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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 29.07.2008
Aktenzeichen: 19 TaBV 609/08
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 99 Abs. 1 | |
BetrVG § 101 Satz 1 |
2. Ohne konkrete Anhaltspunkte für ein kollektives Regelungssystem erwächst aus der (neuen) Praxis allein, individuelle Vergütungsabreden "ohne Tarifbindung" zu treffen, keineVergütungsordnung mit einer Pflicht zur Eingruppierung gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Beschluss
Verkündet am 29. Juli 2008
In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 19. Kammer, auf die Anhörung vom 29. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. R. als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter B.und A.
beschlossen:
Tenor:
I. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 20.02.08 - 9 BV 43/07 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch um die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung des Straßenwachtfahrers A. G. nach Maßgabe der Tarifverträge für das Kraftfahrzeuggewerbe Bayern.
Mit Schreiben vom 02.07.2007, beim Betriebsrat am 03.07.2007 eingegangen, ersuchte der Arbeitgeber, der das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland für die Pannenhilfe in fünf Regionen aufgeteilt hat, den bei ihm gebildeten Betriebsrat der Region Ost um Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers A. G. als Straßenwachtfahrer mit einem Gehalt: "o. T." für eine Neueinstellung aus Gründen der Kapazitätserweiterung; er räumte eine Frist zur Stellungnahme bis zum 13.07.2007 ein. Mit Stellungnahme und weiterem Schreiben vom 12.07.2007, dem Arbeitgeber am 13.07.2007 zugegangen, stimmte der Betriebsrat der Einstellung zu und widersprach der Eingruppierung; auf den Inhalt der Schreiben Bl. 15 und 16 d. A. wird Bezug genommen.
Der Arbeitgeber war und ist nicht tarifgebunden. Seit 1981 wandte der Arbeitgeber auf das Arbeitsverhältnis der Straßenwachtfahrer und bezüglich ihrer Vergütung die Tarifverträge des Bayerischen Kraftfahrzeughandwerks an. Im Rahmen der Zusammenlegung mit dem Automobilclub der DDR wurden die übernommenen Straßenwachtfahrer nach Maßgabe des einschlägigen sächsischen Tarifs für das Kraftfahrzeughandwerk vergütet. Um die Gehaltsstruktur zu vereinheitlichen wurden ab 1996 im Einvernehmen zwischen der Zentrale des Arbeitgebers in M. und dem Gesamtbetriebsrat alle Straßenwachtfahrer bezüglich ihrer Vergütung nach den Regeln der Tarifverträge für das Kraftfahrzeuggewerbe Bayern eingruppiert. Mit Schreiben vom 16.12.2003, auf dessen Inhalt Bl. 173 und 174 d. A. Bezug genommen wird, forderte der Arbeitgeber den Gesamtbetriebsrat auf, für Einstellungen ohne Vergütungsordnung die so genannte OT-Regelung (ohne Tarif) einzuführen; im Juli 2004 informierte der Gesamtbetriebsrat die Belegschaft darüber, dass mehrere Tarifverträge, u. a. über Arbeitszeit, Leistungsprämie, Sozialleistungen, für Mitarbeiter ohne Tarifanwendung abgeschlossen worden seien, dass elf Mitarbeiter unbefristete Verträge zu neuen Bedingungen (ohne Tarifanwendung) erhalten hätten und dass durch die Einführung einer "Zweiklassen-SWA" mit erheblichen Problemen zu rechnen sei; wegen des weiteren Inhalts wird auf Bl. 175 und 176 d. A. Bezug genommen.
2004 und 2006 stimmte der Betriebsrat der Region Ost der Einstellung von je zwei Straßenwachtfahrern mit einem Gehalt ohne Tarifbindung zu; auf die Schreiben Bl. 84 und 85 d. A. wird Bezug genommen.
Mit Antrag vom 29.08.2007, beim Arbeitsgericht Potsdam am 30.8.2007 eingegangen, begehrte der antragstellende Betriebsrat der Region Ost die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens bzw. die Eingruppierung des Mitarbeiters A. G.. Er meinte, auch der neu eingestellte Arbeitnehmer G. sei hinsichtlich der Vergütung weiter nach den Regeln des Tarifvertrags für das Kfz-Gewerbe in Bayern einzugruppieren und nicht nach der vom Arbeitgeber einseitig aufgestellten Vergütungsregelung für Neueinstellungen. Mit der Eingruppierung bestehender Verträge nach den Tarifregeln einerseits und für Neueinstellungen ohne Tarifbindung andererseits habe der Arbeitgeber ein kollektivrechtliches Vergütungssystem geschaffen. Dies sei ab 2004 unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG erfolgt. Eine ablösende Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede sei nicht erfolgt; jedenfalls wäre der Gesamtbetriebsrat für eine solche Regelung weder originär noch kraft Auftrags zuständig. Mithin sei die Änderung der Vergütungsordnung unbeachtlich.
