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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 04.11.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 1454/05
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
BGB § 362 Abs. 1
BGB § 397
BGB § 426 Abs. 1 Satz 1
HGB § 60 Abs. 1
HGB § 61 Abs. 1
Eine sog. Ehrenerklärung des Arbeitgebers im Rahmen eines Prozessvergleichs zur Beilegung eines Kündigungsschutzprozesses hindert diesen, später auf dieselben Vorwürfe einen Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer zu stützen.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Teilurteil

6 Sa 1454/05

Verkündet am 04.11.2005

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 6. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 04.11.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie die ehrenamtlichen Richter Berg und Maerz

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14.06.2005 - 36 Ca 4389/05 - wird insoweit zurückgewiesen, wie ihr Auskunftsbegehren gegen alle drei Beklagten und ihr Feststellungsbegehren gegen die Beklagten zu 1 und 3 abgewiesen worden sind.

2. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 3 in der Berufungsinstanz zu tragen, während die Entscheidung über die übrigen Kosten des Rechtsstreits dem Schlussurteil vorbehalten bleibt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagten standen als Logopädin (Beklagte zu 1) bzw. Patholinguistin (Beklagte zu 2 und 3) in einem Arbeitsverhältnis zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus der Klägerin und deren zum 02. April 2004 ausgeschiedenen Mitgesellschafterin. Ihre Arbeitsverhältnisse endeten am 19. April, 20. Mai bzw. 21. April 2004, wie für die Beklagten zu 1 und 2 durch inzwischen rechtskräftige arbeitsgerichtliche Urteile festgestellt bzw. zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 3 durch Prozessvergleich vom 21. Juli 2004 (Abl. 358 f d.A.) geregelt.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Auskunft über Wettbewerbshandlungen während des Arbeitsverhältnisses und Benennung der aufgrund dessen nunmehr in der Praxis ihrer früheren Mitgesellschafterin behandelten Patienten sowie auf Feststellung gesamtschuldnerischer Schadenersatzpflicht in Anspruch.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage, die es als Stufenklage behandelt hat, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Vortrag der Klägerin ließen sich keine nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierten Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Beklagten während ihres jeweiligen Arbeitsverhältnisses gegen ein Wettbewerbsverbot verstoßen hätten und es nicht Erklärungen der früheren Mitgesellschafterin der Klägerin gewesen seien, die zum Abwandern ihrer Patienten geführt hätten. Hinsichtlich der Beklagten zu 3 komme hinzu, dass im Prozessvergleich vom 21. Juli 2004 unter Nr. 2 geregelt worden sei, dass die Klägerin ihre gegen die Beklagte zu 3 erhobenen Vorwürfe nicht aufrechterhalte. Aufgrund dieser Ehrenerklärung könnten die nunmehr erneut erhobenen Vorwürfe nicht mehr durchgreifen. Schließlich sei es aufgrund der Verschwiegenheitspflicht der Beklagten fraglich, ob diese ohne weiteres zur Auskunft verpflichtet werden könnten.

Gegen dieses ihr am 21. Juni 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Juli 2005 eingelegte und am 05. September 2005 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung der Klägerin. Sie verweist auf erstinstanzlich nicht berücksichtigten Vortrag zu einer Verabredung der Beklagten mit ihrer früheren Mitgesellschafterin über die Abwerbung ihrer Patienten, zur anderweitigen Fortsetzung der Behandlung vor Ablauf der Kündigungsfristen und Anrufen bei Patienten bzw. deren Eltern und deren Äußerungen hierüber und benennt drei Patienten bzw. Patientenmütter für Anrufe ihrer früheren Mitgesellschafterin und der Beklagten zu 2 und 3 als Zeugen. Außerdem meint sie, dass die jetzt erhobenen Vorwürfe gegen die Beklagte zu 3 über die Vorwürfe in deren Kündigungsschutzprozess hinausgingen und deshalb die dortige Ehrenerklärung ihrem Begehren nicht entgegenstehe.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie während ihres Arbeitsverhältnisses mit ihr im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die bisher in ihrer Logopädischen Praxis im 2. Obergeschoss in der Falkenberger Chaussee 134 - 136 in 13057 Berlin behandelten Patienten angerufen, angeschrieben und/oder sonst Kontakt zu ihnen aufgenommen und sie dazu bewegt hätten, ihre Behandlung in der Logopädischen Praxis [ihrer ehemaligen Mitgesellschafterin] im dortigen 1. Obergeschoss fortzusetzen, worauf sie die aufgrund ihrer Bemühungen nunmehr dort behandelten Patienten, die vormals in ihrer Praxis behandelt worden seien, ihr im einzelnen namentlich zu benennen hätten;

2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihr gesamtschuldnerisch allen denjenigen Schaden zu erstatten, der ihr durch die vorstehend bezeichneten Handlungen entstanden sei und künftig noch entstehen werde.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Im Verhandlungstermin hat jede Beklagte zu Protokoll erklärt, lediglich jeweils nur die Patienten angerufen zu haben, für die sie am Tag der Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses und am folgenden Tag noch Termine gehabt hätten, um ihnen mitzuteilen, diese Termine wegen der Kündigung nicht mehr wahrnehmen zu können, ohne etwas über das Schicksal der Praxis der Klägerin zu sagen.

Die Akten des Arbeitsgerichts Berlin 26 Ca 10626/04 und 40 Ca 10487/04 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

1. Der Rechtsstreit war hinsichtlich des Auskunftsbegehrens der Klägerin insgesamt und hinsichtlich ihres Feststellungsbegehrens, soweit dieses sich gegen die Beklagten zu 1 und 3 richtete, zur Endentscheidung reif (§ 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

2. Die innerhalb der verlängerten Begründungsfrist ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin ist im Umfang der Entscheidungsreife unbegründet.

