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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 24.02.2006
Aktenzeichen: 9 Ta 13/05
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 55 Abs. 1
ArbGG § 55 Abs. 1 Nr. 8
1. Die Alleinentscheidungsbefugnis des § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG ist zwingend. Selbst dann, wenn die Entscheidung auf eine Kammerverhandlung ergeht, haben die ehrenamtlichen Richter keine Mitentscheidungsbefugnis, sondern es verbleibt bei der von § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG nach seinem eindeutigen Wortlaut vorgeschriebenen Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden.

2. Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden ist jedoch nicht, dass alleine deswegen der Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben wäre und der Rechtsstreit diesbezüglich an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen wäre. Dem steht der Beschleunigungsgrundsatz entgegen.

3. Eine Aussetzung der Leistungsklage auf Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzuges nach gewonnener Kündigungsschutzklage ist in der Regel mit dem arbeitsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht zu vereinbaren so auch LAG Hessen, Beschl. v. 03.07.2002, 12 Ta 213/02, BB 2002, S. 2075). Für eine ermessensfehlerfreie Aussetzungsentscheidung müssen hier besondere das schutzwerte Interesse des Arbeitnehmers an einer vorläufigen Existenzsicherung ausnahmsweise überwiegende Gründe des Einzelfalls vorliegen.


Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 25.11.2005 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Offenburg - vom 10.11.2005, Az. 15 Ca 199/05, aufgehoben.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

A.

Der Kläger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 25.11.2005 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 10.11.2005, das vorliegende Verfahren bis zur Rechtskraft eines Kündigungsschutzverfahrens zwischen den Parteien auszusetzen.

In dem vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger von der Beklagten als seiner Arbeitgeberin die Zahlung einer Tantieme in Höhe von Euro 125.780,00, ferner die Erteilung einer Auskunft über das Unternehmensergebnis 2004 zur Berechnung einer weiteren Tantieme sowie Zahlung dieser weiteren Tantieme.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 22.12.1994. Hierin ist unter "§ 2 Bezüge" unter Ziff. 2 eine erfolgsabhängige Tantieme geregelt. Dort heißt es unter anderem:

"Scheidet Herr R. während eines Kalenderjahres aus, wird die Tantieme zeitanteilig berechnet."

Die vertraglichen Tantieme-Regelungen des Arbeitsvertrages sind, soweit ersichtlich, durch eine Regelung zur Berechnung der Tantieme 2004 des Vertriebsleiters Süden der W. (Anlage B4, Aktenseite 97) ergänzt bzw. geändert worden. Diese wiederum werden durch ein Schreiben der Beklagten vom 12.04.2004 näher erläutert. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Schreiben Bezug genommen.

Das Arbeitsverhältnis wurde von der Beklagten ordentlich mit Schreiben vom 16.07.2004 zum 31.10.2004 gekündigt. Der Kläger wurde ab dem 14.07.2004 von der Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge unter der Verrechnung mit seinen Urlaubsansprüchen freigestellt. Zwischen den Parteien ist aber unstreitig, dass der Kläger einen der Höhe nach streitigen anteiligen Tantiemeanspruch hat.

§ 10 Nr. 3 des Arbeitsvertrages sieht vor, dass im Falle einer Kündigung die Beklagte berechtigt ist, den Kläger unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von seiner Tätigkeit freizustellen. Diese Kündigung hat der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage, die beim Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Offenburg - unter dem Az.: 15 Ca 138/04 geführt wurde, angegriffen. Die Klage war vor dem Landesarbeitsgericht (Az.: 11 Sa 7/05) erfolgreich; das Gericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers. Die Revision wurde vom Landesarbeitsgericht zugelassen und von der Beklagten eingelegt (Az. beim BAG: 2 AZR 569/05).

