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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 09.03.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 156/03
Rechtsgebiete: BGB, BetrVG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 151
BGB § 151 Satz 1
BGB § 157
BGB § 242
BGB § 315 Abs. 1
BGB § 613 a
BGB § 613 a Abs. 1 S. 2
BetrVG § 2 Abs. 1
BetrVG § 75 Abs. 1
BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 156/03

verkündet am 09.03.2004

In dem Rechtsstreit

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am LAG als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter und die ehrenamtliche Richterin

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 15.01.2003 - 2 Ca 628/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Provisionszahlungen. Streitgegenständlich ist der Provisionsanspruch des Klägers für die Monate Januar bis Mai 2002, den dieser nach der Provisionsregelung, die bis zum 31.12.2001 zur Berechnung seiner Provisionszahlung zugrunde gelegt worden ist, berechnet: Danach erhielt der Kläger eine Provision auf den von ihm monatlich getätigten Bruttoumsatz, von dem ein arbeitstägliches Fixum i. H. v. 1.074,00 DM (= 549,12 €) sowie weitere 5 % des Bruttoumsatzes abzuziehen waren; 1,28 % dieses so gekürzten Bruttoumsatzes erhielt der Kläger als Provision.

Demgegenüber berechnet die Beklagte seit dem 01.01.2002 die - geringere - Provision nach der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002, auf dessen Inhalt nebst Anlage Bl. 7 bis 9 d. A. Bezug genommen wird. Den sich aus beiden Regelungen ergebenden Differenzbetrag hat der Kläger mit seiner Zahlungsklage geltend gemacht.

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist für die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Beklagte seit dem 13.12.1989 auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 12.12.1989 (Bl. 16 d. A.) in der Niederlassung B. als Frischdienstverkäufer gegen ein Entgeltfixum i. H. v. zuletzt 1.962,85 Euro brutto monatlich zuzüglich einer umsatzabhängigen Provision tätig.

Zuvor war der Kläger für die Rechtsvorgänger der Beklagten im Betrieb in B. bereits als Verkaufsfahrer mit Entgeltfixum zuzüglich einer umsatzabhängigen Provision tätig.

Die bis zum 31.12.2001 bei der Beklagten zugrunde gelegte Provisionsregelung basierte auf einer Betriebsvereinbarung vom 20.10.1976 (vgl. Bl. 43 b. 46 d. A.), die mit dem Betriebsrat und der Firma P. GmbH - u. a. für den Betrieb in B. vereinbart worden war. Ende 1987 wurde dieser Betrieb von der W. GmbH & Co. KG übernommen. Sämtliche Kollektivregelungen einschließlich dieser Betriebsvereinbarung wurden weiter angewandt. In einer Betriebsvereinbarung der Firma W. vom 25.09.1989 (vgl. Bl. 115 d. A.) wurde gem. § 2 vereinbart: "Die Betriebsvereinbarung vom 20. Oktober 1976 über die Provisionsregelung behält bis zum Abschluss einer Neuen ihre Gültigkeit". In einer weiteren Betriebsvereinbarung vom 28.02.1990 der Firma W. (vgl. Bl. 47 d. A.) wurde die ursprüngliche Betriebsvereinbarung im Rahmen einer 5 %igen Preiserhöhung geändert. Ab 1992 begann die Firma W. damit, Verkaufstouren aus der S. u. a. nach B., einem dazugekauften Betrieb zu verlagern. Der Kläger war ab 01.07.1997 in B. tätig. Daneben war ein anderes Unternehmen der -Gruppe, die W. - GmbH & Co. KG Inhaberin eines Produktionsbetriebes in B.. Die Verkaufsfahrer aus dem Betrieb in der S. (sogenannte "Westfahrer") erhielten Provision auf der Basis der genannten Betriebsvereinbarungen. Neu in B. eingestellte Verkaufsfahrer (sogenannte "Ostfahrer") erhielten aufgrund einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung Umsatzprovision auf Markenware i. H. v. 2,85 % und auf Billigware i. H. v. 0,5 %; hinzu kam eine sogenannte Retourenprämie von maximal 200,00 DM für besonders niedrige Retourenwerte. Die Summe von Fixum, Gesamtprovision und Retourenprämie wurde auf den Tariflohn angerechnet.

Im Herbst 1999 wurde der Betrieb S. stillgelegt. Ein mit dem Betriebsrat am 19.06.1992 bzw. am 02.08.1993 vereinbarter Interessenausgleich und Sozialplan für die Firma W. B. (vgl. Bl. 73 b. 77 d. A.) sah in 1.1. seiner Vereinbarung vor: "Alle Betriebsvereinbarungen behalten ihre Gültigkeit, bis sie durch eine andere Betriebsvereinbarung beim neuen Arbeitgeber ersetzt werden". "Westfahrer" in B. erhielten die bisherigen Umsatzprovisionen mit der bisherigen Berechnung und eine Erhöhung des Tagessatzes laut Hausmitteilung vom 21.07.1995 (vgl. 117 d. A.) auf 1.074,00 DM weiter. Die "Ostfahrer" in B. erhielten Provision nach der arbeitsvertraglichen Einheitsregelung.

Die Fortgeltung der Betriebsvereinbarung vom 20.10.1976, der Inhalt sowie die Rechtsqualität der Betriebsvereinbarung vom 28.02.1990 sowie der Erklärungsinhalt und die Rechtsqualität der Hausmitteilung vom 21.07.1995 ebenso wie die Betriebsvereinbarung der Firma W. vom 02.08.1993 (vgl. dazu Bl. 188 f d. A.) sind zwischen den Parteien streitig.

