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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 9 Sa 205/05
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 5
BetrVG § 102
BetrVG § 111
Um einen die Vermutungswirkung nach § 1 KSchG auslösenden Interessenausgleich mit Namensliste aufgrund einer Betriebsänderung handelt es sich auch dann, wenn sich die Betriebseinschränkung in einem erheblichen Personalabbau erschöpft. Bei der Beurteilung der Frage der "Erheblichkeit" der Personalreduzierung sind die Schwellenwerte nach § 17 Abs. 1 KSchG keine "starren" Zahlenvorgaben, sondern "Richtschnur". Bei einem geringfügigen Unterschreiten der Schwellenwerte kann eine einzelfallbezogene, wertende Betrachtungsweise zur Annahme einer Betriebsänderung führen.
Landesarbeitsgericht Brandenburg IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 Sa 205/05

verkündet am 13. 10. 2005

In dem Rechtsstreit

hat die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 13. 10. 2005 durch die Richterin am Arbeitsgericht S. als Vorsitzende sowie die ehrenamtliche Richterin N. und den ehrenamtlichen Richter S.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 23. 3. 2005 - 4 Ca 1520/04 - teilweise abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen auf Grund eines Interessenausgleichs mit Namensliste und über einen vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin.

Die 1955 geborene, verheiratete und keinem Kind unterhaltsverpflichtete Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 1. März 1981 als Sachbearbeiterin zu einem Bruttomonatseinkommen von zuletzt 2.397,00 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden tätig. Die Beklagte, bei der ein Betriebsrat gebildet ist, ist eine Wohnungsbaugesellschaft und beschäftigte zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung 67 Arbeitnehmer einschließlich 5 Auszubildender und 14 Hausbetreuer. Bei letzteren handelt es sich um geringfügig Beschäftigte, deren Verdienst sich zwischen 25,56 € brutto und 255,65 € brutto monatlich bewegt. Die Klägerin war zuletzt im Bereich Betriebskosten eingesetzt. Im Team Betriebskosten sind außerdem beschäftigt: Teamleiter Herr D., geb. 1964, seit 20.09.1983 betriebszugehörig, ein unterhaltspflichtiges Kind, verheiratet; Herr S., geb. 1957, seit 07.02.1983 betriebszugehörig, ein unterhaltspflichtiges Kind, ledig; Frau W., geb. 1948, seit 01.03.1979 betriebszugehörig, keine unterhaltspflichtigen Kinder, verwitwet.

Auf das Arbeitverhältnis der Parteien findet kraft vertraglicher Bezugnahme der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft Anwendung. Wegen der wirtschaftlichen Situation der Beklagten empfahl ein zeitweiliger Ausschuss der Stadtverordnetenversammlung, die Beklagte nur unter der Voraussetzung einer Reduzierung der Kosten und Ausgaben fortzuführen. Ohne eine Personalkostensenkung ab 2005 i.H.v. ca. 800.000,- € wurde die Geschäftsführung der Beklagten mit der Vorbereitung einer Ausschreibung der gesamten Arbeitsaufgaben der Beklagten für Fremdunternehmen beauftragt. Der Geschäftsführer der Beklagten traf deshalb im August 2004 die unternehmerische Entscheidung, 6 Stellen bei der Beklagten zu streichen. Eine Stelle sollte zum 1. Januar 2005, fünf weitere zum 1. April 2005 wegfallen. Im Bereich der Hausverwaltung/Restitution sollten 2 Stellen sowie in den Bereichen Betriebskosten, Rechnungswesen, Technik und Allgemeine Verwaltung jeweils eine Stelle betroffen sein. Am 26. August 2004 wurde der Betriebsratsvorsitzenden eine listenmäßige Aufstellung der personenbezogenen Daten sämtlicher bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer übergeben (wegen der Einzelheiten dieser Liste wird auf Bl. 310 bis 314 d.A. verwiesen). Am 13. September 2004 unterzeichneten der Geschäftsführer der Beklagten und die Betriebsratsvorsitzende einen Interessenausgleich und einen Sozialplan sowie eine "Namensliste der von betriebsbedingten Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Sinne von § 1 Abs. 5 KSchG" als Bestandteil des Interessenausgleichs und Sozialplans, in welcher die Klägerin aufgeführt wird (auf Bl. 42 d.A. wird verwiesen). Im Interessenausgleich und Sozialplan, wegen dessen vollständigen Wortlauts auf Bl. 30 bis 42 d.A. Bezug genommen wird, ist u.a. bestimmt, dass eine Übertragung der Arbeitsaufgaben der Klägerin auf die verbleibenden drei Mitarbeiter des Teams Betriebskosten sowohl durch die Reduzierung des Wohnungsbestandes als auch durch die Optimierung der Arbeitsabläufe ermöglicht werden soll. Die Aufteilung der einzelnen Tätigkeiten (Kostenart Wasser und Abwasser, Rechnungsbearbeitung sonstige Betriebskosten sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Betriebskostenabrechnung) auf die verbleibenden drei Beschäftigten ist - unter Aufführung der prozentualen Anteile der bisher von der Klägerin bewältigten Arbeitsanteile - im Einzelnen beschrieben. Weiter heißt es im Interessenausgleich und Sozialplan unter der Überschrift "Betriebsratsanhörung gem. § 102 BetrVG":

Der Betriebsrat erklärt ausdrücklich, dass mit Abschluss dieses Interessenausgleichs und Sozialplanes auch das Anhörungsverfahren für die sechs genannten betriebsbedingten Kündigungen nach § 102 BetrVG abgeschlossen ist. Der Betriebsrat verzichtet ausdrücklich auf eine weitere Anhörung und wird zu den in der Namensliste genannten betriebsbedingten Kündigungen keine weitere Stellungsnahme abgeben."

Mit Schreiben vom 23. September 2004 - der Klägerin am selben Tag zugegangen - kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31. März 2005. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 30. September 2004 beim Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel eingegangenen Klage gewehrt. Mit am 8. Dezember 2004 beim Arbeitsgericht eingegangener Klageerweiterung hat sie ihre vorläufige Weiterbeschäftigung bei der Beklagten geltend gemacht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Dem Interessenausgleich läge keine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG zu Grunde, weil der Personalabbau nicht die "Schwellenwerte" nach § 17 Abs. 1 KSchG erreiche. Vorsorglich hat die Klägerin bestritten, dass die Beklagte eine Massentlassungsanzeige i.S.v. § 17 KSchG gegenüber der örtlichen Agentur für Arbeit erstattet hat. Darüber hinaus sei der Betriebsrat durch widerrechtliche Drohung einer europaweiten Ausschreibung der Leistungen der Beklagten seitens der Geschäftsführung zur Unterzeichnung des Interessenausgleichs und Sozialplans nebst Namensliste bewegt worden. Die Widerrechtlichkeit der Drohung ergebe sich daraus, dass die im Interessenausgleich behauptete Finanzlage der Beklagten tatsächlich nicht vorgelegen habe. Des Weiteren hat die Klägerin bestritten, dass der Interessenausgleich mit Namensliste formell wirksam zustande gekommen - insbesondere die Betriebsratsvorsitzende bei der Unterzeichnung wirksam vom Betriebsrat hierzu bevollmächtigt gewesen - sei. Ein Rückgang der Arbeitsaufgaben der Klägerin sei nicht zu verzeichnen. Die verbleibenden Mitarbeiter des Teams Betriebskosten könnten die bisherigen Arbeitsaufgaben der Klägerin nicht ohne Mehrarbeit bewältigen. Die prozentualen Anteile der Tätigkeiten der Klägerin seien im Interessenausgleich und Sozialplan unrichtig angegeben; ausweislich des Stellen-Bewertungsbogens (Bl. 58 d.A.) sei von anderen Prozentangaben auszugehen. Auch die Sozialauswahl sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Vergleichsgruppenbildung sei grob fehlerhaft, weil die Austauschbarkeit der Arbeitnehmer offensichtlich verkannt worden sei, indem man zwischen den Teams Betriebskosten und Allgemeine Verwaltung bzw. Hausbewirtschaftung unterschieden habe. Die Nichteinbeziehung der weiter beschäftigten Arbeitnehmerinnen M., W. und S. sei offensichtlich sachlich ungerechtfertigt. So sei Frau W. wesentlich jünger als die Klägerin und erst seit weniger als 10 Jahren bei der Beklagten beschäftigt. Ebenso grob fehlerhaft sei die Herausnahme der unkündbaren Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl. Persönliche Härten seien nicht berücksichtigt worden. Der Mitarbeiter S. im Team Betriebskosten sei unverheiratet und jünger als die Klägerin. Ab dem 1. April 2005 habe eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin auf der von der Beklagten am 23. Februar 2005 intern ausgeschriebenen Stelle "Mitarbeiterin Soziale Dienste" bestanden; die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, der Klägerin diese Stelle - deren Schaffung der Geschäftsleitung bereits zum Zugangszeitpunkt der streitigen Kündigung bekannt gewesen sei - vor Kündigungsausspruch anzubieten. Schließlich sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Ferner sei der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen nach dem Sozialtarifvertrag Brandenburg ausgeschlossen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.09.2004, zugegangen am selben Tag, zum 31.03.2005 aufgelöst wird,

