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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 23.08.2007
Aktenzeichen: 15 Sa 1630/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO
Vorschriften:
ArbGG § 62 Abs. 1 Satz 2 | |
ArbGG § 62 Abs. 1 Satz 3 | |
ArbGG § 64 Abs. 7 | |
ZPO § 707 Abs. 1 | |
ZPO § 719 Abs. 1 |
2. Insofern folgt die Kammer hier den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung im Revisionsverfahren aufgestellt hat (Bundesgerichtshof vom 31.10.2000 - XII ZR 3/00 - NJW 2001, 375; vom 3.7.1991 - XII ZR 262/90 - NJW-RR 1991, 1216).
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Beschluss
Geschäftszeichen 15 Sa 1630/07
In Sachen
Tenor:
werden die Anträge des Klägers vom 10. 8.2007, die Zwangsvollstreckung aus dem Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Juni 2007 - 84 Ca 4846/07 und 84 Ca 7179/07 - einstweilen einzustellen, zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Das Arbeitsgericht verurteilte im Rahmen einer Widerklage den Kläger zur Herausgabe von sieben Gegenständen und zur Erteilung von Auskünften über geschäftliche Handelsbeziehungen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Die Beklagte betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem vorbezeichneten Urteil.
Der Kläger macht geltend, er habe schon im streitigen Verfahren ausgeführt, dass er zumindest jetzt nicht mehr im Besitz dieser Gegenstände sei. Müsste er zwangsweise die begehrten Auskünfte erteilen, könnte die Beklagte bei Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die erlangten Informationen nicht mehr "zurückerstatten". Er müsste auch wesentliche Betriebsgeheimnisse offenbaren. Dies wäre eine Straftat nach § 85 Abs. 1 GmbHG. Er würde auch gegen die Satzung des Unternehmens, für das er jetzt tätig ist, verstoßen. Die Zwangsvollstreckung diene nur dazu, dieses junge Unternehmen zu schädigen und ihn möglichst weit unter Druck zu setzen. Auch fehle ein vollstreckungsfähiger Inhalt des Titels bezüglich der Auskunftserteilung. Aus all diesen Gründen müsse die Zwangsvollstreckung ohne, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eingestellt werden.
II.
1. Nach §§ 64 Abs. 7, 62 Absatz 1 Satz 3 ArbGG i. V. m. 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO ist für die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung das Gericht zuständig, bei dem die Hauptsache anhängig ist (Germelmann u.a. 5. Aufl., § 62 ArbGG Rdnr. 32). Da die Berufung schon eingelegt war, ist somit das Landesarbeitsgericht zuständig. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten steht dem nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht für die Festsetzung eines Zwangsgeldes im Hinblick auf die Auskunftserteilung nach § 888 ZPO zuständig ist.
Die Entscheidung erfolgt gem. §§ 64 Abs. 7, 55 Abs. 1 Nr. 6, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG durch den Vorsitzenden der Kammer allein.
2. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nach §§ 62 Absatz 1 Satz 3 i. V. m. 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO nur möglich, wenn der Beklagte glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Arbeitsgerichts kommt regelmäßig nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im erstinstanzlichen Verfahren einen Schutzantrag nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zu stellen, es sei denn, die Gründe, auf die der Einstellungsantrag gestützt wird, lagen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht noch nicht vor oder konnten aus anderen Gründen nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht werden. Insofern folgt die Kammer hier den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zur einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung im Revisionsverfahren aufgestellt hat (Bundesgerichtshof vom 31.10.2000 - XII ZR 3/00 - NJW 2001, 375; vom 3.7.1991 - XII ZR 262/90 - NJW-RR 1991, 1216).
In diesen Entscheidungen geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass die Einstellung der Zwangsvollstreckung regelmäßig nicht in Betracht kommt, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Schutzantrag gem. § 712 ZPO zu stellen. Nach § 712 ZPO kann das Gericht des Erkenntnisverfahrens auf Antrag hin schon im Urteil festlegen, dass die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abgewendet werden kann, soweit die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil unter anderem nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Der Bundesgerichtshof begründet sein Vorgehen damit, dass § 719 ZPO als ein letztes Mittel des Vollstreckungsschuldners anzusehen ist (BGH vom 25.8.1978 - X ZR 17/78 - NJW 1979, 1208). Über einen Antrag nach § 712 ZPO sei regelmäßig auf Grund mündlicher Verhandlung und jedenfalls nach Gewährung rechtlichen Gehörs zu entscheiden, was im Rahmen des § 719 ZPO nicht zwingend sei. Daher sei der Schuldner darauf zu verweisen, den für den Gläubiger weniger nachteiligen Weg des § 712 ZPO zu beschreiten, es sei denn, dass dieser zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Vorinstanz auch nicht zum Erfolg geführt hätte (BGH a.a.O.).
§ 712 ZPO kommt bei arbeitsgerichtlichen Urteile jedoch nicht zur Anwendung, da bei diesen eine Sicherheitsleistung nicht in Betracht kommt. Auch sind arbeitsgerichtliche Urteile von vornherein vorläufig vollstreckbar (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Im Übrigen ist die Interessenlage in Urteilen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und denjenigen der Arbeitsgerichtsbarkeit aber gleich. § 712 ZPO und § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gewähren dem Schuldner jeweils die Möglichkeit, bei drohenden nicht zu ersetzenden Nachteilen die Vollstreckbarkeit schon im Urteil zu begrenzen. Die Konsequenz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht darin, dass das Vorhandensein eines nicht zu ersetzenden Nachteils möglichst schon im Erkenntnisverfahren und nicht erst im Zwangsvollstreckungsverfahren geprüft wird. Dies ist sachgerecht und daher auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen. Insofern ist der Ansicht der Beklagten zu folgen.
Soweit ersichtlich, wird in der arbeitsrechtlichen Judikatur auf die Rechtsprechung des BGH nicht eingegangen (BAG vom 27.6.2000 - 9 AZN 525/00 - NZA 2000, 1072; Sächsisches LAG vom 15.9.1999 - 2 Sa 799/99, Juris). Gleiches gilt wohl auch für die Literatur. Dort wird jedoch die Ansicht vertreten, dass auch in dem Fall, dass erstinstanzlich nicht ein Antrag nach § 62 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gestellt wurde, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 62 Abs. 1 Satz 3 ArbGG möglich ist (Germelmann u.a. 5. Aufl. § 62 ArbGG Rdnr. 20). Letzteres ist nach den obigen Erwägungen jedoch nicht zutreffend.
Der Beklagte begründet seinen Antrag an keiner Stelle damit, dass die erforderlichen Gründe zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht vorlagen oder aus anderen Gründen nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht werden konnten. Allein deswegen ist sein Antrag zurückzuweisen.
Nach § 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO findet eine Anfechtung des Beschlusses nicht statt. Insofern kann die Rechtsbeschwerde durch ein Landesarbeitsgericht selbst dann nicht zugelassen werden, wenn es von anderen obergerichtlichen Entscheidungen abweicht (BAG vom 5.11.2003 - 10 AZB 59/03 - NZA 2003, 1421; a. A. Germelmann u. a. 5. Aufl. § 62 ArbGG Rdnr. 37). Daher ist ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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