmt, dass der Beklagte erkennen konnte, welche Forderungen erhoben werden. Zwar gehört zur Geltendmachung eines Anspruches grundsätzlich auch die zumindest annähernde Angabe der Höhe, damit sich der Anspruchsgegner schlüssig werden kann, wie er sich verhalten soll (BAG AP-Nrn. 48 und 49 zu § 4 TVG Ausschlussfristen). Eine Angabe zur Höhe der Forderungen ist aber dann nicht erforderlich, wenn dem Schuldner diese bekannt ist (BAG AP a.a.O.).

Vorliegend hatte sich der Kläger ausdrücklich gegen die Heraufsetzung seiner Wochenarbeitszeit auf 49 Stunden gewehrt. Für den Beklagten war erkennbar, dass es dem Kläger mit seiner Geltendmachung gerade um die Bezahlung der Stunden ging, die er über die tarifliche Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche zu leisten hatte. Durch die vom Beklagten erstellten Dienstpläne waren diesem sowohl die Anzahl der Stunden, die er den Kläger über 38,5 pro Woche hinaus beanspruchte, wie auch dessen Monats- bzw. Stundenvergütung bekannt, so dass auch die Höhe der streitig gebliebenen Forderung für ihn erkennbar war.

Der Auffassung des Beklagten, nach § 65 Abs. 2 TV-DRK sei eine Geltendmachung vor Fälligkeit ausgeschlossen, folgt die Kammer nicht. Dem Beklagten ist zuzugestehen, dass der TV-DRK - anders als § 70 BAT - keine ausdrückliche Regelung der Art vorsieht, dass die einmalige Geltendmachung des fälligen Anspruchs zur Wahrung der Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Leistungen genügt. Doch auch nach allgemeiner Ansicht (vgl. z.B.: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch § 205 Randziffer 24; Küttner, Personalhandbuch 2001, Ausschlussfrist Randziffer 26; Kittner/Zwanziger, Arbeitsrecht, § 21 Randziffer 67) ist es in der Regel bei wiederkehrenden Ansprüchen ausreichend, wenn sie einmal geltend gemacht werden und der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er die Erfüllung aus dem jeweils gleichen fundamentalen Grund ablehnt. Dadurch, dass der Beklagte weder dem Forderungsschreiben des Klägers auf Überstundenvergütung noch dessen Protest gegen die Erhöhung seiner Wochenarbeitszeit nachkam, den Kläger vielmehr dienstplanmäßig mit 49 Stunden einteilte, ließ der Beklagte erkennen, dass er von der zulässigen Erhöhung der Wochenstundenzahl des Klägers ausging und eine Vergütung für die 38,5 Stunden pro Woche überschreitende Arbeitszeit ablehnte. Einer immer neuen Geltendmachung der jeweiligen Mehrarbeitsstunden durch den Kläger bedurfte es hier nicht, nachdem der Beklagte bereits mit dem ersten Geltendmachungsschreiben die Forderung des Klägers ohne Weiteres erkennen und errechnen konnte.