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unverändert fortbesteht,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zu den Arbeitsbedingungen als Sachbearbeiterin bei einem Bruttogehalt von 2.397,00 € bei einer 37-Stundenwoche weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich darauf berufen, auf Grund des Rückgangs der von der Beklagten zu betreuenden Wohneinheiten durch zunehmenden Leerstand und Abriss seien die Aufgaben der Klägerin bereits seit Jahren rückläufig. Die Tätigkeiten der Klägerin könnten im Zuge einer Verminderung des Rechnungsaufwandes und einer optimalen Ausnutzung der EDV durch die anderen Mitarbeiter des Teams Betriebskosten mit erledigt werden. Im Einzelnen hat die Beklagte die Umverteilung der Aufgaben wie im Interessenausgleich dargestellt vorgetragen. Bei der Sozialauswahl sei die Klägerin mit den anderen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen im Team Betriebskosten verglichen worden. Die Sozialdaten dieser Beschäftigten hat die Beklagte offen gelegt. Herr D. scheide als Teamleiter als vergleichbarer Mitarbeiter aus. Herr S. sei im Gegensatz zur Klägerin einem Kind zum Unterhalt verpflichtet, sodass die geringfügig längere Betriebszugehörigkeit der Klägerin und ihr geringfügig höheres Lebensalter nicht entscheidend ins Gewicht falle. Frau W. genieße Kündigungsschutz nach dem Manteltarifvertrag. Im Zusammenhang mit den Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen, im Laufe derer dem Betriebsrat die Gründe für die beabsichtigte Kündigung der Klägerin geschildert und die Sozialauswahl bekannt gegeben worden seien, habe der Betriebsrat am 13. September 2004 erklärt, dass das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG für die 6 betriebsbedingten Kündigungen abgeschlossen worden sei; dies sei schließlich auch so im Interessenausgleich fest gehalten worden. Dem Interessenausgleich liege eine Betriebsänderung zu Grunde. Bei der für eine Betriebseinschränkung maßgeblichen Arbeitnehmerzahl dürften die 5 Auszubildenden und die 14 geringfügig beschäftigten Hausbetreuer nicht mitgerechnet werden. Ungeachtet dessen folge eine Betriebseinschränkung bereits aus der Tatsache der wesentlichen Reduktion beispielsweise der Technikabteilung. Der Betriebsrat habe als Gremium seine Zustimmung zum Interessenausgleich nebst Namensliste erteilt; insofern werde auf die Einladung zur Betriebesratssitzung am 13. September 2004 und auf den dort gefassten Beschluss verwiesen (Auszüge aus der Niederschrift der Betriebsratssitzung vom 13. September 2004 und die dem vorangegangene Einladung vom 10. September 2004 = Bl. 80, 81 d.A.). Die von der Beklagten ursprünglich am 23. Februar 2005 intern ausgeschriebene Stelle "Soziale Dienste", mit der im Stellenplan keine zusätzliche Stelle geschaffen werden sollte, werde nunmehr im Stellenplan nicht mehr berücksichtigt. Die Beklagte halte vielmehr am alten Stellenplan fest.

Das Arbeitsgericht hat dem Kündigungsschutzantrag und dem vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrag mit Urteil vom 23. März 2005 stattgegeben und angenommen, dass die streitgegenständliche Kündigung zwar nicht sozial ungerechtfertigt, jedoch wegen der nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam sei. Eine Betriebsratsanhörung könne nicht schon deshalb als wirksam angesehen werden, weil die Betriebsparteien dies im Interessenausgleich so formuliert hätten. Die Beklagte bleibe für die Einzelheiten der Betriebsratsanhörung darlegungs- und beweisbelastet. Mit dem pauschalen Verweis auf den Interessenausgleich und Sozialplan sei sie ihrer substantiierten Darlegungspflicht nicht nachgekommen. Den allgemeinen Feststellungsantrag hat das Arbeitsgericht als unzulässig abgewiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen, die der Beklagten am 8. April 2005 zugestellt worden ist. Die Beklagte hat am 18. April 2005 beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. Juni 2005 - mit am 22. Juni 2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt. Die sei der Bestätigung im Interessenausgleich zu entnehmen. Im Interessenaugleichs- und Sozialplanentwurf, welcher dem Betriebsrat am 9. September 2004 übergeben worden sei, seien die wesentlichen Gründe der betriebsbedingten Kündigung der Klägerin sowie der Grundsätze der Sozialauswahl bekannt gegeben worden. Die wesentlichen Sozialdaten der Klägerin sowie der mit ihr verglichenen Arbeitnehmer seien dem Betriebsrat schon wegen der am 26. August 2004 übergebenen Sozialdatenliste bekannt gewesen. Am 6. September 2004 seien auf einer gemeinsamen Sitzung des Geschäftsführers des Beklagten, der Abteilungsleiterin Recht Frau M. sowie dem Betriebsrat die später im Interessenausgleich und Sozialplan niedergelegten Gründe für die jeweiligen Kündigungen sowie die getroffene Sozialauswahl erörtert und Übereinstimmung hinsichtlich der 6 zu kündigenden Arbeitnehmer erzielt worden. Der Betriebsrat sei in diesem Zusammenhang - spätestens jedenfalls bei Übergabe des Entwurfs des Interessenausgleichs - gebeten worden, abschließend zu den beabsichtigten Kündigungen bis zum 13. September 2004 Stellung zu nehmen. Im Übrigen sei der Zuschnitt der Tätigkeiten der Klägerin im Interessenausgleich korrekt dargestellt worden. Bei dem Stellen-Bewertungsbogen, auf den sich die Klägerin beziehe, handele es sich um eine Bewertung durch eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus dem Jahre 1999. Die dort angegebenen Zeitanteile seien im Jahre 2004 längst überholt gewesen; vielmehr handele es sich bei den im Interessenausgleich angegebenen Zahlen um die aktuellen und korrekten Angaben.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Brandenburg a.d.H. vom 23.3.2005 - 4 Ca 1520/04 - die Klage vollständig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Wiederholung und Erweiterung ihres erstinstanzlichen Vortrags vertritt die Klägerin die Auffassung, die Kündigung sei bereits mangels ihrer sozialen Rechtfertigung unwirksam. Es werde in Abrede gestellt, dass ein wirksam zustande gekommener Interessenausgleich vorliege. Der Interessenausgleich entfalte keine Vermutungswirkung i.S.v. § 1 Abs. 5 KSchG. Der sich in den Kündigungen von 6 Mitarbeitern erschöpfende Personalabbau stelle keine Betriebsänderung dar. Die Vermutungswirkung beschränke sich außerdem auf solche Fälle, bei denen nach § 112 a BetrVG eine Sozialplanpflicht bestehe. Außerdem führe sie nicht zu einer Umkehr der Beweislast in Bezug auf das Wegfallen des Arbeitsplatzes und das Nichtbestehen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit; die primäre oder jedenfalls sekundäre Darlegungslast hierfür trage weiterhin der Arbeitgeber. Diese prozessualen Maximen sei schon aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Die von der Beklagten behaupteten dringenden betrieblichen Gründe lägen nicht vor. Im Interessenausgleich werde selbst davon ausgegangen, dass es jedenfalls zeitweise zu einer Verminderung der Qualität und Schnelligkeit der Arbeitserledigung kommen könne, was nicht mehr und nicht weniger bedeute, als dass es künftig für die verbleibenden Mitarbeiter der Beklagten zu Mehrarbeit kommen werde. Der Beklagtenvortrag lasse nicht erkennen, inwieweit das Bedürfnis für die Tätigkeit der Klägerin weggefallen sei; dies ergebe sich auch aus dem Interessenausgleich nicht. Hinsichtlich der gerügten Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl sei die Beklagte dem bereits in der Klageschrift formulierten Auskunftsverlangen der Klägerin auch in der Berufungsbegründung nicht in hinreichend substantiierter Form nachgekommen, was für sich genommen bereits zur Unwirksamkeit der Kündigung führe. Die Vergleichsgruppenbildung sei grob fehlerhaft, weil die Nichteinbeziehung der Mitarbeiterinnen M., I. und S. offensichtlich sachlich ungerechtfertigt sei. Die Klägerin sei ohne Änderung ihres Arbeitsplatzes mit den genannten Beschäftigten nach einer unwesentlichen Einarbeitung austauschbar. Dies gelte auch für die Arbeitnehmerinnen R. (26 Jahre alt und ledig) und R. (39 Jahre alt und ledig, seit dem 11. Mai 1997 bei der Beklagten beschäftigt), welche in der Gehaltsgruppe 3 eingruppiert seien. Soweit die Beklagte die längere Betriebszugehörigkeit und das höhere Lebensalter der Klägerin im Vergleich zum Mitarbeiter S., der zudem noch unverheiratet sei, als nicht ins Gewicht fallend erachtet habe, habe sie ihren Beurteilungsspielraum bei der Sozialauswahl eindeutig überschritten. Die Beklagte hätte berücksichtigen müssen, dass sich das unterhaltsberechtigte Kind des Herrn S. in der Berufsausbildung befinde und eine Ausbildungsvergütung beziehe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 11. August 2005 und vom 13. Oktober 2005 Bezug genommen. Die Berufungskammer hat Beweis erhoben über die Behauptungen der Beklagten, der Betriebsrat sei in der Sitzung am 7. September 2004 (nach dem korrigierten Vortrag der Beklagten: in der Sitzung am 6. September 2004), spätestens jedoch bei Übergabe des Interessenausgleichsentwurfs (am 9. September 2004), aufgefordert worden, abschließend zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung zu nehmen und in der gemeinsamen Sitzung (Betriebsrat, Geschäftführer der Beklagten und Frau M.) am 7. September 2004 (nach dem korrigierten Vortrag der Beklagten: in der Sitzung am 6. September 2004) seien die später im Interessenausgleich und Sozialplan niedergelegten Gründe für die jeweiligen Kündigungen sowie die getroffene Sozialauswahl erörtert worden durch Vernehmung der Zeuginnen M. und H. (letztere in ihrer Funktion als Betriebsratsvorsitzenden). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2005 (Bl. 382 bis 389 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

