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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 03.06.2009
Aktenzeichen: 15 Sa 310/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 305 c Abs. 1
Regelungen zu einem Darlehen stellen nach § 305 c Abs. 1 BGB überraschende Klauseln dar, wenn sie unter der drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift "Vergütung" erfolgen und in einer 11-ziffrigen Regelung sonst nur "EUR 2000,00" drucktechnisch hervorgehoben wird, wobei dieser Betrag sich nicht auf die Höhe der Vergütung, sondern auf die Höhe eines monatlichen Darlehens bezieht.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

15 Sa 310/09

Verkündet am 3. Juni 2009

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2009 und die Beratung vom 6. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr M.-J. und Herr B.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.12.2008 - 5 Ca 12228/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.664,80 € (dreizehntausendsechshundertvierundsechzig 80/100) nebst Zinsen in Höhe von 3 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.11.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Bielefeld entstanden sind, welche die Klägerin zu tragen hat.

IV. Die Revision wird für die Klägerin teilweise zugelassen. Dies betrifft die Klageabweisung in Höhe von 750,-- € und die Zurückweisung der Zinsforderungen für die Zeit bis zum 24.11.2005. Im Übrigen wird die Revision weder für die Klägerin noch für den Beklagten zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rückzahlung von Provisionsvorauszahlungen.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag vom 4. November 2002 sah vor, dass der Beklagte als selbständiger Gewerbetreibender tätig werden sollte. Dieses Vertragsverhältnis bestand vom 1. Dezember 2002 bis zum 26. Dezember 2004. Der Beklagte war der Geschäftsstelle Bielefeld II zugeordnet. Hinsichtlich der verdienten Provisionen der anderen dort tätigen Vermittler wird auf die Seiten 28 - 30 des klägerischen Schriftsatzes vom 28.05.2009 (Bl. 522 ff. d. A.) verwiesen. Hinsichtlich des übrigen Sachverhaltes und des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Mit Urteil vom 5. Dezember 2008 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat hierzu ausgeführt, dass der Beklagte die nicht erdienten Provisionsvorschüsse in Höhe von 50 % zurückzuzahlen habe. Für November und Dezember 2004 hätten dem Beklagten Provisionsvorschüsse nicht mehr zugestanden, da durch dessen Kündigung das Ziel der Aufnahme einer eigenen Existenzgrundlage nicht mehr erreichbar war. Auch die übrigen Kosten habe der Beklagte zu erstatten. Eine doppelte Berechnung habe nicht vorgelegen. Der Vortrag des Beklagten, ihm sei eine "Exklusivvertretung" für bestimmte Kunden zugesichert worden, sei nicht hinreichend substanziiert. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte als Arbeitnehmer tätig geworden sei, denn auch insofern hätte mit ihm statt einer festen Vergütung ausschließlich eine Provisionsregelung getroffen werden können. Da der Mahnbescheid am 24. November 2005 zugestellt worden war, sei die Forderung auch nicht verjährt.

Dieses Urteil ist dem Beklagten am 20. Januar 2009 zugestellt worden. Die Berufung ging am 16. Februar 2009 beim Landesarbeitsgericht ein. Nach Verlängerung bis zum 20. April 2009 erfolgte die Begründung an diesem Tag.

Der Beklagte ist der Ansicht, ihm sei ein monatliches Provisionsfixum gezahlt worden. Er behauptet, die Geschäftsstelle sei so strukturiert und organisiert gewesen, dass es feste Kernarbeitszeiten gegeben habe. Durch die Regelung des § 6 Nr. 10 des Consultant-Vertrages sei er unangemessen benachteiligt worden. Zum Schluss seien ihm nur noch 375,-- € brutto monatlich für eine Vollzeitvertretung übrig geblieben. Die Entlohnung sei sittenwidrig. Sie habe deutlich unter dem Einstiegsgehalt für Akademiker gelegen. Es liege auch eine unerlaubte Kreditvergabe nach § 32 KWG vor. Als Arbeitnehmer müsse er auch nicht die Kosten seiner Tätigkeit in Form von Telefongebühren etc. übernehmen. Er hätte auch einen Anspruch auf Vergütung bis zum Vertragsende gehabt.

