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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 12 Sa 865/05
Rechtsgebiete: TVG, MTV Chemische Industrie


Vorschriften:

TVG § 1
MTV Chemische Industrie § 10
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind auf die Entgeltfortzahlung im Todesfall nach § 10 MTV Chemische Industrie nicht anzurechnen.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

12 Sa 865/05

Verkündet am 25.10.2005

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 12. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 25.10.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Dr. Hantl-Unthan als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Siller und Herrn Standfuß

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. März 2005 - 81 Ca 15247/04 - abgeändert:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.162,18 EUR brutto (elftausendeinhundertzweiundsechzig 18/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit 01.04.2004 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um tarifliche Entgeltfortzahlung im Todesfall.

Die Beklagte ist ein tarifgebundenes Unternehmen der Chemieindustrie. Die Klägerin und Berufungsklägerin ist die Witwe des am .... 1949 geborenen und am ..... 2004 verstorbenen früheren Arbeitnehmers M. der Beklagten. Dieser war vom 1. September 1987 bis zu seinem Tod bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiter mit einem Monatsbruttoverdienst von zuletzt 3.837,-- EUR zuzüglich Provision beschäftigt. Auf dieses Arbeitsverhältnis fand kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für die Chemische Industrie (alte Bundesländer) Anwendung. Dieser enthält in § 10 folgende Regelung:

"I.

Stirbt der Arbeitnehmer, so erhalten nahe Angehörige (Ehegatte, Eltern, Kinder) oder Personen, zu deren Lebensunterhalt der Verstorbene bis zu seinem Ableben überwiegend beigetragen hat oder die überwiegend die Bestattungskosten tragen, für den Sterbemonat die bisherigen laufenden Monatsbezüge; die über den Todestag hinaus erbrachten anteiligen Zahlungen an die unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen sind Versorgungsleistungen.

II.

Hat der Verstorbene zu dem Lebensunterhalt der in Abschnitt I genannten Personen bis zu seinem Ableben überwiegend beigetragen, so werden die bisherigen laufenden Monatsbezüge weitergewährt nach einer mindestens einjährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit für einen Monat nach einer mindestens fünfjährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit für zwei Monate.

...

III.

Einmalige und laufende Leistungen für die Zeit der Entgeltfortzahlung, die der Arbeitgeber auf seine Kosten aus Anlass des Todes des Arbeitnehmers gewährt, können auf diese Zahlungen angerechnet werden. Das gleiche gilt für entsprechende Leistungen Dritter, die nur auf Beiträgen oder Zuwendungen des Arbeitgebers beruhen. Hierunter fallen auch Leistungen betrieblicher Sozialeinrichtungen, nicht aber Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung.

IV.

Kommen nach den Abschnitten I und II für die Zahlung mehrere Personen als Empfänger in Betracht, so wird die Verpflichtung des Arbeitgebers durch Leistungen an eine von ihnen erfüllt."

Am 14. Februar 1989 und am 3. Februar 1994 hatte die Beklagte für den verstorbenen Ehemann der Klägerin zwei Kapitalversicherungen auf den Todes- und Erlebensfall abgeschlossen. In dem dem Ehemann anlässlich der Verträge übersandten Mitteilungsschreiben der Beklagten heißt es unter anderem: "Mit dem Abschluss der Versicherung möchten wir unseren Dank für Ihre Mitarbeit zum Ausdruck bringen und zu Ihrer Zukunftssicherung beitragen" (Blatt 66, 68 der Akte). Weiterhin wurden dem Ehemann der Klägerin die Versorgungsrichtlinien der Beklagten übersandt (Blatt 67 der Akte). Nach Punkt 3 b) dieser Versorgungsrichtlinien steht das Bezugsrecht für den Todesfall zunächst dem überlebenden Ehegatten zu. Die Beiträge für diese Versicherungen wurden ausschließlich durch die Beklagte aufgebracht. Vorgesehener Ablauf für beide Versicherungen war der 1. Dezember 2034, Kündigungsmöglichkeit bestand zum 1. Dezember 2014. Die Klägerin erhielt anlässlich des Todes ihres Ehemannes aus diesen beiden Versicherungen die Versicherungssummen in Höhe von insgesamt 18.895,-- EUR ausgezahlt.