I.

Die Berufung ist nach den §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG statthaft und auf Grund des Streitgegenstandes nach § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG zulässig. Sie wurde nach §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist abzuweisen, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die der Klägerin am 23. September 2004 zugegangene Kündigung vom selben Tage unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist nach § 17 Nr. 1, 2. Absatz, 4. Alt. des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten der Wohnungswirtschaft (6 Monate zum Quartalsende) zum 31. März 2005 aufgelöst worden ist. Die Kündigung ist wirksam; sie ist weder sozial ungerechtfertigt (hierzu unter 1.) noch wurde der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß vor ihrem Ausspruch angehört (hierzu unter 2.). Auch andere Unwirksamkeitsgründe der Kündigung sind nicht ersichtlich (hierzu unter 3.). Die Klägerin kann deshalb auch keine vorläufige Weiterbeschäftigung von der Beklagten verlangen (hierzu unter 4.).

1. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.

a. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden auf Grund der Betriebsgröße der Beklagten und der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Die Klägerin hat form- und fristgerecht nach § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben.

b. Die streitige Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin im Betrieb der Beklagten, entgegenstehen, bedingt. Dies wird gemäß § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG zu Gunsten der Beklagten vermutet. Diese Vermutung hätte von der Klägerin gemäß §§ 292 Satz 1, 525 Satz 1 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG widerlegt werden müssen, was ihr nicht gelungen ist.

aa. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind gegeben. Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat am 13. September 2004 und somit vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung einen Interessenausgleich wegen der geplanten Betriebsänderung in Form eines Personalabbaus geschlossen, der eine Namensliste enthält, in der diejenigen Arbeitnehmer bezeichnet sind, denen gekündigt werden soll. In dieser Namensliste ist auch die Klägerin verzeichnet.

(1) Der Interessenausgleich mit Namensliste genügt den formalen Anforderungen. Er ist vom Geschäftsführer der Beklagten und von der Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnet worden und somit schriftlich i.S.v. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, § 126 Abs. 1, 2 BGB niedergelegt. Zwar ist die Namensliste nicht im (fortlaufenden) Text des Interessenausgleichs enthalten. Sie ist aber von den Betriebspartnern ihrerseits unterzeichnet worden. Dies ist ausreichend. Es muss lediglich feststehen, dass Interessenausgleich und Namensliste eine Urkunde bilden (BAG 7. Mai 1998 - 2 AZR 55/98 - BAGE 88, 375,), was vorliegend auf Grund der Präambel des Interessenausgleichs und Sozialplans ("einschließlich Namensliste") sowie des Eingangssatzes der Namensliste ("Bestandteil des Interessenausgleich und Sozialplan") der Fall ist.

Das Bestreiten der Klägerin, die Betriebsratsvorsitzende habe den Betriebsrat bei Unterzeichnung des Interessenausgleichs und Sozialplans am 13. September 2004 nicht ordnungsgemäß vertreten, weil dem Abschluss der Vereinbarungen kein wirksamer Betriebsratsbeschluss zu Grunde gelegen habe, ist unerheblich. Bei der Abgabe einer Erklärung durch den Betriebsratsvorsitzenden spricht eine - jederzeit widerlegbare (so noch: BAG 17. Februar 1981 - 1 AZR 290/78 - BB 1981, 1092) bzw. sogar gesetzliche (so nunmehr wohl: BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - NZA 2002, 1350) - Vermutung dafür, dass der Betriebsrat einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Für die Widerlegung dieser Vermutung reicht das Bestreiten der ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Betriebsrats, an welchem die Klägerin ungeachtet dessen, dass die Beklagte bereits erstinstanzlich auf den Auszug der Niederschrift der Betriebsratssitzung vom 13. September 2004 (und die dort dokumentierte Beschlussfassung zum Interessenausgleich und Sozialplan) sowie die dieser Sitzung vorangegangene Einladung (vgl. Bl. 80, 81 d.A.) verwiesen hat, auch in der Berufungsinstanz fest gehalten hat, nicht aus.

(2) Der Interessenausgleich ist nicht aus anderen Gründen nichtig oder unwirksam. Hinsichtlich der Behauptung der Klägerin, der Interessenausgleich sei durch widerrechtliche Drohung erzwungen worden, ist bereits zweifelhaft, ob sich (die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt) allein hieraus eine Unwirksamkeit des Interessenausgleichs - jedenfalls in dem Sinne, dass er nicht mehr im Rahmen von § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG beachtlich wäre - ergeben kann. Versteht man den Interessenausgleich nicht als Betriebsvereinbarung, sondern als kollektive Vereinbarung besonderer Art (so: Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG-Komm., 22. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 49 m.w.N.) und erstreckt man dennoch hierauf die allgemein nur für eine Betriebsvereinbarung angenommene Anfechtungsmöglichkeit wegen widerrechtlicher Drohung oder arglistiger Täuschung nach § 123 BGB (hierzu: Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG-Komm., 22. Aufl., § 77 Rn. 33), so ist eine solche Anfechtung ohnehin nicht rückwirkend möglich (GK-Kreutz, BetrVG-Komm., 7. Aufl., § 77 Rn. 62) und wurde vom Betriebsrat als Verhandlungspartner des Interessenausgleichs auch nicht erklärt.

Ungeachtet dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte den Interessenausgleich und Sozialplan mit unredlichen Mitteln "erzwungen" hat. Es mag nachvollziehbar sein, dass bei anstehenden Interessenausgleichsverhandlungen regelmäßig ein großer Druck (auch) auf Betriebsratsseite entsteht. Soweit sich die Klägerin aber darauf beruft, dass der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat bei den Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mit einer Fremdvergabe der bisher von der Beklagten ausgeführten Leistungen argumentiert habe, liegt hierin keine unerlaubte Drohung. Dies ist letztlich von der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit gedeckt und entspricht im vorliegenden Fall der Empfehlung des zeitweiligen Ausschusses der Stadtverordnetenversammlung. Soweit die Klägerin meint, die Widerrechtlichkeit der Drohung folge daraus, dass die behauptete präkere Finanzlage der Beklagten nicht vorgelegen habe, verkennt sie, dass unternehmerische Organisationsmaßnahmen - bis hin zur Fremdvergabe von Leistungen oder gar Betriebsstillegung - nicht Folge einer wirtschaftlichen Notsituation sein müssen. Der klägerische Vortrag zur finanziellen Situation der Beklagten erschöpft sich im Übrigen in Mutmaßungen.

