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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 1546/07
Rechtsgebiete: KSchG
Vorschriften:
KSchG § 2 |
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 5. Dezember 2007 In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2007 und die BBeratung vom 28. November 200 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr B. und Herr Bl.
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 25.05.2007 - 4 Ca 497/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung, durch die das Arbeitsentgelt und die Arbeitszeit der Klägerin um 15 % reduziert werden sollen.
Die am ..... 1964 geborene Klägerin, die verheiratet und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, ist seit dem 1. September 1982 bei der Beklagten in deren Markt in Cottbus in der Warenannahme gegen ein Bruttomonatsentgelt von 1.867,88 € beschäftigt. Die Beklagte betreibt allein in Deutschland 33 Großmärkte mit ca. 5.800 Arbeitnehmern.
Im Jahre 2006 betrugen die Lohnkosten inklusive Arbeitgeberanteilen ohne Abfindungszahlungen für den Markt in Cottbus 3,25 Mio. €. Nach der Konzeption der Beklagten sollten diese Kosten im Jahre 2007 und danach auf 2,761 Mio. € sinken. Dies entspricht einer Einsparung von jährlich 489.000,-- € oder 15,05 %.
Von den ca. 107 Beschäftigten des Marktes Cottbus erklärten sich 67 Arbeitnehmer freiwillig bereit, ab dem 01.01.2007 die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt um ca. 15 % zu kürzen. Hierdurch ergibt sich eine jährliche Einsparsumme von 222.327,-- €. Weiterhin schieden 7 Arbeitnehmer im Jahre 2007 endgültig aus dem Arbeitsverhältnis aus, wodurch sich eine weitere Einsparung für dieses Jahr in Höhe von 138.000,-- € einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung ergab. Für zwei dieser Arbeitnehmer wurde erst nach Ausspruch der hiesigen Änderungskündigung bekannt, dass sie per Aufhebungsvertrag ausscheiden werden. Vor Ausspruch der Änderungskündigung stand fest, dass einer der Betriebsleiter zum 1. Februar 2007 zu einem anderen Markt wechseln wird, so dass in diesem Jahr weitere 47.500,-- € eingespart werden konnten. Mit drei weiteren Arbeitnehmerinnen konnten zwischenzeitlich Änderungsverträge zur Reduzierung der Arbeitszeit vereinbart werden, was einem Einsparvolumen von 38.626,32 € entspricht. Sollten alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu Gunsten der Beklagten entschieden werden, könnten im Jahr 2007 weitere 41.613,37 € eingespart werden. Alle Beträge zusammen ergeben 446.454,04 €.
Im Jahre 2006 schieden ein Arbeitnehmer durch Kündigung und ein weiterer durch Verrentung aus dem Arbeitsverhältnis aus. Hierdurch wurden seit Juni 2006 14.846,70 € und 18.194,30 € eingespart, so die Darstellung gegenüber dem Betriebsrat. Darüber hinaus endeten im Jahr 2007 drei Altersteilzeitarbeitsverhältnisse, das einer Betriebsleiterin zum 31.03.2007 und die von zwei weiteren Mitarbeitern zum 30.06.2007. Der Leiter des Außendienstes wurde zum 26. Februar 2007 intern versetzt und von der Vergütungsgruppe G 4 in die Vergütungsgruppe G 3 herabgruppiert.
Zum 14. Mai 2007 wurde zwischen den Betriebsparteien debattiert, ob drei Arbeitnehmer neu eingestellt werden sollten. Ab Mai/Juni 2007 wurde zwei Mitarbeiterinnen im Rahmen einer Trainee-Maßnahme im Außendienst zunächst für ein Jahr beschäftigt. Zusätzlich wurde im Außendienst eine Mitarbeiterin zum 1. April 2007 neu eingestellt.
Die Mehrarbeitsstunden des Jahres 2006 wurden bis zum 31. März 2007 abgebaut. Bis zum Ende der 39. KW des Jahres 2007 waren im gesamten Markt nur 7,08 Plusstunden aufgelaufen.