Die Klägerin hatte mit ihrem verstorbenen Ehemann bis zu dessen Tod zusammengelebt, der Lebensunterhalt wurde ganz überwiegend vom Einkommen des Ehemannes bestritten. Der Verstorbene hinterlässt neben seiner Ehefrau zwei Söhne.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Entgeltfortzahlung im Todesfall nach § 10 MTV Chemische Industrie für die Zeit vom 4. Januar bis 31. März 2004, die die Beklagte wegen der an die Klägerin aus den Lebensversicherungen gezahlten Versicherungssummen unter Hinweis auf die Anrechnungsvorschrift in § 10 Abs. 3 MTV und unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie vom 10. Februar 2004 (Blatt 49 der Akte) verweigert.

Von einer weiteren Darstellung des Parteivorbringens erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Blatt 81 bis 82 der Akte) gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17. März 2005 die Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 11.162,18 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 1. April 2004 sowie ausgerechnete Zinsen in Höhe von 66, 49 EUR zu zahlen, abgewiesen und den Streitwert auf 11.228,67 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Todesfall sei zwar zunächst gemäß § 10 Abs. 1 und 2 MTV entstanden, die Beklagte sei jedoch nach § 10 Abs. 3 MTV berechtigt gewesen, die Leistungen aus den beiden Kapitallebensversicherungen auf diese Ansprüche anzurechnen. Bei diesen Zahlungen handle es sich um zwei einmalige "entsprechende Leistungen Dritter, die nur auf Beiträgen oder Zuwendungen des Arbeitgebers beruhen" und die "für die Zeit der Entgeltfortzahlung" gewährt worden seien. Denn mit dieser tariflichen Regelung seien Leistungen gemeint, die zur gleichen Zeit wie die Entgeltfortzahlung fällig werden, das heißt Leistungen, die aus Anlass des Todesfalles gewährt werden. Diese Auslegung ergebe sich zunächst aus dem Wortlaut der Regelung, denn Leistungen, die ausschließlich "für" die Zeit der Entgeltfortzahlung gewährt werden, könne es denklogisch nicht geben. Es gebe nur Leistungen, die während der Entgeltfortzahlung zu gewähren sind und/oder aus demselben Anlass wie die Entgeltfortzahlung gewährt werden. Sinn und Zweck der Regelung sei es, dass Arbeitgeber, die freiwillige zusätzliche Leistungen für die Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer erbringen, diese Leistungen auf die tarifvertraglich vorgesehene Entgeltfortzahlung für Hinterbliebene anrechnen können. Sähe der Tarifvertrag eine solche Regelung nicht vor, so würden Arbeitgeber möglicherweise davon Abstand nehmen, freiwillige Leistungen für die Altersversorgung ihrer Arbeitnehmer und deren Hinterbliebenen vorzunehmen. Dabei sei unerheblich, dass es sich bei der Regelung in § 10 Abs. 3 MTV um eine "Kann-Bestimmung" handle, denn die Tarifvertragsparteien könnten insoweit nur eine Verrechnungsmöglichkeit anbieten, da es den tarifgebundenen Arbeitgebern freistehe, über tarifliche Leistungen hinaus Leistungen an Arbeitnehmer zu erbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Blatt 83 bis 86 der Akte, verwiesen.

Gegen dieses, ihr am 11. April 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. April 2005 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene und nach Verlängerung der Frist bis zum 13. Juli 2005 an diesem Tage begründete Berufung der Klägerin. Sie wiederholt ihre erstinstanzliche Auffassung, dass die Anrechnungsvorschrift in § 10 Abs. 3 MTV Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht erfasse. Bei den an sie ausgezahlten Versicherungssummen handle es sich jedoch um typische Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, diese seien nicht "für die Zeit der Entgeltfortzahlung" geleistet worden, weil sie sich nicht auf die Zeit von Januar bis März 2004 bezogen hätten. Außerdem solle die Entgeltfortzahlung die mit dem Tod verbundenen besonderen Belastungen abmildern, während die Zahlung aus den Lebensversicherungen der Altersversorgung diene. Damit hätten beide Leistungen unterschiedliche Zwecke, so dass eine Anrechnung ausscheide. Schließlich erfordere die Anrechnung nach § 10 Abs. 3 MTV eine billigem Ermessen entsprechende Entscheidung des Arbeitgebers.

Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt unter Rücknahme der Klage in Höhe von 66,49 EUR das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. März 2005 - 81 Ca 15247/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 11.162,18 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 1. April 2004 zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, bei den von ihr finanzierten Leistungen aus den Lebensversicherungen handle es sich um solche, die nach § 10 Abs. 3 MTV angerechnet werden könnten. Einer Ermessensausübung bedürfe es nicht, weil es sich lediglich um eine tarifliche Anrechnungsmöglichkeit handle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 13. Juli 2005 (Blatt 109 bis 115 der Akte) und auf den Schriftsatz der Klägerin vom 14. Oktober 2005 (Blatt 128 bis 129 der Akte) sowie auf die Berufungsbeantwortung der Beklagten vom 26. Juli 2005 (Blatt 125 bis 127 der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Auslegung des Tarifvertrages ergibt, dass Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf die tarifliche Entgeltfortzahlung im Todesfall nicht anzurechnen sind. Um solche Leistungen handelt es sich jedoch bei den beiden Lebensversicherungen.

1. Die Klägerin hat Anspruch auf tarifliche Entgeltfortzahlung nach § 10 Abs. 1 MTV. Sie ist nahe Angehörige im Sinne von § 10 Abs. 1 MTV, so dass für den Sterbemonat, das heißt für Januar 2004 die laufenden Bezüge weiter zu zahlen sind. Der verstorbene Ehemann der Klägerin war länger als fünf Jahre bei der Beklagten beschäftigt und hat überwiegend zum Lebensunterhalt der Familie beigetragen, so dass sich der Anspruchszeitraum nach § 10 Abs. 2 MTV verlängert. Sie kann die Leistung nach § 10 Abs. 4 MTV fordern. Der Anspruch der Klägerin auf Entgeltfortzahlung für Januar bis März 2004 wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

2. Die Zahlungen aus den beiden Lebensversicherungen sind auf diesen Anspruch nicht anzurechnen. Es handelt sich hierbei nicht um "Leistungen für die Entgeltfortzahlung" im Sinne von § 10 Abs. 3 MTV.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. beispielsweise BAG vom 29. September 2004, 1 ABR 29/03, NZA 2005, 313, m.w.Nw.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Zahlungen aus den Lebensversicherungen auf den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Todesfall nicht anzurechnen.

Die Leistungen, die die Klägerin aus den Lebensversicherungen erhalten hat, sind solche der betrieblichen Altersversorgung. Dies ergibt sich aus den Versicherungsbedingungen, aus den Schreiben der Beklagten an den verstorbenen Ehemann und aus den im Zusammenhang mit dem Abschluss der Versicherungsverträge übersandten Versorgungsrichtlinien der Beklagten. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind auf die Entgeltfortzahlung im Todesfall nicht anzurechnen. § 10 Abs. 1 MTV Chemie verlangt, dass die anzurechnende Leistung "für die Zeit der Entgeltfortzahlung" geleistet wird. Durch diese Einschränkung wird nicht jede Leistungen erfasst, die der Arbeitgeber nach dem Tod des Arbeitnehmers an den genannten Personenkreis erbringt, vielmehr ist der Kreis der Leistungen dahingehend eingeschränkt, dass es sich um solche handeln muss, die er "für" diesen Zeitraum erbringt. Dies bedeutet, dass der Zweck der anrechenbaren Leistung dem Zweck der Entgeltfortzahlung im Todesfall vergleichbar sein muss. Dafür spricht auch der Zweck der tariflichen Regelung. Die Leistung von Entgeltfortzahlung im Todesfall soll die durch den Tod eintretenden wirtschaftlichen Belastungen abmildern. Der Hinterbliebene, der kurzfristig ohne Unterhalt des Verstorbenen auskommen muss, und den darüber hinaus die mit dem Todesfall einhergehenden besonderen finanziellen Belastungen treffen, soll hierfür eine Überbrückungshilfe erhalten (vgl. auch BAG vom 10. August 1993, 3 AZR 185/93, NZA 1994, 515 zur Sterbegeldregelung im Tarifvertrag der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie). Auch wenn der Tarifvertrag die über den Todestag hinaus erbrachten anteiligen Zahlungen an die unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen als "Versorgungsleistungen" bezeichnet, so er ergibt sich dieser Zweck doch daraus, dass anspruchsberechtigt nicht nur nahe Angehörige sein können, sondern auch solche Personen, zu deren Lebensunterhalt der Verstorbene überwiegend beigetragen hat oder die überwiegend die Bestattungskosten tragen. Damit wird deutlich, dass die Zahlung der Entgeltfortzahlung im Todesfall den Ausfall der Unterhaltsleistungen oder die Belastung mit Bestattungskosten auffangen will. Gewährt die Tarifvorschrift also eine Leistung, mit der ein bestimmter Zweck verfolgt wird, so ist nicht anzunehmen, dass diese Leistungen entfallen sollen, soweit der Arbeitgeber Leistungen erbringt, die einem ganz anderen Zweck dienen.

