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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 20.08.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 1164/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 263
ZPO § 314
ZPO § 525
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
Wenn ein Sozialplan für eine Betriebsänderung (hier Stilllegung zum 31.12.2010) schon mehr als 7 Jahre im Voraus vereinbart wird, hat ein Arbeitnehmer auch bei einer Eigenkündigung zu einem Termin mehr als 4 Jahre vor Ende der Betriebsänderung schon Anspruch auf die Sozialplanabfindung.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 20. August 2007 Geschäftszeichen 10 Sa 1164/07

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 10. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht W.-M. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter L. und W.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers vom 07.06.2007 wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.03.2007 - 89 Ca 21462/06 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.190,33 € brutto (vierunddreißigtausendeinhundertneunzig 33/100) nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2006 zu zahlen.

(M) Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz wird als unzulässig abgewiesen.

(M) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

(M) Die Revision wird zugelassen.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 95.617,33 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Anwendbarkeit eines Sozialplans vom 21. Mai 2003 und im Rahmen einer Hilfsaufrechnung um die Tantiemezahlung an den Kläger für das Jahr 2004.

Der Kläger ist 50 Jahre alt (...... 1957) und war vom 1. März 1994 bis 30. Juni 2006 bei der Beklagten als Leiter des kaufmännischen Bereiches und einer von zwei Prokuristen beschäftigt. Seine Jahresbezüge betrugen zuletzt 117.497,49 EUR. Mit Schreiben vom 29. November 2004 (Bl. 13 d.A.) kündigte der Kläger seinen Dienstvertrag fristgemäß zum 30. Juni 2006.

Die Beklagte wurde im Oktober 1991 gegründet, um den Aus- und Neubau der Bundesfernstraßen im Wesentlichen in den neuen Ländern zu koordinieren, zu optimieren und zu kontrollieren. Gesellschafter sind die Bundesrepublik Deutschland zu 50% und die 5 neuen Länder zu je 10%. Bei der Gründung der Beklagten ging man von einer befristet tätigen Gesellschaft aus, die mit Erfüllung ihrer Aufgaben ende.

Unter dem 21. Mai 2003 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat sowie der Sprecherausschuss für die leitenden Angestellten einen Interessenausgleich (Bl. 14-22 d.A.) und einen Sozialplan (Bl. 23-33 d.A.). Auf Seiten der Beklagten wurden beide Vereinbarungen wesentlich vom Kläger verhandelt. In der Präambel zum Interessenausgleich ist ausgeführt:

Die Notwendigkeit, um über einen Interessenausgleich zu beraten, ergibt sich aus dem beschränkten Aufgabenumfang der D.. Die Aufgaben der D. sind im Vertragswerk der Gesellschaft abschließend mit dem Zusatz: "Die Gesellschaft endet mit Erfüllung der Aufgaben ..." beschrieben. Daraus ergibt sich die nachfolgend beschriebene Betriebsänderung.

Auch wenn eine Öffnungsklausel der Gesellschaft im Gesellschaftervertrag eingefügt ist, sind damit derzeit weder weitere Aufgaben noch eine Verlängerung der Lebenszeit der D. absehbar.

In § 2 Ziffer 2 des Interessenausgleichs ist vereinbart:

In Anlehnung an die derzeit geplanten Fertigstellungen der übertragenen Verkehrsprojekte wird sich - ceteris paribus - der Personalabbau in zwei grob strukturierten Phasen vollziehen:

1. Phase: moderater Personalabbau bis ca. 2007/2008 auf ca. 140-180 MA

2. Phase: starker Personalabbau zwischen 2007/2008 und 2010/2011 auf Null.

Auf die Frage, ob beide Phasen in diesem Umfang durchgeführt werden, wird unter § 4 noch eingegangen.

In § 2 Ziffer 3 des Interessenausgleichs ist unter anderem festgelegt:

Der Personalabbau, der bis 2010 alle Mitarbeiter betreffen kann, wird sich voraussichtlich wie folgt vollziehen:

...

D. wird bis Ende 2003 für jeden Mitarbeiter im Rahmen eines Personalgespräches den Zeitpunkt definieren, bis zu dem er voraussichtlich benötigt wird. Wegen der Schwierigkeit, den exakten Zeitpunkt bereits so frühzeitig festzulegen, wird hierfür ein Zeitkorridor von einem Jahr festgelegt.

Damit korrespondierend ist in § 8 des Sozialplans vereinbart:

D. wird bis zum 31.12.2003 für jeden Mitarbeiter(in) den Zeitpunkt definieren, bis zu dem er/sie bei D. beschäftigt werden kann. Wegen der Schwierigkeit, den exakten Zeitpunkt bereits so frühzeitig festzulegen, wird hierfür ein Zeitkorridor von einem Jahr vor dem geplanten Ausscheiden festgelegt. ...

Diese Unterrichtung findet einmal jährlich statt.