Ende der 90er Jahre verschmolzen die W. GmbH & Co. KG und die W. GmbH & Co. KG zur W. GmbH & Co. KG. Beide Betriebe wurden zu einem einheitlichen Betrieb zusammengefasst, ein neuer Betriebsrat wurde gewählt. Mit Schreiben vom 20.09.1999 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten vorsorglich die Betriebsvereinbarung vom 20.10.1976 sowie vom 28.02.1990 zum 31.12.1999, um eine Neuregelung des Provisionssystems für die Niederlassung B. zu ermöglichen (vgl. Bl. 48 d. A.). Im Juni 2001 wurde die W. GmbH & Co. KG unter Fortführung des bisherigen Betriebszwecks in der Niederlassung B. in die W. GmbH umgewandelt. Dieses Unternehmen schloss am 29.01.2002 die Betriebsvereinbarung über die Entlohnung der Frischdienstverkäufer mit ihrem Betriebsrat ab (vgl. Bl. 7 b. 9 d. A.); diese Betriebsvereinbarung trat am 01.01.2002 in Kraft.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Eberswalde am 29.04.2002 eingegangenen Klage, die er mit beim Arbeitsgericht am 13.08.2002 eingegangenen Schriftsatz erweiterte, begehrte der Kläger die Differenzvergütung seiner Provisionszahlung für die Monate Januar bis Mai 2002. Er meinte dazu, die Provisionsberechnungsformel, die bislang von der Beklagten angewandt worden sei, sei als einzelvertraglich vereinbart anzusehen und werde nicht durch die Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 verdrängt. Die von der Beklagten als Grundlage der bisherigen Provisionsberechnungen herangezogenen Betriebsvereinbarungen vom 20.10.1976 und vom 28.02.1990 seien nicht für die Niederlassung B. abgeschlossen worden. Die neue Betriebsvereinbarung, die für den Kläger ungünstigere Regelungen enthielte, könne nicht die für den Kläger günstigere arbeitsvertragliche Provisionsregelung verdrängen. Diese gelte vielmehr nach dem Günstigkeitsprinzip für den Kläger weiter. Eine rückwirkende Verschlechterung der Provision für Januar 2002 durch die neue Betriebsvereinbarung sei erst recht nicht möglich.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.552,24 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2002 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 3.231,18 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meinte, Ziel der neuen Provisionsregelung sei die Gleichbehandlung der "Ostfahrer" mit den "Westfahrern". Die "Ostfahrer" erhielten erheblich geringere Provisionen als die "Westfahrer". Die Betriebsvereinbarungen vom 20.10.1976 und vom 28.02.1990 würden gem. § 613 a BGB individualrechtlich für den Kläger fortgelten. Sie seien als ehemalige Kollektivregelungen durch die neue Betriebsvereinbarung abgelöst worden. Ein kollektiver Günstigkeitsvergleich komme nicht in Betracht.

Mit Urteil vom 15.01.2003 hat das Arbeitsgericht Eberswalde die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder einen arbeitsvertraglichen Anspruch nach der bisherigen Provisionsformel mit der Beklagten vereinbart, noch habe er einen Anspruch auf Gesamtzusage bzw. betrieblicher Übung. Für die Annahme eines Erklärungstatbestandes der Gesamtzusage habe die Klägerin keine Tatsachen dargelegt. Eine etwaige betriebliche Übung werde durch die bei der Beklagten vorhandenen Betriebsvereinbarungen verdrängt. Die Beklagte habe die Provisionszahlungen nämlich nach den bisherigen Betriebsvereinbarungen auch für den Kläger vorgenommen. Diese seien durch die neue Betriebsvereinbarung rechtwirksam abgelöst worden. Dies gelte auch für den Fall, dass der Inhalt der Betriebsvereinbarungen im Wege der individualrechtlichen Transformation gem. § 613 a BGB als arbeitsvertraglich vereinbart gelte. Auch in solchen Fällen würde nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern das Ablösungsprinzip gelten. Für Januar 2002 sei auch eine rückwirkende Inkraftsetzung der neuen Betriebsvereinbarung zulässig. Der klägerische Vertrauensschutz werde nicht beeinträchtigt, da die alten Betriebsvereinbarungen im September 1999 gekündigt worden seien und die Betriebsparteien über ein Jahr verhandelt hätten, der Kläger mithin mit einer für ihn ggfs. auch ungünstigeren Neuregelung hätte rechnen müssen.

Gegen das dem Kläger am 07.02.2003 zugestellte Urteil hat er am 07.03.2003 Berufung eingelegt und diese am 04.04.2003 begründet.

Er wendet sich überwiegend aus Rechtsgründen gegen die angefochtene Entscheidung und trägt eine neue, von der bisherigen abweichende Berechnung seiner Ansprüche vor. Die frühere Provisionsregelung sei durch Vereinbarung zwischen den Parteien, zumindest aber durch betriebliche Übung Inhalt des Arbeitsvertrages geworden. Die Betriebsvereinbarungen vom 20.10.1976 und vom 28.02.1990 hätten nie für den Kläger gegolten, hätten allenfalls individualrechtlich gem. § 613 a BGB weiter gegolten. Der sukzessive Übergang von Verkaufsfahrer aus der S. nach B. in den 90er Jahren habe nicht dazu geführt, dass die Betriebsvereinbarungen nun auch für B. Geltung gehabt hätten. Vielmehr sei den Verkaufsfahrern aus der S. eine ausdrückliche Zusage über die Weitergeltung der bisherigen Vergütungsregelungen gemacht worden. Dies ergäbe sich auch aus den Regelungen im Interessenausgleich und Sozialplan vom 02.08.1993. Es gäbe auch keine betriebliche Identität zwischen der S. und dem Betrieb in B.. Im Übrigen bestünden erhebliche Zweifel an der Fortgeltung der alten Betriebsvereinbarungen. Entscheidend sei demgegenüber, dass der Kläger über eine lange Zeit im Einvernehmen beider Parteien und unbeanstandet Provision nach der unstreitigen Provisionsregelung, die bis zum 31.12.2001 gegolten hat, erhalten habe. Die betriebliche Übung sei durch die neue Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 weder abgeändert noch gar abgelöst worden.

