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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 08.10.2004
Aktenzeichen: 5 Sa 382/04
Rechtsgebiete: Arbeitsvertragsrichtlinie (AVR) Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg (DW BB)


Vorschriften:

Arbeitsvertragsrichtlinie (AVR) Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg (DW BB) § 5
Nach § 5 Abs. 5 AVR ist nur der Sachgrund im Arbeitsvertrag anzugeben. Daraus ergibt sich kein Zitiergebot bei sachgrundloser Befristung.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 382/04

verkündet am 08.10.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 08.10.2004 durch die Vorsitzende Richterin am LAG Kaiser als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin C. und den ehrenamtlichen Richter S.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 13.05.2004 - 8 Ca 123/04) - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der bis 31.12.2003 vereinbarten Befristung ihres Arbeitsvertrages vom 16.04.2003, in dessen § 2 auf die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Ev. Kirche in Deutschland (AVR-Ost, B/L) in der jeweils geltenden Fassung Bezug genommen wurde.

Die Arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werkes der EKD (AK DW EK) beschloss mit Wirkung zum 01.01.2001 folgende Fassung des § 5 Abs. 5 AVR:

"(5) Befristete Dienstverhältnisse dürfen nur auf Wunsch der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters abgeschlossen werden oder wenn für die Befristung sachliche Gründe i.S.v. § 14 Abs. 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge bestehen. Der Grund für die Befristung ist im Dienstvertrag anzugeben. Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter, deren bzw. dessen Dienstverhältnis befristet ist, soll bei der Besetzung eines Dauerarbeitsplatzes bei gleicher Eignung im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten bevorzugt berücksichtigt werden. Über das Freiwerden eines solchen Dauerarbeitsplatzes hat die Dienstgeberein bzw. der Dienstgeber die befristet beschäftigten Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter zu informieren.

Die Befristung eines Dienstverhältnisses bis zur Dauer von höchstens zwei Jahren ist auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes i.S.d. Unterabs. 1 Satz 1 gem. § 14 Abs. 2 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge zulässig."

Die Arbeitsrechtliche Kommission des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg (AK DW BB) fasste am 06.02.2001 den Beschluss, diese Regelung mit der Maßgabe zu übernehmen, dass § 5 Abs. 5 Unterabs. 2 um folgenden Satz ergänzt wird:

"Bis zu dieser Gesamtdauer ist abweichend von § 14 Abs. 2 TzBfG die einmalige Verlängerung des befr. Dienstverhältnisses zulässig."

Mit ihrer am 14.01.2004 beim Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristungsabrede geltend gemacht und zur Begründung zunächst vorgetragen, es fehle an einem sachlichen Grund, der nach § 5 Abs. 5 Satz 2 AVR auch im Arbeitsvertrag hätte angegeben werden müssen. Nachdem sich die Beklagte darauf berufen hat, dass es sich um eine sachgrundlose Befristung gehandelt habe, hat die Klägerin die Auffassung vertreten, auch dies sei im Arbeitsvertrag anzugeben. Im Übrigen hat sie vorgetragen: § 5 Abs. 5 AVR statuiere, dass befristete Dienstverhältnisse nur auf Wunsch der Mitarbeiterin abgeschlossen werden könne; ein solcher Wunsch habe nicht vorgelegen. Während des Einstellungsgesprächs habe der Ressortleiter Personal, Herr L., geäußert, befristete Arbeitsverhältnisse würden in der Regel immer verlängert, wobei er nicht versprechen könne, ob die Fachkraftstelle, auf der sie, die Klägerin, tätig sei, verlängert werde, da diese unter dem Vorbehalt der Finanzierung durch das Land Brandenburg stehe. Dies sei als vertragliche Nebenabrede zu qualifizieren, wobei die im Gespräch angegebenen Gründe die Befristung nicht rechtfertigen würden. Die Umstände des Vertragsschlusses sprächen dafür, dass die sachgrundlose Befristung ausdrücklich bzw. konkludent habe abbedungen werden sollen. Jedenfalls hätte die Beklagte sie auf die Sachgrundlosigkeit der Befristung hinweisen müssen, dann hätte sie auf eine günstigere Gelegenheit bei der Stellenbesetzung gewartet.

