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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 18.03.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 723/04
Rechtsgebiete: BGB, GmbHG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 2
GmbHG § 64 l
Der Arbeitnehmer einer GmbH kann vom Geschäftsführer, der seine Pflicht zur Anmeldung der Insolvenz verletzt hat, nicht die Erfüllung des Entgeltanspruchs verlangen. Auch bei Einordnung des Arbeitnehmers als Neugläubiger (im Sinne der Rspr. Des BGH) kann er im Rahmen des Schadenersatzes nur das negative Interesse ersetzt verlangen. Dieses kann sich nach der Höhe nur dann mit dem Erfüllungsinteresse decken, wenn der Arbeitnehmer darlegen und beweisen kann, dass er im Fall der Kenntnis der Insolvenzreife das Arbeitsverhältnis nicht eingegangen bzw. fristlos beendet hätte und sofort einen anderen Arbeitsplatz gefunden hätte mit mind. Gleich hohem Entgelt. Eine dahingehende Vermutung besteht nicht.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 723/042

verkündet am 18.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 18.03.2005 durch dien Vorsitzende Richterin am LAG K. als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter S. und von S.

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 20.10.2004 - 1 Ca 1376/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch, den der vom 28.12.2001 bis 31.03.2002 bei der M. Montageservice GmbH (im Folgenden: GmbH) beschäftigte Kläger gegen den Beklagten als ehemaligem Geschäftsführer dieser GmbH wegen Insolvenzverschleppung geltend macht.

Der Kläger erwirkte gegen die GmbH wegen unterlassener Lohnzahlung für die Monate Januar bis März 2002 ein Versäumnisurteil vom 31.05.2002, das nach Rücknahme des Einspruchs rechtskräftig wurde. Im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil erfuhr der Kläger am 26.06.2003, dass die GmbH Insolvenzantrag gestellt hatte und dieser mangels Masse am 28.06.2002 abgewiesen worden war.

Gemäß Rückforderungsbescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 27.02.2003 und 27.01.2004 erhielten 21 ehemalige Arbeitnehmer der GmbH Insolvenzgeld. Der Kläger stellte einen entsprechenden Antrag nicht.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Vergütung für die genannten Monate gegenüber dem Beklagten geltend gemacht mit der Begründung, angesichts offener Lohnforderungen sei die GmbH bereits im Dezember 2001 überschuldet gewesen; er hätte einen Arbeitsvertrag bei Kenntnis dieses Umstandes nicht abgeschlossen und keine Arbeitsleistung erbracht, so dass der Geschäftsführer ihm gegenüber zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei.

Das Arbeitsgericht Neuruppin hat durch das am 20.10.2004 verkündete Urteil, auf dessen Tatbestand zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird (Bl. 55 bis 56 d. A.), die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es fehle an Darlegungen des Klägers zur Kausalität zwischen der behaupteten Verletzung der Verpflichtung des Geschäftsführers zur Anmeldung der Insolvenz und dem behaupteten Schaden, zumal der Kläger es unterlassen hat, seinen Anspruch auf Insolvenzgeld zu realisieren, obwohl er den Antrag noch nach Kenntniserlangung im Juni 2003 innerhalb von zwei Monaten hätte stellen können.

Gegen dieses ihm am 01.11.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger mit dem am 25.11.2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 27.12.2004 begründet.

Der Kläger trägt vor: Er hätte bei Kenntnis des Umstandes, dass die GmbH einigen Arbeitnehmern noch über Monate Lohn schuldete, das Arbeitsverhältnis nicht angetreten. Spätestens im Januar sei die GmbH zur Offenlegung ihrer Zahlungsunfähigkeit verpflichtet gewesen, dann hätte er die Arbeit nicht fortgesetzt. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass jemand eine Arbeitsleistung erbringe in Erwartung, er werde keine Vergütung erhalten. Ob er bei einer Antragstellung nach dem 26.06.2003 noch Insolvenzgeld hätte beziehen können, sei fraglich. Eine entsprechende Schadensminderungspflicht bestünde nicht, da sein Anspruch dann nur auf die Bundesagentur übergegangen wäre.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 20.10.2004 - 1 Ca 1376/04 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

1. an den Kläger 1.213,41 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.03.2002,

2. an den Kläger 1.632,00 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2002,

3. an den Kläger 1.495,32 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthafte und nach dem Beschwerdewert gemäß § 64 Abs. 2 lit b) ArbGG zulässige Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 3, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO.