Es besteht Einvernehmen, dass Mitarbeiter(innen), deren von D. geplantes Ausscheidedatum weniger als 30 Monate entfernt liegt, hierüber schriftlich informiert werden. Diese Information ist verbindlich. Eine Vorverlegung des Ausscheidetermins ist nur mit Zustimmung des Mitarbeiters und nach Unterrichtung des Betriebsrates und des Sprecherausschusses möglich.

Zu etwaigen neuen Aufgaben für die Gesellschaft ist in § 4 des Interessenausgleiches geregelt:

Die D. kann derzeit ihre Zukunft ausschließlich im Kreis öffentlich-rechtlicher Gesellschafter gestalten. Ein Wirken am Markt/im Wettbewerb ist grundsätzlich mit den derzeitigen Aufgaben nicht zu vereinbaren.

Die sich abzeichnende Erledigung der derzeitigen Aufgaben kann daher nicht über ein Engagement außerhalb des bisherigen Spektrums kompensiert werden.

...

Bei Übertragung zusätzlicher Aufgaben wird die Personalplanung fortgeschrieben.

In § 5 des Interessenausgleiches ist geregelt:

Die Betriebsänderung ist mit Abwicklung und Auflösung der Gesellschaft beendet.

Die Betriebsänderung kann von der Geschäftsführung für abgeschlossen erklärt werden, sofern die Gesellschaft weitere Aufgaben erhält, die einen annähernd konstanten Personalbedarf für die kommenden Jahre gewährleisten.

Damit korrespondierend ist in § 12 des Sozialplans geregelt:

Die Vertragsparteien haben das Recht, bei Beendigung der Betriebsänderung gemäß Interessenausgleich diesen Sozialplan zu kündigen.

Dem Kläger wurde ein Termin für sein geplantes Ausscheiden nicht mitgeteilt. Mit Schreiben vom 29.11.2004 kündigte der Kläger seinen Dienstvertrag unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist (vierteljährlich zum Halbjahresende) zum 30.6.2006.

In § 1 des Sozialplans ist geregelt:

Dieser Sozialplan wird die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen bzw. mildern, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehen, die ihren Arbeitsplatz wegen der Betriebsänderung durch

- Aufhebungsvertrag

- Eigenkündigung

- betriebsbedingte Kündigung

verlieren.

Der Sozialplan berücksichtigt das berechtigte Interesse der D. an einem geordneten Unternehmensbetrieb während der Abbauphase.

In § 2 des Sozialplans ist geregelt:

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bis 31.12.2005 durch Eigenkündigung ausscheiden, haben keinen Anspruch auf Leistungen gemäß diesem Sozialplan.

Ausnahme: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen D. verbindlich mitgeteilt hat, dass sie bis 31.12.2006 ausscheiden sollen.

Nach einer relativ komplizierten Formel in § 3 des Sozialplanes erhält jeder grundsätzlich vom Sozialplan erfasste Mitarbeiter eine Abfindung (A1), die für den Kläger zunächst - rechnerisch unstreitig - 30.190,30 EUR zuzüglich 4.000,-- EUR Sozialzuschlag für 2 Kinder betragen würde. Weiter ist dort geregelt, dass an Anspruchsberechtigte im Falle von Arbeitslosigkeit weitere gestaffelte Zahlungen (Ai) bis zu insgesamt maximal zwei Jahresgehältern unter Anrechnung der Erstabfindung (A1) gezahlt werden. Voraussetzung für diese weiteren Zahlungen ist die Vorlage entsprechender Nachweise. Hierzu regelt der Sozialplan in § 3:

Zeigt der/die Mitarbeiter(in) in Abständen von jeweils 12 Monaten, erstmals jedoch ein Jahr nach dem Ausscheiden regelmäßig an, dass er/sie arbeitslos war bzw. ist, so erhält er/sie weitere gestaffelte Zahlungen (Ai). Die Zahlungen erfolgen erst nach Vorlage der entsprechenden Nachweise. Weist der/die Mitarbeiter(in) dies zu einem Zahlungstermin nicht nach, so entfällt der Anspruch für diese und alle weiteren Zahlungen.

Der Kläger begehrt erstinstanzlich noch eine Tantieme für das Jahr 2005 in Höhe von 10.225,84 EUR brutto aufgrund von § 2 Abs.3 seines Dienstvertrages. Widerklagend hat die Beklagte die Rückzahlung der Tantieme in Höhe von 10.225,84 EUR für das 2004 verlangt. Über diese Tantiemeansprüche hat das Arbeitsgericht noch nicht entschieden.

In § 2 Abs.2 und 3 des Dienstvertrages der Parteien ist geregelt:

(2) Herr R. erhält entsprechend der für außertarifliche Angestellte geltenden Regelungen die jeweils im Dezember zu zahlende jährliche Sonderzuwendung sowie ein jährliches Urlaubsgeld.