Die vom Beklagten in der Berufungsbegründung erhobene Widerklage auf monatlich fortlaufende Abrechnungen des Provisionskontos seit Dezember 2007 sowie auf hilfsweise Herausgabe von Unterlagen hat die Klägerin umgehend anerkannt. Darüber hinaus hat sie entsprechende Abrechnungen erteilt. Daraufhin haben beide Parteien die Widerklage für erledigt erklärt.

Der Beklagte beantragt zuletzt,

das am 05.12.2008 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin zum Az. 5 Ca 12228/08 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass für den Rückforderungsanspruch der Status des Beklagten egal sei. Auch als Arbeitnehmer sei er zur Rückzahlung verpflichtet. Angesichts der tarifvertraglichen Entlohnung für Gewerbeaußendienstmitarbeiter könne eine sittenwidrige Vergütung des Beklagten nicht festgestellt werden.

In der Berufungsverhandlung am 3. Juni 2009 hat der Beklagte behauptet, ungefähr zwei Wochen nach Aufnahme der Tätigkeit in Bielefeld habe Herr H. ihm gegenüber erklärt, dass er jeden Tag zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr anwesend sein müsse. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 25. Juni 2009 hat die Klägerin dies bestritten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat nur zum geringen Teil Erfolg.

I.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung ist nur in Höhe von 786,89 € und bezogen auf die Zinszahlungspflicht vor dem 25. November 2005 begründet. Im Übrigen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

1. Der Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger an sich 13.291,54 € Provisionsvorauszahlungen zurückzuzahlen.

1.1 Anspruchsgrundlage für die Rückzahlungsverpflichtung ist § 6 Ziff. 10 des Consultant-Vertrages, soweit man diesen für wirksam erachtet. Geht man von der Unwirksamkeit dieses Vertragsteils aus, dann ergibt sich die Rückzahlungsverpflichtung aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 2 2. Alt. BGB. Danach ist der Verpflichtete (hier der Beklagte) zur Herausgabe des Erlangten (hier der Provisionsvorauszahlung) verpflichtet, wenn der mit einer nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt. Dies war hier der Fall, da die erdienten Provisionen hinsichtlich der Höhe hinter den Provisionsvorauszahlungen zurückblieben. Dass es sich um Provisionsvorauszahlungen handelte, konnte der Beklagte auch daran ersehen, dass die monatlichen Kontoübersichten (Anlage K4 zur Klageschrift = Bl. 17 ff. des Anlagekonvoluts) zu seinen Lasten jeweils ein Saldo vorsahen. Auch das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass derjenige, der Geld als Vorschuss nimmt, sich auch verpflichtet, diesen dem Vorschussgeber zurückzuzahlen, wenn und soweit eine bevorschusste Forderung nicht entsteht (BAG vom 20.06.1989 - 3 AZR 504/87 - NZA 1989, 843). Für derartige Rückzahlungsverpflichtungen ist es auch egal, ob der Beklagte freier Dienstnehmer oder Arbeitnehmer war.

Die rechnerische Höhe der Rückzahlungsverpflichtung ergibt sich aus der Berechnung der Klägerin auf Seite 6 der Klageschrift. Von diesen 13.582,61 € sind gemäß Seite 9 der Klageschrift 291,07 € abzuziehen. Gegen die Berechnung an sich hat der Beklagte auch keine Einwendungen erhoben.

1.2 Soweit der Beklagte nunmehr die Ansicht vertritt, ihm sei tatsächlich eine Garantieprovision gezahlt worden, so trifft das nicht zu.

Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass sich Provisionsvorauszahlungen in Garantieprovisionen einvernehmlich umwandeln. Doch steht es einer solchen Annahme entgegen, wenn der Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen Abrechnungen über den Saldo erhält (BAG a. a. O.). Dies war hier der Fall.

1.3 Die Vergütungsvereinbarung einschließlich der Verpflichtung zur Rückzahlung von Provisionsvorschüssen verstößt auch nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB).

Das Bundesarbeitsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass arbeitsvertragliche Entgeltvereinbarungen gegen den strafrechtlichen Wuchertatbestand des § 291 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB oder gegen die guten Sitten gem. § 138 BGB verstoßen können. Voraussetzung sei insofern ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Dies könne dann anzunehmen sein, wenn der Lohn 2/3 unter dem Tariflohn liegt. Dies gelte zumindest dann, wenn in dem entsprechenden Wirtschaftgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird (BAG vom 24.03.2004 - 5 AZR 303/03 - NZA 2004, 971,972).