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) hat mit dem am 13.05.2004 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 57 bis 58 d. A.), festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristung vom 16.04.2003 nicht beendet ist. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 5 Abs. 5 AVR sei dahingehend auszulegen, dass im Arbeitsvertrag auch anzugeben sei, ob es sich um eine sachgrundlose Befristung handele. .Aus der Tatsache, dass nach Unterabsatz (UA) 1 Satz 2 der genannten Regelung die Angabe des Grundes für die Befristung zwingend geregelt sei und die sachgrundlose Befristung "i.S. des Unterabs. 1 Satz 1 gemäß § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG" zulässig sei, sei zu schließen, dass dies Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Form der getroffenen Befristungsabrede sei.

Gegen dieses ihr am 14.06.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit dem am 09.07.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 21.07.2004 begründet.

Sie vertritt die Auffassung, dass eine Auslegung, wie sie das Arbeitsgericht vorgenommen hat, nicht möglich sei. Vielmehr bestehe, wie auch nach den gesetzlichen Regelungen, kein Zitiergebot. Eine Einschränkung des § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG sei den AVR in der Fassung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des DWBB lediglich dahingehend erfolgt, dass nur eine einmalige Verlängerung zulässig sei. Ein anderslautender Wille hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen, wie beispielsweise in den Sonderregelungen für den Bereich Kurhessen-Waldeck. Sie behauptet, der Ressortleiter Herr L. habe beim Einstellungsgespräch auf die Sachgrundlosigkeit der Befristung hingewiesen. Die Klägerin meint, dass selbst bei der Annahme, dies müsse schriftlich im Arbeitsvertrag angegeben werde, nicht die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Befristungsabrede eintrete, sondern allenfalls Schadensersatzansprüche in Betracht kämen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 13.05.2004 - 8 Ca 123/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen und behauptet, beim Einstellungsgespräch sei über Gründe für die Befristung nicht gesprochen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und aufgrund des Streitgegenstandes gemäß § 64 Abs. 2 lit c) ArbGG zulässige Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 3, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.

2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die vereinbarte Befristung ist nicht unwirksam, so dass durch sie das Arbeitsverhältnis mit dem 31.12.2003 aufgelöst worden ist.

Die Wirksamkeit der Befristung ergibt sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG i.V.m. § 5 Abs. 5 UA 2 AVR, da es sich um die erstmalige Befristung eines Arbeitsverhältnisses der Parteien handelte und sie sich innerhalb des gesetzlichen Höchstrahmens von zwei Jahren hielt.

2.1 Ein - rechtlich zulässiger - Ausschluss dieser Befristungsmöglichkeit ist zwischen den Parteien nicht vereinbart. Dies ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Arbeitsvertrages noch aus den Umständen des Vertragsschlusses. Die fehlende Angabe eines Sachgrundes im Vertrag lässt auf das Gegenteil schließen. Auch aus den von der Klägerin geschilderten Umständen folgt nicht, dass die Parteien die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung abbedingen wollten. Nach dem nunmehrigen Vortrag der Klägerin wurde über einen Sachgrund im Rahmen der Einstellung nicht gesprochen. Abgesehen davon, dass dies im Widerspruch zum erstinstanzlichen Vorbringen steht, in dem - in Verkennung der Rechtslage - aus behaupteten Andeutungen zum Finanzierungsvorbehalt der Stelle noch von einer Nebenabrede ausgegangen wurde, lässt sich aus einer fehlenden Erwähnung eines sachlichen Grundes gerade nicht auf einen vertraglichen Ausschluss der Befristungsmöglichkeit ohne Sachgrund schließen. Selbst bei Angabe eines Sachgrundes kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Parteien eine sachgrundlose Befristung vertraglich ausschließen wollten (vgl. BAG Urt. v. 05.06.2002 - 7 AZR 24101 -; Urt. v. 04.06.2003 - 7 AZR 489/02)).

