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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 25.03.2009
Aktenzeichen: 15 Sa 51/09
Rechtsgebiete: TV über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973, SGB VI


Vorschriften:

TV über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 § 1 Abs. 2 Ziff. 4 c
SGB VI § 237 a
Ein Anspruch auf Zahlung einer Zuwendung nach § 1 Abs. 2 Ziff. 4 c Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestelte verlangt nicht zusätzlich, dass die Angestellte einen Rentenantrag für den Bezug der Altersrente für Frauen stellt
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 25. März 2009 15 Sa 51/09

In Sachen hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr Dr. B. und Herr K.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.10.2008 - 58 Ca 9821/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Zahlung einer anteiligen Zuwendung für das Jahr 2007 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.380,37 €.

Die am ..... 1947 geborene Klägerin hätte zum 1. November 2007 eine Altersrente für Frauen nach § 237 a SGB VI beziehen können.

Nachdem ihr dies die Deutsche R. B. mitgeteilt hatte, beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2006 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2007 (Kopie Bl. 40 d. A.). Mit Anschreiben vom 9. Mai 2007 übersandte das beklagte Land einen Auflösungsvertrag zum 31. Oktober 2007, der von der Klägerin unterzeichnet wurde (Kopie Bl. 7 f. d. A.). In dem Anschreiben war ausgeführt worden, dass der Klägerin für das Jahr 2007 eine anteilige Zuwendung in Höhe von 10/12 zustehe. Einen Rentenantrag hat die Klägerin bis heute nicht gestellt. Tatsächlich zahlte die Beklagte eine Zuwendung nicht.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2007 forderte die Klägerin das beklagte Land auf, die anteilige Zuwendung zu zahlen. Diesen Anspruch verfolgt sie mit der am 20. Juni 2008 zugestellten Klage weiter.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie erfülle die Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 2 Ziff. 4 c des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte. Im Übrigen hafte das beklagte Land aus der Zusicherung im Schreiben vom 9. Mai 2007.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 1.380,37 € brutto nebst 4 % Zinsen ab Klageerhebung zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, die entsprechenden Voraussetzungen nach dem TV-Zuwendung seien nicht erfüllt. Die Klägerin hätte auch einen Rentenantrag vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellen müssen. Durch die Regelung im TV-Zuwendung solle ein Anreiz zur Frühverrentung gesetzt werden. Hierdurch solle eine spätere Rentenminderung ausgeglichen werden.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 28. Oktober 2008 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es sei nur zu verlangen, dass die Angestellte die Voraussetzungen des § 237 a SGB VI erfülle. Da von einer Antragstellung im TV-Zuwendung nicht die Rede sei, könne es hierauf nicht ankommen. Es sei auch davon auszugehen, dass die Klägerin den Auflösungsantrag wegen der Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezuge der Altersrente gestellt habe. Ihr kämen Beweiserleichterungen zugute, da eine innere Tatsache nur schwer zu belegen sei. Das beklagte Land habe durch das Schreiben vom 9. Mai 2008 einen Anschein gesetzt, wonach dieser Grund jedenfalls mit ursächlich für den Abschluss des Auflösungsvertrages war.

Das Urteil ist dem beklagten Land am 17. Dezember 2008 zugestellt worden. Am 5. Januar 2009 gingen die Berufung und am 13. Februar 2009 die entsprechende Begründung beim Landesarbeitsgericht ein.

Das beklagte Land ist der Auffassung, dass insbesondere aus Sinn und Zweck der Regelung des § 1 Abs. 2 Ziff. 4 c TV-Zuwendung sich ergebe, dass auch ein Rentenantrag gestellt werden müsse. Erst der tatsächlich gestellte Rentenantrag gebe ausreichend Aufschluss darüber, ob die Betriebstreue nicht enttäuscht werde. Ohne Rentenbezug werden häufiger die Notwendigkeit oder die Motivation zur weiteren Teilnahme am Erwerbsleben mangels ausreichender wirtschaftlicher Mittel bestehen. Die Tarifvertragsparteien hätten die Betriebstreue in der Regel nur dann nicht als enttäuscht angesehen, wenn entweder die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbracht werden könne oder im Anschluss an das Arbeitsverhältnis keine Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes mehr erfolgt und dies aus Gründen, die die Fortsetzung des Erwerbslebens als unzumutbar erscheinen ließen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.10.2008 zum Geschäftszeichen 58 Ca 9821/08 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin eine anteilige Zuwendung in Höhe von 1.380,37 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Der entsprechende Anspruch ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Ziff. 4 c TV-Zuwendung.

Das beklagte Land wendet die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes üblicherweise auf sämtliche bei ihr beschäftigten Angestellten an. Insofern ist davon auszugehen, dass die Klägerin sich zumindest auf dieser Grundlage auf den Tarifvertrag berufen kann.

§ 1 TV-Zuwendung lautet:

§ 1 Anspruchsvoraussetzungen

...

(2) Der Angestellte, dessen Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 30. November endet und der mindestens von Beginn des Kalenderjahres an ununterbrochen in einem Rechtsverhältnis der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Art im öffentlichen Dienst gestanden hat, erhält eine Zuwendung,

...