Mit Beschluss vom 20.02.2008 hat das Arbeitsgericht Potsdam den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Der zulässige Antrag sei unbegründet. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, eine Eingruppierung nach Maßgabe der Tarifverträge des Kfz-Gewerbes in Bayern vorzunehmen. Mangels Tarifbindung sei der Arbeitgeber nicht tarifrechtlich dazu verpflichtet. Es seien auch keine verpflichtenden Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden getroffen worden. Aus der jahrelangen Praxis zur Eingruppierung der Straßenwachtfahrer könne nicht auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers geschlossen werden. Eine entsprechende betriebliche Übung sei auch nicht festzustellen. Die Vertragsparteien hätten in jedem Einzelfall und durch stets neue Entscheidung die Inbezugnahme der Tarifverträge vereinbart; eine autonom gestaltete betriebliche Vergütungsordnung sei mithin nicht entstanden. Die Vielzahl solcher Fälle begründe keinen eigenen Akt der Gestaltung einer Vergütungsordnung.
Wegen des weiteren Inhalts des angefochtenen Beschlusses wird auf diesen Bezug genommen.
Gegen den dem Betriebsrat am 29.02.2008 zugestellten Beschluss hat er am 26.03.2008 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt und diese, nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20.05.2008, an eben diesem Tag begründet.
Er wendet sich überwiegend aus Rechtsgründen gegen den angefochtenen Beschluss, vertieft und präzisiert seine erstinstanzlich geäußerte Rechtsansicht. Die Regelungsabrede mit der Verpflichtung des Arbeitgebers zur tariflichen Eingruppierung aller Straßenwachtfahrer aus 1996 bestehe nach wie vor. Der Gesamtbetriebsrat sei 2004 weder originär für eine ablösende Regelungsabrede zuständig gewesen noch sei er von den Einzelbetriebsräten dazu beauftragt worden. Da die Regelungsabrede aus 1996 nicht gekündigt worden sei, könne sie nicht einseitig vom Arbeitgeber aufgegeben werden. Im Übrigen würde sie bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber nachwirken. Zwar mag einiges für eine Aufhebung der Regelung im Jahre 2004 sprechen, doch sei dafür der Gesamtbetriebsrat nicht zuständig gewesen. Jedenfalls aber habe der Arbeitgeber durch eine Vielzahl von einzelvertraglichen Abreden mit einer Vergütung ohne Tarifbindung seinerseits eine Vergütungsordnung geschaffen, die eine Eingruppierung verlange. Zu Recht habe der Betriebsrat daher Zustimmungsverweigerungsgründe geltend machen können. Das Mitbestimmungsrecht sei auch nicht verwirkt.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Potsdam vom 20.02.2008 - 9 BV 43/07 - den Antragsgegner zu verpflichten, den Arbeitnehmer G. nach Maßgabe der Tarifverträge für das Kraftfahrzeuggewerbe Bayern einzugruppieren.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung überwiegend aus Rechtsgründen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie ihre Erklärungen im mündlichen Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht Bezug genommen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige, frist- und formgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Betriebsrats ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen.
1.
Der Antrag des Betriebsrats ist - nach Auslegung - zulässig.
Der Antrag ist genügend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Arbeitgeber soll vorliegend verpflichtet werden, den neu eingestellten Arbeitnehmer G. - wie dies bis 2004 einvernehmliche Praxis bei dem Arbeitgeber war - nach den Regeln der Tarifverträge für das Kraftfahrzeuggewerbe Bayern einzugruppieren. Damit begehrt der Betriebsrat die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens gemäß § 99 BetrVG hinsichtlich der seiner Meinung nach erforderlichen Eingruppierung des Arbeitnehmers. Dieses Antragsziel ergibt sich aus der weiteren Begründung sowohl des Antrags als auch der Beschwerde des Betriebsrats, auch wenn ein gängiger Zusatz im Antrag wie z. B. "unter Wahrung des Beteiligungsrechts nach § 99 BetrVG" fehlt. Denn der Betriebsrat hat bereits bei seiner Beteiligung zur Einstellung des Arbeitnehmers G., obwohl er dazu vom Arbeitgeber nicht angehört worden ist, der beabsichtigten Eingruppierung mit detaillierter Begründung widersprochen. Darauf hat er in seiner Antragsbegründung und ausführlich in der Beschwerdebegründung Bezug genommen, wenn er darlegt, dass der Betriebsrat zulässigerweise und begründet der Eingruppierung des Arbeitnehmers mit einem Gehalt ohne Tarifbindung widersprochen hat. Ersichtlich will also der Betriebsrat mit seinem Antrag auch die weitere Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG sichern, sollte der Arbeitgeber, wie vom Betriebsrat erwartet, dem Eingruppierungsverlangen des Betriebsrats nicht entsprechen. Diesem Rechtsschutzziel wird auch der verkürzte Antrag des Betriebsrats noch gerecht.