Die betriebliche Altersversorgung hat einen anderen Zweck. Sie dient der Versorgung des Arbeitnehmers im Ruhestand oder seiner Hinterbliebenen nach dessen Tod. An dieser Zielrichtung ändert sich auch dann nichts, wenn die Leistung der Altersversorgung durch Tod des Versicherten als Einmalbetrag sofort fällig wird und damit auch zum Ausgleich der durch die Entgeltfortzahlung abzumildernden Belastungen hergezogen werden kann. Denn eine Altersversorgung in Gestalt eines Kapitalbetrages ist immer dem sofortigen Konsum zugänglich, ohne dass sich dadurch etwas am Charakter als Altersversorgung ändert; auch in diesem Fall dient die Versicherungsleistung der Versorgung und muss dem Versorgungszweck erhalten bleiben (BAG vom 10. August 1993, a.a.O.).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass § 10 Abs. 1 MTV festlegt, dass es sich bei den über den Todestag hinaus erbrachten anteiligen Zahlungen an die unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen um "Versorgungsleistungen" handelt. Denn damit wird keine Aussage über die Anrechenbarkeit anderer "Versorgungsleistungen" auf diese "Versorgungsleistung" getroffen. Durch die Bezeichnung der Leistung als "Versorgungsleistung" wird der mit ihr verfolgte Zweck nicht verändert. Da sich der Zweck dieser "Versorgungsleistung" von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterscheidet, sind sie nicht vergleichbar, so dass eine Anrechnung nicht erfolgt.

Aus der Regelung in § 10 Abs. 3 Satz 3 MTV, wonach unter die anrechenbaren Leistungen auch Leistungen betrieblicher Sozialeinrichtungen fallen, nicht aber Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung, lässt sich kein anderes Ergebnis herleiten. Leistungen betrieblicher Sozialeinrichtungen sind nicht zwingend Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Sie können auch andere Ansprüche regeln, beispielsweise - unter Beachtung des tariflichen Mindestanspruchs - ein betriebliches Sterbegeld oder vererbliche Übergangsbezüge. Selbst Leistungen betrieblicher Unterstützungseinrichtungen sind nicht zwingend solche der betrieblichen Altersversorgung (vgl. BAG vom 10. August 1993, a.a.O.).

c) Darüber hinaus ergibt sich der Anspruch der Klägerin auch daraus, dass die Beklagte eine ermessensfehlerfreie Anrechnungsentscheidung nicht vorgetragen hat. Bei § 10 Abs. 3 MTV handelt es sich um eine "Kann-Vorschrift". Es ist nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber willkürliche Anrechnungsentscheidungen eröffnen wollten, soweit dieser nicht bereits bei der Zusage der anrechenbaren Leistung vertragliche Regelungen mit seinem Arbeitnehmer hierzu getroffen hat. Darauf liefe aber eine Auslegung des Tarifvertrages hinaus, die die Entscheidung über die Anrechnung in das freie Belieben des Arbeitgebers stellt. Die Beklagte hat trotz der bereits erstinstanzlich erhobenen Rüge der Klägerin keine Angaben zu den Gründen ihrer Anrechnungsentscheidung gemacht, so dass auch nicht festgestellt werden kann, dass die Anrechnung billigem Ermessen entspricht.