Seit Januar 2002 erhalte er ein um 1/4 geringeres Bruttogesamtentgelt; seine Provision sei erheblich gekürzt worden. Das 2002 gleichwohl höhere Nettoeinkommen des Klägers gegenüber 2001 beruhe vor allem darauf, dass die Beklagte für jeden Arbeitstag Spesen bezahle, nunmehr endlich tarifgerecht Nachtzuschläge zahle und der Kläger länger als bisher und mit einer neuen Tour arbeite. Die von der Beklagten mitgeteilten Nettozahlen würden weder einen Vergleich zwischen den Arbeitnehmergruppen ermöglichen, noch einen sogenannten kollektiven Günstigkeitsvergleich, noch eine Einschätzung der Verhältnismäßigkeit der neuen Regelung. Die Absenkung der klägerischen Provisionszahlungen sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Eberswalde - 2 Ca 628/02 - vom 15.01.2003 zu verurteilen, an den Kläger 1.552,24 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und auf weitere 3.231,18 Euro ab Rechtshängigkeit der Klageerweiterung vom 13.08.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil aus Rechtsgründen. Der Kläger habe bis zum 31.12.2001 Provision nach den Betriebsvereinbarungen erhalten, die für die Arbeitnehmer galten, die in der S. in B. eingestellt worden seien. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe den erklärten Willen gehabt, diese Regelungen auch auf die Fahrer wie den Kläger anzuwenden. Einen weiteren Bindungswillen habe die Beklagte nicht gehabt. Die alten Provisionsregelungen für die Mitarbeiter in der S. hätten kontinuierlich unter Änderungsvorbehalt gestanden. Dies ergäbe sich aus den mehreren Betriebsvereinbarungen. Dies gelte unabhängig davon, ob man von einer individuellen Vereinbarung oder einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung oder einer betrieblichen Übung ausgehe; alle Regelungen hätten unter einem Änderungsvorbehalt gestanden. Auch wenn die Betriebsvereinbarungen in B. nicht normativ fortgewirkt hätten, seien sie jedoch mitsamt dem Änderungsvorbehalt hinsichtlich der Provisionsregelung Inhalt der fortwirkenden in B. geltenden Entgeltbedingungen geworden.

Die von der Beklagten seit über zwei Jahrzehnten für die Frischdienstfahrer freiwillig gezahlten Umsatzprovisionen seien als zusätzliches leistungsbezogenes Entgelt anzusehen. Aufgrund erheblicher Änderungen der Arbeitsanforderungen an die Verkaufsfahrer und des Einsatzes größerer Verkaufsfahrzeuge sei der Tourenumsatz seit Jahren kontinuierlich angestiegen, mithin auch die monatliche Durchschnittsprovision der "Westfahrer". Diese stiegen von 1998 bis 2001 um 75,4 %. Demgegenüber habe die Anrechenbarkeit der Provisionszahlungen für "Ostfahrer" auf deren Tariflohn sowie das Anwachsen der Billigware zu einem Sinken der Provisionssätze der "Ostfahrer" geführt. Ab 1999 hätten Mitarbeiter mit einem hohen Anteil an Billigwaren zum Teil keinerlei Provision mehr erzielt. Die Durchschnittsprovision der "Ostfahrer" habe 2001 235,43 Euro betragen, die Durchschnittsprovision der "Westfahrer" 757,75 Euro. Ziel der neuen Betriebsvereinbarung sei daher eine Angleichung der Provisionsentgelte, die Installierung eines einheitlichen Entgeltabrechnungssystems bei der Beklagten, die Anpassung an die veränderten Arbeitsbedingungen und letztlich der Erhalt der Arbeitsplätze der Frischdienstverkäufer. Dies sei nur durch eine Reduzierung der Provisionsansprüche für "Westfahrer" zu erreichen. Die Durchschnittsprovision für West- wie Ostfahrer habe 2003 bei 337,36 Euro gelegen. Im Übrigen habe die Beklagte am 29.01.2002 auch eine Betriebsvereinbarung Spesen für Frischdienstverkäufer abgeschlossen, mit der Spesen und sonstige steuerfrei zu zahlende Leistungen gewährt würden. Daher sei trotz der reduzierten Provisionen für "Westfahrer" das Nettoeinkommen "gehalten" worden. So hätte der Kläger im Jahr der Umstellung 2001/2002 ein höheres Nettoeinkommen als bisher erzielt. Dies zeige auch die Gegenüberstellung der monatlichen Nettoeinkünfte des Klägers von Januar bis Juni 2003. 2001 habe die Beklagte für 136 Frischdienstverkäufer durchschnittliche Personalkosten pro Kopf i. H. v. 36.252 Euro gehabt, 2002 bei 127 Frischdienstverkäufern Personalkosten i. H. v. 36.900 Euro. Bei der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 handele es sich daher nicht um eine verschlechternde Betriebsvereinbarung. Schließlich sei die Neuregelung auch verhältnismäßig. Für die "Ostfahrer" sei der durchschnittliche Provisionssatz von 235,43 Euro im Jahre 2001 auf 345,02 Euro im Jahre 2003 erhöht worden. Für die "Westfahrer" sei in § 8 der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 außerdem eine Härtefallregelung vereinbart worden.

Wegen des weiteren Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie ihre Ausführungen in den mündlichen Verhandlungsterminen vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige, an sich statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers blieb erfolglos; zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.

II.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Er hat keinen Anspruch auf die Differenzzahlungen für die streitgegenständlichen Monate auf der Basis des bisherigen Provisionsvergütungssystems, das unstreitig bis zum 31.12.2001 auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden hat. Ob die Berechnung seiner Ansprüche rechnerisch richtig und nach welcher Formel sie vorzunehmen ist, bedarf keiner Entscheidung. Vielmehr gilt für den Kläger ab dem 01.01.2002 das Provisionsvergütungssystem gem. §§ 3, 8, 10 und 11 Satz 1 der Betriebsvereinbarung zwischen der Beklagten und dem bei ihr bestehenden Betriebsrat vom 29.01.2002 (vgl. Bl. 7 u. 8 d. A.). Unstreitig erhält der Kläger Provisionsvergütung seit dem 01.01.2002 auf der Basis dieser Betriebsvereinbarung; einen darüber hinausgehenden Anspruch hat er nicht, wie das Arbeitsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt hat.

1. Der Kläger hat keinen arbeitsvertraglich unentziehbaren Anspruch auf Provisionsvergütung nach der bisherigen Regelung, nach der ihm unstreitig bis zum 31.12.2001 Provision nach einer Berechnungsformel gezahlt worden ist, die zwischen den Parteien jedenfalls erstinstanzlich nicht im Streit war.