Der Antrag ist auch insoweit genügend bestimmt, als er lediglich auf die nicht im Einzelnen spezifizierten Tarifverträge für das Kraftfahrzeuggewerbe in Bayern Bezug nimmt. Denn zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass damit auf die bis 2004 geltende Praxis beim Arbeitgeber Bezug genommen wird und Unklarheiten über die anzuwendenden Tarifverträge somit nicht bestehen.
Der Betriebsrat ist, dies ist zwischen den Parteien nicht im Streit, beteiligungs- und antragsbefugt. Weitere Personen oder Stellen nach dem Betriebsverfassungsgesetz sind nicht zu beteiligen, auch nicht der Arbeitnehmer A. G..
2.
Der Antrag des Betriebsrats ist unbegründet.
2.1
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Beschwerdekammer sich anschließt, kann der Betriebsrat zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts entsprechend § 101 Satz 1 BetrVG die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens verlangen, wenn der Arbeitgeber eine Eingruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht zu haben, die nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Fehlt es überhaupt an einer Eingruppierungsentscheidung des Arbeitgebers, kann und muss der Betriebsrat zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts verlangen, dem Arbeitgeber zunächst die Eingruppierung in die maßgebliche Vergütungsordnung aufzugeben und ihn sodann zur Einholung seiner Zustimmung und bei deren Verweigerung zur Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu verpflichten (vgl. zuletzt ausführlich und mit weiterem Nachweis BAG vom 26.10.2004 - 1 ABR 37/03 - AP Nr. 29 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung).
2.2
Voraussetzung für einen solchen Antrag ist die betriebsverfassungsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung. Sie kann sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst, aus der betriebsverfassungsrechtlichen Norm eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung ergeben (BAG vom 26.10.2004, a. a. O.). Sie setzt weiter voraus, dass für den Arbeitnehmer, dessen Eingruppierung vom Betriebsrat verlangt wird, die Vergütungsgruppenordnung, in die eingruppiert werden soll, überhaupt gilt (BAG vom 23.09.2003 - 1 ABR 35/02 - AP Nr. 28 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung). Wie schon das Arbeitsgericht ausgeführt hat, kann eine solche Geltung für das Arbeitsverhältnis aus einem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag stammen, einer Betriebsvereinbarung, einer einzelvertraglichen Vereinbarung von im Betrieb allgemein geltenden Regelungen oder einer vom Arbeitgeber selbst gesetzten betrieblichen Vergütungsordnung (BAG vom 23.09.2003, a. a. O.). Mit anderen Worten: Das Arbeitsverhältnis des von der Eingruppierungsentscheidung betroffenen Arbeitnehmers muss der vom antragstellenden Betriebsrat in Bezug genommenen Vergütungsordnung unterfallen. Aus § 99 BetrVG selbst folgt nämlich keine Verpflichtung des Arbeitgebers, eine solche Ordnung aufzustellen; sie wird vielmehr von § 99 BetrVG vorausgesetzt (BAG vom 12.12.2000 - 1 ABR 23/00 - ZTR 2001, 435 f.).
2.3
Wie schon das Arbeitsgericht zu Recht erkannt hat, fehlte es zum Zeitpunkt der Einstellung des Arbeitnehmers A. G. am 02.07.2007 an einer betrieblichen Vergütungsordnung, die auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers hätte angewandt werden müssen.
