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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin
Urteil verkündet am 21.01.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 2064/04
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 11
Die Einstellung des Gesamtvollstreckungs- (Insolvenz-) verfahrens belegt die Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH.
Landesarbeitsgericht Berlin Im Namen des Volkes Urteil

8 Sa 2064/04

Verkündet am 21.01.2005

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 8. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 21.01.2005 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Albrecht-Glauche als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn Schröder und Herrn Rieke

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. August 2004 - 98 Ca 73313/04 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten je zur Hälfte zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Haftung der Gesellschafter einer Vor- GmbH für Beitragsschulden gegenüber der Zusatzversorgungskasse des B. VVaG gemäß den Bestimmungen des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (im Folgenden: VTV - Bau) in der im Streitzeitraum geltenden und für allgemein verbindlich erklärten Fassung.

Die Beklagten gründeten mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 28. April 1997 (Bl. 16 - 25 d. A.) die KRZ St. GmbH, einen Baubetrieb, der Straßen- und Brückenbau zum Gegenstand hatte und an dem die Beklagten zu 1) und 2) die Geschäftsanteile zu je 50 Prozent hielten. Die Gewerbeanmeldung erfolgte am 15. Mai 1997 (Bl. 26 d. A.) unter Angabe des Betriebsbeginns ab 10. März 1997.

Mit dem Beschluss vom 21. Oktober 1997 (Bl. 30 d. A.) eröffnete das Amtsgericht D. das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der KRZ St. GmbH i. G. und setzte Rechtsanwalt P.B. als Verwalter ein. Mit Beschluss vom 30. Oktober 1997 wurde der Antrag auf Eintragung der GmbH i. G. in das Handelsregister zurückgewiesen.

Unter dem 5. Januar 1998 meldete der Verwalter dem Kläger die Bruttolöhne der gewerblichen Arbeitnehmer in den Monaten März bis August 1997 (Bl. 109 d. A.).

Mit den am 19. März 2001 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Anträgen auf Erlass von Mahnbescheiden hat der Kläger die Beklagten zu 1) und 2) auf Zahlung von je 42.833,52 DM als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Die Beklagten haben am 17. April 2001 Widerspruch gegen die ihnen am 6. April 2001 zugestellten Mahnbescheide erhoben.

Unter dem 29. August 2002 erstattete der Gesamtvollstreckungsverwalter einen Schlussbericht, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf die Fotokopie (Bl. 49 - 54 d. A.) Bezug genommen wird. Mit dem Beschluss vom 28. August 2003 (Bl. 31 d. A.) stellte das Amtsgericht D. das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der GmbH i. G. mangels Masse ein.

Mit dem am 15. März 2004 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenem Schriftsatz vom 12. März 2004 hat der Kläger seine Klage begründet und Terminsanberaumung beantragt. Der Kläger hat die Beklagten als Gesellschafter einer vermögenslosen Vor-GmbH zur Zahlung der Beitragsschulden entsprechend ihren Anteilen am Gesellschaftsvermögen für verpflichtet gehalten, die Beklagten haben die Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH bestritten.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 60 - 61 d. A.) abgesehen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).

Durch das Urteil vom 10. August 2004 hat das Arbeitsgericht wie folgt erkannt:

I. D. Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger EUR 10.950,19 (zehntausendneunhundertfünfzig 19/100) zu zahlen;

II. d. Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger EUR 10.950,19 (zehntausendneunhundertfünfzig 19/100) zu zahlen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten je zur Hälfte.

IV. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 21.900,38 festgesetzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagten als Gesellschafter einer Vor-GmbH hafteten der Zusatzversorgungskasse des B. für Beitragsschulden der Vor-GmbH unmittelbar und entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen, weil die Vor-GmbH vermögenslos gewesen sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (Bl. 61 - 62 d. A.) verwiesen.

Gegen das den Beklagten am 3. September 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. September 2004 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin eingegangene Berufung, die die Beklagten mit einem am 29. Oktober 2004 eingegangenen Schriftsatz begründen.

Die Beklagten machen geltend, die Ausnahme von dem neuen Innenhaftungskonzept der Gründungsgesellschafter einer GmbH setze die Vermögenslosigkeit der Vorgesellschaft voraus, an der es in diesem Fall fehle. Die KRZ St. GmbH i. G. habe sich nicht in einer masselosen Insolvenz befunden, denn ausweislich des Schlussberichts des Gesamtvollstreckungsverwalters habe ein verwertbares Vermögen von 110.000,00 DM vorgelegen. Der Ausnahmetatbestand der Vermögenslosigkeit könne nur dann greifen, wenn die Gesellschaft bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vermögenslos sei. Vorliegend sei der Kläger darauf zu verweisen, seine Ansprüche gegenüber der Vorgesellschaft geltend zu machen. Im Übrigen wären diese verjährt.

