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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 28.01.2009
Aktenzeichen: 15 Sa 1490/08
Rechtsgebiete: HGB, BGB
Vorschriften:
HGB § 65 | |
HGB § 87 | |
BGB § 133 | |
BGB § 157 |
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 28. Januar 2009 15 Sa 1490/08
In Sachen hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter B. und G.
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Das Versäumnisurteil des Landsarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 07.01.2009 wird aufrechterhalten.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten nunmehr noch darüber, ob der Kläger im Wege der Widerklage verpflichtet ist, an die Beklagte 7.239,98 € zurückzuzahlen. Mit Ausnahme von 180,00 € setzt sich der Betrag zusammen aus geleisteten Provisionsvorauszahlungen.
Hinsichtlich des übrigen Sachverhalts und des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit Schlussurteil vom 21. Mai 2008 hat das Arbeitsgericht Berlin den Kläger verurteilt, an die Beklagte 180,00 € nebst Zinsen zu zahlen und im Übrigen die Widerklage abgewiesen. Bezüglich der Provisionsvorauszahlungen könne die Beklagte schon deswegen eine Rückzahlung nicht verlangen, weil die Provisionen nie ordnungsgemäß abgerechnet worden seien.
Dieses Urteil ist der Beklagten am 19. Juni 2008 zugestellt worden. Am 21. Juli 2008 (Montag) ging die Berufung beim Landesarbeitsgericht ein. Nach Verlängerung bis zum 16. September 2008 erfolgte die Berufungsbegründung am gleichen Tag.
Die Beklagte legt nunmehr rückdatierte Abrechnungen für den Zeitraum vom 30. April 2005 bis 19. Juli 2006 vor (Kopien Bl. 323 ff. d. A.). Im Hinblick auf diese Abrechnungen behauptet sie, der Kläger hätte nur einen Provisionsanspruch in Höhe von 745,45 € erworben. Daher müsse er die weiteren Provisionsvorauszahlungen zurückzahlen. Hilfsweise ist die Beklagte der Ansicht, der Kläger habe keinerlei Anspruch auf Abrechnung der Provisionen mehr, da er jeweils spätestens am 20. des Folgemonats hätte geltend machen müssen, dass keine Provisionsabrechnungen erfolgt seien. Ein entsprechender Abrechnungsanspruch sei nunmehr verwirkt.
Aufgrund ihrer Säumnis im Verhandlungstermin vom 7. Januar 2009 ist die Berufung der Beklagten auf ihre Kosten zurückgewiesen worden. Der Einspruch gegen dieses Versäumnisurteil ging am 14. Januar 2009 beim Landesarbeitsgericht ein.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 07.01.2009 aufzuheben und unter Aufhebung des Schlussurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.05.2008 den Kläger zu verurteilen, an sie 7.239,98 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 12.07.2007 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
Das Versäumnisurteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 07.01.2009 aufrechtzuerhalten.
Das Recht der Beklagten auf eine mögliche Rückforderung sei verwirkt, da er nach so langer Zeit nicht mehr vortragen könne, welche Provisionsansprüche ihm zustünden.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinerlei Erfolg.
1.
Der Rechtsstreit ist durch den fristgemäß und formgerecht eingelegten Einspruch der Beklagten in die Lage vor Eintritt ihrer Säumnis zurückversetzt worden (§§ 342, 539 Abs. 3 ZPO, §§ 59 Satz 1 und 2, 64 Abs. 6 und 7 ArbGG).
2.
Die Entscheidung aus dem Versäumnisurteil war gemäß § 343 Satz 1 ZPO aufrechtzuerhalten, weil sie mit der aufgrund der neuen Verhandlung zu erlassenen Entscheidung übereinstimmt.
2.1
Die Berufung ist in Höhe von 180,00 € unzulässig. Das Arbeitsgericht Berlin hat im Schlussurteil vom 21. Mai 2008 den Kläger verurteilt, diesen Betrag an die Beklagte zu zahlen.