(3) Die Gewährung einer Tantieme unter angemessener Berücksichtigung seiner Leistungen wird vorbehaltlich der alljährlichen Bewilligung durch den Aufsichtsrat der Gesellschaft und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs vorgesehen.

Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss für die Jahre 2004 und 2005 jeweils eine Tantieme in Höhe von 10.225,84 EUR für die AT-Gruppe 10a, der der Kläger angehörte. Dabei erfolgte der Beschluss ausdrücklich auch für die Prokuristen.

In den Listen, in denen die Beklagte die Tantieme (Leistungszulagen für AT-Angestellte genannt) aufgeführt hatte (Bl. 156-157 für das Jahr 2004 und Bl. 70-71 für das Jahr 2005) sind mehrere Mitarbeiter mit 0,00 EUR aufgeführt. Ausscheidende Mitarbeiter sind jeweils am Ende der Liste aufgeführt.

Gründungsgesellschafterin der Beklagten war die R.-M.-D. AG (RMD). In der Sitzung des Aufsichtsrates der Beklagten am 5. Dezember 1991 wurde beschlossen, dass neben den Tarifvereinbarungen zwischen der RMD AG und der Gewerkschaft ÖTV vom 16. Juli 1991 über die Anwendung des Baurahmentarifvertrages unter anderem auch die Betriebsvereinbarung Nr.15 über die Gewährung von Abschlussgratifikationen zwischen der RMD AG und dem Gesamtbetriebsrat der RMD AG vom 27. September 1991 übernommen werden sollte. Ziffer 15 dieser GBV lautet:

"Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Auszahlung der Gratifikation bereits ausgeschieden sind, ihr Dienst- oder Arbeitsverhältnis gekündigt haben oder denen aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen gekündigt wurde, erhalten auch für das abgelaufene Geschäftsjahr keine Abschlussgratifikation".

Dem Kläger, der vor seiner Tätigkeit bei der Beklagten Abteilungsleiter Unternehmensplanung und Organisation bei der RMD AG war, hatte als Protokollführer an der Aufsichtsratssitzung der Beklagten am 5. Dezember 1991 teilgenommen.

Der Kläger meinte, dass ihm die Abfindung zustehe, weil er nicht unter die Ausschlusskriterien des § 2 des Sozialplanes falle. Auch bei Eigenkündigungen habe - abgesehen von den in § 2 geregelten Ausnahmen - immer eine Abfindung gezahlt werden sollen.

Der Kläger hat - soweit durch das angefochtene Teilurteil entschieden - erstinstanzlich beantragt:

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 34.190,33 EUR brutto nebst 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat - soweit hier relevant - beantragt

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meinte, dass dem Kläger die Abfindung nicht zustehe, da er seinen Arbeitsplatz nicht "wegen der Betriebsänderung" gekündigt habe. Da dem Kläger kein Ausscheidetermin mitgeteilt worden sei, habe er davon ausgehen können, dass man mit ihm längerfristig habe zusammenarbeiten wollen, was auch tatsächlich der Fall gewesen sei.

Durch Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. März 2007 wurde die Klage insoweit abgewiesen. Die Kostenentscheidung wurde dem Schlussurteil vorbehalten.

Zur Begründung hatte das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass Anspruchsgrundlage gegebenenfalls § 1 des Sozialplans sei. Die Ausschlusskriterien des § 2 würden keine Anspruchsgrundlage darstellen, sondern diese voraussetzen. Die Zielrichtung des Sozialplans sei nicht gewesen, dass jeder Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf den Grund des Ausscheidens eine Abfindung beanspruchen könne. Dieses würde dem Zweck des Sozialplans widersprechen. Der Arbeitsplatz des Klägers sei nach wie vor vorhanden, ein Ausscheidetermin sei weder ihm noch dem Betriebsrat oder dem Sprecherausschuss mitgeteilt worden. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht dazu weiter ausgeführt:

"Die von ihm ausgesprochene Kündigung erfolgte unstreitig nicht wegen der Betriebsänderung, sondern aus anderen - hier nicht näher dargestellten Gründen."

Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 163 bis 164 d.A.), verwiesen.

Gegen dieses dem Kläger am 8. Mai 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger per Telefax am 7. Juni 2007 Berufung eingelegt und diese mit am 4. Juli 2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen seine Argumentation. Das Arbeitsgericht habe die Besonderheiten hinsichtlich der Zielsetzung der Beklagten als endliche Gesellschaft übersehen. Deshalb liege hier kein "üblicher Zweck" eines Sozialplans vor. Trotz entsprechender Hinweise in einem von der Beklagten beauftragten Rechtsgutachten von Prof. Dr. R. vor Abschluss des Sozialplans auf die in diesem Rechtsstreit aufgetretene Problematik habe die Beklagte keinen Änderungsbedarf an den Sozialplanformulierungen gesehen.