Diese arbeitsrechtliche Betrachtung scheitert jedoch vorliegend schon daran, dass der Beklagte nicht Arbeitnehmer ist.

Nach § 84 Abs. 1 S. 2 HGB ist selbständiger Handelsvertreter, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Im Bereich der Vermittlung von Geschäften und Versicherungen für Dritte stellt das Gesetz auf die Abgrenzung zu unselbständigen Angestellten allein auf diese beiden Merkmale ab. Daher bedarf es nicht der Heranziehung weiterer Grundsätze zur Abgrenzung des Arbeitsverhältnisses vom Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (BAG vom 15.12.1999 - 5 AZR 169/99 - NZA 2000, 1162, 1163). Hinsichtlich der materiellen Rechtslage kommt es nicht auf die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr der wirkliche Geschäftsinhalt. Dieser ergibt sich aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und aus deren tatsächlichen Durchführung (BAG a. a. O.).

Aus den vertraglichen Regelungen ergibt sich nicht, dass der Beklagte als Arbeitnehmer anzusehen ist. Nach § 2 Abs. 1 des Consultant-Vertrages hat der Beklagte für die Klägerin hauptberuflich tätig zu sein. Hieraus kann zumindest dann nicht auf eine Arbeitnehmereigenschaft geschlossen werden, wenn dem Dienstnehmer mit Blick auf die notwendige Arbeitszeit ein erheblicher Spielraum verbleibt (BAG a. a. O., S. 1164). Konkrete Vorgaben der Klägerin hat der Beklagte schriftsätzlich nicht substanziiert vorgetragen. So fehlt jeder Vortrag, wann der Beklagte von wem welche konkreten Weisungen diesbezüglich erhalten haben will.

Erstmals im Berufungstermin am 3. Juni 2009 hat der Beklagte behauptet, ungefähr zwei Wochen nach Aufnahme seiner Tätigkeit in Bielefeld hätte Herr H. ihm gegenüber erklärt, dass er jeden Tag zwischen 9.00 Uhr und 18.00 Uhr anwesend sein müsse. Erstmals dieser Vortrag ist hinreichend konkret, um ggf. hierüber Beweis zu erheben. Das Vorbringen war jedoch verspätet und daher nicht zuzulassen. Nach § 67 Abs. 4 ArbGG sind neue Angriffsmittel nur zulässig, wenn diese vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung vorgebracht werden. Dies war hier nicht der Fall. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des LAG die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht. Die Möglichkeit zu dem entsprechenden Vortrag war nicht erst nach der Berufungsbegründung entstanden. Es liegt auch ein Verschulden der Partei vor. Die Klägerin hatte schon auf Seite 11 des Schriftsatzes vom 26. September 2008 gerügt, dass ein konkreterer Vortrag erforderlich sei. Die Zulassung dieses neuen Vortrags hätte auch zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Im nachgelassenen Schriftsatz vom 25.06.2009 hat die Klägerin diesen Vortrag bestritten. Daher hätte hierüber an sich Beweis erhoben werden müssen. Dies wäre nur dann möglich gewesen, wenn zu einem neuen mündlichen Verhandlungstermin die vom Beklagten benannten Zeugen geladen worden wären. Jedenfalls dies hätte zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt.

Aufgrund des nicht substanziierten Vortrages des Beklagten, soweit er denn berücksichtungsfähig war, musste davon ausgegangen werden, dass dieser hinsichtlich des Beginns und des Endes der täglichen Arbeitszeit und der entsprechenden Einteilung frei war. Im Übrigen hat das BAG selbst die regelmäßig verlangte Anwesenheit "während der normalen Dienststunden" nicht zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft ausreichen lassen (BAG vom 03.06.1998 - 5 AZR 656/97 - NZA 1998, 1165, 1166).

Soweit der Beklagte dienstags an entsprechenden Dienstbesprechungen regelmäßig teilnahm, führt dies ebenfalls nicht zur Annahme der Arbeitnehmereigenschaft. Die einmalige Verpflichtung pro Woche in der Geschäftsstelle zu erscheinen stellt nach Ansicht des BAG keinen so gravierenden Eingriff dar, dass dieser mit dem Status eines selbständigen schlechterdings unvereinbar wäre (BAG, Urteil vom 15.12.1999, a. a. O., S. 164).