Die Beklagten und Berufungskläger zu 1) und 2) beantragen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.08.2004 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, dass nach der von den Obergerichten formulierten Ausnahme zur im Übrigen vorrangigen Innenhaftung der Gründungsgesellschafter auf die Vermögenssituation insgesamt abzustellen sei. Die Beklagten könnten keine Teilpunkte aus dem Schlussbericht des Gesamtvollstreckungsverwalters herauspicken, um von der absoluten Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH abzulenken, die zur Einstellung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mangels Masse geführt habe. Es sei nicht geboten, zwischen der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse und einer nachträglichen Einstellung zu unterscheiden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 29. Oktober 2004 (Bl. 78 - 80 d. A.), der Berufungsbeantwortung vom 6. Dezember 2004 (Bl. 98 - 103 d. A.), des Schriftsatzes des Klägers vom 13. Januar 2005 (Bl. 107 - 108 d. A.) und des Schriftsatzes der Beklagten vom 17. Januar 2005 (Bl. 115 - 117 d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht die Beklagten zu 1) und 2) gem. §§ 50, 48 Abs. 1 VTV - Bau a. F. als Gründungsgesellschafter des nicht zur Eintragung in das Handelsregister gelangten Baubetriebs: KRZ St. GmbH i. G. zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen für den Zeitraum von März bis August 1997 auf der Grundlage der am 5. August 1998 gemeldeten Bruttolöhne entsprechend ihrer Geschäftsanteile von je 50 Prozent in Höhe von je 10.950,19 EUR verurteilt. Das Berufungsgericht schließt sich den Ausführungen des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil an und sieht von einer wiederholenden Darstellung ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Das Arbeitsgericht hat nach Auffassung des Berufungsgerichts die von den Obergerichten entwickelten Grundsätze zur Außenhaftung der Gründungsgesellschafter einer Vor-GmbH zutreffend angewandt und zu Recht die Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH für gegeben gehalten (1.). Die Ansprüche des Klägers sind weder der Höhe nach zu beanstanden noch verjährt (2.).

1.

Nach nunmehr ständiger Rechtssprechung der obersten Bundesgerichte (vgl. BGH vom 4. März 1996 - II ZR 123/94 - NJW 1997, 1507; BHG vom 15. Dezember 1999 - 10 AZR 165/98 - NZA 2956; BSG vom 8. Dezember 1999 - B 12 KR 10/98 R - ZIP 2000, 494; BFH vom 7. April 1998 - BSHE 185, 356), der sich das Berufungsgericht anschließt, haften die Gesellschafter einer Vor-GmbH im Grundsatz im Innenverhältnis, der Höhe nach unbeschränkt und anteilig entsprechend ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, es sei denn, es ist ein Fall der Vermögenslosigkeit der Vorgesellschaft gegeben, der dem Gläubiger eine unmittelbare Inanspruchnahme der Gründungsgesellschafter gestattet. Die Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH ist nicht nur dann gegeben, wenn bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, sondern auch dann, wenn ein solches Verfahren zunächst eingeleitet, im späteren Verlauf jedoch durch das Insolvenzgericht mangels Masse eingestellt wird. In diesem Fall ist nach Auffassung des Berufungsgerichts von einer Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH auszugehen, selbst wenn zwischenzeitlich eine verwertbare Masse festgestellt worden ist, die jedoch nicht zu einer Einstellung des Gesamtvollstreckungsverfahrens nach § 19 Abs. 1 Ziff. 1, 2, 4 GesO führte. Wenn ein Gesellschafter der Auffassung ist, das Ergebnis (Einstellung mangels Masse) sei unzutreffend, ist er in der Lage für die Weiterführung oder eine erneute Eröffnung der Gesamtvollstreckungs (Insolvenz-) verfahrens zu sorgen, ggf. durch Zahlung eines Kostenvorschusses. Unterlässt er dies, so ist er nicht berechtigt, sich gegenüber dem Gläubiger auf die Innenhaftung zu berufen. Dabei muss die Vermögenslosigkeit der Vor-GmbH als Voraussetzung für die unmittelbare Inanspruchnahme der Gesellschafter zu dem Zeitpunkt feststehen, zu dem die Außenhaftung geltend gemacht wird (so auch BSG vom 8. Dezember 1999, a. a. O.).

Vorliegend hat das Amtsgericht D. das Gesamtvollstreckungsverfahren durch den Beschluss vom 28. August 2003 mangels Masse eingestellt. Zwar hat der Kläger bereits am 19. März 2001 die den Beklagten am 6. April 2001 zugestellten Mahnbescheide beantragt, die Parteien haben das Mahnverfahren jedoch bis zum 15. März 2004 nicht betrieben, so dass eine Inanspruchnahme der Beklagten durch den Kläger erst nach der Einstellung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gegeben war. Durch diese Vorgehensweise sind die Beklagten auch nicht unangemessen benachteiligt worden, es hat ihnen freigestanden, die Durchführung des streitigen Verfahrens gem. § 696 ZPO zu beantragen.

2.

Die Ansprüche des Klägers für den Streitzeitraum März bis August 1997 sind auch rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht worden, das Nichtbetreiben des Rechtsstreits in der Zeit von 2001 bis 2003 war gem. § 211 Abs. 2 BGB unschädlich. Die Beklagten waren auch zur Zahlung der geltend gemachten Beiträge in der vom Arbeitsgericht titulierten Höhe von je 10.950,19 EUR zu verurteilen, obwohl sie zuletzt die Forderung der Höhe nach bestritten haben. Im Hinblick auf die vom Kläger nunmehr vorgelegte Meldung der Bruttolöhne der gewerblichen Arbeitnehmer für den Streitzeitraum (Bl. 109 d. A.) hätte es näherer Angaben der Beklagten bedurft, welche konkreten Beträge bestritten werden sollen. Deshalb kann dahinstehen, ob das Bestreiten der Beklagten, das erstmals im Schriftsatz vom 17. Januar 2005 erfolgte, gem. § 67 Abs. 4 ArbGG zurückzuweisen gewesen wäre.

III.

Die Beklagten haben gem. §§ 97 Abs. 1, 100 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die Revision war wegen der nach Auffassung der Kammer gegebenen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, die sich unabhängig vom Außerkrafttreten der Gesamtvollstreckungsordnung auch im Geltungsbereich der Insolvenzordnung stellt, zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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