Im Anschluss an den Kammertermin vom 10.11.2005 hat das Arbeitsgericht durch Beschluss der Kammer unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter nach entsprechendem Hinweis des Gerichts den vorliegenden Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinsichtlich der ordentlichen Kündigung 15 Ca 138/04 ausgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Frage, wie hoch der Tantiemenanspruch des Klägers für das Jahr 2004 sei zum Teil von dem Bestehen eines anderen Rechtsverhältnisses abhängt. Maßgeblich sei, ob das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits zum 31.10.2004 geendet habe oder für das ganze Jahr 2004 bestanden habe. Dies sei Gegenstand des Rechtsstreits 15 Ca 138/04.

Dieser Beschluss wurde dem Klägervertreter am 17.11.2005 zugestellt. Er hat hiergegen mit Schriftsatz vom 24.11.2005 am 25.11.2005 sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit Beschluss vom 07.12.2005 entschied das Arbeitsgericht durch die Kammer unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen und legte die Sache zur Entscheidung dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht vor. Die Nichtabhilfeentscheidung begründet das Arbeitsgericht damit, dass der Kündigungsschutzprozess für die Entscheidung des Tantiemenanspruchs vorgreiflich sei. Darüber hinaus sei nicht nur 2/12 der Tantiemen streitig, sondern daneben auch noch die Frage des Annahmeverzugs ab dem 14.07.2004 - dem Zeitpunkt der Freistellung des Klägers - bis zum 31.10.2004. Die Ermessensausübung dahingehend, den Rechtsstreit auszusetzen sei auch deswegen nicht zu beanstanden, weil es sich um eine Forderung handeln würde, die für den Kläger nicht existentiell wichtig sei. Vielmehr habe der Kläger ein ausreichend hohes Einkommen. Auch der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG gebiete keine andere Entscheidung, da § 148 ZPO das Ziel einer prozessökonomischen Verfahrensweise hervorhebe.

Der Kläger begründet die sofortige Beschwerde damit, dass durch die Aussetzung eine ihm unzumutbare Verfahrensverzögerung eintrete. Es sei fehlerhaft gewesen, den Rechtsstreit auszusetzen. Zum Einen verstoße dies gegen das Beschleunigungsgebot des § 9 ArbGG. Darüber hinaus sprächen auch verfahrensökonomische Gesichtspunkte nicht für eine Aussetzung, da die Berechnung der Tantiemen von der Dauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich unabhängig sei, vielmehr der Umstand, ob das Arbeitsverhältnis bis zum 31.10.2004 bestanden habe oder darüber hinaus das ganze Jahre 2004 nur im Rahmen einer entsprechenden Quotelung zu berücksichtigen sei, denn der Kläger habe in jedem Fall einen Anspruch auf die Tantieme, die sich vom Gesamtjahresergebnis her ableite. Dem Arbeitsgericht wäre es daher vielmehr möglich gewesen, ein Teilurteil über 10/12 des Tantiemeanspruchs zu fällen. Darüber hinaus sei der Kläger auf die Tantieme angewiesen, sie mache mehr als die Hälfte seines Jahreseinkommens bei der Beklagten aus. Durch die Aussetzung werde ihm ein wesentlicher Teil seines Einkommens vorenthalten, denn in Höhe von 10/12 habe er in jedem Fall ein Anspruch auf die Tantieme.

Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG habe keinen Vorrang vor dem Grundsatz der Prozessökonomie. Aus prozessökonomischen Gründen sei es gerade geboten, nicht über die Tantieme zu entscheiden, solange nicht feststehe, für welchen Zeitraum sie zu zahlen sei. Darüber hinaus bestehe bei Erlass eines Teilurteils die Gefahr, dass das Verfahren zumindest in der Berufungsinstanz auf zwei verschiedene Rechtsstreite aufgeteilt würde. Des Weiteren habe der Kläger ein großzügiges Fixum erhalten, so dass er nicht dringend auf die Tantieme angewiesen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

B.

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 25.11.2005 ist zulässig und begründet. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, das Verfahren auszusetzen, war daher aufzuheben.

1. Die an sich nach § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 252 ZPO statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie wurde innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 78 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt und genügt den Anforderungen des § 569 Abs. 2 ZPO.