2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, so dass seine Klage zurecht abgewiesen worden ist.

2.1 Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG.

2.1.1 Verletzt der Geschäftsführer einer GmbH die ihm nach § 64 Abs. 1 GmbHG obliegende Pflicht, innerhalb von spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, kann ein Gläubiger der GmbH den ihm kausal durch die Verzögerung der Antragstellung entstandenen Schaden vom Geschäftsführer ersetzt verlangen, da die genannte Norm ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellt.

Dieser Schadensersatzanspruch beschränkt sich grundsätzlich auf den sogenannten Quotenschaden, der sich bei einem Vergleich der Befriedigungsquote bei rechtzeitiger Antragstellung und der verspäteten ergibt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (seit Urt. v. 06.06.1994 - II ZR 292/91- unter Aufgaben der bisherigen Rechtsprechung) haben die (Neu-)Gläubiger, die ihre Forderungen gegen die GmbH nach dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem Konkursantrag hätte gestellt werden müssen, gegen den insoweit schuldhaft pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer einen Anspruch auf Ausgleich des vollen - nicht durch den "Quotenschaden" begrenzten - Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen GmbH getreten sind. Die Insolvenzantragspflicht dient auch dem Zweck, neue Gläubiger davor zu bewahren, mit einer insolventen Gesellschaft noch in geschäftlichen Kontakt zu treten. Zu ersetzen ist in diesem Fall das sogenannte negative Interesse, also der Vertrauens- nicht der Erfüllungsschaden.

2.1.2 Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich unter Zugrundelegung des Vortrags des Klägers kein Anspruch auf Schadensersatz.

Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass der Beklagte bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages die Antragsfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG überschritten hatte - obgleich ein hinreichender Sachvortrag des Klägers auch hierzu fehlt.

Weiter kann angenommen werden, dass der Kläger als Neugläubiger im Sinne der BGH-Rechtsprechung einzuordnen ist.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers scheitert daran, dass er die Erfüllung des Arbeitsvertrages, nämlich seinen Lohnanspruch nach § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag geltend macht. Den Erfüllungsschaden kann jedoch nach obigen Ausführungen auch der Neugläubiger nicht ersetzt verlangen.

Zwar ist denkbar, dass der zu ersetzende Vertrauensschaden in gleicher Höhe entstanden ist. Hierfür wäre jedoch Voraussetzung, dass der Kläger bei Kenntnis der Insolvenzreife nicht nur das Arbeitsverhältnis mit der GmbH nicht eingegangen wäre, sondern darüber hinaus für den gleichen Zeitraum ein anderes Arbeitsverhältnis begründet und in diesem einen Lohnanspruch in mindestens gleicher Höhe erworben hätte.

Hierfür fehlt jeglicher Vortrag des Klägers. Eine Vermutung ist insoweit nicht begründet. Es mag sein, dass es der Lebenserfahrung widerspricht, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, obwohl er weis, dass er die Vergütung hierfür nicht erhalten wird. Hierauf kommt es jedoch vorliegend nicht an. Eine Lebenserfahrung dahingehend, dass jeder Arbeitnehmer sofort einen anderen Arbeitgeber findet und dort Vergütung in mindestens gleicher Höhe erhält, gibt es nicht, so dass insofern eine Erleichterung der Darlegung aufgrund einer entsprechenden Vermutung nicht eintritt (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.2003 - II ZR 241/02).

2.2 Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB.

Auch bei einem sogenannten Eingehungsbetrug, für den der Kläger im Übrigen ebenfalls keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen hat, gilt zur Ersatzfähigkeit das Gleiche wie bei der Insolvenzverschleppung.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da der Sache grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt und die Kammer die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Entscheidung zugrunde gelegt hat.

Ende der Entscheidung

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