Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 18.08.2006
Aktenzeichen: 13 Sa 807/06
Rechtsgebiete: TVG


Vorschriften:

TVG § 1
Eine Tarifnorm wird erst ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens wirksam, sofern nicht im Tarifvertrag eine weiterreichende Regelung getroffen worden ist. Dementsprechend können sich bei Einführung eines neuen Fallgruppenbewährungsaufstiegs geforderte Bewährungszeiten grundsätzlich nur auf Zeiten ab seiner Einführung und - aufgrund einer Übergangsvorschrift - unmittelbar davor abgeleistete Zeiten auswirken.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

13 Sa 807/06

Verkündet am 18.08.2006

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 18.08.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. F als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Frau K und Herrn N

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.03.2006 - 75 Ca 26196/05 - wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/5, die Beklagte 4/5 bei einem Streitwert von 5511,24 € in beiden Instanzen.

3. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch um Zahlungsansprüche der Klägerin, die eine höhere Eingruppierung aufgrund einer Bewährung anstrebt.

Die Klägerin wurde aufgrund des Arbeitsvertrages vom 15.05.2000 von der Beklagten als Pflegehelferin eingestellt. Die Beklagte zahlte an die Klägerin zuletzt 1.531,94 € brutto als "Gehalt/Grundvergütung außertariflich".

Unter dem 24.09.2004 schlossen die P. S. Consulting und Conception für Senioreneinrichtungen AG und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen Manteltarifvertrag (MTV), der am 01.10.2004 in Kraft trat, und einen Vergütungstarifvertrag Nr. 1 (VTV), der am 01.01.2005 in Kraft trat. Die Beklagte ist als eine Tochtergesellschaft der P. S. AG in der Anlage A zum MTV als eine der Einrichtungen aufgeführt, auf die dieser Tarifvertrag gemäß seinem § 1 Nr. 1 Anwendung findet.

Die Klägerin hat die Beklagte für die Zeit ab 01.01.2005 auf Vergütung nach der Vergütungsgruppe AP II, Fallgruppe 2 in Anspruch genommen, woraus sie unter Einbeziehung von Betriebszugehörigkeitsstufe 3, Ortszuschlag und Allgemeiner Zulage für die Monate Januar 2005 bis einschließlich Februar 2006 eine Differenz von insgesamt 5.511,24 € errechnet hat.

Das Arbeitsgericht hat der Klage nur in Höhe von 4.371,36 € brutto nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es hinsichtlich der Klageabweisung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin nur Vergütung nach Vergütungsgruppe AP I, Fallgruppe 1 Stufe 3, nicht jedoch Vergütung nach der Vergütungsgruppe AP II, Fallgruppe 2 Stufe 3 verlangen könne, da das nach dem Tarifvertrag erforderliche Tatbestandsmerkmal der dreijährigen Bewährung in der Fallgruppe 1 der Vergütungsgruppe AP I nicht vorliege. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe für die Berechnung der Bewährungszeit nicht die gesamte Dauer der Tätigkeit der Klägerin als Pflegehelferin bei der Beklagten angerechnet werden können. Die Bewährungszeit in der Fallgruppe 1 der Vergütungsgruppe I habe erst mit Inkrafttreten des Tarifvertrages zu laufen begonnen. Dies ergebe sich aus der Auslegung des MTV und seiner Anlage B.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 61 - 72 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 12.04.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.05.2006 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene und am 12.06.2006 begründete Berufung der Klägerin. Die von der Beklagten eingelegte Berufung ist von dieser im Termin am 18.08.2006 zurückgenommen worden.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass die maßgebliche Bewährungszeit ab Beginn ihres Beschäftigungsverhältnisses zu zählen beginne. Dies ergebe sich daraus, dass der streitige Tarifvertrag nur die Regelungen des BAT fortführen sollte, der aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme bei der Beklagten vor Inkrafttreten des MTV bzw. VTV gegolten habe.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Hauptanträgen aus der Klageschrift sowie aus dem Schriftsatz vom 02.03.2006 zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 12.06.2006 (Bl. 94 ff. d. A.), 13.07.2006 (Bl. 105 ff. d. A.) und 14.08.2006 (Bl. 132 d. A.) sowie der Beklagten vom 07.06.2006 (Bl. 90 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt worden, wobei die Kammer den Berufungsantrag dahingehend ausgelegt hat, dass die Klägerin nur die ihr nicht zugesprochene Differenzvergütung in der zweiten Instanz begehrt.

II.

In der Sache hat die Berufung der Klägerin jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat noch nicht die für die Vergütungsgruppe AP II, Fallgruppe 2 MTV erforderliche dreijährige Bewährungszeit in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe AP I, Fallgruppe 1 abgeleistet, wie das Arbeitsgericht Berlin zutreffend entschieden hat.

1.

Eine Tarifnorm wird erst ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens wirksam, sofern nicht im Tarifvertrag eine weiterreichende Regelung getroffen worden ist. Dementsprechend können sich bei Einführung eines neuen Fallgruppenbewährungsaufstiegs geforderte Bewährungszeiten grundsätzlich nur auf Zeiten ab seiner Einführung und - aufgrund einer Übergangsvorschrift - unmittelbar davor abgeleistete Zeiten auswirken (BAG 14.04.1999 - 4 AZR 189/88 - BAGE 91, 163 = AP BAT-O § 23 a Nr. 1 zu 5 b, dd 4 der Gründe). Ist eine solche Übergangsvorschrift vorhanden, muss darin allerdings der Wille, unmittelbar vorangegangene Bewährungszeiten beim selben Arbeitgeber nicht zu berücksichtigen, deutlich zum Ausdruck kommen (BAG 29.09.2003 - 4 AZR 693/92 - BAGE 74, 268 = AP BMT-G II § 20 Nr. 4 zu B II 3 b, cc der Gründe). Dies war vorliegend der Fall.

2.

Indem in § 24 MTV unter der Überschrift "Besitzstandswahrung" nur das bisherige Einkommen der Arbeitnehmer garantiert worden ist und nach Buchstabe a nur eine erreichte Stufung nach Berufsjahren bzw. Lebensalter bestehen bleiben soll, muss im Umkehrschluss angenommen werden, dass frühere Bewährungszeiten als solche keine Berücksichtigung für die Eingruppierung finden sollen. Das findet seine Bestätigung darin, dass für die nunmehr für die gemäß § 12 b Nr. 2 Satz 1 MTV maßgebliche Einstufung nach Beschäftigungsjahren in Nr. 1 dieser Tarifnorm auf den Beginn des Monats abgestellt wird, in dem der Angestellte seine Tätigkeit bei der P. S. AG oder einer deren Tochtergesellschaften aufgenommen hat, mithin auch Zeiten erfasst werden, die vor Inkrafttreten des MTV gelegen haben.

Hingegen finden sich für die Auffassung der Klägerin, dass der BAT nahtlos fortgeführt werden sollte und damit auch die Beschäftigungszeiten vor Inkrafttreten des MTV Berücksichtigung finden sollten, keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil verweist gerade der Arbeitsvertrag der Klägerin nicht auf den BAT, die Beklagte war vor Inkrafttreten von MTV und VTV auch nicht tarifgebunden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1; 97 Abs. 1 und 516 ZPO.

IV.

Die Revision war für die Klägerin wegen grundsätzlicher Bedeutung entscheidungserheblicher Rechtsfragen gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.

Ende der Entscheidung

Zurück