Auch das übrige Vorbringen des Beklagten (Pflicht zur Besprechung von Außenterminen, Erstellung von Zielplanungen etc.) ist unsubstanziiert. Auch hier wird nicht dargelegt, welcher anweisungsbefugte Vorgesetzte von ihm wann die entsprechenden Verpflichtungen verlangt hat. Die Benutzung des Firmenparkplatzes hat keinerlei Bedeutung, da diese Nutzung dem Beklagten frei stand.

Zusammengefasst ergeben sich zwar auch Vorgaben der Klägerin, doch erreichen diese nicht eine derartige Qualität, um von einem Arbeitsverhältnis ausgehen zu müssen.

Nachfolgend wird daher durchgängig davon ausgegangen, dass der Beklagte freier Dienstnehmer war. Unter dieser Voraussetzung fehlt jedoch jeder Vortrag des Beklagten, welche Vergütung für einen freien Dienstnehmer üblich sein soll und inwiefern hierein ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen soll. Unabhängig hiervon hatte die Klägerin im Schriftsatz vom 28. Mai 2009 im Einzelnen dargelegt, welche Provision die anderen Handelsvertreter in Bielefeld erzielt hatten. Dem war der Beklagte auch im Schriftsatz vom 17. Juni 2009 nicht entgegengetreten, so dass dieser Vortrag als zugestanden gilt. Gleiches gilt für die Behauptung der Klägerin, dass im Jahre 2004 die Umsätze deutlich angestiegen seien, weil dies das letzte Jahr einer steuerfreien Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Lebensversicherung war. Dies deckt sich mit den von der Klägerin vorgetragenen Zahlen. Demgegenüber waren bei dem Beklagten die Umsätze so weit zurückgegangen, dass einvernehmlich eine weitere Kürzung der Provisionsvorauszahlungen erfolgte. Insoweit fehlt jeglicher erklärender Vortrag des Beklagten, warum diese Arbeitnehmer im Jahre 2004 durchgängig ihr Provisionsergebnis steigern konnten (vgl. Küttner-Griese, Personalbuch 2006, Provision Rn. 3).

Ein Verstoß gegen die guten Sitten gem. § 138 BGB ergibt sich auch nicht daraus, dass durch die Vorschusszahlungen eine unzulässige Bindung des Beklagten herbeigeführt worden ist. Diesbezüglich hat das LAG München (vom 30.09.2008 - 6 Sa 697/07 - juris Rn. 25, jetzt BAG 10 AZR 34/09) zu Recht ausgeführt, dass die Vorschussleistungen nach dem Consultant-Vertrag auf längstens drei Jahre sich erstreckten, so dass die Rückzahlungspflicht allenfalls 15.000,-- € betragen konnte. Der Dienstnehmer konnte sein Saldenstand anhand der überreichten Kontenblätter kontrollieren und jederzeit das Vertragsverhältnis beenden. Daher komme es auf eine entsprechende Anwendung der Grundsätze zur Rückzahlung von Fortbildungskosten nicht an. Diese Erwägungen sind zutreffend. Ihnen schließt sich die Kammer an.

2. Der Beklagte ist auch verpflichtet, die geltend gemachten Aufwendungen für die Telefonnutzung (93,50 €), den IT-Service (759,16 €), die zwei Blue Cards (24,-- €) und die Gruppenversicherung (211,60 €) der Klägerin zu erstatten. Der Geltendmachung dieser Positionen ist der Beklagte nur mit dem Argument entgegengetreten, er sei Arbeitnehmer. Dies ist nach den obigen Ausführungen nicht der Fall. Der erstinstanzlich vorgetragene Vorwurf, einzelne Positionen seien doppelt berechnet worden, hat der Beklagte im Berufungsverfahren nicht weiter aufrechterhalten, nachdem auch das Arbeitsgericht sich in dem Urteil hiermit auseinandergesetzt hatte.