3. Die Höhe des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Todesfall ist zwischen den Parteien nicht streitig. Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten bis zu seinem Tod am 3. Januar 2004 länger als fünf Jahre beschäftigt. Nach § 10 Abs. 2 MTV hat die Beklagte damit zunächst die Monatsbezüge für den gesamten Monat Januar zu zahlen. Anteilig vom 4. bis zum 31. Januar 2004 hat die Klägerin diesen Anspruch mit 3.488,18 EUR berechnet. Diese Berechnung ist schlüssig und von der Beklagten auch nicht gerügt worden.

Nach § 10 Abs. 2 MTV sind die Monatsbezüge aufgrund der Betriebszugehörigkeit für zwei Monate weiterzugewähren. Dabei ist die Tarifvorschrift so zu verstehen, dass damit nicht der Gesamtanspruchszeitraum festgelegt wird, das heißt zwei Monate ab Todeszeitpunkt, was vorliegend den Anspruch der Klägerin auf die Zeit bis zum 3. März 2004 beschränken würde, sondern dass sich die in Abs. 1 genannte Zahlungspflicht um zwei Monate verlängert, also vorliegend bis zum 31. März 2004 andauert. Dies ergibt sich zunächst aus Wortlaut und Systematik. Nach Abs. 1 hat der Arbeitgeber den gesamten Sterbemonat voll zu bezahlen. Nach Abs. 2 wird diese Zahlung "weitergewährt" für einen bzw. zwei Monate, so dass sich diese Zeiträume an den abgelaufenen Sterbemonat anschließen müssen. Hinzu kommt, dass bei einem anderen Verständnis dem Sinn der Regelung nicht Genüge geleistet werden könnte. Durch die Verlängerung des Anspruchszeitraums soll der Betriebstreue des Verstorbenen Rechnung getragen werden. Würde der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 10 Abs. 2 MTV auf den Gesamtzeitraum beschränkt, so hinge die Belohnung der Betriebstreue vom Todeszeitpunkt ab. Verstirbt der Arbeitnehmer am Monatsanfang, so hätte der Arbeitgeber unabhängig von der Betriebszugehörigkeit noch den vollen Monat zu zahlen, beim Tod am 2. Oktober beispielsweise noch bis zum 31. Oktober. Betrüge der gesamte Anspruchszeitraum bei mindestens einjähriger Beschäftigungszeit 1 Monat, so endete die Zahlungspflicht bereits am 1. November, die Betriebstreue würde also nur durch einen weiteren Tag belohnt. Stirbt der Arbeitnehmer am Monatsende, beispielsweise am 29. Oktober, so ist die Entgeltfortzahlung nach Abs. 1 noch bis zum 31. Oktober zu leisten. Betrüge der gesamte Anspruchszeitraum einen Monat, so endete die Zahlungspflicht des Arbeitgebers am 28. November. In diesem Fall würde die Betriebstreue durch nahezu einen weiteren Monat Zahlungspflicht belohnt. Eine solche Auslegung ist weder zweckorientiert noch sachgerecht. Der Tarifvertrag ist daher dahingehend auszulegen, dass bei länger als fünfjähriger Betriebszugehörigkeit der Sterbemonat und zwei weitere Monate zu zahlen sind. Dies bedeutete für die Klägerin, dass zu den für Januar 2004 errechneten Bezügen noch zwei Monatsgehälter in unstreitiger Höhe von jeweils 3.837,-- EUR hinzuzurechnen sind. Dies ergibt in der Summe die Klageforderung.

4. Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 247 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 91 ZPO. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die von der Klägerin erklärte Klagerücknahme konnte gemäß § 92 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt bleiben.

IV.

Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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