Hinsichtlich des übrigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht Cottbus hat am 25. Mai 2007 entschieden, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 27.02.2007 unwirksam sind. Der behauptete Umsatzrückgang besage nicht, dass sich auch für die Klägerin ab September 2007 der Arbeitsbedarf um 15 % reduziere. Soweit die Beklagte ausführe, dass die "Deckungsbeiträge" im dem hiesigen Markt erheblich ungünstiger seien als in anderen Märkten, können hieraus auf einen Arbeitskräftebedarf nicht geschlossen werden. Ein mengenmäßiger Rückgang in der Warenannahme um (weitere) 7,37 % bzw. 1,84 % könne eine Reduzierung um 15 % nicht rechtfertigten. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass drei von sieben betroffene Arbeitnehmer der Kürzung schon zugestimmt hätten. Es hätten die eigentlichen Abläufe in der Warenannahme näher beschrieben werden müssen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die unternehmerische Konzeption auf Dauer so durchgeführt werden könne. Soweit auf "Erfahrungswerte" des Marktleiters verwiesen werde, sei verabsäumt worden, die Basis dieser Erfahrungen in irgendeiner Weise nachvollziehbar darzustellen.
Gegen dieses am 2. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27. Juli 2007 Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. September 2007 ging die Berufungsbegründungsschrift am 10. September 2007 beim Landesarbeitsgericht ein.
Die Beklagte behauptet, selbst bei hundertprozentiger Umsetzung der unternehmerischen Konzeption sei das angestrebte Ziel im Jahre 2007 nicht mehr erreichbar. Bei allen anderen Einsparungen verbliebe ein Rest von 22.545,96 € gegenüber dem angestrebten Volumen von 469.000,-- €. Bereits im April 2007 lagen die Personalkosten um 32.100,-- € höher als geplant. Die Umsetzung der unternehmerischen Konzeption könne auch gegenüber der Klägerin erfolgen, ohne dass überobligatorische Leistungen erbracht werden müssten. Dies ergebe sich aus den Dienstplänen vom 1. Januar bis 30. September 2007. Soweit Arbeitnehmer im Jahre 2007 ausgeschieden sind, sei dies im Einsparvolumen von 469.000,-- € enthalten. Zu Betriebsablaufstörungen und Unregelmäßigkeiten sei es im Jahr 2007 nur deswegen gekommen, weil ein unerwartet hoher Krankenstand vorgelegen habe.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie behauptet, die Beklagte habe nach Berechnung des Betriebsrates Personalkosten in Höhe von 547.750,63 € eingespart. Das unternehmerische Konzept gehe nicht auf, was sich schon daraus ergeben, dass Stellenausschreibungen erfolgten, Fremdfirmen eingesetzt werden und in der Warenannahme sich am 8. Oktober 2007 unstreitig die Paletten angestaut hätten. Die Änderungskündigung verstoße auch gegen § 4 Abs. 2 und 3 TVG, da im Markt in Cottbus künftig niemand mehr mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden beschäftigt werde.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, form- und fristgerecht eingereichte Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Cottbus entschieden, dass die Änderungskündigung vom 27.02.2007 unwirksam ist.
Eine betriebsbedingte ordentliche Änderungskündigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen der §§ 1, 2 KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den betreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (BAG vom 01.03.2007 - 2 AZR 580/05 - DB 2007, 1413).
1. Das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen kann entfallen sein aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebes oder einzelner Arbeitsplätze. Eine solche Organisationsentscheidung unterliegt im Kündigungsschutzprozess nur einer Missbrauchskontrolle. Sie ist lediglich dahingehend zu überprüfen, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Änderungsbedarf ist (BAG vom 23.06.2005 - 2 AZR 642/04 - NZA 2006, Rn. 16 f.).
Im Rahmen einer derartigen Offensichtlichkeitsprüfung gilt, dass ein Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, eine dauerhaft defizitäre Betriebsabteilung aufrecht zu erhalten (BAG vom 29.03.2007 - 2 AZR 31/06 - NZA 2007, 855, Rn. 27). Zwar hat die Beklagte schriftsätzlich nicht genau vorgetragen, in welcher Höhe sie im Markt Cottbus Defizite erwirtschaftet, andererseits hat die Klägerin dieses schlagwortartige Vorbringen auch nicht bestritten. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die beabsichtigte Stunden- und Entgeltreduzierung als Reaktion auf eingetretene Verluste in Cottbus im Grundsatz durchaus vernünftig ist.
Erschöpft sich die Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personalkosten einzusparen, so rückt sie nahe an den Kündigungsentschluss heran. In solchen Fällen muss der Arbeitgeber seiner Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit ("Dauer") verdeutlichen, um nach der Konzeption des Bundesarbeitsgerichts dem jeweiligen Gericht die Prüfung zu ermöglichen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG vom 23.11.2004 - 2 AZR 38/04 - NZA 2005, 986, zu B I 1 c) d. Gr.).