2. Die Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses des Arbeitsgerichts vom 10.11.2005.

a) Das Arbeitsgericht hat den Beschluss vom 10.11.2005 entgegen § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG durch die Kammer unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter und nicht durch den Vorsitzenden alleine getroffen. Die Alleinentscheidungsbefugnis des § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG ist aber zwingend. Selbst dann, wenn die Entscheidung auf eine Kammerverhandlung ergeht, haben die ehrenamtlichen Richter keine Mitentscheidungsbefugnis, sondern es verbleibt bei der von § 55 Abs. 1 Nr. 8 ArbGG nach seinem eindeutigen Wortlaut vorgeschriebenen Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden (vgl. Germelmann in Germelmann u.a., ArbGG, 5. Aufl., § 55 Rn. 22 m.w.N.). Die Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zur Entscheidungsfindung im Rahmen der Angelegenheiten nach § 55 Abs. 1 ArbGG ist unzulässig. Durch § 55 ArbGG wird der gesetzliche Richter bestimmt und eine Erweiterung der Richterbank wäre eine Veränderung des gesetzlichen Richters, die nicht im Belieben des Vorsitzenden besteht. Er kann nicht auf sein alleiniges Entscheidungsrecht verzichten, selbst wenn es nahe liegt, aus Gründen des Respekts vor den ehrenamtlichen Richtern diese bei der Entscheidungsfindung hinzuzuziehen (a. A. diesbezüglich Schwab/Weth - Berscheid, ArbGG, § 55 Rn. 9).

Ob bei Vorliegen eines schweren Verfahrensfehlers die Zurückverweisung zwingend zu erfolgen hat, ist streitig (so aber LAG Baden - Württemberg 15 Ta 12/02 zu § 5 KSchG; Schwab/Weth, § 78 ArbGG Rz. 45; Düwell/Lipke/Treber, ArbGG, 2. Auflage, § 78 Rz. 40; andere Auffassung ErfK/Koch, a.a.O., § 78 Rz. 9).

Die Rechtsfolge des vorliegenden Verstoßes gegen die Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden ist jedoch nicht, dass alleine deswegen der Beschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben wäre und der Rechtsstreit diesbezüglich an das Arbeitsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen wäre. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob es sich um einen schweren Verfahrensfehler gehandelt hat.

Zwar gilt das Verbot der Zurückverweisung nach § 68 ArbGG grundsätzlich nicht im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 78 ArbGG (Müller-Glöge in Germelmann u.a., § 78 ArbGG, Rn. 35), so dass es dem Landesarbeitsgericht nicht grundsätzlich verwehrt ist, die Entscheidung aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückzuweisen. Auch ist ein Verstoß gegen die Festlegung des gesetzlichen Richters grundsätzlich ein erheblicher Verstoß. Nach § 572 Abs. 3 ZPO kann das Beschwerdegericht im Falle einer begründeten Beschwerde dem Ausgangsgericht die erforderlichen Anordnungen übertragen, es muss es aber nicht. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung ist auch der Beschleunigungsgrundsatz zu berücksichtigen, der einer Zurückverweisung des Verfahrens grundsätzlich entgegensteht (so auch BAG, 17.02.2003, AP Nr. 6 zu § 68 ArbGG 1979).

Ebenso ist zu berücksichtigen der Rechtsgedanke des § 527 Abs. 2 ZPO, wonach ein Mangel des Verfahrens bei der Überprüfung eines Urteils nur dann zu berücksichtigen ist, wenn dieser Mangel gerügt worden ist. Im vorliegenden Fall haben beide Parteien auf Anfrage des Gerichtes ausdrücklich erklärt, dass sie diesen Mangel nicht rügen. Jedenfalls in diesem Fall wäre es ermessensfehlerhaft, wenn der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht zurückverwiesen würde; vielmehr ist das Landesarbeitsgericht berufen, selbst eine Sachentscheidung zu treffen (sh. auch Schwab in Schwab/Weth, § 78 Rn. 56).

b) Der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts war gleichwohl aufzuheben, da eine Aussetzung des Verfahrens nach dem Sachstand zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts ermessensfehlerhaft ist.