In Höhe des weiteren Betrags von 7.059,98 € brutto ist die Berufung jedoch zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2.2
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Beklagten steht ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 7.059,98 € nebst Zinsen nicht zu. Sie hat schon deswegen keinen Anspruch auf Rückzahlung der erfolgten Provisionsvorauszahlungen, weil die Regelungen zu § 4 des Arbeitsvertrages einvernehmlich in eine Garantieprovision in Höhe von 1.250,00 € monatlich umgeändert wurden. Die einvernehmliche Regelung erfolgte nicht ausdrücklich, aber durch schlüssiges (konkludentes) Handeln.
2.2.1
Nach ständiger Rechtsprechung auch des Bundesarbeitsgerichts kann eine Willenserklärung auch in einem konkludenten Verhalten liegen. Dies setzt allerdings einen konkreten Geschehenszusammenhang voraus, der unter Beachtung der Verkehrssitte und unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles einen Erklärungswert für die Handlung ergibt. Insoweit ist auch für die konkludente Willenserklärung entscheidend, wie sie von dem Erklärungsempfänger unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste. Selbst wenn der Handelnde an die Möglichkeit einer solchen Wertung nicht gedacht hat, kann sein schlüssiges Verhalten trotzdem als Willenserklärung gewertet werden. Insofern ist jedoch zu verlangen, dass er bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, sein Verhalten könne als Willenserklärung aufgefasst werden, und der andere Teil es auch tatsächlich so verstanden hat (BAG vom 09.03.2005 - 5 AZR 231/04 - Juris Rn 23). Insbesondere eine langjährige, einvernehmlich gehandhabte bzw. widerspruchslos hingenommene Vergütungs- und Abrechnungspraxis kann als konkludente rechtsgeschäftliche Einigung der Arbeitsvertragsparteien verstanden werden (LAG Rheinland-Pfalz vom 03.12.2007 - 3 Sa 421/07 - Juris Rn 26).
2.2.2
Bei Anwendung dieser Kriterien ist davon auszugehen, dass die Regelungen im Arbeitsvertrag, die nur eine Provisionsvorauszahlung vorsahen, einvernehmlich zwischen den Parteien dahingehend geändert wurden, dass nunmehr eine Garantieprovision zu zahlen ist. Der Kläger konnte zahlreiche Handlungen der Beklagten nur dahingehend verstehen, dass ihm nunmehr eine Garantieprovision zustehen solle. Er hat dieses Vertragsangebot durch Weiterarbeit angenommen.
Unstreitig hatte der Kläger schon beim Vorarbeitgeber, der durch den gleichen unterzeichnenden Geschäftsführer vertreten war, eine gleichlautende arbeitsvertragliche Regelung erzielt. Obwohl ihm nach dem Vertragswortlaut auch insofern nur eine Provisionsvorauszahlung zustand, ist es trotz der Regelungen im Arbeitsvertrag nie zu einer monatlichen Provisionsabrechnung gekommen. Auch am Jahresende und auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nie eine Saldierung vorgenommen worden. Auch der in diesem hiesigen Arbeitsverhältnis erste Arbeitsvertrag vom 13. April 2005 (Kopie Bl. 104 ff. d. A.) sah eine Provisionsvorauszahlung in Höhe von 1.000,00 € und entsprechende Abrechnungsverpflichtungen vor. Gleiches gilt für den zweiten Arbeitsvertrag vom 16. April 2006 (Kopie Bl. 10 ff. d. A.), wobei dort der Betrag der Provisionsvorauszahlungen auf 1.250,00 € angehoben wurde. Trotz der Regelungen im Arbeitsvertrag ist über 15 Monate nie die jeweilige Provision durch die Beklagte abgerechnet worden. Auch zum Jahresende 2005 hat keinerlei Abrechnung und Saldierung stattgefunden. Selbst als der