Zwischen den Parteien ist durchaus streitig, ob die getroffene Organisationsentscheidung auf Dauer ohne überobligatorische Leistungen der verbliebenen Arbeitnehmer durchführbar ist. Für eine solche Durchführbarkeit kann sprechen, dass nach Angabe der Beklagten problemlos bis heute die Arbeitsprozesse im Markt Cottbus vonstatten gehen. Unstreitig sind die Überstunden aus den Jahren 2006 bis Ende März 2007 abgebaut worden. Auch waren bis zur 39. KW unstreitig nur 7,08 Plusstunden im gesamten Markt aufgelaufen. Zwar kommt es für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs an, doch ist das Bundesarbeitsgericht hiervon später abgerückt. Inzwischen ist es nicht mehr ausgeschlossen, dass der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt (so der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts erstmals in der Entscheidung vom 27.11.2003 - 2 AZR 48/03 - NZA 2004, 477).
Dagegen kann kaum eingewandt werden, dass am 8. Oktober 2007 sich die Paletten in der Warenannahme gestaut hätten und am 28. September 2007 die Kunden bis zum 45 Minuten an der Kasse hätten warten müssen. Hierzu hat die Beklagte nachvollziehbar vorgetragen, dass dies an einem erhöhten Krankenstand gelegen hätte. Es dürfte wohl auch nicht darauf ankommen, dass die Beklagte mit dem Betriebsrat am 14. Mai 2007 drei Neueinstellungen debattiert hat. Sie hat sich insofern darauf berufen, dass unvorhergesehener Weise weitere Arbeitnehmer aufgrund von Aufhebungsverträgen ausgeschieden seien.
Von der Klägerin ist gegen die Durchführbarkeit auf Dauer vorgebracht worden, dass im Außendienst zwei Arbeitnehmerinnen im Rahmen einer Trainee-Maßnahme und eine weitere Beschäftigte eingestellt worden sind. Sie hat weiterhin darauf verwiesen, dass Beschäftigte im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt werden.
Letztlich kann offen bleiben, ob der von den Parteien vorgebrachte Tatsachenstoff für oder gegen die Durchführbarkeit der unternehmerischen Maßnahme auf Dauer spricht.
2. Selbst wenn unterstellt wird, dass für das Änderungsangebot an sich ein anerkennenswerter Anlass vorlag, so bleibt doch festzustellen, dass die Beklagte nicht lediglich solche Änderungen vorgeschlagen hat, die die Klägerin billigerweise hätte hinnehmen müssen.
2.1 Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Dies heißt, dass die angebotenen Änderungen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen dürfen, als zur Erreichung des erstrebten Zieles erforderlich ist (BAG vom 01.03.2007 - 2 AZR 580/05 - DB 2007, 1413, Rn. 21).
2.2 Die Beklagte will die Personalkosten des Jahres 2006 inklusive der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung von 3,25 Mio. € auf dauerhaft 2,761 Mio. € reduzieren.
Dies entspricht den Vorgaben der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 14.11.2006 (Durchführungsvereinbarung, Bl. 127 f. d. A.), in der die Arbeitnehmer im Tausch gegen den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen auf Leistungen nach der Sozialordnung in Höhe von 6 Mio. € verzichten. Die dort für den Markt Cottbus vorgesehenen Einsparungen in Höhe von 489.000,-- € entsprechen 15,05 % der im Jahre 2006 angefallenen Personalkosten.
Die Personalkosten in Höhe von 3,25 Mio. € sind so auch gegenüber dem örtlichen Betriebsrat in Cottbus als Planung für das Jahr 2006 dargestellt worden (Anlagen zu Ziff. 5 der Unterlagen für die Einigungsstelle, Bl. 163 d. A.), wobei dort mit Stand vom 21.12.2006 die Dezember-Angaben noch als Prognose ausgewiesen sind. Die gleiche Zahl ergibt sich aus der von der Beklagten eingereichten Unterlagen für die Einigungsstelle (Anlage III zu Ziff. 4, Bl. 43 d. A.), die als Erstellungsdatum den 19.03.2007 enthält, wenn die einmaligen Zahlungen für Abfindungen in Höhe von 479.500,-- € rausgerechnet werden.