(3) Der Interessenausgleich bezieht sich auf eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG. Die Beklagte ist ein Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern. Es liegt eine Betriebseinschränkung i.S.v. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vor.

(a) Es kann offen bleiben, ob die Betriebsänderung - wie das Arbeitsgericht angenommen hat - aus einer wesentlichen Einschränkung der Betriebsmittel (Reduzierung des Wohnungs- und Gewerbestandes) oder - wie die Beklagte meint - aus einer Beschränkung der Technikabteilung - folgt. Jedenfalls kommt es nicht entscheidend auf die subjektive Bewertung der Betriebsparteien, ob eine Betriebsänderung vorliegt oder nicht, an. Deshalb ist der Vortrag der Klägerin, die Beklagte sei ausweislich eines Schreibens an den Betriebsrat vom 16. Juli 2004 (Bl. 373 f. d.A.) selbst nicht von einer geplanten Betriebsänderung und Interessenausgleichspflicht ausgegangen, unerheblich. Eine Betriebsänderung in der Form der Betriebseinschränkung nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG kann auch ein bloßer Personalabbau unter Beibehaltung der sächlichen Betriebsmittel sein, wenn es sich um einen erheblichen Personalabbau handelt. Eine Betriebseinschränkung im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG ist eine erhebliche, ungewöhnliche und nicht nur vorübergehende Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Betriebes, gleichgültig, ob die Verminderung der Leistungsfähigkeit durch Außerbetriebsetzung von Betriebsanlagen oder durch Personalreduzierung erfolgt (BAG 7. August 1990 - 1 AZR 445/89 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 34). Für die Frage, ob ein Personalabbau erheblich ist, kann auf die Zahlen- und Prozentangaben i.S.d. § 17 Abs. 1 KSchG "als Richtschnur" abgestellt werden, jedoch mit der Maßgabe, dass von dem Personalabbau mindestens 5 % der Belegschaft betroffen sein müssen (BAG 7. August 1990 - 1 AZR 445/89 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 34). Dabei muss der Personalabbau nicht innerhalb von 30 Kalendertagen erfolgen (ErfK/Kania, 5. Aufl., § 111 BetrVG Rn. 8 m.w.N.).

(b) Diese Vorgaben sind hier erfüllt. Bei einer Belegschaftsstärke von etwa 67 Arbeitnehmern sind die 6 betroffenen Arbeitnehmer mehr als 5 % der Belegschaft. Auch sonst ist nach Auffassung der Berufungskammer die quantitative Grenze für eine erhebliche Personalreduzierung und somit eine Betriebsänderung erreicht. Zwar ist der Schwellenwert nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG (10 % der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer) nicht erreicht; dies wäre (rein rechnerisch) erst bei der Entlassung von 6,7 Arbeitnehmern (bei einer Ausgangszahl von 67 bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmern) der Fall. Insoweit kann auch nicht der Ansicht der Beklagten gefolgt werden, dass die Auszubildenden und die geringfügig beschäftigten Hausbetreuer bei der Ermittlung der Zahlenrelationen nicht (oder nicht in vollem Umfang) mitzuzählen sind. Für die Anzeigepflicht nach § 17 KSchG kommt es nämlich auf den allgemeinen Arbeitnehmerbegriff an. Zur Berufsausbildung Beschäftigte und Teilzeitbeschäftigte sind mitzuzählen (ErfK/Ascheid, 5. Aufl., § 17 KSchG Rn. 9). Allerdings steht ein geringfügiges Unterschreiten der Zahlenschlüssel (vorliegend um 0,7 Arbeitnehmer) der Annahme einer Betriebsänderung nicht zwingend entgegen, denn bei den Angaben in § 17 Abs. 1 KSchG - die ausdrücklich nur für die Anzeigepflicht des Arbeitgebers bei Massenentlassungen gegenüber der Agentur für Arbeit gelten - handelt es sich um eine Richtschnur und keine "absolute" Grenze (entgegen einer früheren Entscheidung des BAG (2. August 1983 - 1 AZR 516/81 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 12(: "Dass der Arbeitgeber mit der Zahl der von ihm durchgeführten betriebsbedingten Entlassungen nur ganz geringfügig unterhalb der maßgeblichen Erheblichkeitsgrenze geblieben ist und dies auch so geplant hatte, kann ihm in mitbestimmungspflichtiger Hinsicht nicht zum Nachteil gereichen." nunmehr vom BAG (7. August 1990 - 1 AZR 445/89 - AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 34( offen gelassen: "Auch wenn diese Zahlen nur als Richtschnur dienen und damit möglicherweise geringfügig auch unterschritten werden können..."; wie hier jedenfalls: LAG Berlin 7. September 1995 - 10 TaBV 5/95 - NZA 1996, 1284; Fabricius/Oetker in: GK-BetrVG, 7. Aufl., § 111 Rn. 71). Das bedeutet eben keine starre Anwendung und Übertragung des Zahlen- und Prozentschemas nach § 17 Abs. 1 KSchG auf Betriebsänderungen. Es bedarf vielmehr einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände.

Es kann im vorliegenden Fall nicht unbeachtet bleiben, dass die Zahlengrenze nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG nur deshalb nicht erreicht wird, weil die Vielzahl der geringfügig beschäftigten Hausbetreuer (immerhin rund 21 % der bei der Beklagten tätigen Arbeitnehmer) bei der Zahlenbewertung einfließt. Die Personalreduzierung bleibt um 0,7 Arbeitnehmer unter dem Schwellenwert nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zurück. Damit handelt es sich um eine geringstmögliche Unterschreitung der Zahlenrelation. Darüber hinaus geht es nicht nur um einen Personalabbau, sondern - in Bezug auf die Technikabteilung - auch um eine Fremdvergabe von bisher in Eigenverantwortung wahrgenommener Aufgaben und Leistungen (vgl. S. 6 f. des Interessenausgleichs = Bl. 35 f. d.A.). Die Klägerin hat diese Fremdvergabe von Leistungen zwar bestritten; dieses Bestreiten ist jedoch unsubstantiiert. Die Fremdvergabe ist allein für sich gesehen keine interessenausgleichsverhandlungspflichtige Betriebsänderung i.S.v. § 111 Satz 3 Nrn. 1 bis 5 BetrVG; sie kann aber nach Auffassung der Berufungskammer als zusätzliches Kriterium bei einem Personalabbau, der nahezu die Schwellenwerte nach § 17 Abs. 1 KSchG erreicht, für die Annahme einer Betriebsänderung herangezogen werden. bb. Der Interessenausgleich vom 13. September 2004 entfaltet eine Vermutungswirkung i.S.v. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, dass die Kündigungen der in der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer - darunter der Klägerin - durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin greift die Vermutungswirkung unabhängig davon ein, ob es sich nach § 112 a Abs. 1 BetrVG um sozialplanpflichtige Entlassungen handelt oder nicht. Zwar wird vereinzelt vertreten, dass die dringenden betrieblichen Erfordernisse nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG nur dann vermutet würden, wenn auch nach § 112 a BetrVG eine Sozialplanpflicht bestehe (HK-KSchG/Dorndorf, 4. Aufl., § 1 Anh. 3 Rn. 1163). Bei einer Belegschaftsstärke von 67 Arbeitnehmern war die Entlassung von 6 Arbeitnehmern gem. § 112 a Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht sozialplanpflichtig. Die vorgenannte Auffassung ist jedoch abzulehnen. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG spricht von einer "Betriebsänderung", nicht von einer "sozialplanpflichtigen Betriebsänderung". Auch der Normzweck des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG verlangt keine Sozialplanpflichtigkeit. Es ist vielmehr dem Betriebsrat überlassen, seine Zustimmung zu einem Interessenausgleich mit Namensliste vom Abschluss eines (freiwilligen) Sozialplans abhängig zu machen, wie dies vorliegend offensichtlich auch geschehen ist. (2) Auf Grund der gesetzlichen Vermutungswirkung hat die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vorliegen.

Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG begründet eine gesetzliche Vermutung i.S.d. § 292 ZPO (BAG 7. Mai 1998 - 2 AZR 536/97 - NZA 1998, 933). Sie führt zu einer Beweislastumkehr (KR/Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rn. 703 f.). Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG hat der Arbeitnehmer gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 292 ZPO darzulegen und zu beweisen, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für ihn nicht weggefallen sind (BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10). Dieser Beweis des Gegenteils ist seiner Natur nach Hauptbeweis. Er ist erst dann geführt, wenn die Unwahrheit der vermuteten Tatsache voll bewiesen ist, aus der sich ergibt, dass der vermutete Rechtszustand - die Betriebsbedingtheit der Kündigung - nicht besteht; ein Anscheinsbeweis reicht nicht aus. Es ist also ein substantiierter Tatsachenvortrag unter Beweis zu stellen, der den gesetzlich vermuteten Umstand nicht nur in Zweifel zieht, sondern ausschließt (BAG 7. Mai 1998 - 2 AZR 536/97 - NZA 1998, 933 m.w.N.). Die Mindermeinung, die im Fall eines Interessenausgleichs mit Namensliste eine primäre Darlegungslast des Arbeitnehmers verneint (Zwanziger, DB 1997, 2174), verkennt die eindeutige gesetzliche Vermutungsregelung (zu all dem: ArbG Berlin 11. August 2004 - 7 Ca 6272/04 - juris-Recherche).

Es ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob der Arbeitgeber bei Vorliegen eines wirksamen Interessenausgleichs mit Namensliste grundsätzlich zur Rechtfertigung der Kündigung keine weiteren Tatsachen vorzutragen hat oder ob ihn bei solch einer Fallkonstellation generell eine sog. sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der dringenden betrieblichen Erfordernisse trifft. Für letztere Annahme spricht, dass sich bei einem Negativbeweis bereits aus § 138 Abs. 1 ZPO eine sog. sekundäre Darlegungslast des Prozessgegners ergibt. Folge der Nichterfüllung der sekundären Behauptungslast ist, dass die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen trotz ihrer mangelnden Substantiierung als nach § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden gilt (Zöller/Greger, ZPO-Komm., 25. Aufl., Vor § 284 Rn. 34 c). Dies gilt um so mehr, wenn die primär darlegungsbelastete Partei (also im Falle von § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG der Arbeitnehmer) außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner (also der Arbeitgeber) nähere Angaben machen kann und ihm dies auf Grund einer bestehenden Sonderrechtsbeziehung auch zumutbar ist (LAG Berlin 5. November 2004 - 6 Sa 1544/04 - juris-Recherche; ausführlich [und in kritischer Auseinandersetzung mit der BAG-Rechtsprechung] zur sekundären Darlegungslast des Arbeitgebers bei einer betriebsbedingten Kündigung auf Grund eines Interessenausgleichs mit Namensliste: ArbG Berlin 11. August 2004 - 7 Ca 6272/04 - juris-Recherche). Die Berufungskammer neigt zu der Ansicht, dass immer dann, wenn der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für einen auf der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer im Interessenausgleich selbst nicht beschrieben ist (was praktisch kaum vorkommen dürfte), der Arbeitgeber im Rahmen der ihm dann obliegenden sekundären Darlegungslast hierzu nähere Angaben im Kündigungsschutzprozess zu machen hat. In solch einem Fall wäre es nicht ausreichend, wenn sich der Arbeitgeber nur auf die Tatsache des Abschlusses eines Interessenausgleichs mit Namensliste beruft. Bei einem solchen Verständnis einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast begegnet § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG - entgegen der Ansicht der Klägerin - keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Aus dem Schutz der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgt auch die Pflicht für den Gesetzgeber zum Schutz der Arbeitnehmer vor Arbeitgeberkündigungen (BVerfG 27. Januar 1998 - 1 BvL 15/87 - BVerfGE 97,169). Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast darf den durch einfachrechtliche Normen bewirkten Schutz grundrechtlicher Gewährleistungen nicht leer laufen lassen (BVerfG 6. Oktober 1999 - 1 BVR 2100/99 - AP GG Art. 12 Nr. 112). Dies wäre aber der Fall, wenn vom Arbeitnehmer auch dann ein Beweis des Gegenteils im Hinblick auf die seine Kündigung bedingenden dringenden betrieblichen Erfordernisse abverlangt würde, wenn sich diese nicht aus dem Interessenausgleich selbst oder einem entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers ergeben. Denn der Arbeitnehmer hat regelmäßig keine Einblick in bzw. keinen allumfassenden Überblick über die betrieblichen Gesamtgegebenheiten. Enthält der Interessenausgleich dagegen ausreichende Angaben zu den betrieblichen Erfordernissen und beruft sich der Arbeitgeber im Prozess hierauf, ist er seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen (Schiefer, DB 1998, 925; B. Preis, DB 1998, 1614). Insoweit hat auch das Bundesarbeitsgericht gegen die inhaltsgleiche - vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1998 geltende - Vorläufervorschrift des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet (z.B. BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - AP BetrVG 1972 § 111 Namensliste Nr. 1).

(3) Die Frage des Auslösens der primären Darlegungslast des Arbeitsnehmers kann im vorliegenden Streitfall letztlich unentschieden bleiben. Denn auch wenn man von einer für den Arbeitgeber grundsätzlich bestehenden sekundären Darlegungslast ausgeht, hat die Beklagte dieser genügt. Die Klägerin hat die aus § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG folgende Vermutung nicht widerlegt.

(a) Die Beklagte hat sich auf die im Interessenausgleich geregelte Übertragung der Arbeitsaufgaben der Klägerin auf die verbleibenden drei Mitarbeiter des Teams Betriebskosten berufen. Sie hat - entsprechend der Bestimmungen im Interessenausgleich - vorgetragen, dass dies sowohl auf Grund der Reduzierung des Wohnungsbestandes als auch durch eine Optimierung der Arbeitsabläufe erreicht werden kann. Die von der Klägerin im Einzelnen bisher wahrgenommenen Tätigkeiten wurden in ihrer Umverteilung auf die anderen Teammitarbeiter aufgeführt. Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren, gehört zu den sog. unternehmerischen Maßnahmen, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen und damit den entsprechenden Beschäftigungsbedarf entfallen lassen können. Der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin wird auf Grund des ausreichend schlüssigen Sachvortrags der Beklagten vermutet.

(b) Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin lassen keinen Rückschluss darauf zu, dass ihre Beschäftigungsmöglichkeit nicht weggefallen sein soll.

Soweit sie sich auf ein Bestreiten des Aufgabenrückgangs, der Umverteilung ihrer Arbeitsaufgaben und der Durchführbarkeit des Umverteilungskonzepts ohne überobligatorische Mehrbelastung für die verbleibenden Teammitarbeiter zurück zieht, verkennt sie, dass ein Bestreiten dieser Tatsache nicht genügt. Sie hätte vielmehr unter Beweisantritt solche Umstände vortragen müssen, aus denen sich ergeben soll, dass es keinen Aufgabenrückgang und keine Umverteilung ihrer Arbeitsaufgaben gegeben hat oder dass das Umverteilungskonzept nicht ohne überobligatorische Mehrbelastung für die verbleibenden Teammitarbeiter durchführbar ist. Ihr Hinweis auf die Erklärung der Betriebsparteien im Interessenausgleich, dass es im Zuge der Stellenstreichung jedenfalls zeitweise zu einer Verminderung der Qualität und Schnelligkeit der Arbeitserledigung kommen kann, welche in Kauf genommen würden (S. 9 des Interessenausgleichs = Bl. 38 d.A.), lässt solch einen Schluss nicht zu. Hieraus folgt gerade keine überobligatorische Mehrbelastung der Mitarbeiter des Teams Betriebskosten.