1.1. Unstreitig haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 12.12.1989 eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Abrede über die für die Provisionszahlung zugrunde zu legende Provisionsformel nicht getroffen. Die arbeitsgerichtlichen Feststellungen dazu hat der Kläger nicht angegriffen.

Vielmehr sollte der Kläger im beiderseitigen Einverständnis, als er am 01.07.1997 nach Übernahme von seinem bisherigen Betrieb in der S. in den Betrieb B. kam, hinsichtlich der Provisionszahlung als Frischdienstverkäufer so gestellt werden, wie alle anderen "Westfahrer" aus dem früheren Betrieb S., einer Rechtsvorgängerin der Beklagten. Insoweit hat der Kläger ausdrücklich eingeräumt, dass er immer zu westberliner Bedingungen tätig werden sollte und tätig geworden ist. Auch die Beklagte hat klargestellt, dass sie den Kläger wie alle ihre (westberliner) Beschäftigten aus dem früheren Betrieb S. behandeln wollte und tatsächlich behandelt hat. Diese gemeinsame, übereinstimmende Vertragspraxis zu den bisherigen Provisionsbedingungen bis zum 31.12.2001 basiert unstreitig auf den früheren Betriebsvereinbarungen bei den Rechtsvorgängern der Beklagten, namentlich auf der vom 20.10.1976, vom 28.02.1990 sowie des weiteren der vom 25.09.1989 und vom 19.06.1992 sowie der Hausmitteilung vom 21.07.1995. Danach hat die Beklagte gezahlt, ist der Kläger vergütet worden.

Eine ausdrückliche Vertragsabrede zu den für den Kläger geltenden Provisionsbedingungen ist nicht zustande gekommen. Eine ausdrückliche vertragliche Abrede oder Zusage der Beklagten neben dem schriftlichen Arbeitsvertrag hat der Kläger auch nicht substantiiert dargelegt; sie ist auch nicht den Umständen zu entnehmen. Wann und wo und durch welche vertretungsberechtigte Person der Beklagten dem Kläger zugesagt worden sein soll, dass die bisherige Provisionsregelung als unentziehbarer Vertragsbestandteil weitergelten soll oder garantiert werde, hat der Kläger nicht mitgeteilt.

1.2. Die bisher für den Kläger geltende Provisionsregelung ist auch nicht im Wege der sogenannten Gesamtzusage arbeitsvertraglich vereinbart worden; davon geht auch der Kläger nicht aus.

Unter einer Gesamtzusage versteht die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine an alle Arbeitnehmer oder abgrenzbare Gruppen von Arbeitnehmern in allgemeiner Form gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, zusätzliche Leistungen zu erbringen. Die Arbeitnehmer erlangen sodann einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistungen, soweit sie von deren Anspruchsvoraussetzungen erfasst werden. Eine ausdrückliche Annahme des in der Gesamtzusage enthaltenen Angebots des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer ist gem. § 151 Satz 1 BGB entbehrlich. Ob eine Gesamtzusage vorliegt und welchen Inhalt sie hat, richtet sich nach den allgemein für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Regeln. Maßgeblich ist danach der objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers (BAG v. 25.01.2000 - 9 AZR 140/99 -, AP Nr. 15 zu § 157 BGB; v. 14.08.2001 - 1 AZR 619/00 -, AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972 und öfter).

Vorliegend fehlt es schon deswegen an einer Gesamtzusage, weil es an einer Erklärung der Beklagten fehlt, die in allgemeiner Form nicht nur, aber auch an den Kläger gerichtet war. Eine solche Erklärung ist auch nicht in einem Plakataushang der Beklagten zu sehen, wie der Kläger unsubstantiiert behauptet hat. Welchen Inhalt diese Erklärung haben soll, hat der Kläger ebenfalls nicht dargelegt. Andere Erklärungen allgemeiner Art zur Geltung der bisherigen Provisionsbedingungen, die dem Kläger zugegangen sind oder die er sonst hat zur Kenntnis nehmen können, abgegeben zu haben, sind von beiden Parteien nicht vorgetragen worden oder sonst erkennbar. Mithin kann das Berufungsgericht das Vorliegen einer Gesamtzusage nicht feststellen.

1.3. Entgegen der Ansicht des Klägers hat er auch nicht dadurch einen arbeitsvertraglichen Anspruch erworben, dass ihm gegenüber mindestens seit dem 01.07.1997 in wiederkehrender Folge bis zum 31.12.2001 Provisionszahlungen nach dem bisherigen System der Provisionszahlungen bei der Beklagten für "Westfahrer" gewährt worden sind und dadurch eine betriebliche Übung entstanden sei.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird, § 151 BGB, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie die Arbeitnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände, §§ 133, 157 BGB, verstehen mussten und durften (vgl. nur BAG v. 28.03.2000 - 1 AZR 366/99 -, AP Nr. 83 zu § 77 BetrVG 1972 und öfter).

Entgegen der Ansicht des Klägers reicht nach Auffassung des Berufungsgerichts selbst die jahrelange Praxis der Beklagten, die Provisionsvergütung nach dem bisherigen System für "Westfahrer" aus dem früheren Betrieb S. an den Kläger zu zahlen, nicht aus. Wie das Bundesarbeitsgericht mehrfach und zu Recht entschieden hat, reicht allein die faktische Leistungsgewährung ohne Rücksicht auf deren Begründung und Anlass zur Entstehung einer betrieblichen Übung nicht aus (vgl. BAG v. 25.10.2000 - 4 AZR 574/99 - und v. 16.04.2003 - 4 AZR 373/02 -). Der vorliegende Sachverhalt ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte ausweislich der ständigen Praxis gegenüber dem Kläger die bisherige Provisionsregelung für "Westfahrer" aus dem Betrieb S. gegenüber dem Kläger anwenden wollte. Die Beklagte hat bis zum 31.12.2001 an den Kläger Provision nach der Formel gezahlt, die sich aus den Betriebsvereinbarungen vom 20.10.1976, vom 28.02.1990 i. V. m. der Hausmitteilung vom 21.07.1995 ergab. Einen anderen Erklärungsinhalt hat die Vergütungspraxis ausweislich der Abrechnungen und der gezahlten Provisionssummen nicht. Tatsächlich hat der Kläger durch die unwidersprochene Entgegennahme der Provisionsvergütungen auf der Basis der bisherigen Provisionsregelungen bei der Beklagten und damit durch sein eigenes jahreslanges Verhalten hinsichtlich der Provisionsvergütungsregelung das Vertragsangebot der Beklagten angenommen.

