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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.07.2004
Aktenzeichen: 16 TaBV 2358/03
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 3 S. 2
ZPO § 705 S. 2
ArbGG § 83 a Abs. 2
ArbGG § 90 Abs. 2
BetrVG § 103 Abs. 2 S. 1
1. Im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG handelt es sich um ein objektiv erledigendes Ereignis, wenn der Betriebsrat nach einer stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts ("zwischen den Instanzen") die ursprünglich verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung seines Mitgliedes erteilt.

2. Die einmal wirksam abgegebene Erledigungserklärung des Arbeitgebers kann auch dann nicht zurückgenommen werden, wenn das beteiligte Betriebsratsmitglied sich der Erledigungserklärung zunächst nicht anschließt, sondern seine bereits eingelegte Beschwerde begründet.

3. Die form- und fristgerechte Einlegung einer Beschwerde gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG hemmt den Eintritt der Rechtskraft; diese Hemmung dauert bis zur Rechtskraft der Entscheidung, durch die das Rechtsmittel als unbegründet zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen wird. Die Rechtskraft tritt nicht schon "von selbst" mit Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ein, wenn die (rechtzeitige) Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2-4 ZPO entspricht. Das gilt jedenfalls dann, wenn bereits vorher ein objektiv erledigendes Ereignis (hier: Die nachträgliche Zustimmung des Betriebsrats) eingetreten ist.


Landesarbeitsgericht Berlin Beschluss

16 TaBV 2358/03

In dem Beschlussverfahren

unter Beteiligung der

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 16. Kammer durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kießling als Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung am 13. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

1. Das Verfahren wird wegen Erledigung eingestellt.

2. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. November 2003 - 3 BV 23033/03 - ist wirkungslos.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Durch Beschluss vom 21.11.2003 hat das Arbeitsgericht Berlin auf Antrag der Arbeitgeberin die Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) durch die Beteiligte zu 1) ersetzt, da die vom Beteiligten zu 3) hergestellte Internetpräsentation "sch..." eine schwerwiegende Pflichtverletzung sei, die es der Arbeitgeberin unzumutbar mache, das Arbeitsverhältnis mit ihm fortzusetzen. Am 26.11.2003 hat der Beteiligte zu 2) daraufhin die zuvor verweigerte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) erteilt, worauf die Arbeitgeberin noch am selben Tage eine außerordentliche und fristlose Kündigung aussprach, die Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens - 28 Ca 32904/03 - ArbG Berlin geworden ist. Der Beschluss vom 21.11.2003 ist dem Beteiligten zu 3) am 03.12.2003 zugestellt worden. Bereits zuvor, nämlich am 27.11.2003, hat er dagegen Beschwerde eingelegt, während die Arbeitgeberin mit einem am 15.12.2003 eingegangenen Schriftsatz die Feststellung der Erledigung des Zustimmungsersetzungsverfahrens beantragte. Auf gerichtliche Aufforderung (zugestellt am 23.12.2003), sich unverzüglich zu der Erledigungserklärung zu äußern, hat sich der Beteiligte zu 2) am 08.01.2004 der Erledigungserklärung angeschlossen, während sich der Beteiligte zu 3) zunächst nicht äußerte, sondern die am 27.11.2003 eingelegte Beschwerde am 03.02.2004 begründete (Bl. 344 ff. d.A.).

Durch Teilurteil vom 13.02.2004 stellte das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzverfahren die Unwirksamkeit der Kündigung vom 26.11.2003 fest. Unter dem 18.02.2004 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis erneut mit derselben inhaltlichen Begründung fristlos, "nachdem der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.11.2003 rechtskräftig geworden ist". Nunmehr reichte die Arbeitgeberin am 25.02.2004 einen Schriftsatz ein, in dem sie bittet,

die Beschwerde des Beteiligten zu 3) als unzulässig zu verwerfen,

da die Beschwerdebegründung nicht ausreichend mit den Gründen des Beschlusses vom 21.11.2003 auseinandergesetzt habe und deshalb nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 u. 3 ZPO genüge. Der Beteiligte zu 3) seinerseits hat nunmehr mit einem am 19.03.2004 eingegangenen Schriftsatz erklärt,

er stimme der Einstellung des Verfahrens, verbunden mit der Feststellung der Wirkungslosigkeit des Beschlusses, zu.

Durch Schlussurteil vom 26.03.2004 hat das Arbeitsgericht auch die Unwirksamkeit der Kündigung vom 18.02.2004 festgestellt und die Beklagte verurteilt, den Kläger vorläufig weiter zu beschäftigen. Beide Urteile sind Gegenstand der Berufungsverfahren 4 Sa 961 und 962/04, in denen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 11.08.2004 anberaumt ist.