Das Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht nimmt nicht nur eine Ermessenskontrolle bezüglich der Aussetzungsentscheidung des Arbeitsgerichts wahr, sondern trifft eine eigene Ermessensentscheidung, da mit der Vorlage der Beschwerde zum Landesarbeitsgericht nur noch diesem die Entscheidungskompetenz über die streitgegenständliche Sach- und Rechtslage zusteht. Insoweit tritt das Landesarbeitsgericht als volle zweite Tatsacheninstanz an Stelle des Arbeitsgerichts. Als zweite Tatsacheninstanz hat das Landesarbeitsgericht in gleicher Weise über Berufungsverfahren eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen (Schwab, a.a.O., § 78, Rn. 57 m.w.N.).

aa) Voraussetzung für eine Aussetzung des Verfahrens ist zunächst die Vorgreiflichkeit eines anderen Rechtsstreits. Hier ist dem Arbeitsgericht darin beizupflichten, dass der Kündigungsschutzrechtsstreit zwischen den Parteien jedenfalls für die Tantiemenhöhe teilweise vorgreiflich ist, weil zumindest die Frage, ob eine ganze Jahrestantieme oder nur 10/12 einer Jahrestantieme (bei Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2004) zu zahlen ist.

Nicht vorgreiflich ist dieser Rechtstreit hingegen für die begehrte Auskunft, die mit dem Klageantrag 2 geltend gemacht wurde. Zumindest hinsichtlich des mit dem Klagantrag Ziff. 2 geltend gemachten Auskunftsanspruches wäre der Erlass eines Teilurteils möglich gewesen. Insbesondere ist der Auskunftsanspruch auch nicht davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis geendet hat. Die Grundlagen der Tantiemenberechnung sind jeweils jahresbezogen, so ergibt sich aus der Regelung zur Berechnung der Tantieme 2004 (Anlage B 4 AS. 97), dass die Tantieme C in Abhängigkeit vom geplanten Unternehmensergebnis gezahlt wird, die Tantieme B auf der Grundlage der Kosten 2003 im Verhältnis zu den Kosten 2004 zu zahlen ist.

bb) Eine Teil-Aussetzung im Übrigen wäre aber auch bei Vorgreiflichkeit dann ermessensfehlerhaft, wenn für das Arbeitsgericht hinsichtlich des Tantiemeanspruch die Möglichkeit bestanden hätte, ein Teilurteil zu erlassen.

Seit der Neufassung des § 301 ZPO soll der Erlass des Teilurteils bei Vorliegen seiner Voraussetzungen den Regelfall bilden. Insbesondere durch die Neufassung des § 301 Abs. 2 soll sichergestellt werden, dass vom Erlass eines Teilurteils nur noch unter engen Grenzen in Ausnahmen Abstand genommen werden kann (Zöller - Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. § 301 Rn. 1 a).