Mithin ist eine betriebliche Übung zugunsten des Klägers auch schon deswegen nicht entstanden, weil es eine anderweitige Vertragsabrede besonderer Art zwischen den Parteien gab. Eine betriebliche Übung kann nach gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung aber nur dann entstehen, wenn es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage anderweitiger Art für die Gewährung der Leistung fehlt. Denn diese Anspruchsgrundlage ergänzt lediglich die vertraglichen Bestimmungen (BAG v. 27.06.1985 - 6 AZR 392/91 -, AP Nr. 14 zu § 77 BetrVG 1972 und v. 14.08.2001 - 1 AZR 619/00 -, AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972 und öfter).

1.4. Im vorliegenden Falle haben die Parteien nach Auffassung der Berufungskammer hinsichtlich der Provisionsvergütung für den Kläger eine Abrede besonderer Art konkludent durch gemeinsame, übereinstimmende Vertragspraxis vereinbart.

Die Beklagte hat nämlich im Einvernehmen mit dem Kläger, was er durch die unwidersprochene Entgegennahme der Leistung dokumentiert hat, über mehrere Jahre hinweg eine Provision für die vom Kläger erzielten Umsätze als Verkaufsfahrer gezahlt, die der Provisionsregelung entsprechen sollte und entsprach, die die Beklagte auf die "Westfahrer" aus dem ehemaligen Betrieb S. anwandte. Damit sollte der Kläger, der unstreitig auch tariflich nach alten Westbedingungen entlohnt wurde, auch hinsichtlich der Provisionsbestimmungen als "Westfahrer" bezahlt werden. Dies entsprach auch den Vorstellungen und dem Willen des Klägers.

Es kann dahinstehen, ob die Betriebsvereinbarungen vom 20.10.1976, vom 28.02.1990 und die Hausmitteilung vom 21.07.1995 auf das Arbeitsverhältnis des Klägers gem. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG eingewirkt haben. Nach übereinstimmenden Parteivortrag lässt sich dies nicht mehr vollständig aufklären. Die jahrelange übereinstimmende Zahlung der Provisionen durch die Beklagte und die ebenso lang widerspruchslos vom Kläger akzeptierte entsprechende Abrechnung lassen den übereinstimmenden Parteiwillen deutlich erkennen, Provisionen nach den Regeln der genannten Betriebsvereinbarungen i. V. m. der Hausmitteilung abzurechnen und zu zahlen. Mit anderen Worten: die Zahlungsregeln der genannten Vereinbarungen sind - jeweils immer aktualisiert, zuletzt durch die Hausmitteilung vom 21.07.1995 - als individualrechtliche Vereinbarung zur Zahlung nach den kollektiven Regelungen Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien geworden. Dies gilt mindestens für die Zeit der Tätigkeit des Klägers ab dem 01.07.1997 in B., für die eine unmittelbare betriebsverfassungsrechtliche Geltung der genannten Betriebsvereinbarungen aus der S. in B: nicht mehr angenommen werden kann. Dies gilt wohl auch für eine Weitergeltung gem. § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB in B., weil ein Betriebsübergang das Arbeitsverhältnis des Klägers mangels entsprechender Tatsachendarlegung beider Parteien nicht festgestellt werden kann. Letztlich kann dies aber dahinstehen.

Die bei der Beklagten geltenden Provisionsbedingungen sind dem Kläger auch durch die jahrelang gezahlten Provisionen, deren Berechnung und Abrechnung gegenüber dem Kläger unstreitig war, bekannt gewesen. Durch seine jahrelange unwidersprochene Hinnahme der Provisionszahlung hat er auch ihre Berechnungsgrundlagen als dauerhaftes Angebot der Beklagten anerkannt und vertragsrechtlich akzeptiert. Unstreitig haben die Parteien zu keinem Zeitpunkt über die Berechnung und Bezahlung der Provisionen verhandelt.

Mit dieser Abrede vertraglicher Art ist mithin die Provisionsregelung, wie sie bei der Beklagten bis zum 31.12.2001 für die "Westfahrer" aus dem früheren Betrieb S. galt, Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien geworden.

2. Die vertragliche Abrede war jedoch betriebsvereinbarungsoffen; sie konnte daher durch die Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 zum 01.01.2002 auch mit Wirkung für das klägerische Arbeitsverhältnis abgelöst werden.

2.1. Die Provisionsabrede, die bis zum 31.12.2001 für die "Westfahrer" aus dem früheren Betrieb S. galt und auf den Kläger Anwendung fand, basierte wie ausgeführt auf der Betriebsvereinbarung vom 20.10.1976 für die P. GmbH und der diese Betriebsvereinbarung abändernden Betriebsvereinbarung vom 28.02.1990 zwischen der W. GmbH & Co. KG und ihrem Betriebsrat aus dem Betrieb S.. Die letztgenannten Betriebsparteien schlossen unter dem 25.09.1989 eine Betriebsvereinbarung, nach deren § 2 die Betriebsvereinbarung vom 20.10.1976 über die Provisionsregelung bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung ihre Gültigkeit behält. Schließlich haben eben diese Betriebsparteien unter dem 19.06.1992 einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen, nach dem unter Ziff. 1.1. alle Betriebsvereinbarungen ihre Gültigkeit behalten, bis sie durch eine andere Betriebsvereinbarung beim neuen Arbeitgeber ersetzt werden. Diese Betriebsvereinbarung wurde unstreitig zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile infolge der Tourenverlagerungen von B. nach B. abgeschlossen. Zuletzt wurde der geltende Tagessatz für die Verprovisionierung von damals 910,00 DM auf die zuletzt geltenden 1.074,00 DM per Hausmitteilung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 21.07.1995 auf der Basis der bisher geltenden Provisionsregelungen angehoben.

