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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 25.08.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 592/06
Rechtsgebiete: GG, TzBfG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG Art. 33 Abs. 2
TzBfG § 14 Abs. 2
ZPO § 294 Abs. 2
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 935
ZPO § 938 Abs. 2
Es ist nicht mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar, einen Bewerber allein deshalb nicht zu berücksichtigen, weil mit diesem wegen einer befristeten Vorbeschäftigung gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG keine sachgrundlose Befristung mehr vereinbart werden kann.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

6 Sa 592/06

Verkündet am 25.08.2006

In dem Rechtsstreit

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, Kammer 6, auf die mündliche Verhandlung vom 25.08.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. sowie die ehrenamtlichen Richter O. und S.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Februar 2006 - 96 Ga 3423/06 - dahingehend geändert, dass die Untersagung einer endgültigen Stellenbesetzung auf die Zeit bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache begrenzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2/3 zu tragen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin stand vom 01. März 2004 bis 28. Februar 2006 als Lehrkraft für besondere Aufgaben in einem befristeten Arbeitsverhältnis zur Antragsgegnerin.

Unter dem 03./07. November 2005 schrieb die Antragsgegnerin die Stelle einer Lehrkraft für besondere Aufgaben "befristet für 2 Jahre (gem. § 14 [2] TzBfG)" aus. Die Klägerin, die sich für diese Stelle bewarb, wurde im Gegensatz zu vier anderen Bewerbern nicht zum Vorstellungsgespräch am 11. Januar 2006 geladen. Im Protokoll der Auswahlkommission (Abl. Bl. 96 d.A.) heißt es:

"Ein Sonderfall ist durch die Bewerbung von Frau Dr. G. entstanden, die z.Z. am Institut eine auf 2 Jahre befristete Position als LfbA ausübt. Laut Mitteilung durch den für Geowissenschaften zuständigen Vizepräsidenten sowie durch die Fachbereichsverwaltung Geowissenschaften ist eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich. Die Bewerbung konnte daher von der Kommission nicht weiter berücksichtigt werden."

Das Arbeitsgericht Berlin hat der Antragsgegnerin mittels einstweiliger Verfügung untersagt, die ausgeschriebene Stelle vor Abschluss eines neuen Auswahlverfahrens unter Berücksichtigung der Bewerbung der Antragstellerin endgültig zu besetzen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass Differenzierungskriterium der Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG verstoße gegen die Pflicht der Antragsgegnerin aus Art. 33 Abs. 2 GG, der jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichem Amt eröffne. Dass die Antragstellerin das obendrein im Protokoll der Auswahlkommission geänderte Anforderungsprofil nicht erfüllt habe, ergebe sich aus diesem Protokoll nicht. Diese Begründung sei vielmehr vom Institutsdirektor erst später nachgeschoben worden.

Gegen dieses ihr am 07. März 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. März 2006 eingelegte und am 07. Juni 2006 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung der Antragsgegnerin. Sie meint, da die Entscheidung über die Eingehung und Auflösung von Dienstverhältnissen Teil ihrer grundgesetzlich verbürgten Wissenschaftsfreiheit sei, ergebe sich im Wege praktischer Konkordanz, dass sie berechtigt sei, von der einzig rechtssicheren Möglichkeit des § 14 Abs. 2 TzBfG Gebrauch zu machen, durch Einhaltung formaler Kriterien die zeitlich begrenzte Verwendung von Haushaltsmitteln für die Stelle abzusichern. Zudem verhalte sich das Protokoll vom 11. Januar 2006 zur Frage, ob die Qualifikation der Antragstellerin überhaupt in Betracht gezogen worden sei, allenfalls neutral. Dafür, dass sich die Auswahlkommission auch damit befasst habe, verweist die Antragsgegnerin auf eine erstinstanzliche eidesstattliche Versicherung des Institutsleiters (Abl. Bl. 95 d.A.) und dessen weitere eidesstattliche Versicherung vom 06. Juni 2006 (Bl. 170 d.A.) sowie eidesstattliche Versicherungen des Prof. Dr. K. (Bl. 168 d.A.) und des Privatdozenten Dr. H. (Bl. 171 d.A.) vom 07. Juni 2006.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Änderung des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen der Berufung entgegen und verweist auf eine eidesstattliche Versicherung des Kommissionsmitglieds Dr. B. vom 13. Juli 2006 über ein Vorgespräch mit dem Institutsdirektor am 14. Dezember 2005 und den Ablauf der Sitzung vom 11. Januar 2006 (Bl. 192 f. d.A.) sowie hierzu auch auf eidesstattliche Versicherungen der Frauenbeauftragten und des teilnehmenden Personalratsmitglieds vom 05. bzw. 06 Juli 2006 (Bl. 194 bis 198 d.A.) und dessen handschriftliche Notiz vom 11. Januar 2006 (Abl. Bl. 200 f. d.A.). Im Übrigen habe die an Listenplatz 1 gesetzte Bewerberin als Diplom-Soziologin entgegen den Voraussetzungen der Stellenausschreibung nicht über ein abgeschlossenes Studium der Geographie verfügt, wie sich aus der Tabelle zum Protokoll vom 11. Januar 2006 ergebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist nur teilweise begründet.