An ihrem Vortrag, der Interessenausgleich gehe von unkorrekten, umzuverteilenden prozentualen Tätigkeitsanteilen aus, hat die Klägerin zuletzt nicht mehr festgehalten. Insoweit kommt - die Richtigkeit dieses Vortrags unterstellt - nach Auffassung der Berufungskammer eine Widerlegung der gesetzlich vermuteten dringenden betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung zwar in Betracht. Denn wenn die einzelnen Arbeitsaufgaben der Klägerin tatsächlich nicht den zeitlichen Zuschnitt aufweisen, von dem der Interessenausgleich ausgeht, dürfte eine Umverteilung der Tätigkeiten jedenfalls nicht derart ohne Weiteres möglich sein, wie sie im Interessenausgleich dokumentiert ist. Allerdings hat die Klägerin zum Einwand der Beklagten, dass die im Stellen-Bewertungsbogen aufgeführten Zeitanteile der einzelnen Aufgaben nicht dem aktuellen Stand entsprechen und im Jahre 2004 längst überholt gewesen seien, sodass der im Interessenausgleich beschriebenen Aufgabenumverteilung die zuletzt maßgeblichen Zeitanteilen zu Grunde liegen (vgl. Beklagtenschriftsatz vom 6. September 2005 = Bl. 330 f. d.A.), trotz rechtlichen Hinweises auf ihre diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast (vgl. Beschluss vom 11. August 2005 = Bl. 307 d.A.) nichts mehr vorgetragen (vgl. Schriftsätze der Klägerin vom 28. September 2005 = Bl. 342 - 346 d.A. und vom 13. Oktober 2005 = Bl. 371 f. d.A.). c. Die Kündigung ist nicht wegen unzureichender Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Auswahl der Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Dies wäre mit Rücksicht auf die namentliche Bezeichnung der Klägerin in der Namensliste, welche Bestandteil des Interessenausgleichs vom 13. September 2004 ist, gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur bei grober Fehlerhaftigkeit der Fall.

aa. Eine Sozialauswahl ist dann im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG grob fehlerhaft, wenn sie die in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG aufgeführten Sozialdaten unberücksichtigt lässt oder Sozialdaten unzureichend oder übermäßig berücksichtigt worden sind. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG hat an den Grundsätzen der gestuften Darlegungs- und Beweislast bei der Sozialauswahl nichts geändert (BAG 22. Januar 2004 - 2 AZR 111/02 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11). Der Arbeitgeber hat zunächst auf Verlangen des Arbeitnehmers die Gründe für die getroffene Sozialauswahl anzugeben (KR/Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rn. 703 h a.E. m.w.N.). Erst wenn der Arbeitgeber seine Auskunftspflicht erfüllt hat, trägt der Arbeitnehmer die volle Darlegungslast für die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl (BAG 21. Februar 2002 - 2 AZR 581/00 - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 10). Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Sozialauswahl nicht i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ordnungsgemäß erfolgt ist. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG schränkt den Prüfungsmaßstab im Fall des Vorliegens eines Interessenausgleichs mit Namensliste allerdings auf eine "grobe Fehlerhaftigkeit" ein. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG hat der Arbeitnehmer somit die Darlegungs- und Beweislast für eine grobe Fehlerhaftigkeit i.S.v. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG (KR/Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rn. 703 h). bb. Von einer grob fehlerhaften Sozialauswahl ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht wegen unzureichender Erfüllung der Auskunftspflicht der Beklagten gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 KSchG auszugehen (zur Auskunftspflicht: BAG 10. Februar 1999 - 2 AZR 716/98 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 40). Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich die Daten der in die Auswahl einbezogenen Arbeitnehmer mitgeteilt. Darauf, welche Kollegen der entlassene Arbeitnehmer seinerseits für vergleichbar hält, kommt es nicht an (BAG 8. August 1985 - 2 AZR 464/84 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 10).

cc. Es ist nicht grob fehlerhaft, dass die Beklagte auf Grund des Interessenausgleichs nur die Arbeitnehmer des Teams Betriebskosten in den Gesamtvergleich einbezogen hat.

Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab des § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG gilt auch für die Vergleichsgruppenbildung. Denn zur Sozialauswahl gehört begriffsnotwendig auch die Festlegung des Auswahlkreises (BAG 7. Mai 1998 - 2 AZR 536/97 - BAGE 88, 363). Die Sozialauswahl ist hinsichtlich der Vergleichsgruppenbildung nur dann grob fehlerhaft, wenn die Austauschbarkeit der Arbeitnehmer "offensichtlich verkannt" worden ist (Schiefer/Worzalla, NZA 2004, 345). Der Arbeitnehmer muss darlegen und beweisen, dass die Nichteinbeziehung anderer Arbeitnehmer "augenscheinlich sachlich ungerechtfertigt" ist (KR/Etzel, a.a.O., § 1 KSchG Rn. 703 h). Hierfür ergeben sich nach dem Vortrag der Klägerin keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Vergleichsgruppenbildung wurde auf die Mitarbeiter im Team Betriebskosten beschränkt. Dies erscheint weder willkürlich noch sachlich ungerechtfertigt, denn die Differenzierung zwischen den Mitarbeitern der einzelnen Bereiche (insbesondere Betriebskosten, Hausverwaltung/Restitution, Allgemeine Verwaltung und Rechnungswesen) richtet sich nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, wie sich bereits aus der Beschreibung der Tätigkeitsfelder im Interessenausgleich ergibt. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass sie die Tätigkeiten der von ihr benannten (nicht in die Auswahlentscheidung einbezogenen) Arbeitnehmerinnen R., R., S., I., M. und W. nach einer unwesentlichen Einarbeitungszeit ausüben könne, entkräftet dies nicht die Vermutungswirkung und vermag keine grob fehlerhafte Vergleichsgruppenbildung nachzuweisen. Der bloße Verweis auf eine Austauschbarkeit bzw. die Gehaltsgruppe 3 (hinsichtlich der Arbeitnehmerinnen R. und R.) lässt nicht den Schluss zu, dass sich die Vergleichsgruppenbildung auf andere Bereiche oder jedenfalls auf die genannten Arbeitnehmerinnen "auf der Hand liegend" hätte erstrecken müssen bzw. die gewählte Gruppenbildung eklatant fehlerhaft ist. Auch innerhalb tariflicher Vergütungsgruppen erscheint eine Differenzierung nicht von vornherein ausgeschlossen.

dd. Soweit sich die Klägerin auf die Herausnahme der Kollegin W., welche tariflichen Sonderkündigungsschutz genießt, als grob fehlerhaft beruft, verkennt sie, dass die Herausnahme ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl bereits nach dem "normalen" (sprich: nicht auf eine grobe Fehlerhaftigkeit beschränkten) Überprüfungsmaßstab nach überwiegender Auffassung nicht als fehlerhaft erachtet wird. Dies gilt auch für auf Grund Tarifvertrags ordentlich unkündbare Arbeitnehmer (KR/Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rn. 665 m.w.N.). Es mögen in dieser Frage andere Auffassungen vertreten werden (z.B. Frischmann, ZTR 1996, 348). Die gegenteilige herrschende Meinung ist aber jedenfalls nicht unvertretbar und daher ist die Sozialauswahl der Beklagten insoweit auch nicht grob fehlerhaft. Im Übrigen ist Frau W. 7 Jahre älter als die Kläger und verfügt über eine knapp 4 Jahre länger andauernde Betriebszugehörigkeit, sodass selbst bei Einbezug der Arbeitnehmerin in die Sozialauswahl die auf die Klägerin entfallende Auswahlentscheidung nicht den diesbezüglichen - auf eine "ausreichende" Berücksichtigung sozialer Auswahlgesichtspunkte gerichteten - Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers überschreitet.

Außerdem bezieht sich die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG auch auf die Gewichtung der Sozialdaten (BAG 21. Januar 1999 - 2 AZR 624/98 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 3 ). Die Gewichtung der Sozialdaten ist i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG nur dann grob fehlerhaft, wenn sie "jede Ausgewogenheit" vermissen lässt (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 757/98 - NZA 2000, 531). Dies ist nur bei "wirklich gravierenden Mängeln" der Fall, wenn der Beurteilungsspielraum "eindeutig" überschritten ist (Zwanziger, AuR 1997, 427). Von einem solchen "schwerwiegenden Fehler" kann angesichts der Sozialdaten der Mitarbeiterin W. nicht ansatzweise ausgegangen werden.