Für das Jahr 2007 sind von der Beklagten 2,761 Mio. € Personalkosten geplant. Dies ergibt sich aus der Anlage zu Ziff. VIII der Einigungsstellenunterlagen, die jedoch unter dem 19. März 2007 aktualisiert worden ist (Anlage V a, Bl. 49 d. A.). Dem Betriebsrat war unter dem 21. Dezember 2006 ursprünglich ein höherer Betrag von 2,799 Mio. € mitgeteilt worden (Bl. 168 d. A.).
Die Konzeption der Beklagten sieht nicht nur einmalig für das Jahr 2007 eine Absenkung der Personalkosten vor, denn dann hätte es ausgereicht, die Stunden- und Entgeltkürzungen nur für dieses Jahr vorzunehmen. Tatsächlich soll die generelle Kürzung um 15 % für die Zukunft jedoch unbefristet erfolgen.
2.3 Die Konzeption der Beklagten sieht auch vor, die 15 %ige Kürzung bei allen Arbeitnehmern, mit Ausnahme des Geschäftsleiters, der Betriebsleiter, der Arbeitnehmer, deren Stundenuntergrenze mit 84,5 Stunden pro Monat festgelegt ist, und der Auszubildenden vorzunehmen.
Die Beklagte hat nicht angegeben, in welcher Höhe diese Beschäftigtengruppen im Jahre 2006 Entgelt erhalten haben. Nach Abzug dieser Beträge von der Gesamtsumme von 3,25 Mio. € ließe sich aber erst berechnen, wie hoch die Einsparungsmöglichkeit durch die 15 %ige Entgelt- und Stundenkürzung tatsächlich ist.
Die Beklagte behauptet auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 12. November 2007 (Bl. 293 d. A.), dass durch die 15 %ige Entgeltkürzung allenfalls 426.000,-- € zu erzielen seien, ohne dass dies näher berechnet wird. Dies entspräche einer Lohnsumme inklusive Arbeitgeberanteilen von 2,84 Mio. €. Es ist nicht ersichtlich, dass gegenüber dem Betriebsrat in Cottbus dargelegt worden ist, warum das Einsparvolumen sich auf diese Summe beschränken soll.
In der Betriebsvereinbarung "Interessenausgleich und Sozialplan" vom 25. Januar 2007 heißt es unter B I vielmehr, dass der Arbeitgeber davon ausgeht, dass die Einsparung von 469.000,-- € "nur durch die Reduzierung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erreicht werden können", wenn bei allen Arbeitnehmern mit Ausnahme der obigen Beschäftigungsgruppe die Arbeitszeit linear um monatlich 15 % reduziert wird.
Trotz dieser Widersprüche soll nachfolgend zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass durch die 15 %ige Kürzung nur 426.000,-- € zu erzielen sind.
2.4 Die Beklagte meint, ihr unternehmerisches Konzept sei allein schon deswegen nicht unverhältnismäßig, weil im Jahre 2007 selbst unter günstigsten Umständen die geplanten Einsparungen um 22.545,96 € verfehlt werden (Seite 4 des Schriftsatzes vom 06.09.2007, Bl. 223 d. A.).
Es kann offen bleiben, ob dies zutrifft. Relevant wäre dies letztlich nur, wenn die Einsparungen und Kürzungen nur für das Jahr 2007 vorgenommen werden sollten. Dies ist aber nicht der Fall. Insofern ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht nur anhand des Jahres 2007, sondern auch für die weitere Zukunft zu überprüfen.
2.5 Die durch die Änderungskündigung vom 27. Februar 2007 auf Dauer beabsichtigte Kürzung der zu leistenden Stunden und des Entgelts um 15 % ist deswegen unverhältnismäßig, weil bei Zugang der Kündigung (27.2.2007) schon ersichtlich war, dass spätestens nach Umsetzung der unternehmerischen Konzeption eine Kürzung um 15 % erheblich zu hoch ist.
Hierbei wird zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass 489.000,-- € gegenüber der Lohnsumme von 3,25 Mio. € aus dem Jahre 2006 eingespart werden müssen, um dauerhaft auf eine jährliche Summe für Personalkosten von 2,761 Mio. € zu kommen.
Durch die 15 %ige Kürzung sind nach Angabe der Beklagten nur 426.000,-- € zu erzielen. Weitere Einsparungsmöglichkeiten ergeben sich aber dadurch, dass bis zum 27. Februar 2007 feststand, dass Arbeitnehmer insgesamt ausgeschieden sind oder demnächst ausscheiden werden.