Entscheidend ist, dass die Beklagte die auf den genannten Betriebsvereinbarungen basierende Provisionsvergütung in der bis zum 31.12.2001 geltenden und zwischen den Parteien nicht streitigen Fassung auf die "Westfahrer" aus dem ehemaligen Betrieb S. und per Gleichstellungsabrede auf die anderen "Westfahrer" im Betrieb B. anwandte. Vertragsgrundlage zu der Abrede, die die Parteien getroffen haben, war nämlich wie ausgeführt eine kollektiv-rechtliche Abrede, die ausweislich der Betriebsvereinbarungen vom 25.09.1989, vom 28.02.1990 und vom 19.06.1992 die ursprüngliche Betriebsvereinbarung vom 20.10.1976 mehrfach abänderte und ausdrücklich unter dem Vorbehalt stand, durch spätere Betriebsvereinbarung abgeändert zu werden. Mit anderen Worten war auch die Gleichstellungsabrede zwischen den Parteien, die auf diese kollektiv-rechtliche Provisionsregelung für die alten "Westfahrer" Bezug nahmen, betriebsvereinbarungsoffen gestaltet, also der jederzeitigen Abänderbarkeit durch nachfolgende Betriebsvereinbarung offengehalten.

2.2. Damit steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass auch die klägerische Abrede betriebsvereinbarungsoffen vereinbart worden ist. Für den Kläger erkennbar wollte die Beklagte sich von Anfang an nur unter Bezugnahme auf die allgemein bei ihr geltende Regelung für ehemalige "Westfahrer" zur Provisionszahlung verpflichten. Einen weitergehenden Verpflichtungswillen hatte die Beklagte nicht. Jedenfalls hat sie einen solchen Willen, für den Kläger erkennbar, nicht geäußert oder durch praktische Handhabung der Provisionsregelung zu erkennen gegeben. Sie war zur weiteren Zahlung der Provisionen nur zu der bisher auch schon geltenden Vereinbarung bereit, dass diese Zahlungen zukünftig durch Betriebsvereinbarung geändert werden können.

Diese Auslegung der vertraglichen Vereinbarung entspricht im Übrigen auch der ganz gängigen betrieblichen Praxis bei der Vereinbarung von Provisionsvergütungssystemen, die am Umsatz orientiert sind, worauf die Beklagte hingewiesen hat. Solche Vereinbarungen unterliegen in der Praxis ständigen Änderungswünschen, sei es durch die Unternehmensleitung, sei es durch die Betriebsräte. Diese Praxis korrespondiert im Übrigen mit der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtslage, wonach, unter Beachtung des Tarifvorbehalts, die Betriebsparteien gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG über die Verteilungsgrundsätze bei umsatzbezogenen Provisionen verhandeln müssen, wenn diese Umsatzprovisionen eingeführt werden oder geändert werden sollen. Handelt es sich, wie wohl vorliegend auch, bei den Umsatzprovisionen um zusätzliches leistungsbezogenes Entgelt, das freiwillig über den Tariffestlohn hinaus gezahlt wird, bleibt lediglich die Entscheidung über das sogenannte "Ob" mitbestimmungsfrei und damit der Entscheidung durch das beklagte Unternehmen vorbehalten. Entsprechend ist bei den Rechtsvorgängern der Beklagten jahrzehntelang verfahren worden. Unentziehbar und vertragsfest bzw. nur durch Änderungskündigung veränderbar waren die Provisionszahlungen bei den "Westfahrern" aus dem ehemaligen Betrieb S. nie. Mithin konnte auch das Arbeitsverhältnis des Klägers insoweit nicht mit unentziehbarem, vertragsfestem Inhalt gleichgestellt werden.

2.3. Schließlich wird der eingeschränkte Verpflichtungswille der Beklagten, die Provisionsregelung nur als betriebsvereinbarungsoffene Regelung auch für das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwenden und entsprechend zu bezahlen dadurch deutlich, dass die Beklagte die Betriebsvereinbarungen vom 20.10.1976 sowie vom 28.02.1990 mit Schreiben vom 20.09.1999 gegenüber ihrem Betriebsrat im Betrieb B. mit dem Ziel einer beabsichtigten Neuregelung des Provisionssystems gekündigt hat. Auch wenn dieses Schreiben dem Kläger nicht zur Kenntnis gelangt sein mag, ergibt sich daraus der Verpflichtungswille der Beklagten zur entsprechend eingeschränkten Zahlung eindeutig, indem sie nämlich nochmals darauf hinweist, dass sie bis zum Abschluss einer entsprechenden neuen Betriebsvereinbarung die Provisionen der betroffenen Mitarbeiter auf der bisherigen Grundlage der gekündigten Betriebsvereinbarungen weiterzahlen wolle. Aus welchen Erklärungen oder Indizien sonstiger Art ein weitergehender Verpflichtungswille der Beklagten sich ergeben könne, hat der darlegungsbelastete Kläger nicht dargelegt. Sie sind im Übrigen auch nicht erkennbar.

3. Die Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 für den Betrieb B. hat die bis zum 31.12.2001 unstreitig für das Arbeitsverhältnis des Klägers geltende Provisionsvereinbarung gemäß ihren §§ 3, 8 und 10 ab dem 01.01.2002 gem. § 11 Satz 1 abgelöst.

3.1. Die Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 ist rechtswirksam. Rechtsgrundlage für die Betriebsvereinbarung ist § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat ein - eingeschränktes - zwingendes Mitbestimmungsrecht bei einer allein nach dem Umsatz zu berechnenden Vergütung, die nicht an einer Leistung des Arbeitnehmers zu messen ist und nicht mit einer Bezugsleistung zu vergleichen ist (vgl. BAG v. 22.10.1985 - 1 ABR 67/83 -, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 "Provision" und öfter). Sonstige Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit der Betriebsvereinbarung sind weder erhoben noch erkennbar.

3.2. Die Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 hat die bis zum 31.12.2001 geltende Provisionsvereinbarung für "Westfahrer", mithin auch für den Kläger, abgelöst.