2.3.1
Auch unter den Beteiligten ist nicht im Streit, dass die Tarifverträge für das Kraftfahrzeuggewerbe Bayern nicht unmittelbar und zwingend gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers G. Anwendung finden. Weder ist der Arbeitgeber noch ist der Arbeitnehmer G. kraft jeweiliger Mitgliedschaft in den tarifschließenen Verbänden an den Vergütungstarifvertrag für das Kraftfahrzeuggewerbe in Bayern gebunden. Ebenso wenig, auch darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, gilt der genannte Tarifvertrag aufgrund betriebsvereinbarungsrechtlicher Rechtsgrundlage zwischen dem örtlichen Betriebsrat der Region Ost oder dem Gesamtbetriebsrat des Arbeitgebers einerseits und dem Arbeitgeber andererseits gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG.
2.3.2
Es kann dahinstehen zu entscheiden, ob die Betriebsparteien 1996 eine Regelungsabrede getroffen haben, wonach alle Straßenwachtfahrer nach dem genannten Tarifvertrag einzugruppieren sind, und diese 2007 noch Bestand hatte. Denn jedenfalls im Jahre 2004 hätten die Betriebsparteien die entsprechende Regelung durch abändernde Regelungsabrede wieder aufgehoben oder jedenfalls einvernehmlich nicht mehr angewandt.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
Es kann dahinstehen, ob der Rechtsansicht des Betriebsrats, der Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeber hätten 1996 eine Regelungsabrede zur Eingruppierungspflicht aller Straßenwachtfahrer in den benannten Tarifvertrag getroffen. Denn selbst wenn der Gesamtbetriebsrat damals eine solche Regelung im Auftrag der Einzelbetriebsräte mit dem Arbeitgeber vereinbart hätte, wäre diese spätestens im Juli 2004 durch abändernde ausdrückliche oder konkludente Regelungsabrede zwischen denselben Regelungsparteien wieder aufgehoben worden. Unstreitig haben nämlich der Gesamtbetriebsrat und der Arbeitgeber am 28.06.2004 vier Betriebsvereinbarungen für die Mitarbeiter ohne Tarifanwendung abgeschlossen. Gleichzeitig hat der Gesamtbetriebsrat mit Informationsschreiben vom Juli 2004 an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straßenwacht und der Pannenhilfe mitgeteilt, dass er der Umwandlung von elf Mitarbeiterverträgen zu neuen Bedingungen ohne Tarifanwendung zugestimmt habe und dass es wohl zukünftig zu Problemen wegen der Einführung dieses Zweiklassensystems kommen werde. Daraus lässt sich im Zusammenhang mit dem Schreiben des Arbeitgebers vom 16.12.2003 ohne weiteres und eindeutig erkennen, dass der Gesamtbetriebsrat dem Verlangen des Arbeitgebers im Ergebnis zugestimmt hat, für Neueinstellungen im Bereich der Pannenhilfe und für Straßenwachtfahrer eine Vergütung ohne Tarifbindung zu akzeptieren. Dies räumt im Übrigen im Ergebnis wohl auch der Betriebsrat in seiner Beschwerdebegründung ein.
Tatsächlich jedenfalls haben die Betriebsparteien, dies ist unstreitig, ab 2004 und in den folgenden Jahren mehrfach Straßenwachtfahrer neu eingestellt mit einer Vergütungsabrede ohne Tarifbindung und ohne einzelvertragliche Inbezugnahme der Tarifverträge für das Kfz-Gewerbe Bayern; die Vergütung ist in diesen Fällen vielmehr einzelvertraglich und in jedem Fall nach gesonderter Entscheidung durch den Arbeitgeber festgelegt worden.
Es kann dahinstehen zu entscheiden, ob der Gesamtbetriebsrat zur Aufhebung der Regelungsabrede 2004 gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig war, wie der Arbeitgeber meint, oder, wie der Betriebsrat meint, 1996 kraft Auftrags gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG gehandelt hat. Wenn man die Auffassung des Betriebsrats für richtig hält, hätte der Betriebsrat 2004 diese Regelung, die ihm 1996 im Wege des Auftrags zu vereinbaren aufgegeben war, in Erfüllung des ursprünglichen Auftrags gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG auch wieder aufheben können; dieses wäre dann im Sommer 2004 spätestens geschehen. Wäre der Betriebsrat originär zuständig gewesen gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG, hätte sich hieran 2004 nichts geändert, da sich insoweit, Gegenteiliges haben die Beteiligten nicht mitgeteilt, an den Zuständigkeitsvoraussetzungen nichts geändert hatte.
