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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 07.10.2009
Aktenzeichen: 15 Sa 1129/09
Rechtsgebiete: Eisenbahner-Verordnung, RKV, Einigungsvertrag


Vorschriften:

Eisenbahner-Verordnung vom 28. März 1973 (GBl. I Nr. 25 S. 217) § 11 II
Eisenbahner-Verordnung vom 28. März 1973 (GBl. I Nr. 25 S. 217) § 15
RKV § 2
RKV § 9
Einigungsvertrag vom 31.08.1990 Anlage II Kapitel VIII H III Nr. 2 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

15 Sa 1129/09

Verkündet am 7. Oktober 2009

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Frau N. und Herr Kö.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.01.2009 - 41 Ca 11608/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung nach den Regelungen für Eisenbahner der ehemaligen Deutschen Reichsbahn.

Der Kläger ist am ..... 1943 geboren. Er war seit dem 1. September 1961 bei der Deutschen Reichsbahn und zuletzt bei der Beklagten als Netzkoordinator tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag zum 31. Dezember 2006. Seit dem 1. Januar 2008 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ihm stünde eine betriebliche Altersversorgung nach den §§ 42, 47 RKV vom 20. Mai 1960 in der Fassung vom 1. Februar 1964 zu. Diese Regelungen seien bis heute nicht abgelöst worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn monatlich 128,33 € Altersversorgung gem. § 47 RKV für die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn vom 20. Mai 1960 in der Fassung des 3. Nachtrages vom 1. Februar 1964 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.026,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, durch § 39 Angestellten TV-DR seien sämtliche Regelungen des Rahmenkollektivvertrages abgelöst worden.

Das Arbeitsgericht Berlin hat durch Urteil vom 29. Januar 2009 die Klage abgewiesen. Es hat die im Wesentlichen damit begründet, dass § 39 Angestellten TV-DR den Rahmenkollektivvertrag abgelöst habe. Entsprechend der Anlage I Kapitel VIII A III Nr. 14 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 gelte daher der RKV nicht mehr weiter.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 15. Mai 2009 zugestellt worden. Am 3. Juni 2009 ging die Berufung beim Landesarbeitsgericht ein. Nach Verlängerung bis zum 15. August 2009 erfolgte die Berufungsbegründung am 12. August 2009.

Der Kläger ist nunmehr der Ansicht, Rechtsgrundlage für seine Ansprüche seien die §§ 2, 9 der Anlage 11 zum RKV in der Fassung des 53. Nachtrages vom 26.04.1989. Diese Regelungen seien im Wesentlichen wortgleich mit der Fassung des RKV bis zum Nachtrag vom 01.02.1964. Durch den 53. Nachtrag sei die Versorgungsordnung sekundäres Bundesrecht geworden. Eine Änderung durch einen Tarifvertrag sei nicht möglich. Die Rechtsprechung des BAG zur "Anordnung 54" sei nicht übertragbar, da diese Regelungen hoheitlich, gesetzesähnlich ergangen seien. Mit den Regelungen im Einigungsvertrag könne der Gesetzgeber auch nicht in die Tarifautonomie eingreifen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Arbeitsgericht Berlin vom 29.01.2009 - 41 Ca 11608/08 - abzuändern und

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn monatlich 128,33 € Altersversorgung zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.026,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Eisenbahnerverordnung und die Versorgungsordnung seien mit Ablauf des 31. Dezember 1991 außer Kraft getreten. Mit Schließung dieser Versorgungsordnung seien die Ansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden. Die Versorgungsordnung habe trotz ihrer Regelung im RKV keinen eigenständigen rechtlichen Charakter.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen.

I.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt stehen dem Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung zu. Insofern sind sowohl der Feststellungsantrag als auch der Zahlungsantrag abzuweisen.

1. Soweit der Kläger erstinstanzlich die Ansicht vertreten hat, ihm stünden Ansprüche gem. der §§ 42, 47 RKV in der Fassung vom 1. Februar 1964 zu, ist dies nicht zutreffend.