Im Übrigen ist dabei entgegen der Auffassung des Klägers der Erlass eines Teilurteils hier nicht möglich. Voraussetzung für den Erlass eines Teilurteils ist auch nach der geänderten Fassung des § 301 ZPO immer, dass in keinem Fall die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen auftreten darf. Diese Gefahr kann in vorliegendem Fall jedoch auftreten. Wenn das Arbeitsgericht in einem Teilurteil über 10/12 des Anspruchs auf Tantieme entscheidet und bezüglich der restlichen 2/12 den Rechtsstreit ggf. bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens aussetzt, so besteht gleichwohl die Möglichkeit, dass das Arbeitsgericht bei der Entscheidung über die restlichen 2/12 für den Fall eines Fortbestehens eines Arbeitsverhältnisses über den 31.10.2004 hinaus oder auch ein Berufungsgericht zu einer anderen Berechnung der Tantiemenhöhe kommt und damit bei der Entscheidung in die verbleibenden 2/12 der Tantieme zu einer Entscheidung der über die 10/12 der Tantieme widersprechenden Ergebnis kommt. Dem kann auch nicht mit der Anwendung des § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO begegnet werden. Im vorliegenden Fall hilft ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs gerade nicht, denn das Grundurteil würde voraussetzen, dass dem Kläger der Anspruch der Tantieme in Höhe der verbleibenden 2/12, bezogen auf die Monate November und Dezember 2004, dem Grunde nach zusteht. Das Problem ist jedoch gerade im vorliegenden Fall, ob ihm die Tantieme dem Grunde nach zusteht, weniger in welchem Umfang sie ihm der Höhe nach zusteht. Ein Grundurteil kann hier folglich nicht ergehen, so dass auch der Ausweg des § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO versperrt ist, so dass ein Teilurteil über die 10/12 der Tantieme nicht in Betracht kommt (BGH, NJW 2001, S. 760; NJW 2004, S. 1452, NJW 1997, S. 2184).

cc) Auch wenn die Möglichkeit eines Teilurteils hinsichtlich einer Entscheidung über die Tantiemeansprüche ausscheidet, ergibt die Ausübung des Ermessens im Rahmen der Entscheidung nach § 148 ZPO gleichwohl, dass der Rechtsstreit nicht auszusetzen ist. Es steht im pflichtgemäßen Ermessens des Gerichtes, ob die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits ausgesetzt wird. Im Rahmen des Ermessens ist besonders der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG zu berücksichtigen, wonach das Verfahren in allen Rechtszügen zu beschleunigen ist. Zwar schließt der Beschleunigungsgrundsatz eine Aussetzung wegen des vorgreiflichen Verfahrens nicht aus, jedoch ist dem Beschleunigungsgrundsatz gegenüber der Aussetzungsmöglichkeit grundsätzlich Vorrang einzuräumen, wenn nicht gewichtige Gründe die Aussetzung gebieten und höher zu bewerten sind, als der mögliche Nachteil einer langen Prozessdauer und die sich daraus für die Parteien ergebenden nachteiligen Folgen für Rechtsverwirklichung und Anspruchsdurchsetzung (Schwab/Weth - Berscheid, § 55 ArbGG, Rn. 37; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 25.09.1998, AP Nr. 5 zu § 148 ZPO). Dabei wird vertreten, dass von der Möglichkeit, das Verfahren über eine Leistungsklage aus Vergütungszahlung auszusetzen wegen Vorrangigkeit eines Kündigungsschutzprozesses nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden soll. Eine Aussetzung der Leistungsklage auf Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzuges nach gewonnener Kündigungsschutzklage ist in der Regel mit dem arbeitsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht zu vereinbaren (Berscheid, a.a.O., Rn. 37 c; LAG Hessen, Beschl. v. 03.07.2002, 12 Ta 213/02 , BB 2002, S. 2075). Für eine ermessensfehlerfreie Aussetzungsentscheidung müssen hier besondere das schutzwerte Interesse des Arbeitnehmers an einer vorläufigen Existenzsicherung ausnahmsweise überwiegende Gründe des Einzelfalls vorliegen.

Unter Anlegung dieses Maßstabes scheidet im vorliegenden Fall eine Aussetzung des Rechtsstreits aus. Dabei ist einmal maßgeblich, dass der Kläger den Kündigungsschutzrechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht gewonnen hat und das Landesarbeitsgericht, wenn auch nicht rechtskräftig - festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitgegenständliche Kündigung nicht beendet wird. Daher hat der Kläger im Augenblick ein überwiegendes Interesse daran, dass auch über seine Vergütungsansprüche entschieden wird. Es spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass er den vorliegenden Rechtsstreit insgesamt gewinnen wird, so dass auch jetzt ein überwiegendes Interesse daran anzunehmen ist, dass er hinsichtlich seiner Tantiemenansprüche Klarheit erhält.