2.1 Ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Auskunft über wettbewerbswidrige Handlungen der jeweiligen Beklagten und den damit erzielten Erfolg ist jedenfalls durch Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Alle drei Beklagten haben über ihre erstinstanzlichen schriftsätzlichen Angaben hinaus auf Befragen im Verhandlungstermin zu Protokoll erklärt, lediglich den Patienten, die noch am Tag ihrer Kündigung bzw. dem nächsten Tag einen Termin gehabt hätten, telefonisch mitgeteilt zu haben, diese Termine wegen ihrer fristlosen Entlassung nicht mehr wahrnehmen zu können. Die von der Klägerin behaupteten negativen Äußerungen über ihre Praxis und deren weiteres Schicksal haben sie ausdrücklich in Abrede gestellt. Dies ging über ein bloßes Bestreiten hinaus, zumal zwischen den Parteien auch kein Streit darüber bestand, dass die Pflicht der Beklagten zur Unterlassung von Wettbewerb analog § 60 Abs. 1 HGB die von der Klägerin genannten Verletzungshandlungen erfasste (zu diesem Erfordernis BAG, Urteil vom 18.05.1972 - 3 AZR 401/71 - AP HGB § 60 Nr. 6 zu A I 5 b (3) a.E.).

2.2 Dem Feststellungsbegehren konnte gegenüber den Beklagten zu 1 und 3 nicht entsprochen werden.

2.2.1 Allerdings war es zulässig, dass die Klägerin sich auf eine Feststellung gemäß § 256 Abs. 1 ZPO beschränkte, statt von der Möglichkeit einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO als einer Leistungsklage (BGH, Urteil vom 08.06.1994 - VIII ZR 178/93 - AP ZPO § 264 Nr. 5 zu 2 b, aa der Gründe) Gebrauch zu machen. Dies ist aufgrund diverser Besonderheiten für den Bereich des Wettbewerbsrechts aus prozessökonomischen Gründen anerkannt (BGH, Urteil vom 17.05.2001 - I ZR 189/99 - NJW-RR 2002, 834 zu III 1 der Gründe).

2.2.2 Die Klägerin kann weder von der Beklagten zu 1 noch von der Beklagten zu 3 den geltend gemachten Schaden wegen Verletzung des Wettbewerbsverbots analog §§ 60 Abs.1, 61 Abs. 1 HGB oder § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB ersetzt verlangen.

2.2.2.1 Ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 scheiterte daran, dass die Klägerin ihren streitigen Vortrag anders als gegenüber der Beklagten zu 2 und 3 nicht unter Beweis gestellt hat, soweit dieser die zum Schadenersatz verpflichtenden Handlungen zum Gegenstand hatte. Die Klägerin hat zwar für diverse geschäftsschädigende Äußerungen und Werbeversuche der Beklagten zu 1 und die Fortsetzung einiger Behandlungen andernorts in der Zeit bis 20. Mai 2004 unmittelbare Zeugen und solche vom Hörensagen benannt und auch eine Vernehmung der Beklagten zu 2 als Partei beantragt. Ihr Schadenersatzbegehren hat sie jedoch auf die Fälle beschränkt, in denen es zu einem Wechsel der Patienten zu ihrer früheren Mitgesellschafterin gekommen sein soll, wie sich aus der Bezugnahme im Feststellungs- auf den Auskunftsanspruch ergab. Auch hat die Klägerin den durch ihren Vortrag, infolge der Abwanderung ihrer Patienten zur Schließung ihrer Praxis gezwungen gewesen zu sein, veranlassten Hinweis des Gerichts nicht aufgegriffen, insoweit weder auf eine Auskunft angewiesen zu sein noch sich auf eine bloße Feststellung des daraus entstandenen und noch entstehenden Schadens beschränken zu brauchen, sondern von der Möglichkeit einer unbezifferten Klage auf Ersatz eines insoweit bereits vollständig entstandenen Schadens Gebrauch machen zu können.

2.2.2.2 Ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte zu 3 scheiterte daran, dass die Klägerin aufgrund ihrer sog. Ehrenerklärung im Prozessvergleich vom 21. Juli 2004 gehindert war, einen entsprechenden Vorwurf jetzt erneut zu erheben. Im seinerzeitigen Kündigungsschutzprozess hatte die Klägerin neben dem Verdacht einer Ausspähung von Patientendaten auf Seite 10 ihres Schriftsatzes vom 22. Mai 2004 (Abl. Bl. 30 d.A. 26 Ca 10626/04) behauptet, auch die Beklagte zu 3 habe ihre eigenen Patienten angerufen, um deren reibungslosen Übergang in die Praxis ihrer früheren Mitgesellschafterin zu gewährleisten. Dies deckte sich aber mit dem jetzt zur Grundlage des Schadenersatzanspruchs gemachten Vorwurf. Damit hat die Klägerin zwar weder einen Verzicht noch ein negatives Schuldanerkenntnis gemäß § 397 BGB mit der Beklagten zu 3 vereinbart, weshalb sie auch nicht gehindert war, die beiden anderen Beklagten in vollem Umfang als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen, die ihrerseits von der Beklagten zu 3 gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ggf. anteiligen Ausgleich verlangen könnten. Aufgrund ihrer Ehrenerklärung war es der Klägerin jedoch untersagt, einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte zu 3 auf einen Vorwurf zu stützen, der Gegenstand dieser Erklärung war.

3. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 und 3 in der Berufungsinstanz hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Über die Verteilung der Gerichtskosten kann erst mit vollständiger Erledigung des Rechtsstreits im Schlussurteil befunden werden.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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