Der Kläger und Berufungskläger hat die Klage in der Berufungsinstanz um die ab 1. Juli 2007 fällige Rate in rechnerisch unstreitiger Höhe von 51.201,16 EUR brutto erweitert, da er seit seinem Ausscheiden nach wie vor arbeitslos sei.

Der Kläger und Berufungskläger beantragt:

In Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. März 2007 (89 Ca 21462/06) wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 85.391,49 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Zinssatz auf 34.190,33 EUR seit dem 1. Juli 2006 sowie nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Zinssatz auf 51.201,16 EUR seit dem 1. Juli 2007 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

1.

die Berufung zurückzuweisen;

2.

die Erweiterung der Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und ergänzt und vertieft ebenfalls ihre erstinstanzliche Argumentation. Mit der Klageerweiterung sei die Beklagte nicht einverstanden. Es werde die Hilfsaufrechnung mit der erstinstanzlich noch nicht entschiedenen widerklagend geltend gemachten Rückforderung der Tantiemezahlung für das Jahr 2004 in Höhe von 10.225,84 EUR brutto erklärt.

Ursache des Ausscheidens des Klägers sei nicht die Betriebsänderung gewesen. Diese dürfe nicht nur äußerer Anlass gewesen sein, sondern es müsse sich dabei um den tragenden Grund gehandelt haben. Die Beklagte habe sich mit dem Sozialplan vom 21. Mai 2003 ersichtlich nicht ihrer unternehmerischen Entscheidung begeben wollen, welche Arbeitsplätze erhalten und welche abgebaut werden sollten. Die Betriebsänderung habe wie in § 2 Ziffer 2 des Interessenausgleiches vereinbart, aus zwei Phasen bestanden. Die erste Phase sei fest, die zweite aber noch offen gewesen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte in ihrer Wirtschaftsführung dem öffentlichen Haushaltsrecht verpflichtet sei. Das nur einem eingeschränkten Personenkreis zugängliche Gutachten von R./A. könne zur Auslegung des Sozialplans nicht herangezogen werden. Der Sozialplan sei aus sich heraus auszulegen.

Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten (Bl. 234 d.A.) sei der Kläger anscheinend vermögend genug, um seit mehr als einem Jahr ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld von seinem Zweitwohnsitz in Spanien das vorliegende Verfahren zu führen.

Die Tantiemezahlung für das Jahr 2004 könne im Wege der Hilfsaufrechnung zurückgefordert werden, weil die Betriebsvereinbarung Nr.15 über die Gewährung von Abschlussgratifikationen zwischen der RMD AG und dem Gesamtbetriebsrat der RMD AG vom 27. September 1991 im Wege der betrieblichen Übung bei der Beklagten gelte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird gemäß §§ 64 Abs.6 ArbGG, 313 Abs.2 ZPO auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 3. Juli 2007, die Berufungsbeantwortung vom 8. August 2007, die Schriftsätze vom 14. August und 17. August 2007 sowie das Sitzungsprotokoll vom 20. August 2007 nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs.6 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden und auch ansonsten zulässig.

Die Hilfsaufrechnung ist zulässig, die Klageerweiterung unzulässig.

Die Klageerweiterung ist unzulässig, weil die Beklagte ihr nicht zugestimmt hat und das Berufungsgericht sie nicht für sachdienlich erachtet, §§ 263, 525 ZPO.

Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung ist zwar im allgemeinen erst dann zu verneinen, wenn in der Berufungsinstanz ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Würde man Klageerweiterungen in der Berufungsinstanz im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf solche weiteren Streitgegenstände beschränken, die sich im Wesentlichen als unmittelbare Folge der Beurteilung des bisherigen Prozessstoffes ergeben, so widerspräche eine solch restriktive Auslegung dem berechtigten Interesse der Parteien und würde zu einer unsachgemäßen Prozesshäufung führen. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen (BAG, Urteil vom 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00 = AP Nr. 3 zu § 263 ZPO).

Hiernach war die Sachdienlichkeit der erst im Berufungsrechtszug erfolgten Klageerweiterung ausnahmsweise nicht zu bejahen.

Anspruchsvoraussetzung für die Klageerweiterung war mindestens die Anzeige des Klägers erstmals zum 1. Juli 2007, dass er arbeitslos sei bzw. gewesen sei. Den entsprechenden Nachweis hatte der Kläger bis zum Kammertermin nicht beigebracht. Erst im Kammertermin am 20. August 2007 hat er diese anspruchsbegründende Tatsache in Form einer Kopie in den Rechtsstreit eingebracht. Auch wenn er dazu vorgetragen hat, dass er das Schreiben bereits am 31. Juli 2007 an einen der Geschäftsführer der Beklagten gesandt habe, war den Beklagtenvertretern nach ihrem eigenen Bekunden dieser Vorgang nicht bekannt. Insoweit musste sich die Beklagte im Kammertermin auch nicht auf diesen Vortrag einlassen (können), obwohl das persönliche Erscheinen eines der Geschäftsführer der Beklagten angeordnet war. Da es sich um einen neuen und erstmaligen Vortrag des Klägers im Kammertermin handelte, musste der als instruierter Vertreter zum Termin entsandte Justiziar hierzu keine Kenntnis haben. Aus dem Prozessverlauf heraus handelte es sich um einen unvorhersehbaren Vortrag.