3. Hinsichtlich der Zahlung von 36,89 € für die FIM-Mappen ist die Berufung jedoch erfolgreich. Die Klägerin hatte insofern behauptet, der Beklagte habe diese Mappen erhalten und müsse sie bezahlen. Trotz des Bestreitens des Beklagten hatte sie hierfür keinen Beweis angeboten. Sie ist also beweisfällig geblieben.

4. Die sich nach dem Vorstehenden insgesamt ergebende Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 14.414,80 € ermäßigt sich um weitere 750,-- € auf 13.664,80 EUR. Insofern kann der Beklagte aufrechnen. Der Anspruch zur Aufrechnung ergibt sich daraus, dass der Beklagte nach § 6 Ziff. 5 des Consultant-Vertrages in Verbindung mit der Abänderung vom 20. April 2004 (Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 16 des Anlagenkonvoluts) einen monatlichen Provisionsvorschuss in Höhe von 750,-- € verlangen konnte. Für November und Dezember 2004 war ihm dieser Vorschuss nicht gezahlt worden. Nach § 6 Ziff. 10 des Consultant-Vertrages verblieben dem Beklagten hiervon 50 %, so dass er insofern mit den verbliebenen 750,-- € aufrechnen konnte.

Dem steht auch nicht § 6 Ziff. 5 S. 3 des Consultant-Vertrages entgegen, wonach die vereinbarten Vorschusszahlungen nur so lange gewährt werden, wie sie dem Ziel der Aufnahme einer eigenen Existenzgründung als selbständiger MLP-Consultant dienen. Das Arbeitsgericht hat insofern angenommen, dass nach der vom Beklagten im Oktober 2004 ausgesprochenen Kündigung dieses Ziel nicht mehr hätte erreicht werden können. Es kann offen bleiben, ob diese Auslegung zutrifft. Auf jeden Fall stellt die Regelung eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB dar. Da die Klägerin diesen Vertragstext in zahlreichen Fällen verwendete, stellt die entsprechende Regelung unstreitig eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Entsprechende Bestimmungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihm nicht zu rechnen braucht, werden aber nicht Vertragsbestandteil (§ 305 c Abs. 1 BGB).

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist von einem überraschenden Charakter im Sinne dieser Vorschrift für eine Bestimmung auszugehen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Insofern müsse der Klausel ein "Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt" innewohnen. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt müsse ein deutlicher Widerspruch bestehen. Die berechtigten Erwartungen des Vertragspartners bestimmten sich nach den konkreten Umständen bei Vertragsschluss ebenso wie nach der Gestaltung des Arbeitsvertrages, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild (BAG vom 16.04.2008 - 7 AZR 132/07 - NZA 2008, 876 Rn. 16). Das Überraschungsmoment kann sich insbesondere auch aus dem äußeren Erscheinungsbild ergeben, insbesondere wenn bestimmte Teile durch Fettdruck hervorgehoben werden (BAG a. a. O., Rn. 20). Wird z. B. in einem Altersteilzeitvertrag durch die fett gedruckte Überschrift "Abfindung" die Aufmerksamkeit des Arbeitnehmers auf diese positive Tatsache gelenkt, dann erwartet der Leser schlechterdings nicht, dass ihm im nachfolgenden Vertragstext eine Abgeltungsklausel angesonnen wird (LAG München vom 02.07.2008 - 3 Sa 186/08 - LAGE § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 4 Rn. 74).

Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt § 6 Ziff. 5 S. 3 des Consultant-Vertrages eine überraschende Klausel dar, denn sie erfolgt unter drucktechnisch hervorgehobenen Überschrift "Vergütung". In der nachfolgenden 11-ziffrigen Regelung ist sonst nur "EUR 2000,00" drucktechnisch dick hervorgehoben worden, wobei dieser Betrag sich nicht auf die Höhe der Vergütung, sondern auf die Höhe des monatlichen Darlehens bezieht. Allein diese äußerliche Gestaltung spricht für den Überrumpelungs- und Übertölpelungseffekt. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird schon aufgrund der Überschrift auf die positive Tatsache der Vergütung gelenkt. Dies deckt sich auch mit den ersten Ziffern der Regelung. Drucktechnisch wird dann nur ein Betrag dick hervorgehoben, so dass der Gegner des Verwenders typischerweise annehmen muss, es handelt sich um die Vergütungshöhe. Eine Darlehensregelung wird nicht erwartet. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass an anderen Stellen die Klägerin sehr wohl schon in der Überschrift die wesentlichen Punkte auch durch Doppelnennungen hervorgehoben hat: § 3 Kundendaten und Kundenlisten, Vertragsstrafe; § 5 Urlaub/Krankheit; § 7 Ausgleichsanspruch/Consultantabfindung; § 10 EDV und Softwareüberlassung und § 14 Vertragsdauer, Kündigung. Von einer seriösen Vertragsgestaltung wäre zu erwarten gewesen, dass bei § 6 ebenfalls schon in der Überschrift eine Doppelnennung und damit ein Hinweis auf die Vereinbarung des Darlehens erfolgt wäre. Ob darüber hinaus vor dem fett gedruckten Betrag 2000,-- € das Wort Darlehen nochmals drucktechnisch hätte hervorgehoben werden müssen, braucht nicht entschieden zu werden.

