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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 11.07.2003
Aktenzeichen: 6 Sa 285/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 142
ZPO § 142 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2
BGB § 242
BGB § 810
ArbGG § 64 Abs. 6 Satz 1
ArbGG § 72 Abs. 2
1. Eine wiederholt gemachte Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine Überstundenvergütung zu zahlen, enthebt diesen nicht von seiner Last, Umfang und zeitliche Lage der über die reguläre Arbeitszeit hinausgehenden Überarbeit genau aufzulisten.

2. § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthält keine Grundlage für einen im Klagewege durchsetzbaren Anspruch.


Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 285/03

Verkündet am 11. Juli 2003

In Sachen

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, Kammer 6, auf die mündliche Verhandlung vom 06. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Corts sowie die ehrenamtlichen Richter Vieweg und Ahr

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Dezember 2002 - 42 Ca 21216/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger stand vom 27. Oktober 1998 bis 15. Oktober 2001 zunächst als Kraft- und nach Entzug seiner Fahrerlaubnis als Beifahrer in den Diensten des Beklagten. Ab dem 1. Februar 1999 war eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden gegen ein Entgelt von 1.735,-- DM brutto zuzüglich eines Leistungszuschlags vereinbart.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Auskunft über geleistete Überstunden ab Oktober 1999 durch Vorlage von Fahrtenbüchern und Fahrtenschreiber (gemeint: durch Fahrtenschreiber beschriftete Diagrammscheiben) und Protokolle eines Auftraggebers bzw. Durchschriften davon sowie Zahlung einer sich daraus ergebenden Überstundenvergütung, hilfsweise eines Betrags von 6.263,33 € brutto.

Das Arbeitsgericht Berlin hat das Auskunftsbegehren durch Teilurteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB scheitere daran, dass der Kläger über den Umfang seiner Überstundenansprüche nicht in entschuldbarer Weise im Ungewissen sei. Wenn der Beklagte ihn immer wieder mit dem Bemerken hingehalten haben sollte, er bekomme sein Geld schon noch, habe dies den Kläger nicht veranlassen dürfen, eigene Aufzeichnungen zu unterlassen. Zudem seien mit Rücksicht auf Pausenzeiten Tatsache und Umfang eines möglichen Überstunden(vergütungs)anspruchs für den Beklagten nicht ohne weiteres erkennbar. Ein Anspruch aus § 810 BGB scheide ebenfalls aus, weil die verlangten Unterlagen nicht im Interesse des Klägers angefertigt worden seien. Einer Vorlageanordnung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO habe das zivilprozessuale Ausforschungsverbot entgegengestanden.

Gegen dieses ihm am 14. Januar 2003 zugestellte Teilurteil richtet sich die am 13. Februar 2003 eingelegte und am 13. März 2003 begründete Berufung des Klägers. Er ist der Ansicht, angesichts dessen, dass der Beklagte seine Ansprüche nie in Frage gestellt habe, keine Veranlassung gehabt zu haben, Aufzeichnungen über die geleisteten Überstunden zu fertigen. Die Anordnung einer Vorlage der genannten Unterlagen gemäß § 142 ZPO habe das Arbeitsgericht nicht ablehnen dürfen, weil es ihm anhand dieser Unterlagen ohne weiteres möglich sei festzustellen, bei welchen Standzeiten es sich um Pausen oder Arbeitszeit gehandelt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die von ihm

1. von Oktober 1999 bis Oktober 2001 geleisteten Überstunden durch Vorlage der sich in dessen Besitz befindlichen Fahrtenbücher und Fahrtenschreiber, die in dieser Zeit durch seine Kollegen J. W., A. Sp., J.Sch., B. B., T. Ri., H. Wi., T. Kr. und M. Ma. als seine Mitfahrer erstellt worden seien,

2. von November 1999 bis Januar 2001 geleisteten Überstunden durch Vorlage der in dieser Zeit durch die L.-Möbelspedition GmbH, G.-P.-Straße ., 1.... Berlin, an den Beklagten weitergegebenen Protokolle bzw. Durchschriften dieser Protokolle, in welchen seine tägliche Fahrtantrittszeit und das jeweilige Fahrtende bzw. die seiner Mitfahrer J. W., A. Sp., J. Schreiber und B.B., vermerkt worden seien.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Berufung bereits mangels ausreichender Begründung für unzulässig. Auch seien die Berufungsanträge mangels Bestimmtheit unzulässig. Jedenfalls habe das Arbeitsgericht den erhobenen Auskunftsanspruch mit zutreffender Begründung verneint und sei ein etwaiger Anspruch auch verwirkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist zulässig.

Entgegen der Ansicht des Beklagten entsprach die Begründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG. Dafür genügte es, dass sich der Kläger mit der Ansicht des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt hat, er habe trotz der behaupteten Zusage des Beklagten eigene Aufzeichnungen führen müssen, woraus sich zugleich die Erheblichkeit dieser Frage für die Entscheidung ergab.

2. Die Berufung ist unbegründet.

2.1 Die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge sind zulässig.

Die beiden Anträge sind hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, indem sie in zeitlicher wie gegenständlicher Hinsicht genau erkennen lassen, durch Vorlage welcher Unterlagen der Kläger Auskunft begehrt.

2.2 Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten hinsichtlich etwa von Oktober 1999 bis Oktober 2001 geleisteter Überstunden.

2.2.1 Allerdings kann sich ein inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannter Auskunftsanspruch ergeben, wenn der Arbeitnehmer in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seiner Ansprüche im Ungewissen ist, der Arbeitgeber aber unschwer Auskunft erteilten könnte (BAG, Urteil vom 7.9.1995 - 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 15 = AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 24 zu II 2a der Gründe). Mit der Vorinstanz konnte jedoch nicht von einer entschuldbaren Unkenntnis des Klägers über den genauen Umfang von ihm geleisteter Überstunden ausgegangen werden. Selbst wenn der Beklagte ihm wiederholt die Zahlung einer Überstundenvergütung zugesichert haben sollte, hätte dies den Kläger doch nicht von seiner Last enthoben, Umfang und zeitliche Lage der über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehenden Überarbeit genau aufzulisten. Die Bedeutung einer Zusicherung des Beklagten beschränkte sich dagegen darauf auszuschließen, eine Abgeltung etwaiger Überstunden durch den gezahlten Leistungszuschlag oder das Erlöschen eines Vergütungsanspruchs wegen Versäumung einer Ausschlussfrist oder Verwirkung geltend zu machen.

2.2.2 § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthält keine Grundlage für einen im Klagewege durchsetzbaren Anspruch. Vielmehr wird eine darauf gestützte Anordnung im Rahmen des weiteren Verfahrens über den Antrag des Klägers auf Zahlung eines bezifferten Mindestbetrags in Betracht zu ziehen sein.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.

Ende der Entscheidung

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