Dies betrifft zum einen die Arbeitnehmer K., R., Re., W. und E.. Die hierauf entfallenen Einsparungen für das Jahr 2007 betragen nach Beklagtenangaben 103.764,28 € (Anlage A zum Schriftsatz vom 12.11.2007, Bl. 301 d. A.). Die für das Jahr 2007 entsprechend dem Ausscheidenstermin anteilig errechneten Beträge werden hier als zutreffend unterstellt. Da diese Arbeitnehmer im Jahre 2006 jedoch ganzjährig tätig waren, müssen die Angaben der Beklagten auf ein volles Jahr hochgerechnet werden. Für diese fünf Arbeitnehmer ergibt sich somit ein Betrag von 119.129,-- €.
Hinzu kommt, dass der Betriebsleiter Herr Sch. zum 31. Januar 2007 zu einem anderen Markt gewechselt ist. Nach Beklagtenangaben ergeben sich hierdurch Einsparungen im Jahre 2007 in Höhe von 47.500,-- €. Auf das volle Jahr hochgerechnet entspricht dies 51.818,-- €.
In der Lohnsumme für das Jahr 2006 sind jedoch auch weitere Arbeitnehmer enthalten, die in diesem Jahr bei der Beklagten ausgeschieden sind. Dies ergibt sich aus der Anlage III a zur Klageerwiderung (Bl. 44 d. A.). Danach schieden die Arbeitnehmer Ch. durch Kündigung und Ko. durch Rente aus. Allein hierdurch wurden seit Juni 2006 Einsparungen in Höhe von 14.846,70 € und 18.194,30 € erzielt.
Mit Umsetzung der unternehmerischen Konzeption und unter Berücksichtigung der vollen Jahresentgelte der ausgeschiedenen Arbeitnehmer ergibt sich somit gegenüber den Personalkosten des Jahres 2006 ein Einsparvolumen von 629.988,-- €. Dies liegt etwas über 140.000,-- € über dem von der Beklagten anvisierten Ziel. Rechnet man dies auf alle betroffenen Arbeitnehmer um, dann wäre nach Durchführung des unternehmerischen Konzepts allenfalls eine Stundenreduzierung um ca. 10 % notwendig gewesen.
Nach der Betriebsvereinbarung vom 25.01.2007 sollten auf die beabsichtigten Einsparungen in Höhe von dort 469.000,-- € die "durch personelle Einzelmaßnahmen erreichten Kürzungen angerechnet" werden. Gerade dies ist aber nicht geschehen. Darüber hinaus sollten nach dieser Betriebsvereinbarung die Änderung des Arbeitszeitvolumens in erster Linie durch den Abschluss von Änderungsvereinbarungen erreicht werden. Dies war gegenüber einem Großteil der Mitarbeiter (67 von ca. 107) auch erfolgt. Nur soweit dies nicht ausreichend sein sollte, soll es zum Ausspruch von Änderungskündigungen kommen, wobei nach hiesiger Ansicht vorher auch das Kürzungsvolumen zu berücksichtigen ist, was durch sonstige personelle Einzelmaßnahmen eingetreten ist. Angesichts des zusätzlichen Einsparvolumens von über 140.000,-- € ist mehr als zweifelhaft, ob gegenüber der Klägerin und sämtlichen weiteren Arbeitnehmern, die nicht freiwillig mit einer Stundenkürzung einverstanden waren, überhaupt noch irgendeine Stundenkürzung vorgenommen werden müsste.
Bei den obigen Berechnungen ist nur das berücksichtigt worden, was die Beklagte selbst hinsichtlich der Beträge einräumt. Tatsächlich muss das Einsparvolumen noch höher sein als oben errechnet. So blieb unberücksichtigt, dass Herr St. ab dem 26. Februar 2007 von der Entgeltgruppe G 4 in die Entgeltgruppe G 3 herabgruppiert wurde. Unstreitig schieden ferner zum 31.03.2007 bzw. 30.06.2007 insgesamt drei Arbeitnehmer endgültig aus dem Altersteilzeitverhältnis aus, die in der Lohnsumme für 2006 jedoch noch berücksichtigt gewesen sein müssen. Weiterhin war hier bzgl. der beiden Arbeitnehmer, die im Jahre 2006 schon ausgeschieden waren, unberücksichtigt geblieben, welche Entgelte ihnen vor Juni 2006 zugeflossen waren. Ob sich weitere relevante Einsparungen daraus ergeben, dass nach dem Vortrag der Klägerin die Arbeit nunmehr eine halbe Stunde später beginnt, wodurch Zuschläge gespart werden, und dass bei den Vollzeitbeschäftigten zusätzlich 0,15 Stunden wöchentlich zuviel gekürzt wurden, blieb ebenfalls unberücksichtigt.