Selbst wenn man mit dem Betriebsrat unterstellt, der Arbeitgeber hätte einseitig ab 2004 von der Regelungsabrede aus 1996 Abstand genommen und damit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt, ergibt sich nichts anderes:
Ein Widerruf oder eine Kündigung des Arbeitgebers oder eine einvernehmliche Aufhebung der Regelungsabrede aus 1996 hätten nicht zur Nachwirkung dieser Regelung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG geführt, weil die Mitbeurteilung der Lohnhöhe des Arbeitnehmers durch den Betriebsrat, die hier konkret im Streit gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG ist, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt (ständige Rechtsprechung des BAG vom 22.01.1980 - 1 ABR 48/77 - BAGE 32, 350; vom 21.01.2003 - 1 ABR 5/02 - NZA 2003, 810; vom 28.03.2006 - 1 ABR 59/04 - NZA 2006, 1367 und öfter). Im Übrigen müsste man wohl die arbeitsvertragliche Vereinbarung, dem Arbeitnehmer G. eine Vergütung ohne Tarifbindung zu zahlen, als eine andere, rechtswirksame Abmachung während des Nachwirkungszeitraums analog § 4 Abs. 5 TVG ansehen müssen (vgl. dazu BAG vom 11.06.2002 - 1 AZR 390/01 - AP Nr. 113 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
Im Übrigen würde es weiter an einer Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gefehlt haben. Denn der Arbeitgeber hat die frühere betriebliche Vergütungsordnung für Straßenwachtfahrer in der Pannenhilfe, die von 1996 bis 2004 gegolten hat, nicht ohne Zustimmung des Gesamtbetriebsrats, wie ausgeführt, abgeändert und diese auch nicht durch eine neue Vergütungsordnung ohne Zustimmung der betriebsverfassungsrechtlich zuständigen Gremien weitergeführt (dazu sogleich).
2.3.3
Entgegen der Ansicht des Betriebsrats fehlt es an einer (neuen) betrieblichen Vergütungsordnung, in die der Arbeitnehmer G. einzugruppieren wäre.
Wie schon das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, ergibt sich aus den seit 2004 in mehreren Einzelfällen erfolgten individuellen, einzelvertraglichen Vergütungsabreden zwischen neu eingestellten Straßenwachtfahrern und dem Arbeitgeber keine betriebliche Vergütungsordnung, in die der neu eingestellte Arbeitnehmer G. gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG einzugruppieren wäre.
Der Vortrag des Betriebsrats dazu lässt jede Substantiierung vermissen. Auch die ausführliche Anhörung vor dem Beschwerdegericht ergab keine Anhaltspunkte oder sonstige Indizien für das Vorliegen einer solchen kollektiven betrieblichen Vergütungsordnung, die am 02.07.2007 Geltung gehabt hätte. Aus der bloßen mehrmaligen individuellen Vereinbarung des Arbeitgebers mit Straßenwachtfahrern seit 2004 ergibt sich eine solche Vergütungsordnung nicht. Dies hat der Betriebsrat auch insoweit eingeräumt, als er während des Prozesses vor allem darauf hingewiesen hat, dass die alte Regelungsabrede aus 1996 weiterhin Bestand hätte. Die Praxis einer individuellen Vergütungsabrede im Einzelfall allein indiziert eine kollektive Vergütungsordnung nicht.
Eine neue Vergütungsordnung ist auch nicht deswegen entstanden, weil der Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, in Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes den Arbeitnehmer G. im Juli 2007 nach den Regeln, die bis 2004 im Betrieb galten, einzugruppieren. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Beschwerdegericht sich anschließt, bindet zwar der Gleichbehandlungsgrundsatz den Arbeitgeber innerhalb einer von ihm selbst gesetzten Vergütungsordnung, verpflichtet ihn aber nicht, eine Vergütungsordnung anzuwenden, die auf neu eingestellte Arbeitnehmer keine unmittelbare Anwendung findet, sondern z. B. nur gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB individualrechtlich nachwirkt (vgl. BAG vom 23.09.2003, a. a. O.). Im vorliegenden Verfahren findet die bis 2004 geltende Praxis der Eingruppierung aus Rechtsgründen, wie ausgeführt, keine Anwendung auf das neu begründete Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers G.. Da eine Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung fehlte, kann aus der zuletzt geübten Praxis, individuelle Vergütungsabreden mit neu eingestellten Arbeitnehmern zu treffen, eine neue betriebliche Vergütungsordnung mit einer Pflicht des Arbeitgebers zur Eingruppierung nicht entstanden sein.