Angesichts der gesetzlichen Definition der Arbeitslosigkeit in § 119 SGB III einerseits und dem unstreitigen Vorbringen der Beklagten über den regelmäßigen Aufenthaltsort des Klägers in Spanien andererseits ging die Kammer davon aus, dass mit der Klageerweiterung ein völlig neuer Streitkomplex zwischen den Parteien eröffnet würde, der nicht allein durch die Einräumung einer Erklärungsfrist für die Beklagte hätte gelöst werden können. Deshalb war die Klageerweiterung nicht sachdienlich und damit unzulässig.

II.

Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten führt nicht zu Reduzierung des Anspruchs.

1.

Der Kläger hat Anspruch auf die Grundabfindung (A1) aus dem Sozialplan vom 21. Mai 2003.

1.1

Zuletzt in der nicht veröffentlichten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Mai 2007 - 1 AZR 370/06 (zitiert nach juris) hat der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass nach der ständigen Senatsrechtsprechung Arbeitnehmer, die auf Grund eines vom Arbeitgeber veranlassten Aufhebungsvertrags oder einer von ihm veranlassten Eigenkündigung ausscheiden würden, mit denjenigen gleich zu behandeln seien, deren Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber gekündigt würden. Ursache für das Ausscheiden müsse die vom Arbeitgeber vorgenommene Betriebsänderung sein. Dies sei sie auch dann, wenn der Arbeitgeber bei dem Arbeitnehmer im Hinblick auf eine konkret geplante Betriebsänderung die berechtigte Annahme hervorgerufen habe, mit der eigenen Initiative komme er einer sonst notwendig werdenden betriebsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers nur zuvor.

Ob das zutreffe, sei eine Frage des Einzelfalls. Der bloße Hinweis auf eine unsichere Lage des Unternehmens, auf notwendig werdende Betriebsänderungen und die nicht auszuschließende Möglichkeit des Arbeitsplatzverlustes genüge nicht, um in diesem Sinne einen vom Arbeitgeber gesetzten Anlass anzunehmen. Eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder ein Aufhebungsvertrag sei aber dann vom Arbeitgeber veranlasst, wenn dieser dem Arbeitnehmer zuvor mitgeteilt habe, er habe für ihn nach Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr.

"Betriebsbedingt" sei die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dann, wenn ihre (Haupt-)Ursache in der Sphäre des Betriebes und nicht in derjenigen des Arbeitnehmers liege. Betriebliche Gründe müssten die Beendigung "bedingen". Hierfür genüge es nicht, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderungen, deren Auswirkungen auf seinen Arbeitsplatz noch völlig ungewiss seien, zum Anlass nehme selbst zu kündigen.

In einer weiteren Entscheidung vom 13. Februar 2007 (1 AZR 184/06 = NZA 2007, 825) hat der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, dass der Aufhebungsvertrag einer Arbeitnehmerin dann vom Arbeitgeber veranlasst sei, wenn dieser der Arbeitnehmerin zuvor mitgeteilt hätte, er habe für sie nach Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr. Das gelte auch bei einer Mitteilung auf einer Informationsveranstaltung im Oktober 1999, dass zum Jahresende 2001 das Servicezentrum, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt war, geschlossen werde und zwar selbst dann, wenn allen Beschäftigten zugesagt worden sei, sie in einem anderen Servicezentrum weiter zu beschäftigen. Entscheidend sei vielmehr, ob die Erwartung der Arbeitnehmerin, ihr Arbeitsplatz werde nach der Betriebsänderung entfallen, auf Grund des Verhaltens des Arbeitgebers bei Abschluss des Aufhebungsvertrags objektiv berechtigt gewesen sei.

In drei weiteren Entscheidungen des 1. Senates vom 25. März 2003 zum gleichen Sozialplan, der der Entscheidung vom 13. Februar 2007 zugrunde lag, (1 AZR 169/02 - 1 AZR 171/02; dokumentiert ist nur die Entscheidung 1 AZR 169/02 = EzA Nr.6 zu § 112 BetrVG 2001) hat das Bundesarbeitgericht ausgeführt, dass auch die zweijährige Zeitspanne zwischen der Informationsveranstaltung im Oktober 1999 und der für Ende 2001 geplanten Schließung des Servicezentrums der Feststellung nicht entgegen stehe, die Beklagte habe den Aufhebungsvertrag veranlasst. Die Größe eines Unternehmens und die zeitliche Distanz zwischen Ankündigung und (endgültiger) Durchführung der Betriebsänderung besage nichts darüber, mit welchem Grad von Gewissheit ein Arbeitnehmer mit dem Wegfall seines Arbeitsplatzes rechnen müsse. Allein dies sei maßgeblich für die Frage, ob eine Eigenkündigung oder ein Aufhebungsvertrag vom Arbeitgeber veranlasst sei.

