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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.05.2009
Aktenzeichen: 6 TaBV 88/09
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 94
ArbGG § 81 Abs. 1
ArbGG § 83 Abs. 3
ZPO § 89 Abs. 2
ZPO § 256 Abs. 1
1. Eine dem Vorsitzenden erteilte Vollmacht zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Einleitung eines Beschlussverfahrens gegen den Arbeitgeber umfasst auch die Befugnis, eine bereits im Namen des Betriebsrates vorgenommene Verfahrenseinleitung zu genehmigen.

2. Neben einem bereits anhängigen Antrag auf Untersagung der Verwendung von Personalfragebögen ohne Zustimmung des örtlichen Betriebsrates fehlt für ein weiteres Verfahren auf Feststellung eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Rechtsschutzinteresse.


Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Beschluss

6 TaBV 88/09

Verkündet am 8. Mai 2009

In dem Beschlussverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6, auf die Anhörung vom 08. Mai 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. sowie die ehrenamtlichen Richter B. und A.

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes Berlin vom 27. November 2008 - 42 BV 14729/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Der Antragsteller ist der Betriebsrat in einem seit dem 25. Juli 2008 im Wege des Betriebsübergangs auf die Arbeitgeberin übergegangenen Betrieb.

In einem am 19. August 2008 beim Arbeitsgericht Berlin zum Aktenzeichen 41 BV 13752/08 anhängig gemachten Verfahren nimmt er die Arbeitgeberin auf Unterlassung in Anspruch, Personalfragebögen und schriftliche Arbeitsverträge mit persönlichen Angaben zu verwenden, denen er nicht zugestimmt hat bzw. zu denen seine Zustimmung nicht durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist. Darüber hinaus will der Antragsteller im vorliegenden, am 08. September 2008 anhängig gemachten Verfahren festgestellt wissen, dass die Verwendung von Personalfragebögen und persönlichen Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen seiner Mitbestimmung unterliegt.

Auf entsprechende Rüge der Arbeitgeberin führte der Vorsitzende des Antragstellers in dessen Sitzung vom 16. Oktober 2008 zwei einstimmig gefasste Beschlüsse über die "Klage" und seine anwaltliche Vertretung herbei, wie im Auszug aus dem Sitzungsprotokoll Nr. 22/08 (Ablichtung Bl. 29-31 d. A.) niedergelegt.

Das Arbeitsgericht Berlin hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Anrufung des Gerichts beruhe nicht auf einem Beschluss des Antragstellers, der eine Genehmigung des bereits eingeleiteten Beschlussverfahrens erkennen lasse. Sowohl die Tagesordnungspunkte im Sitzungsprotokoll als auch die schließlich gefassten Beschlüsse sähen nur die Einleitung eines künftigen Verfahrens und die entsprechende Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten vor.

Gegen diesen ihm am 19. Dezember 2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 09. Januar 2009 eingelegte und am 17. Februar 2009 begründete Beschwerde des Antragstellers. Er tritt der Ansicht des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen entgegen und verweist auf einen vorsorglich am 06. April 2009 gefassten weiteren Beschluss über eine Genehmigung der Weiterführung des vorliegenden Verfahrens.

Der Antragsteller beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass die Verwendung von Personalfragebögen für den Unternehmensbereich Botschaften und Konsulate des Berliner Betriebs seiner Mitbestimmung unterliege.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und weist darauf hin, dass zu der Betriebsratssitzung vom 16. Oktober 2008 ein Ersatzmitglied einer falschen Liste geladen worden sei. Eine rückwirkende Genehmigung nach Abschluss der ersten Instanz sei rechtlich nicht mehr möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Beschlusses und die in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akte des Arbeitsgerichts Berlin zum Aktenzeichen 41 BV 13752/08 ist Gegenstand der mündlichen Erörterung gewesen.

2. Der Beschwerde konnte kein Erfolg beschieden sein.

2.1 Die Beschwerde ist fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 517 ZPO; §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 89 Abs. 2 ArbGG). Die gemäß §§ 11 Abs. 4 Satz 1 und 2, 89 Abs. 1 ArbGG erforderliche Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsteller stand insoweit außer Streit und ist zudem durch den Betriebsratsbeschluss vom 06. April 2009 ausdrücklich bestätigt worden.