Die Kammer ist sich insofern bewusst, dass eine Abweichung von anderen LAG-Entscheidungen vorliegt (LAG Rheinland-Pfalz vom 21.12.2006, LAG Berlin-Brandenburg vom 24.05.2007, LAG Berlin-Brandenburg vom 18.09.2007, Anlagen BK 1 - 3 zum Beklagtenschriftsatz vom 28.05.2009, Bl. 578 ff. d. A.). Dort war jedoch auf die äußere Gestaltung der entsprechenden Klausel nicht eingegangen worden.

Eine Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt nach § 306 Abs. 2 und 3 BGB ist nicht anzunehmen, da die Nichtberücksichtigung dieser Klausel für die Klägerin keine unzumutbare Härte darstellt. Die Rechtsfolgen sind nur gering.

5. Weitere Aufrechnungsansprüche stehen dem Beklagten nicht zu.

Nach Darstellung des Beklagten könnten diese sich allenfalls daraus ergeben, dass die vereinbarte Vergütung in sittenwidriger Weise zu niedrig bemessen worden ist. Entsprechend dem Vorbringen unter 1.3 kann dies nicht festgestellt werden.

6. Auf den insoweit zur Rückzahlung verbleibenden Gesamtbetrag in Höhe von 13.664,80 € sind 3 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 25. November 2005 zu zahlen.

Das Datum der Zinszahlung ergibt sich aus § 291 BGB, da der Mahnbescheid am 24. November 2005 zugestellt worden war. Hinsichtlich der Höhe der Zinsen geht auch die Klägerin von einem Anspruch von 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus, so dass ihr mehr nicht zuzusprechen war.

Die Klägerin kann auch nicht eine frühere Zinszahlung unter Berufung auf § 6 Ziff. 8 des Consultant-Vertrages verlangen, da diese Klausel ebenso wie § 6 Ziff. 10 S. 2 und 3 gem. § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam ist. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziff. 4 verwiesen. Der Beklagte konnte nicht annehmen, dass angesichts der Gestaltung der Überschrift zu § 6 in dieser Norm Regelungen zu einem Darlehen versteckt werden. Der Vertrag bleibt auch hier entsprechend § 306 Abs. 2 und 3 BGB wirksam, da durch den Wegfall der früheren Zinszahlungspflicht keine unzumutbare Härte für die Klägerin eintritt. Auch hier sind die Auswirkungen relativ gering.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits hat überwiegend der Beklagte zu tragen (§§ 91 a, 92, 93 ZPO). Zwar war die Berufung zum geringen Teil erfolgreich, doch konnten auch insofern dem Beklagten nach § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden, da die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat. Auch die durch die Erhebung der Widerklage entstandenen Kosten waren dem Beklagten aufzuerlegen, da die Klägerin keinen Anlass zur Erhebung der Klage gegeben hatte (§ 93 ZPO) und die Parteien nach Erteilung der Auskunft den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben (§ 91 a ZPO). Die Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Bielefeld entstanden sind, waren demgegenüber nach § 17 b Abs. 2 GVG der Klägerin aufzuerlegen.

Die Revision war gem. § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG teilweise für die Klägerin zuzulassen. Insoweit weicht das hiesige Urteil von anderen LAG-Entscheidungen ab, die in § 6 des Consultant-Vertrages keine überraschenden Klauseln hinsichtlich der Darlehensregelungen gesehen haben. Im Übrigen war die Revision für die Parteien nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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