Weiter hat das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung ausgeführt, dass dann, wenn der Arbeitgeber wegen der Unvorhersehbarkeit der Stellenentwicklung und Stellenbesetzung die Berechtigung der Annahme verhindern wolle, zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestünden für den Arbeitnehmer nach Durchführung der Betriebsänderung nicht mehr, er dieses durch die Gestaltung des Sozialplans selbst - etwa mittels Vereinbarung von Stichtagsregelungen - oder durch entsprechend zurückhaltende Äußerungen über beabsichtigte Entwicklungen dafür Sorge tragen könne. Dieses habe dann zur Folge, dass Abfindungsansprüche erst entstünden, wenn die Verhältnisse für ihn überschaubar geworden seien und sich Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gegebenenfalls deutlich darstellten.

1.2

Nach § 1 des Sozialplans vom 21. Mai 2003 sollen Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz "wegen der Betriebsänderung" verlieren, eine Abfindung erhalten. Die Art des Ausscheidens spielt dabei keine Rolle. Auch der durch Eigenkündigung ausscheidende Mitarbeiter ist ohne - weitere - Einschränkung abfindungsberechtigt. Nach der unter 1.1 dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für die Anspruchsbegründung allein notwendig, dass ausgehend vom Empfängerhorizont des Klägers nach Durchführung der Betriebsänderung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den Kläger besteht.

1.2.1

Im zeitgleich mit dem Sozialplan vereinbarten Interessenausgleich ist eine Betriebsänderung formuliert, die bis zum Ende des Jahres 2010 (2010/2011) einen Abbau sämtlicher Arbeitsplätze vorsah und -sieht. In § 5 des Interessenausgleiches ist eindeutig formuliert, dass die Betriebsänderung "mit Abwicklung und Auflösung der Gesellschaft" ende. Damit war im Mai 2003 für alle Beschäftigten der Beklagten klar, dass sie spätestens mit Ende des Jahres 2010 ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Soweit die Beklagte ausgeführt hat, dass es völlig offen gewesen sei und immer noch wäre, ob die zweite Phase der Betriebsänderung realisiert werde und deshalb für den Kläger gar nicht klar gewesen sei, dass er seinen Arbeitsplatz verliere, verkennt die Beklagte die Struktur des von ihr selbst unterzeichneten Interessenausgleichs und des ebenso unterzeichneten Sozialplans. Anders als es vielleicht üblich ist, wurde eben nicht ein gesonderter Interessenausgleich und ein gesonderter Sozialplan für die erste Phase des Personalabbaus vereinbart, sondern beide Vereinbarungen umfassten von vornherein beide Phasen. Die Beklagte hatte sich in § 5 des Interessenausgleiches lediglich das Recht zur Beendigungserklärung und darauf aufbauend in § 12 des Sozialplans für diesen Fall eine Kündigungsmöglichkeit des Sozialplans vorbehalten. Von diesem Recht hat die Beklagte aber bis zur Kündigungserklärung des Klägers, aber auch bis zu seinem Ausscheiden und auch bis heute keinen Gebrauch gemacht. Soweit die Beklagte im Kammertermin ausgeführt hat, dass die dafür erforderliche Bedingung, nämlich die Übernahme von Aufgaben, "die einen annähernd konstanten Personalbedarf für die kommenden Jahre gewährleisten", in der heutigen Zeit kaum jemals angenommen werden könne, mag das so sein. Die Beklagte hat sich aber selbst mit dieser Bedingung einverstanden erklärt. Aus dem tatsächlichen oder vermeintlichen Umstand der Nichterfüllbarkeit ergibt sich dann aber für den Kläger umso deutlicher, dass seine Entlassung spätestens mit dem Ende der Betriebsänderung Ende 2010 zu erwarten sei.

1.2.2

Die Regelungen im Interessenausgleich sowie im Sozialplan vom 21. Mai 2003 beinhalten die in den Entscheidungen des 1. Senates vom 25. März 2003 angesprochene gegebenenfalls notwendige Zurückhaltung nicht. Wenn auch die Beklagte sicherlich recht hat, dass das Gutachten von Prof. Dr. R., welches auszugsweise in das Verfahren eingeführt wurde, für die Auslegung des Sozialplans wohl unerheblich ist, so ist diesem Gutachten aber dennoch die im Falle des Klägers aufgetretene Problematik bereits zu entnehmen gewesen. Der in freien Verhandlungen abgeschlossene Sozialplan beinhaltet nur in § 2 eine einzige Stichtagsregelung. Für nach dem 31.12.2005 ausscheidende Mitarbeiter wurde im Sozialplan keinerlei Stichtag mehr formuliert.