2. Das Verfahren ist nach §§ 90 Abs. 2, 83 a Abs. 2 S. 1 ArbGG einzustellen, nachdem sämtliche Beteiligte eine wirksame Erledigungserklärung abgegeben haben. Zwar ist nach Eingang der Erledigungserklärung der Arbeitgeberin (15.12.2003) vom hiesigen Kammervorsitzenden die Bestimmung des § 83 Abs. 3 S. 1 ArbGG zunächst übersehen worden. Ob dennoch die Zustimmungsfiktion des § 83 Abs. 3 S. 2 ArbGG (nach Ablauf von 2 Wochen ab Zustellung der gerichtlichen Aufforderung vom 16.12.2003) eingreifen könnte, kann offenbleiben. Denn die später eingegangenen Erledigungserklärungen der Beteiligten zu 2) und 3) sind jedenfalls wirksam.

Dass die Arbeitgeberin inzwischen (nach Ausspruch der weiteren Kündigung vom 18.02.2004) anderen Sinnes geworden ist und sie nunmehr keine Einstellung des Verfahrens, vielmehr eine Verwerfung des Rechtsmittels wünscht, steht dem nicht entgegen. Denn die einmal wirksam abgegebene Erledigungserklärung ist unwiderruflich (vgl. Germelmann/Matthes u.a. ArbGG, 4. Aufl. 2002, § 83 a Rz. 12).

Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, wäre das Verfahren auf die Erledigungserklärungen der Beteiligten zu 2) und 3) auch gegen den Willen der Arbeitgeberin einzustellen. Denn die nach dem Beschluss des Arbeitsgerichts erteilte zuvor verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) ist ein objektiv erledigendes Ereignis, welches das Rechtsschutzinteresse der Arbeitgeberin an der weiteren Durchführung des Beschlussverfahrens beseitigt hat, wie sie zunächst selbst richtig auch gesehen hat, und dies seit dem 26.11.2003. Einer Entscheidung über die inhaltliche Richtigkeit des Beschlusses vom 21.11.2003 bedarf es danach nicht mehr (vgl. dazu die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 26.04.1990, 1 ABR 79/89, NZA 1990, 882; vom 05.03.1991, 1 ABR 40/90, n.v.; vom 23.06.1993, 2 ABR 58/92, NZA 1993, 1052; vom 10.02.1999, 10 ABR 49/98, NZA 1999, 1226).

Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts vor dem Eingang der letzten Erledigungserklärung (des Beteiligten zu 3) rechtskräftig geworden wäre. Der Beteiligten zu 3) hat gegen den Beschluss form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt, wodurch der Eintritt der Rechtskraft gehemmt wurde. Die Rechtskraft ist auch nicht mit Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 03.02.2004 eingetreten, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 u. 3 ZPO nicht entsprach. Denn hierüber hätte zunächst eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden müssen; mit einer unzureichenden Rechtsmittelbegründung tritt die Rechtskraft nicht schon " von selbst" ein (vgl. Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 705 Rz. 12; Baumbach-Lauterbach u.a., ZPO, 62. Aufl. 2004, § 705 Rz. 9 sowie ausdrücklich auch Krüger in MünchKomm ZPO, 2. Aufl. 2000, § 705 Rz. 10: "die... Hemmung des Eintritts der Rechtskraft dauert bis zur Rechtskraft der Entscheidung, durch die das Rechtsmittel als unbegründet zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen wird", m.w.N.). Einer solchen Entscheidung bedarf es aber im vorliegenden Beschlussverfahren nicht mehr. Im Übrigen wird die Auffassung der Arbeitgeberin zur Unzulänglichkeit der Beschwerdebegründung auch nicht geteilt. Zwar ist die Begründung nicht gerade redundant ausgefallen. Sie erschöpft sich aber nicht ausschließlich in Wiederholungen und Leerformeln, sondern enthält daneben durchaus eine gewisse rechtliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen I. Instanz. Ob die Ausführungen in der Beschwerdebegründung schlüssig sind, bedarf dabei keiner Entscheidung. Denn dies wäre eine Frage der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels, nicht seiner Zulässigkeit.

3. Hiernach liegen die Einstellungsvoraussetzungen in Folge eines erledigenden Ereignisses vor. Auf Antrag des Beteiligten zu 3) war außerdem entsprechend § 269 Abs. 4 ZPO die Wirkungslosigkeit des Beschlusses vom 21.11.2003 auszusprechen.

4. Sollte gegen einen Einstellungsbeschluss des Landesarbeitsgericht das Rechtmittel der Rechtsbeschwerde grundsätzlich statthaft sein (vgl. dazu Germelmann/Matthes u.a. 4. Aufl. 2002, § 81 Rz. 80 m.w.N.), liegen deren Voraussetzungen nach § 92 ArbGG nach hiesiger Einschätzung nicht vor.



Ende der Entscheidung

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