Gleiches gilt für den Arbeitnehmer S.. Dieser ist 2 Jahre jünger und verfügt über eine 2 Jahre kürzere Betriebszugehörigkeit, hat aber im Gegensatz zur Klägerin eine Unterhaltsverpflichtung. Auch wenn seine Unterhaltsverpflichtung für ein Kind in der Ausbildung, welches seinerseits eine Ausbildungsvergütung bezieht, besteht, hat die Beklagte bei ihrer Auswahlentscheidung den Beurteilungsspielraum nicht - und erst recht nicht massiv - überschritten, wenn sie dem Kriterium der Unterhaltsverpflichtung des Arbeitnehmers S. eine größere Bedeutung zumisst als seiner (im Vergleich zur Klägerin) unwesentlich kürzeren Betriebszugehörigkeit und seinem geringfügig niedrigeren Lebensalter.

ee. Die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl folgt schließlich nicht - wie die Klägerin meint - aus der Nichtberücksichtigung persönlicher Härten. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin keine Einzelheiten zu ihren persönlichen Lebensumständen, die einen solchen "Härtefall" belegen könnten, vorgetragen hat, ist es umstritten, ob § 1 Abs. 3 KSchG in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung überhaupt noch Raum für Einzelfallhärten lässt (vgl. ErfK/Ascheid, 5. Aufl., § 1 KSchG Rn. 575 m.w.N.). Ist die Sozialauswahl unter Beachtung der gesetzlich festgelegten Grunddaten erstellt worden, beschränkt sich die Überprüfung auch nur auf die Hauptdaten (ErfK/Ascheid, 5. Aufl., § 1 KSchG Rn. 583). Es ist aber jedenfalls nicht grob fehlerhaft, persönliche Härten, die nicht in einem unmittelbaren und erheblichen Zusammenhang mit den vier Grundfaktoren stehen, unberücksichtigt zu lassen.

d. Die Kündigung ist schließlich nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil es eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin gegeben hat.

Eine Kündigung, die auf Grund einer zum Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes führenden organisatorischen Maßnahme ausgesprochen worden ist, ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis "bedingt", wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeiten hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem "ultima-ratio-Grundsatz", welcher in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG normativ konkretisiert wird (BAG 23. November 2004 - 2 AZR 38/04 - NZA 2005, 986). Die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung setzt das Vorhandensein eines "freien" Arbeitsplatzes voraus. "Frei" ist grundsätzlich nur solch ein Arbeitsplatz, der zum Zugangszeitpunkt der Kündigung, welcher maßgeblicher Überprüfungszeitpunkt für die soziale Rechtfertigung der Kündigung ist, unbesetzt ist (vgl. z.B. BAG 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 121) oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei wird (Stahlhacke/Preis, 9. Aufl., Rn. 1006). Auch insofern gilt aber die gesetzliche Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG; nach dem ausdrücklichen Gesetzestext erstreckt sich die Vermutung der Betriebsbedingtheit auch auf eine fehlende anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 7. Mai 1998 - 2 AZR 536/97 - BAGE 88, 363).

Soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die innerbetriebliche Stellenausschreibung vom 23. Februar 2005 (ab dem 1. April 2005 zu besetzende Stelle "Soziale Dienste") beruft, verkennt sie, dass diese Stelle zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (23. September 2004) und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (31. März 2005) nicht "frei" war; sie wurde erst (im Februar 2005) ausgeschrieben. Sollte die Beklagte bereits bei Ausspruch der Kündigung - wie die Klägerin behauptet - Kenntnis von der zu schaffenden Stelle gehabt haben, mag zutreffen, dass sie diese Stelle der Klägerin hätte anbieten müssen. Allerdings hat die Beklagte vorgetragen, an der Besetzung der Stelle nicht mehr festzuhalten. Die Klägerin hat dies bestritten. Dieses Bestreiten reicht im Hinblick darauf, dass sich die der Klägerin nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG obliegende Beweislast auch auf Indiztatsachen erstreckt, aus denen sich ergeben soll, dass die Beklagte an dieser Stellenschaffung doch festgehalten (oder diese sogar besetzt) hat, nicht aus. 2. Die Kündigung ist nicht gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Zur Überzeugung der Berufungskammer steht im Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat ordnungsgemäß i.S.v. § 102 Abs. 1 Sätze 1, 2 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung angehört worden ist.

a. Eine Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam, wenn der Betriebsrat vor deren Ausspruch überhaupt nicht angehört worden ist. Vielmehr steht auch eine inhaltlich fehlerhafte oder unvollständige Anhörung des Betriebsrates der Wirksamkeit der Kündigung entgegen (BAG 16. Januar 2003 - 2 AZR 707/01 - NZA 2003, 927; KR/Etzel, 7. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 106 ff.; jeweils m.w.N.). Eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG setzt bei einer betriebsbedingten Kündigung voraus, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat über den konkreten Kündigungssachverhalt, die Kündigungsfristen und -termine sowie über die Sozialdaten des Arbeitnehmers so umfassend unterrichtet, dass der Betriebsrat auch ohne eigene Nachforschungen in der Lage ist, die Stichhaltigkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 329/03 - NZA 2004, 1037). Auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste i.S.d. § 1 Abs. 5 KSchG bedarf es einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG (zu § 125 InsO: BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 134 m.w.N.). Die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erfasst nicht die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung (Schiefer/Worzalla, NZA 2004, 345). Die Betriebsratsanhörung unterliegt insoweit auch keinen erleichterten Anforderungen (BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 532/98 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 5). An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind allerdings nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess. Zudem gilt der Grundsatz der "subjektiven Determinierung", d.h. der Betriebsrat wird immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet. Hinsichtlich dieser Umstände genügt es andererseits nicht, dass der Arbeitgeber sie nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig vorträgt oder bloße Werturteile mitteilt. Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt ist vielmehr so zu umschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (BAG 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - NZA 1996, 419). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat bereits bekannte Umstände nicht nochmals mitteilen (BAG 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - NZA 2001, 893). Die dem Betriebsrat aus Interessenausgleichsverhandlungen bekannten Gründe muss der Arbeitgeber daher nicht erneut vortragen (BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 134). Er kann im Rahmen der Anhörung nach § 102 Abs. 1 Sätze 1, 2 BetrVG darauf Bezug nehmen (BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 532/98 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 5). Das Verfahren nach § 102 BetrVG kann mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich verbunden werden. Es ist zulässig und meistens sogar zweckmäßig, dass beide Verfahren zusammen gefasst werden, damit der Betriebsrat gleichzeitig mit dem Abschluss des Interessenausgleichs auch zu den beabsichtigten Kündigungen Stellung nehmen kann. Dazu ist aber erforderlich, dass der Betriebsrat um die Stellungnahme zu einer konkreten Kündigungsabsicht ersucht wird. Sollen Interessenausgleich und Betriebsratsanhörung miteinander verbunden werden, so ist dies schon bei Einleitung des Beteiligungsverfahrens nach § 102 BetrVG klar zu stellen (zum Ganzen: BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 532/98 - BAGE 91, 341).

Die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung liegt beim Arbeitgeber. Es reicht aus, dass der Arbeitgeber zur Betriebsratsanhörung weitgehend auf die Unterrichtung des Betriebsrats in den Verhandlungen über den Interessenausgleich und die Namensliste Bezug nimmt. Trägt der Arbeitgeber vor, schon in diesem Zusammenhang seien dem Betriebsrat die erforderlichen Informationen gegeben sowie deutlich gemacht worden, dass es sich (auch) um Angaben im Zusammenhang mit dem Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG handeln soll, so genügt er zunächst seiner Darlegungslast (BAG 20. Mai 1999 - 2 AZR 532/99 - AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 5). Erst wenn der Arbeitnehmer diesen Sachvortrag bestreitet, muss der Arbeitgeber diesen Punkt weiter substantiieren bzw. beweisen.

b. Ausgehend von diesen Grundsätzen steht eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung fest.

aa. Dies folgt allerdings nicht allein daraus, dass im Interessenausgleich und Sozialplan eine Erklärung des Betriebsrats aufgenommen worden ist, in welcher es heißt, dass "auch das Anhörungsverfahren für die sechs genannten betriebsbedingten Kündigungen nach § 102 BetrVG abgeschlossen ist" und der Betriebsrat "ausdrücklich auf eine weitere Anhörung verzichtet" und "zu den in der Namensliste genannten betriebsbedingten Kündigungen keine weitere Stellungnahme abgeben wird" (in einem ähnlichen Fall offen gelassen: BAG 28. August 2003 - 2 AZR 377/02 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 134; die Entscheidung des BAG vom 2. Dezember 1999 - 2 AZR 757/98 - NZA 2000, 531 stellt in einem Fall mit einem Interessenausgleich und Namensliste i.V.mit einer ausdrücklichen Bestätigung der Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung darauf ab, dass der Arbeitnehmer keine "konkrete Rügen" erhoben hatte). Die Erklärung des Betriebsrats in einem Interessenausgleich, das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG sei abgeschlossen, begründet weder eine Vermutung noch einen Anscheinsbeweis dafür, dass es (ordnungsgemäß) stattgefunden hat. Für einen Anscheinsbeweis fehlt es an einem dafür notwendigen (vgl. Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO-Komm., 27. Aufl., § 286 ZPO Rn. 13 f.), nach der Lebenserfahrung typischen Geschehensablauf. Die Erklärung des Betriebsrats kann aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO berücksichtigt werden.