neue Arbeitsvertrag unterschrieben wurde, ist das zurückliegende Vertragsverhältnis nicht abgerechnet worden. Im Übrigen ergibt sich aus den eingereichten Abrechnungsformularen, dass dort der jeweilige Betrag nicht als "Provisionsvorauszahlung", sondern nur als "Provision" ausgewiesen wurde. Nachdem der Kläger den zweiten Arbeitsvertrag vom 16. April 2006 unterzeichnet hatte, erhielt er wiederum im Mai und Juni 2006 Provisionszahlungen ohne jegliche Abrechnung im Hinblick auf die vorangegangenen Monate. Spätestens jetzt musste er annehmen, dass die Regelungen im Arbeitsvertrag ohne Bedeutung waren und ihm tatsächlich eine Garantieprovision zustehen sollte. Für diese rechtliche Beurteilung ist ganz entscheidend, dass die Handlungen des Beklagten anders nicht sinnvoll erklärt werden können. Nach Darstellung der Beklagten hat der Kläger äußerst mangelhaft gearbeitet, da ihm im Zeitraum vom 30. April 2005 bis 19. Juli 2006 (Kündigung) nur ein Provisionsanspruch in Höhe von insgesamt 745,45 € zugestanden haben soll. Wenn die Zahlungen in Höhe von 1.000,00 bzw. 1.250,00 € jedoch nur eine Provisionsvorauszahlung hätten sein sollen, dann ist der Vertragsschluss vom 16. April 2006 völlig unverständlich. Obwohl der Kläger nach Darstellung der Beklagten nur in äußerst geringem Umfang Provisionsansprüche erworben haben soll, ist die Provisionsvorauszahlung in Höhe von ursprünglich 1.000,00 € nicht etwa auf ca. 100,00 € monatlich gekürzt worden, sondern wurde sogar auf 1.250,00 € erhöht. Dies macht nur Sinn unter der Annahme, dass dem Kläger unabhängig vom Wortlaut des Arbeitsvertrages tatsächlich eine Garantieprovision in dieser Höhe zustehen sollte. Jeder auch nur halbwegs rational denkende Arbeitgeber hätte andernfalls die Vorauszahlung entsprechend der realistisch zu erwartenden Provisionsansprüche gekürzt.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des BAG vom 20.06.1989 (3 AZR 504/87 - NZA 1989, 843) berufen. Dort war die Umwandlung der Provisionsvorschüsse in eine Garantieprovision deswegen abgelehnt worden, weil dem Arbeitnehmer in Abständen von ein bis zwei Monaten jeweils Abrechnungen über die Provisionen und das entsprechende Saldo übersandt wurden. Gerade hieran fehlt es aber im vorliegenden Fall.
2.2.3
Die konkludente Änderung des Arbeitsvertrages scheitert auch nicht an der in § 16 Ziffer 2 vorgesehenen doppelten Schriftform. Es handelt sich insofern um allgemeine Geschäftsbedingungen, da diese Regelungen sowohl im ersten als auch im zweiten Arbeitsvertrag vorgesehen sind. Derartige allgemeine Geschäftsbedingungen sind jedoch unwirksam (BAG vom 20.05.2008 - 9 AZR 382/07 - NZA 2008, 1233).
2.2.4
Es kann offen bleiben, ob die nunmehr von der Beklagten vorgelegten Abrechnungen der Provisionsvorauszahlungen ausreichend sind oder ob der Kläger sein Recht auf Durchführung von Abrechnungen entsprechend der Rechtsansicht der Beklagten verwirkt hat. Dies ist deswegen unerheblich, weil es angesichts der Umwandlung der ursprünglichen Provisionsvorauszahlungen in eine Garantieprovision hierauf nicht mehr ankommt.
3.
Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der weiteren Kosten nach dem Versäumnisurteil zu tragen (§§ 97, 344 ZPO).
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben, da die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nicht erfüllt sind. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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