2.2 Der im Unternehmen der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat brauchte nicht am Verfahren beteiligt zu werden. Zwar ist die Beteiligung eines Gesamtbetriebsrats gem. § 83 Abs. 3 ArbGG an sich geboten, wenn gerade die Frage seiner Zuständigkeit oder die eines örtlichen Betriebsrates im Streit ist (BAG, Beschluss vom 28.03.2006 - 1 ABR 59/04 - BAGE 117, 137 ist AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 128 zu B I 2 der Gründe). Eine Beteiligung war vorliegend jedoch deshalb entbehrlich, weil mit der Zurückweisung der Beschwerde keine Entscheidung in der Sache verbunden ist, durch die allein der Gesamtbetriebsrat in seiner Stellung betroffen wäre.

2.3 Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Feststellungsbegehren des Antragstellers ist unzulässig.

2.3.1 Dies ergab sich bereits daraus, dass das Verfahren auf unzureichender Grundlage eingeleitet und dieser Mangel auch nicht mehr rechtzeitig behoben worden ist.

2.3.1.1 Dem vom Verfahrensbevollmächtigten im Auftrag des Betriebsratsvorsitzenden zur Einleitung des Verfahrens gem. § 81 Abs. 1 ArbGG eingereichten Antrag lag kein entsprechender Betriebsratsbeschluss zugrunde. Ein solcher wäre jedoch erforderlich gewesen, weil ein Betriebsratsvorsitzender gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nur im Rahmen ordnungsgemäß gefasster Beschlüsse über eine entsprechende Vollmacht verfügt, vorliegend solch ein Beschluss aber nur für das Unterlassungsverfahren gefasst worden war, was lediglich dort einen Zwischenfeststellungsantrag nach § 256 Abs. 2 ZPO hätte umfassen können.

2.3.1.2 Die vollmachtlose Antragstellung ist durch den Betriebsratsbeschluss vom 16. Oktober 2008 nicht gem. § 184 Abs. 1 BGB genehmigt worden.

2.3.1.2.1 Zwar war es unschädlich, dass der Betriebsrat seinen Beschluss in Unkenntnis vom bereits anhängigen Verfahren gefasst und damit dessen Einleitung nicht selbst genehmigt hat. Denn die seinem Vorsitzenden erteilte Vollmacht zur Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Einleitung eines entsprechenden Verfahrens umfasste auch die Befugnis, eine bereits im Namen des Betriebsrats vorgenommene Verfahrenseinleitung zu genehmigen. Dies ist hier dann auch durch die erneute Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten und die Unterrichtung des Gerichts davon geschehen. Eine Genehmigung des Vertretenen gemäß § 89 Abs. 2 ZPO kann auch in der Erteilung einer Prozessvollmacht liegen (BGH, Beschluss vom 02.07.1953 - IV ZB 49/53 - BGHZ 10, 147 zu II der Gründe).

2.3.1.2.2 Der Beschluss vom 16. Oktober 2008 ist jedoch nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Der Betriebsratsvorsitzende hatte die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung eines Mitbestimmungsrechts gem. § 94 BetrVG in der Einladung zur Betriebsratssitzung entgegen § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht als Tagesordnungspunkt mitgeteilt. Dieser Mangel hätte nur durch einen einstimmig gefassten Beschluss der vollständig versammelten Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder geheilt werden können (BAG, Urteil vom 28.04.1988 - 6 AZR 405/86 - BAGE 58, 221 = AP BetrVG 1972 § 29 Nr. 2 zu B II 3 b, aa und c der Gründe). Dies scheiterte vorliegend jedoch daran, dass zu der Sitzung als Vertretung eines verhinderten Betriebsratsmitglieds unter Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Ersatzmitglied einer falschen Liste geladen worden war, worauf die Arbeitgeberin unwidersprochen hingewiesen hat. Damit lag entgegen der Ansicht des Antragstellers auch kein Fehler vor, der offensichtlich ohne Einfluss auf das Abstimmungsergebnis geblieben ist und deshalb die Wirksamkeit des Beschlusses nicht berührt hat (zu dieser Möglichkeit BAG, Beschluss vom 06.12.2006 - 7 ABR 62/05 - AP BetrVG 1972 § 21b Nr. 5 zu B II 3 a der Gründe).