Dem Kläger steht Vergütung für die im streitgegenständlichen Zeitraum wöchentlich mehr als 38,5 Stunden geleistete Arbeitszeit zu. Für den Kläger gilt die regelmäßige Arbeitszeit nach § 14 Abs. 1 DRK-TV; das sind 38,5 Stunden wöchentlich. Der Beklagte war nicht berechtigt, diese regelmäßige Arbeitszeit auf 49 Stunden wöchentlich zu verlängern (§ 14 Abs. 2 a DRK-TV). Mit dem Arbeitsgericht war davon auszugehen, dass der Beklagte die Voraussetzungen für diese (ausnahmsweise) Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig ist, jedoch noch in der Berufungsinstanz nicht hinreichend dargelegt hat, dass beim Kläger - bezogen auf die verlängerte Arbeitszeit Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens 3 Stunden täglich fällt. Allein die Bezugnahme auf das Gutachten der Firma F. Dr. S. GmbH genügte insoweit nicht. Zunächst ist festzustellen, dass sich (unstreitig) die Anzahl der Einsätze im streitgegenständlichen Zeitraum, also ab April 1997, im Vergleich zum Erhebungszeitraum des Gutachtens (Mai/Juni 1995) erhöht haben. Inwieweit sich diese erhöhten Zahlen auf den Umfang der Arbeitsbereitschaft auswirken, ist fraglich. Eine lineare Umrechnung auf die Arbeitsbereitschaft scheidet jedenfalls aus, weil erhöhte Einsatzzahlen auch zu erhöhten Splitterzeiten führen, die nicht in die Arbeitsbereitschaft eingerechnet werden. Darüber hinaus geht das Gutachten, wie zwischenzeitlich durch das neue Gutachten der Firma O. vom 13.12.2000 bestätigt wurde, von zu niedrigen Rüstzeiten aus. Das Gutachten berücksichtigt weder die Zeit, die die Mitarbeiter auch während der Arbeitszeit aufbringen um sich selbst fortzubilden noch die Zeit, die aufgewendet werden muss um Dritte auszubilden. Lediglich bei der Personalbedarfsberechnung sind Ausbildungs- und Fortbildungstage berücksichtigt. Grundsätzliche Bedenken an der Methode des Gutachtens bestehen aber vor allem deshalb, weil sich die Zeiten der Arbeitsbereitschaft nicht durch bloße Subtraktion der Einsatzzeiten, Rüstzeiten, Rückkehrzeiten und Splitterzeiten von der dienstplanmäßig festgesetzten Arbeitszeit (Schichtzeit) errechnen lässt. Selbst wenn aber das Gutachten zur Berechnung der durchschnittlichen Arbeitsbereitschaft grundsätzlich pauschale Werte zu Grunde legen kann, müssten diese doch auf den konkreten Arbeitsplatz Anwendung finden. Da das Gutachten von einem gleichmäßigen Rollieren über alle Schichten und zwischen den Wachen Pforzheim, Mühlacker und Neuenburg ausgeht, der Kläger aber bestritten hat, dass ein solches gleichmäßiges Rollieren tatsächlich stattfindet, insbesondere weil Zivildienstleistende und Rettungshelfer nicht die Qualifikation als Rettungsassistent vorweisen, die Besetzung eines Rettungswagens oder Notarzteinsatzfahrzeuges aber zwingend mit einem solchen Rettungsassistenten vorgesehen ist und daher de facto für 40 % der Mitarbeiter wie insbesondere auch den Kläger das regelmäßige Rollieren das System nicht gegeben ist, können die im Gutachten angegebenen durchschnittlichen Werte auf den Arbeitsplatz des Klägers nicht bezogen werden.

Der Beklagte durfte sich auch nicht darauf beschränken, die Arbeitszeitaufzeichnungen des Klägers in einzelnen Punkten (insbesondere hinsichtlich Pausenzeiten und Umkleidezeiten) zu bestreiten. Allein hierdurch ergibt sich noch nicht das, wie oben ausgeführt von der Beklagten darzulegende, Vorliegen von Arbeitsbereitschaft in dem tarifvertraglich geforderten Umfang.

Steht dem Kläger damit grundsätzlich Vergütung für die wöchentlich über 38,5 Stunden hinaus geleistete Arbeit zu, so hatte der Kläger die Stunden, deren Bezahlung er fordert, im Einzelnen darzulegen. Er durfte sich nicht darauf beschränken, den Anspruch aus der Differenz zwischen den nach Dienstplan angeordneten durchschnittlich 49 Stunden pro Woche und 38,5 Stunden zu berechnen. Dieser Darlegungspflicht ist der Kläger durch Vorlage der Arbeitszeiterfassung (Blatt 204 folgende der Akte) nachgekommen, in der nach Kalenderwochen die "Ist-Arbeitszeit" aufgelistet ist. Die Beklagte hat diesen tabellarischen Vortrag des Klägers insoweit substanziiert bestritten, als in den "Ist-Zeiten" auch solche Zeiten enthalten sind, die durch Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten entstanden sind. Die Vergütung dieser Zeiten ist aber nicht Streitgegenstand, verlangt der Kläger doch ausdrücklich "Überstundenvergütung", somit Vergütung für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Darüber hinaus richtet sich die Vergütung dieser Zeiten nach den besonderen tarifvertraglichen Vorschriften (§§ 40 Abs. 3, 45 Abs. 3 TV-DRK). Bei der Berechnung des Vergütungsanspruchs des Klägers hatten deshalb die Wochen unberücksichtigt zu bleiben, in denen die 38,5- Stundenwoche gerade durch Urlaubs- oder Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers überschritten wurden. Der Kläger kann demnach folgende Vergütung beanspruchen:

1997

Ausgehend von der Arbeitszeiterfassung (Blatt 204 der Akte) blieben unberücksichtigt die Kalenderwochen 38 bis 47, in denen Urlaub und Arbeitsunfähigkeitszeiten enthalten sind. In der Kalenderwoche 17 ergibt der vom Kläger selbst hergestellte Arbeitszeitnachweis (21. - 27. April 1997, Blatt 75 der Akte) lediglich 64,5 Stunden, für die Kalenderwoche 25 (16. - 22. Juni 1997 ) ergeben sich nur 23 Stunden (Arbeitszeitnachweis Blatt 76 der Akte), in der Kalenderwoche 27 (01. - 08.07.1997) ergeben sich 48 Stunden. Es verbleiben 263,75 Arbeitsstunden.