2.2 Die Wirksamkeit der Befristung scheitert auch nicht daran, dass die Sachgrundlosigkeit im Vertrag nicht angegeben ist. 2.2.1 Die gesetzlichen Regelungen des § 14 TzBfG enthält kein Zitiergebot. Die Schriftformklausel des § 14 Abs. 4 TzBfG bezieht sich - ebenso wie die Vorgängerregelung in § 623 BGB a.F. - nur auf die Befristungsabrede selbst, nicht auf den Befristungsgrund einer kalendermäßigen Befristung (vgl. ErfKo-Müller-Glöge, 5. Aufl., § 14 TzBfG Rdnr. 141 m.w.N.). Insbesondere ergibt sich hieraus nicht, dass die Rechtsgrundlage für die Befristung genannt werden müsste (vgl. BAG, Urt. v. 04.06.2003 - 7 AZR 489/02 - Rdnr. 20)

2.2.2 Aus den auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren AVR ergibt sich nichts anderes.

2.2.2.1 Bei den AVR handelt es sich nicht um einen Tarifvertrag. Sie beruhen vielmehr auf kirchenrechtlichen Bestimmungen und innerkirchlichen Vereinbarungen und entfalten deshalb keine normative Wirkung (vgl BAG, Urt. v. 15.11.2001 - 6 AZR 88/01). Sie gelten vorliegend aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme.

2.2.2.2 Auf die Inhaltskontrolle der AVR sind die für Tarifverträge geltenden Maßstäbe jedenfalls dann anzuwenden, wenn darin Tarifvertragsregelungen übernommen werden oder Regelungen gleichen Inhalts enthalten sind (vgl. BAG, Urt. v. 06.11.1996 - 5 AZR 334/95). Insoweit gelten auch die gleichen Auslegungskriterien.

2.2.2.3 Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt eine Auslegung des § 5 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR nicht ein konstitutives Schriftformerfordernis für die Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung.

Ein derartiger Inhalt lässt sich weder dem Wortlaut der Regelung entnehmen noch ergibt er sich aus dem systematischen Zusammenhang oder Sinn und Zweck.

Die Bezugnahme auf den Unterabs. 1 durch die Formulierung "i.S.d. Unterabs. 1 Satz 1" dient der Erläuterung des Begriffs des sachlichen Grundes und soll nicht die Anwendung des Satzes 2 des ersten Unterabs. begründen. Dies ergibt sich schon daraus, dass der sachliche Grund in Unterabs. 1 Satz 1 anders definiert ist ("i.S.d."), als in § 14 Abs. 1 TzBfG, da er gesondert und ausdrücklich den Wunsch des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin als sachlichen Grund nennt. Für die Befristung ohne sachlichen Grund wird dagegen auf § 14 Abs. 2 TzBfG verwiesen, "gemäß" dem eine Befristung zulässig sein soll. Eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung enthält nur der durch den Beschluss der AK DW BB ergänzend geltende Satz zu der beschränkten Verlängerungsmöglichkeit.

Eine direkte Anwendung des Satzes 2 des Unterabs. 1 kommt schon nach dem Wortlaut nicht in Betracht. Ein "Grund für die Befristung" kann nicht angegeben werden, wenn ein solcher nicht vorhanden ist. Die Angabe "sachgrundlos" oder "nach § 5 Abs. 5 Unterabs. 2 AVR" wäre nicht die Bezeichnung des Befristungsgrundes, sondern der Rechtsgrundlage für die Befristungsmöglichkeit. Dafür, dass der Regelung ein derartiger Inhalt zukommen sollte, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.

Fehlt geht der Hinweis der Klägerin auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, der es gebiete, dass die Befristungsarten unterschieden werden können. Dem ist schon dadurch Rechnung getragen, dass bei einer Befristung mit sachlichem Grund dieser auch im Vertrag anzugeben ist. Umgekehrt folgt daraus, dass bei fehlender Nennung eine sachgrundlose Befristung vorliegt.

Eine Erweiterung des Schriftformerfordernisses auf den Fall der sachgrundlosen Befristung ist danach ausgeschlossen.

2.2.3 Welche Rechtsfolge ein Verstoß gegen § 5 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 AVR hat, ob also die fehlende Angabe eines Sachgrundes den Arbeit- bzw. Dienstgeber lediglich hindert, dessen objektives Vorliegen im Streitfall vorzubringen, oder ob damit die gesamte Befristungsabrede wegen Verstoßes gegen Formvorschriften unwirksam ist, bedarf deshalb keiner Entscheidung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da der Sache grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt und die Kammer die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Entscheidung zugrunde gelegt hat.

Ende der Entscheidung

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