Seit dem Beschluss des großen Senats vom 16.09.1986 (GS 1/82, AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972) steht fest, dass eine Betriebsvereinbarung zulasten der betroffenen Arbeitnehmer in Arbeitsverträge eingreifen kann, wenn diese den Vorbehalt der Abänderung durch Betriebsvereinbarung enthalten, also betriebsvereinbarungsoffen sind. Diese Rechtsprechung ist durch die spätere ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgenommen worden. Danach gilt das sogenannte Ablösungsprinzip und nicht das Günstigkeitsprinzip, wenn etwa eine unter Änderungsvorbehalt stehende Gesamtzusage durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt werden soll (vgl. nur BAG v. 14.08.2001 - 1 AZR 619/00 -, AP Nr. 85 zu § 77 BetrVG 1972 und v. 23.10.2001 - 3 AZR 74/01 -, AP Nr. 33 zu § 1 BetrAVG "Ablösung" j. m. w. N. und öfter). Wie ausgeführt war Inhalt der arbeitsvertraglichen Abrede zwischen den Parteien der Vorbehalt, die bisherige Regelung für künftige Fälle der Abänderbarkeit durch Betriebsvereinbarung bzw. kollektiv-rechtliche Regelung abzuändern. Dies ist mit der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 geschehen.

3.3. Demgegenüber ist die Berufungskammer der Ansicht, dass die Kollision der vorliegenden Vereinbarungen und Regelungen nicht mithilfe des sogenannten kollektiven Günstigkeitsprinzips erfolgen kann. Denn ein Fall, auf den das kollektive Günstigkeitsprinzip Anwendung finden könnte, ist hier nicht gegeben. Nur vertraglich begründete Ansprüche der Arbeitnehmer auf sogenannte freiwillige Sozialleistungen, die auf eine vom Arbeitgeber gesetzte Einheitsregelung oder eine Gesamtzusage zurückgehen, können durch nachfolgende Betriebsvereinbarung in den Grenzen von Recht und Billigkeit beschränkt werden, wenn die Neuregelung insgesamt bei kollektiver Betrachtung nicht ungünstiger ist (BAG, GS v. 16.09.1986 - GS 1/82 -, a. a. O. und BAG, GS v. 07.11.1989 - GS 3/85 -, BAG E 63, 211).

Die Abrede zwischen den Parteien betrifft keinen solchen Anspruch. Zwar mag es sich hier auch um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handeln, wie die Beklagte eingeräumt hat, doch handelt es sich nicht um eine Sozialleistung. Die zwischen den Parteien vereinbarte Umsatzprovision betrifft nämlich Ansprüche des Klägers auf das eigentliche Arbeitsentgelt als Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Insofern betrifft auch die Provisionsregelung in der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 Ansprüche, die sich auf das im unmittelbaren Synallagma stehende echte Arbeitsentgelt beziehen. Für solche Ansprüche scheidet ein kollektiver Günstigkeitsvergleich aus (so auch BAG v. 28.03.2000 - 1 AZR 366/99 -, AP Nr. 83 zu § 77 BetrVG 1972). Darüber hinaus, auch dies hat der Kläger zu Recht eingewandt, ist die streitgegenständliche Provisionsregelung in der Sache einem Günstigkeitsvergleich kollektiver Art nicht zugänglich. Dies schon deshalb, weil der künftige Umfang der freiwilligen Mittel des Arbeitgebers nicht im vorhinein festliegt und festgelegt werden kann, sondern, gekoppelt an den vom Kläger zu erzielenden Umsatz, u. a. von der Leistung des Klägers abhängt. Dass die Anwendungsprobleme im Umgang mit dem kollektiven Günstigkeitsvergleich zum Ausschluss des kollektiven Günstigkeitsvergleichs führen kann, ist in der Rechtsprechung des 3. Senats anerkannt (vgl. nur Entscheidungen v. 23.10.2001 - 3 AZR 74/01 -, a. a. O.; v. 18.03.2003 - 3 AZR 101/02 - und vom 17.06.2003 - 3 ABR 43/02 -). Mithin scheidet vorliegend die Anwendung des kollektiven Günstigkeitsvergleichs aus.

4. Ob die Ablösung der bisherigen Provisionsvereinbarung, die bis zum 31.12.2001 Anwendung fand, durch die Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 nach dem Ordnungs- oder Ablösungsprinzip frei erfolgen konnte oder nur unter Beachtung billigen Ermessens gem. § 315 Abs. 1 BGB oder ob die Neuregelung, an ihrem Zweck gemessen, geeignet, erforderlich und proportional sein muss, kann dahinstehen. Denn auch unter Anlegung eines strengen Verhältnismäßigkeitsprinzips ist nach Auffassung der Berufungskammer die Ablösung rechtmäßig.

4.1. Soweit erkennbar hat vor allem der 3. Senat des Bundesarbeitsgerichts für die Ablösung von arbeitsvertraglichen Einheitsregelungen, mit denen in Besitzstände der Arbeitnehmer hinsichtlich von Versorgungsleistungen eingegriffen wird, entschieden, dass solche Eingriffe nicht schrankenlos möglich sind, sondern entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit am Zweck der Neuregelung gemessen geeignet, erforderlich und proportional sein müssen. Die Änderungsgründe sind gegenüber den Bestandsschutzinteressen der bisher begünstigten Arbeitnehmer abzuwägen (vgl. dazu nur BAG v. 23.10.2001 - 3 AZR 74/01 -, a. a. O und öfter). Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht.

Der Große Senat des BAG hat in seinem Beschluss vom 16.09.1986 (GS 1/82, a. a. O.) die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht nur auf umstrukturierende Betriebsvereinbarungen und für Ansprüche der Arbeitnehmer auf Versorgungsleistungen gefordert, sondern auch für Ansprüche auf andere Sozialleistungen, ohne die dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen detailliert zu beantworten. Da der Kläger mit seiner vorliegenden Klage keine Ansprüche auf Sozialleistungen erhebt und der vertraglich vereinbarte Vorbehalt gerade auf eine Abänderbarkeit der Provisionszahlungen notfalls auch zulasten des Klägers abzielt, mag die Anwendung des strengen Verhältnismäßigkeitsprinzips, wie die Beklagte einwendet, mindestens fraglich sein, kann schließlich aber dahinstehen.