1.1 Die Antragstellerin hat einen nach § 935 ZPO, § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG erforderlichen Verfügungsanspruch auf fehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung. Bei der Besetzung von Ämtern des öffentlichen Dienstes besteht gem. Art. 33 Abs. 2 GG ebenso wie für Beamte auch für Arbeiter und Angestellte ein Anspruch auf erneute Auswahl, wenn sich die Auswahlentscheidung des präsumtiven Arbeitgebers als fehlerhaft erweist und die ausgeschriebene Stelle noch nicht besetzt ist (BAG, Urteil vom 02.12.1997 - 9 AZR 668/96 - BAGE 87, 171 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 41 zu B II 1 der Gründe). Dies war vorliegend der Fall.

1.1.1 Die Antragsgegnerin durfte die Antragstellerin nicht deshalb als ungeeignet für die ausgeschriebene Stelle ansehen, weil diese bereits seit dem 01. März 2004 in einem befristeten Arbeitsverhältnis zu ihr gestanden hatte und deshalb gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine weitere sachgrundlose Befristung ausgeschlossen war. Diese im Interesse des Arbeitnehmerschutzes getroffene Regelung stellt kein personenbezogenes Differenzierungskriterium i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG dar. Auch kann die Antragsgegnerin nicht unter Berufung auf ihre in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbürgte Wissenschaftsfreiheit für sich in Anspruch nehmen, von der in § 14 Abs. 1 TzBfG geregelten Sachgrundbefristung generell keinen Gebrauch machen zu müssen, um damit jegliches Risiko einer erfolgreichen Entfristungsklage zu vermeiden. Vielmehr vermag sie ihre Interessen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in einer ihr Grundrecht nicht beeinträchtigenden Weise zur Geltung zu bringen. So sind ein vorübergehender Vertretungsbedarf und die haushaltsrechtliche Bewilligung von Mitteln für eine befristete Beschäftigung in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 7 TzBfG als für den Anlassfall einschlägige Befristungsgründe ausdrücklich genannt.

Allenfalls bei nur geringfügig besserer Qualifikation eines bereits befristet vorbeschäftigten Bewerbers gegenüber einem Erstbewerber käme in Anlehnung an die begrenzte Anerkennung einer normativen Vorrangregelung wie der Protokollnotiz Nr. 4 zu Nr. 1 SR 2y BAT (dazu BVerwG, Beschluss vom 07.12.1994 - 6 P 35.92 - AP BAT § 2 SR 2y Nr. 13 zu 2 c der Gründe) in Betracht, einem Erstbewerber für eine sachgrundlose Befristung den Vorzug zu geben. Dies setzte indessen voraus, dass es überhaupt zu einer vergleichenden Leistungsbewertung gekommen ist. Davon konnte jedoch vorliegend gerade nicht ausgegangen werden.

1.1.2 Das Zustandekommen des Besetzungsvorschlags entsprach bereits deshalb nicht den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG, weil jedenfalls versäumt worden ist, die angebliche Leistungsbewertung der Antragstellerin schriftlich niederzulegen, wie dies jedoch zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Rahmen einer Konkurrentenklage unverzichtbar ist (BAG, Urteil vom 21.01.2003 - 9 AZR 72/02 - BAGE 104, 295 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 59 zu II 2 b, bb der Gründe).

1.1.3 Zudem konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Besetzungsvorschlag vom 11. Januar 2006 unter Berücksichtigung der Bewerbung der Antragstellerin zu Stande gekommen und damit deren Anspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG durch ein ordnungsgemäßes Auswahlverfahren erfüllt worden ist. Dies gem. §§ 294 Abs. 1, 920 Abs. 2, 936 ZPO glaubhaft zu machen, war aber Sache der Antragsgegnerin, weil die Entscheidung über die beantragte einstweilige Verfügung aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen ist und in einem solchen Fall die Last zur Glaubhaftmachung der Beweislastverteilung des Hauptverfahrens folgt (dazu Wolf-Dietrich Walker, Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozeß und im arbeitsgerichtlichen Verfahren, 1993, R 637 ff.).