2.5 Offen gelassen ist ebenfalls, ob die oben angegebenen Zahlen zu Gunsten der Beklagten überhaupt zu berücksichtigen sind. Hieran bestehen durchgreifende Zweifel.
Es ist nicht erkennbar, dass die Einsparungen, die sich aus dem endgültigen Ausscheiden verschiedener Arbeitnehmer ergeben haben, dem Betriebsrat gegenüber in diesem Umfang mitgeteilt wurden. Aus den schriftlich eingereichten Unterlagen konnte der Betriebsrat nur entnehmen, in welcher Höhe für die zwei im Jahre 2006 ausgeschiedenen Arbeitnehmer Einsparungen ab Juni 2006 erfolgten. Die Klägerin hat als Anlage zum Schriftsatz vom 14.05.2007 ein Organigramm eingereicht, das nach ihrem Vorbringen der Betriebsrat ebenfalls zur Verfügung hatte. Dort sind die Arbeitnehmer E. und Sch. jedoch nicht als ausscheidend angegeben (Kopien Bl. 174 ff. d. A.). Auch bezogen auf die vier anderen Arbeitnehmer, die im Jahre 2007 ausschieden, sind keinerlei Entgeltsummen angegeben, die durch deren Ausscheiden erspart werden. Nur wenn dem Betriebsrat diese Einsparsummen substanziiert mitgeteilt worden wären, hätte er überprüfen können, ob hinsichtlich der nunmehr noch anstehenden Änderungskündigungen überhaupt oder zumindest in dieser Höhe ein Änderungsbedarf besteht. Selbst wenn man insofern die Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG nicht als unwirksam erachten würde, so kann sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nicht auf Tatsachen berufen, die er gegenüber dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat (KR-Etzel, 8. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 67 m. w. N.).
2.6 Unabhängig von dem obigen Berechnungen ist die Änderungskündigung auch deswegen unverhältnismäßig, weil der Beklagten aufgrund der sich immer wieder ergebenden Fluktuationen hätte klar sein müssen, dass allein aufgrund dieser Fluktuationen das anvisierte Einsparvolumen überschritten werden kann. Insofern besteht keine Notwendigkeit, die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt auf Dauer zu kürzen. Für diesen Fall hätte die Beklagte der Klägerin (und den anderen von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmern) anbieten müssen, dass sie ab diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf anteilige Anhebung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit haben. Auch dies ist nicht geschehen.
2.7. Es braucht nicht entschieden werden, ob die Kürzungen in Cottbus auch deswegen unverhältnismäßig sind, weil die aufgetretenen Verluste durch die Arbeitnehmer aller Märkte solidarisch ausgeglichen wurden.
Durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 14.11.2006 ("Durchführungsverein-barung") haben die Arbeitnehmer in ihrer Gesamtheit auf Zahlungen nach der Sozialordnung in Höhe von insgesamt 6 Mio. € verzichtet. Nach Darstellung der Beklagten hat sie in 6 von 44 deutschen Märkten Probleme, wobei der Markt in Cottbus am untersten Ende sich befinde. Da hier eine Einsparung von rund 0,5 Mio. € nach eigenen Angaben schon ausreichen soll, um den Markt wirtschaftlich zu betreiben, müssten für alle 6 Märkte ca. 3 Mio. € zum Verlustausgleich ausreichen. Das Solidaropfer aller Arbeitnehmer ist aber auch hier weitaus höher, selbst wenn man die Gewinne aus den anderen 38 deutschen Märkten zu Gunsten der Beklagten außer Betracht lässt.
3. Da die Kündigung schon aus den obigen Gründen unwirksam ist, kann offen bleiben, ob die Klägerin sich mit Erfolg auch auf andere Unwirksamkeitsgründe (Unklarheit des Änderungsangebots; Betriebsratsanhörung; Verstoß gegen den Manteltarifvertrag) berufen kann.
4. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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