Auch wenn der Beklagte diese Stunden nicht als Überstunden angeordnet hat, schuldet er doch gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung, die sich unter der Geltung des DRK-TV nach § 18 Abs. 2 TV-DRK richtet; im Jahr 1997 betrug diese unstreitig 28,03 DM brutto, so dass sich ein Vergütungsanspruch von 7.392,91 DM brutto ergibt.

1998

Unberücksichtigt blieben die Kalenderwochen 9, 13 - 16, 26, 27, 36, 39 bis 46, in die Urlaubs- bzw. Krankheitszeiten des Klägers fielen. Für den Monat Dezember 1998 (Kalenderwochen 49 - 52) fehlen Arbeitszeitnachweise; die Aufstellung "Ausgabe der Buchungen" (Blatt 85 der Akte) für Dezember ergibt eine Arbeitszeit von lediglich 158,51 Stunden, so dass die Dezemberwochen ebenfalls unberücksichtigt blieben. Es verbleiben 363,25 Stunden die mit der tarifvertraglichen Überstundenvergütung von 28,45 DM brutto, insgesamt 10.334,46 DM zu vergüten sind.

1999

Für das 2. Halbjahr 1999 fehlen die nach Kalendertagen gegliederten Formulare "Arbeitsstunden". Aus den vorgelegten Abrechnungsbelegen "Ausgabe der Buchungen" (Blatt 232 folgende der Akte) ergibt sich allerdings, dass in den Monaten Juni, September, Oktober und Dezember Krankheits- bzw. Urlaubsfehlzeiten enthalten sind; mangels konkreter Darlegung, in welchen Kalenderwochen diese aufgetreten sind, hatten die kompletten Monate außer Betracht zu bleiben. Im Monat Juni ergeben sich bei 171,48 Arbeitsstunden (vgl. Ausgabe der Buchungen Blatt 233 der Akte) und 165,5 Soll-Arbeitsstunden 6 Mehrarbeitsstunden, im August die 182,03 Arbeitsstunden und wiederum 165,5 Sollarbeitsstunden 16,5 Mehrarbeitsstunden (vgl. Ausgabe der Buchungen Blatt 234 der Akte) und im November bei 184,44 Arbeitsstunden und wiederum 165,5 Sollarbeitsstunden 19 Mehrarbeitsstunden; zuzüglich der bis 31.05. gearbeiteten 50,5 Mehrarbeitsstunden sind das 92 Stunden, die mit dem für 1999 geltenden Überstundensatz von 29,33 DM brutto multipliziert den Betrag von 2.698,36 DM ergeben.

2000

Im Jahr 2000 hatten die Kalenderwochen 4 bis 6, 20, 24 bis 26, 29, 37 bis 41 wegen Urlaub bzw. Krankheit außer Betracht zu bleiben. In der Kalenderwoche 7 hat der Kläger ausweislich des Arbeitszeitnachweises Blatt 240 der Akte nur 25 Stunden, in der Kalenderwoche 8 24 Stunden, in der Kalenderwoche 10 (06.03. - 12.03., Blatt 241 der Akte) 54 Stunden, in der Kalenderwoche 12 (20.03. - 26.03., Blatt 241 der Akte) 44,5, in der Kalenderwoche 13 (27.03. - 02.04., Blatt 241/242 der Akte) 13 Stunden, in der Kalenderwoche 15 (10.04. - 16.04., Blatt 242 der Akte) 34 Stunden, in der Kalenderwoche 17 (25. - 30.04., Blatt 242 der Akte) 25 Stunden, in der Kalenderwoche 30 (24. - 30.07., Blatt 245 der Akte) 56 Stunden, in der Kalenderwoche 35 (28.08. - 03.09., Blatt 246/247 der Akte), 42,25 Stunden, in der Kalenderwoche 36 (ab 04.09., Blatt 247 der Akte) 59 Stunden, in der Kalenderwoche 47 (ab 20.11., Blatt 249 der Akte) 12 Stunden und in der Kalenderwoche 50 (11. - 17.12.2000, Blatt 250 der Akte) 63,5 Stunden gearbeitet. Bei insgesamt 111,75 Stunden und einer Überstundenvergütung von 29,33 DM brutto ergibt sich für das Jahr 2000 ein Betrag von 3.277,62 DM.

Insgesamt schuldet die Beklagte dem Kläger demnach 23.703,35 DM brutto als Vergütung von über 38,5 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeit; das entspricht 12.119,33 €.

II.

Die Kostenentscheidung entspricht dem jeweiligen Verhältnis des Siegens der Parteien in erster Instanz und in der Berufungsinstanz.

Gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. ArbGG ist die Revision für den Beklagten zugelassen worden.

Ende der Entscheidung

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