1.1.3.1 Zwar hat der Institutsleiter als Vorsitzender der Auswahlkommission eidesstattlich versichert, man habe sich im Vorfeld der Sitzung vom 11. Januar 2006 darauf geeinigt, die vier bestgeeigneten Kandidaten beiderlei Geschlechts auszuwählen und zu dieser Sitzung einzuladen. In der Sitzung habe ein Kommissionsmitglied vorgebracht, dass die Antragstellerin nicht zur Gruppe der Bestqualifizierten gehöre und daher die aufgeworfene juristische Frage nicht relevant sei, ob eine Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht möglich sei. Es sei festgestellt worden, dass sowohl ihre Prüfungsleistungen als auch ihre Forschungs- und Lehrerfahrung hinter den letztendlich zur Anhörung ausgewählten Bewerbern deutlich zurückblieben. Diese Darstellung ist durch die eidesstattlichen Versicherungen der Kommissionsmitglieder Prof. Dr. K. und Dr. H. bestätigt worden.

1.1.3.2 Gleichwohl hat es die Kammer aufgrund des vom Institutsleiter verfassten Protokolls vom 11. Januar 2006 und der von der Antragstellerin eingereichten eidesstattlichen Versicherungen für zumindest gleichermaßen wahrscheinlich erachtet, dass die Antragstellerin doch schon allein aus vermeintlich entgegenstehenden arbeitsrechtlichen Gründen bei der Aufstellung des Besetzungsvorschlags nicht berücksichtigt worden ist.

So heißt es im Protokoll vom 11. Januar 2006 unter 1., dass aus insgesamt 25 Bewerbern vier aus fachlichen Gründen für eine Einladung zur Anhörung ausgewählt worden seien, während 20 Bewerbungen aus diesen Gründen nicht entsprechend eingestuft worden seien. Die Bewerbung der Klägerin ist dagegen als Sonderfall eingestuft worden, in dem eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich sei, weshalb ihre Bewerbung von der Kommission nicht habe weiter berücksichtigt werden können. Hätte die Kommission ihre Entscheidung hinsichtlich der Klägerin tatsächlich auf deren mangelnde Qualifikation gestützt, hätte es dieser Begründung nicht bedurft, sondern hätte die Bewerbung der Klägerin unschwer den übrigen 20 erfolglosen hinzugerechnet werden können. Dem widerspricht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch der Schlussabsatz unter 3. nicht, wonach die übrigen Bewerbungen aufgrund der Eingangs gegebenen Kriterien nicht weiter in Betracht zu ziehen gewesen seien. Zu diesen Kriterien gehörte vielmehr gerade auch das vermeintliche arbeitsrechtliche Hindernis.

Dementsprechend soll nach der eidesstattlichen Versicherung des teilnehmenden Personalratsmitglieds am Anfang der Gespräche die Qualifikation der Antragstellerin ausdrücklich gewürdigt worden sein, wobei es allen Kommissionsmitgliedern leid getan habe, sie aus juristischen Gründen nicht anhören zu können. Erst im Anschluss an die Einstellungsgespräche und vorher während einer Art Pause in Abwesenheit eines Professors habe der andere Professor erklärt, dass bereits die Bewerbungsunterlagen der Eingeladenen besser als die der Klägerin beim letzten Verfahren seien. Die Frauenbeauftragte und sie hätten darauf hingewiesen, es für unzulässig zu halten, die heutige Bewerbungssituation mit der vor zwei Jahren zu vergleichen, zumal die Klägerin in dieser Zeit sehr gute Arbeit geleistet habe, weshalb es auch zu einer studentischen Initiative für ihre Einstellung gekommen sei.

Diese Darstellung entsprach den während der Sitzung vom 11. Januar 2006 gefertigten handschriftlichen Notizen dieses Personalratsmitglieds und deckte sich inhaltlich mit der eidesstattlichen Versicherung der Frauenbeauftragten. Darüber hinaus soll der Vorsitzende der Auswahlkommission in einem Vorgespräch vom 14. Dezember 2005 erklärt haben, die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin beruhe allein auf Erwägungen des Verwaltungsleiters des Fachbereichs Geowissenschaften in einem Schreiben, das er für verbindlich halte, wie das Kommissionsmitglied Dr. B. eidesstattlich versichert hat.

1.2 Der Verfügungsgrund ergab sich daraus, dass durch eine endgültige Besetzung der ausgeschriebenen Stelle der Verfügungsanspruch der Antragstellerin zum Erlöschen gebracht würde. Ist die mit einem öffentlichem Amt i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG verbundene Stelle rechtlich verbindlich anderweit vergeben, kann das Amt nicht mehr besetzt werden (BAG, Urteil vom 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 - BAGE 101, 153 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 56 zu A II 2 a der Gründe).

1.3. Die auf § 938 Abs. 2 ZPO gestützte Untersagung einer endgültigen Stellenbesetzung war allerdings auf die Zeit bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu begrenzen, weil die Antragstellerin dann keines vorläufigen Rechtsschutzes mehr bedarf.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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