Weiterhin spricht gegen eine Aussetzung des Rechtsstreits, dass die Tantieme in jedem Fall zeitanteilig zu zahlen ist und dass von dem Ausgang des Kündigungsschutzrechtsstreites lediglich 2/12 der Tantiemenhöhe abhängen, während die übrigen 10/12 mit dem Ausgang des Kündigungsschutzrechtsstreits nichts zu tun haben. Das Risiko, dass hier "falsch" entschieden wird, weil dem Kläger eine Tantieme für 12/12 des Jahres zugebilligt wird, anstatt im Falle einer klagabweisenden Entscheidung ihm nur 10/12 der Tantieme zustehen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen sind für die Beklagte verhältnismäßig gering. Dem steht gegenüber, dass es sich bei der Tantieme jedenfalls nach Angaben des Klägers um eine ganz erhebliche Summe handelt, die zwar nicht seine Existenzgrundlage darstellt, jedoch mehr als die Hälfte seines Einkommens ausmacht, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine Aussetzung des Verfahrens nicht gerechtfertigt erscheint.

Auch prozessökonomische Aspekte, die durchaus eine Aussetzung tragen können, liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Die im vorliegenden Verfahren streitige Berechnung der Höhe der Tantiemen sind in jedem Fall durchzuführen, gleich ob das Arbeitsverhältnis am 31.10. geendet hat oder nicht. Der Kläger erhält bei einem Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.10. die Tantieme anteilig für das Jahr seiner Tätigkeit. Die Berechnungsgrundlage bezieht sich nach der Tantiemenregelung durchwegs auf wirtschaftliche Ergebnisse, bzw. die Arbeitsleistung des Klägers und ihre Folgen auf das Gesamtjahr und ist losgelöst davon vorzunehmen, ob das Arbeitsverhältnis jetzt am 31.10.2004 geendet hat oder nicht. Dem Arbeitsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass die Berechnung der Tantiemenhöhe möglicherweise mühsam ist. Diese Mühe muss sich das Arbeitsgericht jedoch in jedem Fall machen, gleich zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis geendet hat.

Auch die Frage, ob dem Kläger nach der durchaus fraglichen Auffassung der Beklagten für den Zeitraum der Freistellung vom 14.07. bis 31.10. keine Tantieme zu zahlen ist, ist losgelöst von der Frage des Kündigungsschutzprozesses zu beantworten. Maßgeblich hierfür ist nicht, inwieweit die Beklagte in Annahmeverzug ist, sondern ob die Beklagte sich darauf berufen kann, während einer Freistellung sei eine Tantieme anteilig nicht geschuldet. Die hierfür notwendige Vertragsauslegung bzw. Überprüfung, ob die Freistellungsklausel überhaupt zulässig ist, insbesondere dann, wenn sie zur Kürzung von Vergütungsansprüchen des Klägers führt und möglicherweise Bestandteil eines Formulararbeitsvertrages - der wiederum allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen kann - ist, muss das Arbeitsgericht in jedem Fall vornehmen. Diese Frage ist nicht davon abhängig, wenn das Arbeitsverhältnis geendet hat.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist jedenfalls, nachdem das Landesarbeitsgericht entschieden hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht beendet wird, das Ermessen dahingehend auszuüben, dass der vorliegende Rechtsstreit nicht ausgesetzt wird. Der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 10.11.2005 war daher aufzuheben.

Die Rechtsbeschwerde war nach § 78 ArbGG i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (Klärung der Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden nach Kammerverhandlung; Folgen einer Entscheidung der Kammer an Stelle der zwingend vorgeschriebenen Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden, die nicht nur im vorliegendem Fall von Bedeutung ist, sondern insbesondere auch im Rahmen der Entscheidung über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage nach § 5 Abs. 4 KSchG eine umstrittene Frage ist - sh. dazu auch Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg, 15 Ta 12/02 sowie 10 Ta 15/05 vom 28.10.2005).

Ende der Entscheidung

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