Der Kläger übersieht, dass sich aus diesen Normen schon deswegen keine Anspruchsgrundlage ergeben kann, weil sie schon zu DDR-Zeiten außer Kraft getreten sind. Spätestens durch den 35. Nachtrag zum RKV vom 13. Januar 1975 war in § 41 geregelt worden, dass die Berechnung und Gewährung der Versorgung der Eisenbahner sich nach der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn entsprechend der Anlage 3 richtet. Der RKV selbst enthielt somit keine eigenständige Regelung über eine Versorgungsordnung mehr.

Darüber hinaus wären Regelungen des RKV aber auch durch § 39 AnTV-DR abgelöst worden, worauf das Arbeitsgericht hingewiesen hatte.

2. Auch aus §§ 2, 9 der Versorgungsordnung der Deutschen Reichsbahn (künftig: Versorgungsordnung) kann der Kläger keine Rechte mit Erfolg herleiten.

2.1 Dies folgt zum einen daraus, dass nach Anlage II Kapitel VIII H III Nr. 2 a Einigungsvertrag die §§ 11 - 15 der Eisenbahner-Verordnung und die auf ihrer Grundlage erlassene Versorgungsordnung nur bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden waren. Ansprüche des Klägers auf Altersversorgung ergaben sich jedoch erst ab dem 1. Januar 2008.

Soweit das Bundesarbeitsgericht bezogen auf die "Anordnung zur Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben" vom 9. März 1954 (GBl. I 1954, S. 301) (im Folgenden: Anordnung 54) angenommen hat, dass Ansprüche zumindest bis zum 31. Dezember 1991 hätten erworben werden können (BAG vom 29.07.1997 - 3 AZR 72/97 - NZA-RR 1998, 175 Rn. 31) kann der Kläger hieraus nichts ableiten. Bis zum 31. Dezember 1991 hatte der Kläger allenfalls Anwartschaften auf Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung erworben. Derartige Anwartschaften sind jedoch nicht identisch mit einem Anspruch auf eine solche Altersversorgung. Entsprechend hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich ausgeführt, dass nach dem Stichtag für die Zukunft die Möglichkeit entfällt, die jeweils geregelten Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen und einen entsprechenden Rentenanspruch zu erwerben (a. a. O., Rn. 31). Das Bundesarbeitsgericht geht in dieser Entscheidung auch davon aus, dass auch nicht der Erwerb einer Teilrente in Betracht komme (a. a. O., Rn. 34). Diesen Rechtsgedanken schließt sich die erkennende Kammer auch für die Versorgung der Eisenbahner der ehemaligen Deutschen Reichsbahn an.

Nicht gefolgt werden kann dem Kläger auch mit dem Einwand, Anlage II Kapitel VIII H III Nr. 2 a Einigungsvertrag stelle einen unzulässigen Eingriff in die Tarifautonomie dar. Zwar war die Versorgungsordnung zuletzt als Anlage 11 zum RKV wiedergegeben worden, doch stellt sie selbst keinen RKV dar. Nach § 10 Abs. 1 AGB-DDR sind Rahmenkollektivverträge u. a. zwischen dem zuständigen Minister und der Gewerkschaft zu vereinbaren. Eine solche Vereinbarung liegt hier nicht vor. Im Vorspann zur Versorgungsordnung heißt es:

"Auf der Grundlage des § 15 der Verordnung vom 28. März 1973 über die Pflichten und Rechte der Eisenbahner - Eisenbahner-Verordnung (GBl. I Nr. 25 S. 217) - wird im Einvernehmen mit dem Staatssekretariat für Arbeit und Löhne und dem Bundesvorstand des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes sowie dem Zentralvorstand der IG Transport- und Nachrichtenwesen zur Verwirklichung des Anspruchs der Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn auf Alters-, Invaliden- und Unfallversorgung sowie ihrer Hinterbliebenen auf Hinterbliebenenversorgung folgendes geregelt:

§ 1

Umfang der Versorgung

... "

Somit stellt sich die Versorgungsordnung als eine Ergänzung der Eisenbahner-Verordnung vom 28. März 1973 (GBl. I Nr. 25 S. 217) dar, die vom Ministerrat der DDR erlassen worden war. Diese sah in § 15 die Möglichkeit vor, Einzelheiten durch den entsprechenden Minister im Einvernehmen mit dem Staatssekretär für Arbeit und Löhne und in Übereinstimmung mit den entsprechenden Organen der Gewerkschaften zu regeln. Damit stellt die Versorgungsordnung keinen Akt der Tarifautonomie dar, so dass auch offen bleiben kann, ob dieser Begriff überhaupt zu Recht auf Regelung mit Gewerkschaften in der DDR angewandt werden kann.