2.3.1.3 Der Mangel ordnungsgemäßer Bevollmächtigung des mit der Einreichung des Antrags beauftragten jetzigen Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers hat durch den nach Einlegung der Beschwerde gefassten weiteren Beschluss vom 06. April 2009 nicht mehr mit Rückwirkung geheilt werden können. Eine rückwirkende Genehmigung ist nur bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung möglich, durch die der Antrag wegen des Verfahrensmangels als unzulässig abgewiesen wird (BAG, Beschluss vom 16.11.2005 - 7 ABR 12/05 - BAGE 116, 192 = AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 zu B I 1 a der Gründe unter Bezugnahme auf GmS-OBG, Beschluss vom 17.04.1984 - 2/83 - BGHZ 91, 111).

2.3.2 Die Unzulässigkeit des Feststellungsbegehrens ergab sich außerdem aus dem Fehlen des dafür gem. §§ 256 Abs. 1, 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG erforderlichen Rechtsschutzinteresses.

2.3.2.1 Zwar lässt sich der prozessökonomische Grundsatz, wonach für eine Feststellungsklage regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, soweit eine Leistungsklage möglich wäre, nicht ohne weiteres auf Beschlussverfahren übertragen, in denen es um die Klärung von Mitwirkungs- oder Auskunftsansprüchen des Betriebsrates geht (BAG, Beschluss vom 15.12.1998 - 1 ABR 9/98 - BAGE 90, 288 = AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 56 zu B I 3 der Gründe). Anders verhält es sich jedoch, wenn der Betriebsrat bereits ein Verfahren mit einem Leistungsantrag anhängig gemacht hat, mit dem auch das zugrunde liegende Mitbestimmungsrecht einer abschließenden Klärung zugeführt wird. Dann bedeutet ein gesondertes Feststellungsverfahren eine unnötige Inanspruchnahme der Rechtspflege.

2.3.2.2 Durch eine stattgebende Entscheidung im Unterlassungsverfahren wäre die Arbeitgeberin gehindert, ohne Zustimmung des Antragstellers oder deren Ersetzung durch den Spruch einer Einigungsstelle im Betrieb des Antragstellers Personalfragebögen zu verwenden oder sich von Arbeitnehmern oder Bewerbern persönliche Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen machen zu lassen. Damit wäre zugleich die Frage geklärt, ob der Antragsteller oder der Gesamtbetriebsrat für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus § 94 BetrVG zuständig ist. Der im hiesigen Verfahren begehrten Feststellung seiner Zuständigkeit wäre keine darüber hinausgehende Bedeutung zugekommen, weshalb sogar ein entsprechender Zwischenfeststellungsantrag nach § 256 Abs. 2 ZPO im Rahmen des Unterlassungsverfahrens unzulässig wäre (dazu BAG, Beschluss vom 28.10.1993 - 2 AZB 12/93 - AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 19 zu III 2 c, cc der Gründe). Anders verhielte es sich, wenn sich der Antragsteller im Unterlassungsverfahren darauf beschränkt hätte, in Erfüllung seiner Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 BetrVG der Arbeitgeberin die Verwendung von Personalfragebögen zu untersagen, solange hierzu weder seine Zustimmung noch die des Gesamtbetriebsrats erteilt oder ersetzt worden ist (zu dieser Zuständigkeit BAG, Beschluss vom 20.12.1988 - 1 ABR 63/87 - BAGE 60, 311 = AP ArbGG 1979 § 92 Nr. 5 zu B II 1 c der Gründe).

2.4 Für eine Kostenentscheidung war kein Raum, weil im Beschlussverfahren gem. § 2 Abs. 2 GKG i. V. m. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG Kosten nicht erhoben werden.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde waren nicht erfüllt (§§ 72 Abs. 2, 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).

3. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.

Ende der Entscheidung

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