4.2. Nach dem Zweck der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 ist die Neuregelung jedoch zur Ablösung der alten Provisionsregelung geeignet. Sie gilt für alle Frischdienstverkäufer im Betrieb B., stellt die Provisionszahlungen daher auf eine für alle geltende Rechtsgrundlage und bietet eine objektiv bestimmbare Rechtsgrundlage. Sie ist in jahrelanger Verhandlung zwischen den Betriebsparteien ausgehandelt worden. Anhaltspunkte für eine fehlende Berücksichtigung der Interessen eines Betriebspartners gem. § 2 Abs. 1 BetrVG sind nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür sind auch von keiner Prozesspartei eingewandt worden.

Diese Regelung war auch mindestens deswegen erforderlich, weil unstreitig im Betrieb der Beklagten in B. zwei unterschiedliche Vergütungssysteme bis zum 31.12.2001 zur Anwendung gelangten. Neben dem Provisionssystem für die "Westfahrer" auch das abweichende Provisionssystem für die "Ostfahrer". Letzteres Provisionssystem soll auf einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung basieren. Näheres ist dazu nicht vorgetragen worden. Beide Systeme zusammenzuführen, dies hat auch der Kläger nicht in Abrede gestellt, ist legitimer Zweck der Betriebsvereinbarung. Ob daneben, wie die Beklagte behauptet hat, noch andere Zwecke existieren, kann dahingestellt bleiben.

4.3. Die Neuregelung ist auch, gemessen an den bisherigen vertraglichen Bedingungen für den Kläger, im engeren Sinne verhältnismäßig. Zwar sind die von der Beklagten genannten Zahlen, soweit sie eine Vergleichbarkeit auf der Basis von Nettozahlungen herstellen sollen, vom Kläger zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten worden. Die Vergleichbarkeit kann jedoch im Einzelnen dahingestellt bleiben.

Fest steht jedenfalls, dass der Kläger seit dem 01.01.2002 auch auf der Basis der neuen Betriebsvereinbarung kein geringeres Gesamtnettoentgelt erhält als vorher. Dies mag zwar auch seine Ursache in einer Mehrleistung des Klägers haben, wie dieser vorgetragen hat. Darauf kommt es jedoch nicht an. Denn durch § 8 der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 haben die Betriebsparteien eine nur durch die folgenden Tariferhöhungen abzuschmelzende Sicherung der durchschnittlichen Provision des Jahres 2000 vereinbart, soweit diese über 766,94 Euro betrug. Mit dieser Härtefallregelung wird jedenfalls auch für den Kläger eine Verdienstsicherung erzielt, die eine erheblich reduzierte Provisionszahlung ausgleicht. Unterstellt man die klägerischen Angaben als richtig, dann hat sich seine bisherige Provisionszahlung deutlich reduziert. Diese erhebliche Reduzierung wird aufgefangen durch die Härtefallregelung in § 8 der Betriebsvereinbarung.

Schließlich ist zu beachten, dass die auch vom Kläger nicht in Abrede gestellte, im Laufe der Zeit immer größer gewordene Kluft zwischen der niedrigen Provisionsvergütung eines "Ostfahrers" und der immer stärker angewachsenen Provision eines "Westfahrers" geschlossen worden ist. Auf der Basis des für alle geltenden Tarifs und der entsprechenden Festgeldkomponente erhalten nunmehr alle Verkaufsfahrer im Betrieb B. Provision nach einheitlichen Provisionsregeln. Eine gegen § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßende Ungleichbehandlung der beiden Fahrergruppen wird dadurch für die Zukunft vermieden. Eine deutliche Reduzierung der klägerischen Provisionen als "Westfahrer" - bei Sicherung seines Einkommens durch § 8 der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 - ist notwendigerweise damit verbunden, sollen die Gesamtkosten des Provisionsaufkommens für die Beklagte nicht erheblich ansteigen. Dass die Gesamtaufwendungen der Beklagten für die Personalkosten der Verkaufsfahrer nicht gesunken, sondern leicht gestiegen sind, hat sie dargelegt. Auch der Kläger hat nicht behauptet, dass die Nettozahlung an ihn - monatlich - zurückgegangen sei. Mithin hat die Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 auch nicht unverhältnismäßig in etwaige vergütungsrechtliche Besitzstände des Klägers eingegriffen.

5. Wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat, ist auch die rückwirkende Inkraftsetzung der Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 für einen Monat auf den 01.01.2002 rechtswirksam.

Weder ist das mögliche Vertrauen des Klägers auf den unveränderten Fortbestand der bisherigen Regelung gem. § 242 BGB vertraglich geschützt, noch hat die Beklagte mit dem Abschluss der neuen Betriebsvereinbarung vom 29.01.2002 in ein solchermaßen geschütztes Vertrauen in rechtswidriger Weise eingegriffen. Dies gilt schon deswegen, weil die Beklagte die Betriebsvereinbarungen vom 20.10.1976 und vom 28.02.1990 mit Schreiben vom 20.09.1999 vorsorglich mit dem Ziel einer neuen Betriebsvereinbarung über Provisionszahlungen gekündigt hat. Im Anschluss daran hat die Beklagte jahrelang mit ihrem Betriebsrat über den Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung verhandelt und erst am 29.01.2002 einen Abschluss erzielt. Auch wenn dem Kläger dieser Ablauf nicht bekannt gewesen sein sollte, schließt er die Rechtswidrigkeit eines arbeitgeberseitigen Eingriffs aus. Im Hinblick auf den Vorbehalt einer kollektiven Abänderbarkeit seiner vertraglichen Abrede musste der Kläger ohnehin mit der künftigen Veränderung und einer für ihn ungünstigen kollektiven Neuregelung rechnen. Ein geschütztes Vertrauen konnte so nicht entstehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG; den Parteienvertreter ist die abweichende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 14.01.2004 - 6 Sa 54/03 - bekannt.

Ende der Entscheidung

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