2.3.4
Schließlich ist der Arbeitgeber auch nicht aufgrund betrieblicher Übung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers G. in die genannten Tarifverträge verpflichtet, auch wenn der Betriebsrat diese Rechtsansicht in der mündlichen Anhörung vor dem Beschwerdegericht nicht mehr ausdrücklich vertreten hat.
Es kann dahinstehen, ob eine betriebliche Übung zur Anwendung der genannten Tarifverträge auf die Arbeitsverhältnisse der Straßenwachtfahrer im Hinblick auf ihre vergütungsrechtliche Eingruppierung bis 2004 bestanden hatte. Angesichts fehlender konkreter Hinweise auf eine solche betriebliche Übung in dem genannten Zeitraum und angesichts der damaligen Akzeptanz der Betriebsparteien hinsichtlich einer einzelvertraglichen Bezugnahme auf die genannten Tarifverträge liegt eine solche betriebliche Übung eher fern. Jedenfalls wäre eine solche betriebliche Übung, die das Eingruppierungsverlangen des Betriebsrats stützen könnte, durch eine entgegenstehende betriebliche Übung aus der Zeit ab 2004 aufgehoben worden. Es ist insoweit in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, dass ein Anspruch aus betrieblicher Übung bei wiederholten Leistungen auch durch eine geänderte betriebliche Übung aufgehoben werden kann (vgl. neuestens BAG vom 28.05.2008 - 10 AZR 247/07 -, EzA-Schnelldienst 15/2008 S. 7 ff.). Mit der mehrfachen Vereinbarung gegenüber neu eingestellten Straßenwachtfahrern wie auch dem Arbeitnehmer G. hätte der Arbeitgeber, ohne dass der Betriebsrat dagegen Einwendungen erhoben hätte, eine gegenläufige betriebliche Übung etabliert. Mithin ergibt sich auch aus der jahrelangen betrieblichen Praxis bis 2004 keine Rechtsgrundlage für das Begehren des antragstellenden Betriebsrats.
2.3.5
Schließlich bestand in dem Anhörungstermin vor dem Beschwerdegericht auch Einigkeit zwischen den Beteiligten darüber, dass sich eine betriebliche Vergütungsordnung, in die der Arbeitnehmer G. einzugruppieren wäre, nicht daraus ergibt, dass der Arbeitgeber seit 2004 in mehreren Fällen Straßenwachtfahrer mit individualvertraglicher Vergütung ohne Tarifbindung eingestellt hat einerseits und der aktuellen Vergütung von vor dem Jahr 2004 eingestellten Straßenwachtfahrern mit einer Tarifbindung an den Vergütungstarifvertrag des Kfz-Gewerbes Bayern andererseits. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlangt die Eingruppierung von Arbeitnehmern eine Vergütungsordnung, die ein kollektives Entgeltschema enthält, das mindestens zwei Vergütungsgruppen umfasst und eine Zuordnung der Arbeitnehmer nach bestimmten, generell beschriebenen Merkmalen vorsieht (vgl. nur BAG vom 26.10.2004, a. a. O. und öfter). Daher bilden die frühere Vergütungsordnung, die bis 2004 gegolten hat, und eine etwaige neue Vergütungsordnung "ohne Tarifbindung" keine einheitliche Vergütungsordnung im Sinne der eben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mit sozusagen zwei Vergütungsgruppen. Einen solchen gedanklichen "Salto mortale", wie es der Prozessbevollmächtigte des Betriebsrats im Anhörungstermin genannt hat, hat auch der Betriebsrat nicht weiterverfolgen wollen. Im Übrigen verhindert schon der bloße Zeitablauf eine auch nur gedanklich vorstellbare Einheit beider Vergütungsordnungen zu einer Vergütungsordnung mit zwei Vergütungsgruppen.
2.3.6
Sonstige Anhaltspunkte und Indizien für eine neue Vergütungsordnung mit mehreren Vergütungsgruppen sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Wie sich aus dem Informationsschreiben des Arbeitgebers zur Einstellung des Arbeitnehmers G. gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vom 02.07.2007 ergibt, ist der Arbeitnehmer G. auch nicht als Ersatzkraft auf einen bislang mit einem anderen Arbeitnehmer besetzten Arbeitsplatz eingestellt worden, sondern zur Kapazitätserweiterung. Mithin handelt es sich auch in diesem Fall um eine echte Neueinstellung, wie sie der Gesamtbetriebsrat 2004 ausweislich seines Informationsschreibens an die Belegschaft zustimmend zur Kenntnis genommen hat.
3.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.
Ende der Entscheidung
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