2.2 Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte scheitert auch schon daran, dass jedenfalls die Beklagte keinerlei Ansprüche aus der ehemaligen Versorgungsordnung zu befriedigen hat. Anspruchsgegner kann allenfalls der Träger der Rentenversicherung sein.

Ursprünglich bestand bei der Deutschen Reichsbahn eine besondere betriebliche Altersversorgung (BSG 11.12.2002 - B 5 RJ 14/00 R-BSGE 90, 197, zitiert nach juris Rn. 23). Nach § 42 III des RKV in der Fassung, die auch der Kläger zitiert hat, war Träger der Versorgung die Deutsche Reichsbahn. Dieser Charakter änderte sich mit Erlass der Eisenbahner-Verordnung und der Versorgungsordnung, die im Rahmen des 31. Nachtrags zum RKV-DR vom 30.05.1973 erstmals als Anlage 3 zum RKV wiedergegeben wurde (die Entwicklung der Normen bis zur Vereinbarung des Einigungsvertrages wird sehr gründlich dargestellt in LSG Brandenburg 13.07.2004 - L 2 RA 64/03 - juris Rn. 43 - 58). Nach § 11 II der Eisenbahner-Verordnung regelten sich die Rechtsvorschriften für die Gewährung und Berechnung der Rente nach den entsprechenden Vorschriften über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung, soweit nachfolgend nichts anderes festgelegt war. Damit bestanden Rentenanwartschaften ausschließlich in der allgemeinen Sozialversicherung (BSG 11.12.2002 a. a. O., Rn. 23). Durch die Regelung im Einigungsvertrag in Anlage II H III Nr. 2 a sind dann die Bestimmungen aus der Eisenbahner-Verordnung und der Versorgungsordnung dem Sachbereich der Rentenversicherung zugeordnet worden (BSG 14.05.1996 - 4 RA 86/94 - juris Rn. 32). Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seinem Beschlus vom 30. August 2005 (1 BvR 616/99, 1 BvR 1028/03 - juris Rn. 30) davon aus, dass mit dem Einigungsvertrag die Versorgung der ehemaligen Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn in das System der allgemeinen Sozialpflichtversicherung überführt worden ist. Dies ist zutreffend, so dass Anspruchsgegner jedenfalls nicht die Beklagte sein kann.

Dem steht nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht bezogen auf die Anordnung 54 auch nach der Wiedervereinigung davon ausgeht, dass eine betriebliche Versorgungsleistung vorliegt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht u. a. damit begründet, dass die Parteien des Einigungsvertrages den betrieblichen Charakter der Leistungen aus der Anordnung 54 unterstrichen hätten. Dies ergebe sich daraus, dass sie deren Regelungsbereich nicht nur der Rechtssetzung der Betriebspartner und Tarifvertragsparteien unterworfen hätten, sondern dass sie es bei der Leistungspflicht des Arbeitgebers belassen hätten (BAG vom 27.02.1996 - 3 AZR 242/95 - NZA 1996, 978 Rn. 22).

Anders als die Regelungen zur Anordnung 54 oder zur Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung von Ballettmitgliedern regelte der Einigungsvertrag bezogen auf die Versorgungsregelungen der Eisenbahner nicht, dass hiervon für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen werden könne. Auch insofern unterstreichen die Parteien des Einigungsvertrages, dass sie diesbezüglich nicht von einer betrieblichen Versorgungsleistung ausgegangen sind. Darüber hinaus war die Versorgung der Eisenbahner nicht als Ergänzung zur Rente der Sozialversicherung ausgestaltet, sondern als Vollversorgung. Auch dies spricht für ihre Einordnung in das jetzige System der Sozialpflichtversicherung.

III.

Der Kläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG), da das Bundesarbeitsgericht bisher nicht darüber entschieden hat, inwiefern Ansprüche der ehemaligen Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn auf betriebliche Altersversorgung bestehen. Dies ist zwischen zahlreichen ehemaligen Beschäftigten und den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Reichsbahn streitig.

Ende der Entscheidung

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