Es mag sein, dass die Zahlung der Sozialplanabfindung an den Kläger einer Wirtschaftsführung nach dem öffentlichen Haushaltsrecht entgegensteht. Aber auch insoweit erfolgt die Auslegung des Sozialplans zunächst aus den Formulierungen im Sozialplan selbst, wobei diese im Zusammenhang mit dem dazugehörigen Interessenausgleich auszulegen sind. Und diese Formulierungen sind eindeutig.

Jedenfalls musste der Kläger angesichts der durch den Interessenausgleich beschriebenen Betriebsänderung davon ausgehen, dass sein Arbeitsplatz mit Ende der Betriebsänderung, also mit Abwicklung und Auflösung der Gesellschaft entfällt.

1.2.3

Auch die Nichtmitteilung eines Auscheidetermins an den Kläger steht dem Abfindungsanspruch nicht entgegen. Sowohl im Interessenausgleich wie auch im Sozialplan hatte sich die Beklagte verpflichtet, jedem Mitarbeiter bereits im Jahre 2003 und dann regelmäßig fortgeschrieben einen Termin für das geplante Ausscheiden mitzuteilen. Diese Verpflichtung bestand auch gegenüber dem Kläger. Rechtsfolgen waren an diese Mitteilung aber nur eingeschränkt geknüpft. Lediglich in den ersten Jahren der Laufzeit des Sozialplans war ein vom mitgeteilten Termin abweichendes Ausscheiden abfindungsschädlich. Nach Ablauf des Jahres 2005 zog und zieht ein Ausscheiden abweichend vom von der Beklagten mitgeteilten Termin entsprechend § 9 des Sozialplans nur noch eine Reduzierung der Abfindung nach sich, die der Kläger in seiner Abfindungsberechnung von vornherein berücksichtigt hat. In diesem Zusammenhang wäre es leicht zu regeln gewesen, dass z.B. ein vorzeitiges Ausscheiden zeitlich gestaffelt bis zum Verlust der gesamten Sozialplanabfindung führt. Dass die Beklagte die insoweit eher ungewöhnliche Regelung mit den Mitbestimmungsgremien vereinbart hat, macht sie jedoch bzw. erst recht nicht unwirksam.

Soweit die Beklagte ausgeführt hat, dass dem Kläger aufgrund der Nichtmitteilung eines Auscheidetermins klar gewesen sein müsse, dass sein Ausscheiden nicht geplant sei, steht dem die eindeutige Regelung in § 5 des Interessenausgleiches entgegen. Insofern kann auf die Ausführungen unter 1.2.1 verwiesen werden.

2.

Auch die Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Teilurteils, wonach das Ausscheiden des Klägers "unstreitig nicht wegen der Betriebsänderung" erfolgt sei, stehen dem Abfindungsanspruch nicht entgegen. Zwar wurde mit dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) eine Einschränkung der Tatsachenfeststellung in der Berufungsinstanz eingeführt, aber eine Beschränkung wie zwischen Berufungs- und Revisionsinstanz war damit nicht verbunden.

2.1

Nach § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Aus dieser Bestimmung ist nach Ansicht der Kammer aber nicht herzuleiten, dass die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts hinsichtlich der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung auf Verfahrensfehler und damit auf den Umfang beschränkt wäre, in dem eine zweitinstanzliche Tatsachenfeststellung der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt. Zwar kommt in § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO eine grundsätzliche Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung zum Ausdruck; eine erneute Tatsachenfeststellung durch das Berufungsgericht ist nach der Formulierung der Bestimmung nur als Ausnahme ("soweit nicht ...") vorgesehen. Dies entspricht der Absicht des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich aber, dass die zur Entlastung des Berufungsgerichts vorgesehene - grundsätzliche - Bindung an die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung auf solche Tatsachen beschränkt sein soll, welche die erste Instanz bereits "vollständig und überzeugend" getroffen hat. Denn die Aufgabe der Berufungsinstanz als zweite - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz besteht auch nach der Reform des Zivilprozesses in der Gewinnung einer "fehlerfreien und überzeugenden" und damit "richtigen", das heißt der materiellen Gerechtigkeit entsprechenden Entscheidung des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03 = NJW 2005, 1583 mit weiteren Nachweisen).

2.2

Es ist anerkannt, dass vom Geltungsbereich des § 314 ZPO auch die tatsächlichen Feststellungen erfasst werden, die in den Entscheidungsgründen enthalten sind. Dazu gehört auch die Frage, ob eine bestimmte Behauptung bestritten ist oder nicht (BAG, Urteil vom 18. September 2003 - 2 AZR 498/02 = NZA 2004, 253, aber auch schon BAG, Urteil vom 8. Dezember 1977 - 3 AZR 530/76 = AP Nr. 176 zu § 242 BGB Ruhegehalt).