4. die Angestellte außerdem, wenn sie wegen

a) Schwangerschaft

b) Niederkunft in den letzten drei Monaten oder

c) Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezuge der Altersrente nach § 237 a SGB VI gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.

Zwischen den Parteien ist nur streitig, ob zu den entsprechenden Voraussetzungen auch die Stellung eines Rentenantrages gehört. Die Auslegung der Norm ergibt jedoch, dass dies nicht verlangt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen sei zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen sei der maßgebliche Sinn der Erklärung ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sei der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang sei abzustellen. Verblieben noch Zweifel, könnten weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder die praktische Tarifübung ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel sei die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG vom 17.10.2007 - 4 AZR 1005/06 - NZA 2008, 713 Rn. 40).

Bei Anwendung dieser Kriterien kann nicht festgestellt werden, dass auch die Stellung eines Rentenantrages zu den Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 Ziff. 4 c TV-Zuwendung gehört.

Schon der Wortlaut der Norm erwähnt die Stellung eines Rentenantrages oder die entsprechend Norm des § 99 SGB VI nicht. Auch aus dem Sinn und Zweck der Norm ergibt sich nicht, dass ein solcher Antrag gestellt werden müsste. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien den Frauen die Zuwendung nur dann hätten belassen wollen, wenn sie nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Rentenzahlungen in Anspruch nehmen würden. Frauen, die wie die Klägerin die Voraussetzungen des § 237 a SGB VI für den Bezug einer Altersrente erfüllen, haben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwei Alternativen. Sie können einen Rentenantrag stellen und erhalten dann eine um bis zu 18 % geminderte Altersrente. Sie können aber auch den Zeitraum bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres irgendwie überbrücken mit der Folge, dass ihnen ab dem 65. Lebensjahr eine ungeschmälerte Altersrente zusteht. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien die Frauen schon mit Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis in einen Rentenbezug hätten drängen wollen. Hierfür hätten allenfalls arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte eine Rolle spielen können, wenn man unterstellt, dass die entsprechenden Frauen wegen ihrer wirtschaftlich nicht abgesicherten Position überwiegend bis zur Erreichung des 65. Lebensjahres einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürften. Derartige arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte haben für die Tarifvertragsparteien offensichtlich jedoch keine Rolle gespielt, wie sich aus § 1 Abs. 2 Ziff. 4 a, b TV-Zuwendung ergibt. Dort behalten die Angestellten ihre Zuwendung allein aufgrund der Tatsache, dass sie schwanger waren oder die Niederkunft in den letzten drei Monaten vor Abschluss des Auflösungsvertrages lag. Auch dort wird ausschließlich auf eine bestimmte Stellung der jeweiligen Frau abgestellt. Zusätzliche Voraussetzungen, die ein mindestens vorübergehendes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bezeichnen würden, werden nicht aufgeführt. Bei Schwangerschaft und Niederkunft haben diese Frauen also jederzeit die Möglichkeit, eine anderweitige Erwerbstätigkeit aufzunehmen ohne dass sich dies auf die Zahlung der Zuwendung auswirken würde. Auch im Rahmen des § 1 Abs. 2 Ziff. 1 TV-Zuwendung ist es für die Zahlung der Zuwendung unschädlich, wenn der Angestellte im Anschluss an die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber eingeht (Clemens/Scheuring, TV-Zuwendung Erl. 10).

Die Klägerin hat auch "wegen" der Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezuge der Altersrente nach § 237 a SGB VI den Auflösungsvertrag geschlossen. Ob ein entsprechendes Kausalerfordernis gegeben ist, muss sich aus der entsprechenden Erklärung des Arbeitnehmers oder aus dem Sachverhalt ergeben, der zum Ausscheiden geführt hat (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, TV-Zuwendung Rn. 74). Zwar hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 20. Dezember 2006 (das Datum 2007 stellt einen Schreibfehler dar) nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit zum Bezug der Altersrente für Frauen verwiesen, doch ist dies unschädlich. Sie hat als Ausscheidensdatum für den Auflösungsvertrag den 31.10.2007 angegeben. Mit diesem Tag waren die Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente gegeben. Hiervon war ursprünglich auch das beklagte Land ausgegangen, denn im Schreiben vom 9. Mai 2007 war ausdrücklich die Zahlung einer anteiligen Zuwendung erwähnt worden. Insofern konnte die Zahlung einer Zuwendung nur gem. § 1 Abs. 2 Ziff. 4 c TV-Zuwendung in Betracht kommen, da andere Anspruchsgrundlagen ausgeschlossen waren. Somit ergab sich schon aus dem gewählten Beendigungsdatum für beide Vertragsparteien, dass der Auflösungsantrag im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezuge der Altersrente für Frauen geschlossen werden sollte.

Es kann offen bleiben, ob die Klägerin ihren Anspruch auch aus dem Schreiben des beklagten Landes vom 9. Mai 2007 mit Erfolg ableiten könnte.

Das beklagte Land hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 98 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen vor, da eine höchstrichterliche Klärung der Auslegung des § 1 Abs. 2 Ziff. 4 c TV-Zuwendung fehlt.

Ende der Entscheidung

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