Die Beweiskraft des Tatbestandes und damit die Bindungswirkung für das Berufungsgericht entfallen nur dann, wenn die Feststellungen Unklarheiten enthalten, Lücken aufweisen oder widersprüchlich sind. Ein solcher Widerspruch ist - auch ohne entsprechende Anträge - von Amts wegen zu berücksichtigen.

2.3

Widersprüchlich waren die Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht. Denn der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, weshalb er das Arbeitsverhältnis beendet hat. Wenn man einer zu erwartenden Arbeitgeberkündigung aus betriebsbedingten Gründen zuvor kommen will, erfolgt dieses in aller Regel, weil man eine anderweitige Tätigkeit mit besserer Perspektive aufnehmen will. Dass jemand sein Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beendet, um anschließend mehr als ein Jahr arbeitslos zu sein, ist eher ungewöhnlich. Auch die unstreitigen Ausführungen der Beklagten über den Zweitwohnsitz des Klägers in Spanien deuten eher auf Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hin, die jedenfalls nicht als betriebsbedingt bezeichnet werden können.

Allerdings geht es bei der Vorschrift des § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO um festgestellte Tatsachen. Die Frage, ob ein Arbeitnehmer eine "betriebsbedingte" Eigenkündigung ausgesprochen hat, ist lediglich die rechtliche Schlussfolgerung aus anderen Tatsachen. Da das Arbeitsgericht diese anderen Tatsachen aber in der angefochtenen Entscheidung nicht festgestellt hat, kann auch nicht von einer Tatsachenfeststellung im Sinne des § 529 Abs.1 Nr.1 ZPO ausgegangen werden. Deshalb steht die festgestellte unstreitige Schlussfolgerung dem klägerischen Anspruch nicht entgegen.

3.

Die dem Kläger zustehende Grundabfindung zuzüglich des Sozialzuschlags war nicht um den Betrag der an den Kläger für das Jahr 2004 gezahlten Tantieme zu reduzieren.

3.1

Zweifelsfrei handelt es sich bei der Tantiemeregelung im Arbeitsvertrag um eine Regelung mit einem wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt. Insofern ist der Anspruch von einer Bewilligung durch den Aufsichtsrat der Gesellschaft abhängig. Dieser Beschluss lag aber unstreitig vor.

Soweit die Beklagte behauptet hat, dass es eine betriebliche Übung entsprechend der Betriebsvereinbarung Nr.15 über die Gewährung von Abschlussgratifikationen zwischen der RMD AG und dem Gesamtbetriebsrat der RMD AG vom 27. September 1991 gegeben habe, vermochte die Kammer das nicht festzustellen.

3.2

Mehrfach wiederholtes gleichförmiges Arbeitgeberverhalten, im Regelfall aber nicht immer begünstigend, gerichtet auf die Arbeitnehmer des Betriebes oder einen abstrakt beschriebenen Ausschnitt hiervon, seiner Art nach also "kollektiv", kann rechtsgestaltende Wirkung haben. Das ist eine alte Erkenntnis des Arbeitsrechts (vgl. Bepler, Die "zweifelhafte Rechtsquelle" der betrieblichen Übung - Beharrungen und Entwicklungen - RdA 2005, 323ff.). Ein solches mehrfach wiederholtes gleichförmiges Verhalten hat die Beklagte aber nicht vorgetragen.

Die in den Tantiemelisten jeweils mit 0,00 EUR aufgeführten Mitarbeiter sind unstreitig, wie die Erörterungen im Kammertermin ergeben haben, nur Mitarbeiter mit neuen Arbeitsverträgen. Bei den ausgeschiedenen oder ausscheidenden Mitarbeitern jeweils am Ende der Listen entspricht die Zwölftelung jeweils der Anzahl der in dem jeweiligen Jahr noch zurückgelegten Monate des Arbeitsverhältnisses. Deshalb scheint die behauptete betriebliche Übung dort nicht angewandt worden zu sein. Die einzigen beiden Abweichungen finden sich in der Liste des Jahres 2005 für einen Arbeitnehmer mit neuem Arbeitsvertrag und für den Kläger.

Damit hat die Beklagte kein wiederholtes gleichförmiges Arbeitgeberverhalten dargelegt, dass ausscheidende Mitarbeiter ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens oder ab dem Zeitpunkt einer Eigenkündigung keine Tantieme mehr erhalten. Insofern war der Anspruch des Klägers auf die rechnerisch unstreitige Grundabfindung nebst Sozialzuschlag vollumfänglich zuzusprechen.

III.

Der Streitwert errechnet sich aus der Summe des Berufungsantrags, der Klageerweiterung und der Hilfsaufrechnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 92 Abs.1 ZPO. Die Kosten der ersten Instanz sind dem dortigen Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen bei der Zulässigkeit von Klageerweiterungen in der Berufungsinstanz, der Auslegung des Sozialplans sowie der Frage der Wirkung von (Tatsachen-)Feststellungen in den Entscheidungsgründen einer arbeitsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 72 Abs.2 Nr.1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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