Die Beklagte hat jedoch ihren Vortrag gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 ArbGG zulässigerweise mit ihrer Berufungsbegründung ergänzt, indem sie darauf abgestellt, dass dem Betriebsrat die wesentlichen Sozialdaten der Klägerin sowie der mit ihr im Rahmen der Sozialauswahl verglichenen Arbeitnehmer bekannt gewesen seien. Die Richtigkeit dieses Vortrags folgt schon daraus, dass der Betriebsratsvorsitzenden am 26. August 2004 eine Liste mit den Sozialdaten aller bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer übergeben worden ist. Die Klägerin hat dies zuletzt nicht mehr bestritten (vgl. Protokollerklärung Bl. 383 d.A.). Weiter hat die Beklagte unter Beweisantritt dargestellt, dass im Zusammenhang mit den Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen mit dem Betriebsrat die Gründe für die jeweiligen Kündigungen und die Sozialauswahl erörtert worden seien sowie der Betriebsrat geben worden sei, zu den beabsichtigten Kündigungen abschließend bis zum 13. September 2004 Stellung zu nehmen. Die Klägerin hat diesen Vortrag substantiiert bestritten, sodass insofern Beweis zu erheben war. Soweit die Klägerin allerdings darüber hinaus in Abrede gestellt hat, dass Frau M. hinsichtlich der Einleitung des Anhörungsverfahrens ordnungsgemäß vom Geschäftsführer der Beklagten bevollmächtigt gewesen sei, verkennt sie, dass es hierauf nicht ankommt. Für die Einleitung der Betriebsratsanhörung und die in diesem Zusammenhang gegebenen Informationen ist nicht entscheidend, ob der Informierende eine Bevollmächtigung aufweisen kann. Eine andere Sichtweise wäre mit der Rechtsprechung, dass es keiner weiteren Darlegung der Kündigungsgründe nach § 102 BetrVG bedarf, wenn der Betriebsrat bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, um zu der konkret beabsichtigten Kündigung eine sachgerechte Stellungnahme abgeben zu können (hierzu: BAG 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - BAGE 49, 136), schwer zu vereinbaren. Denn dann wäre immer solches Vorwissen des Betriebsrats unverwertbar bzw. unmaßgeblich, welches er nicht direkt auf Grund einer Information durch den gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter der Arbeitgeberseite hat.

bb. Zur Überzeugung der Berufungskammer ist erwiesen, dass die Beklagte den Betriebsrat vollständig und ausreichend über die beabsichtigte Kündigung der Klägerin nach § 102 BetrVG unterrichtet hat.

(1) Die Richtigkeit der Darstellung der Beklagten hat sich im Zuge der am 13. Oktober 2005 durchgeführten Zeugeneinvernahme bestätigt. Frau M. hat ausgesagt, dass bei den Interessenausgleichsverhandlungen am 6. September 2004 mit dem Betriebsrat Übereinstimmung erzielt worden ist, wem gekündigt werden soll. Über jeden zu Kündigenden wurde mit dem Betriebsrat gesprochen, also "warum es gerade diesen trifft", "wann wem zu wann gekündigt werden soll". Betriebliche Gründe, die dem Betriebsrat mitgeteilt worden sind, waren der Wegfall von Objekten und der damit zusammen hängende Wegfall von Arbeitsaufgaben. Der Nachfragebedarf des Betriebsrats zur Aufgabenumverteilung wurde durch eine dem Betriebsrat am 7. oder 9. September 2004 zugeleitete Zuarbeit seitens der einzelnen Bereichsleiter abgedeckt. Die schriftliche Formulierung des Interessenausgleichs wurde dem Betriebsrat vorab übergeben. Damit sind alle notwendigen Informationen im Hinblick auf die Kündigung der Klägerin erteilt worden.

Eine ausreichende Angabe der Kündigungsgründe folgt auch aus der Vernehmung der Betriebsratsvorsitzenden Frau H.. Sie hat ausgesagt, dass auf der Sitzung mit der Geschäftsleitung mit den drei anwesenden Betriebsräten über die geplanten Kündigungen diskutiert worden ist. Die Bekundung der Zeugin, dass der Betriebsrat insbesondere bei der Klägerin auf andere vergleichbare Arbeitnehmer hingewiesen hat, lässt den Rückschluss zu, dass über den Kreis der aus Beklagtensicht vergleichbaren Arbeitnehmer gesprochen worden ist. Der Interessenausgleichstext ist dem Betriebsrat nach der gemeinsamen Sitzung zugeleitet worden; außerdem hat der Betriebsrat - nach der wegen der inzwischen vergangenen Zeitspanne nachvollziehbar eingeschränkten Erinnerung der Zeugin H. ("Ich denke, dass ...") - noch Unterlagen zur Aufgabenumverteilung bekommen.

(2) Darüber hinaus hat die Beklagte zur Überzeugung der Berufungskammer das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG am 6. September 2004 eingeleitet und die Kündigungsgründe nicht lediglich im Zusammenhang mit den Interessenausgleichsverhandlungen mit dem Betriebsrat erörtert. Die Zeugin M. hat hierzu bekundet, dass mit dem Betriebsrat über die Modalitäten des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG gesprochen worden und - nach ihrer Erinnerung - Einigkeit darüber erzielt worden ist, dass das am 6. September 2004 Erörterte die Anhörung sein sollte. Damit ist erwiesen, dass die Beklagte die Betriebsratsanhörung im Zusammenhang mit den Interessenausgleichsverhandlungen thematisiert hat. Dem Betriebsrat wurde deutlich gemacht, dass es neben dem Verfahren nach §§ 111 f. BetrVG auch noch um das Beteiligungsrecht nach § 102 BetrVG geht.

Die Aussagen der von der Klägerin in diesem Zusammenhang gegenbeweislich benannten Zeugin H. erschüttern dieses Beweisergebnis nicht. Frau H. konnte sich erinnern, dass über die Anhörung - insbesondere die Möglichkeit, die Anhörungsfrist abzukürzen (gemeint ist wohl die Wochenfrist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) - am 6. September 2004 gesprochen worden ist. Damit hat sie die Aussage der Zeugin M. bestätigt, dass das Anhörungsverfahren neben den "bloßen" Interessenausgleichsverhandlungen behandelt worden ist. Soweit sich Frau H. nicht daran erinnern konnte, dass Einigkeit darüber erzielt wurde, "dass das jetzt die Anhörung sein soll", ist dies unmaßgeblich. Denn es kommt nur darauf an, dass die Beklagte dem Betriebsrat gegenüber das Verfahren nach § 102 BetrVG eingeleitet - sprich: die im Zusammenhang mit den Interessenausgleichsverhandlungen erörterten Punkte gleichzeitig als Information im Hinblick auf das Anhörungsrecht des Betriebsrats gegeben - hat. Dies hat Frau H. ausdrücklich bestätigt ("Ich kann nur wiederholen, dass es um die Anhörung neben den jetzt geführten Interessenausgleichsverhandlungen ging und den Text im Interessenausgleich und dass dann eben ein entsprechender Text zur Anhörung im Interessenausgleich aufgenommen werden soll").

(3) Die Berufungskammer hatte keine Veranlassung, den Angaben der Zeuginnen keinen Glauben zu schenken. Ihre Aussagen waren klar und frei von Widersprüchen. Sie haben ihre Aussagen in sachlicher Form und unvoreingenommen gemacht. Soweit sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern konnten, haben sie dies deutlich gemacht. Beide Zeuginnen haben sich z.T. auf Mitschriften aus der Sitzung vom 6. September 2004 bezogen; ihre darauf gestützten Aussagen sind daher im gesteigerten Maß glaubhaft. Soweit die Zeugin M. von einer "Einigung" der Betriebsparteien, dass die Betriebsratsanhörung am 6. September 2004 stattgefunden haben soll, gesprochen hat und die Zeugin H. dies nicht bekunden konnte, sind die Aussagen der Zeuginnen nicht konträr. Es ist verständlich, dass Einzelheiten einer über ein Jahr zurück liegenden Verhandlung über die Interessenausgleichsproblematik den Verhandlungsteilnehmern nicht mehr präsent sind. Auch wäre es lebensfremd anzunehmen, dass nicht dokumentierte Verhandlungsergebnisse in Einzelfragen ("Einigung über das Anhörungsverfahren") immer auf den selben Wahrnehmungen der Verhandelnden beruhen. Frau M.` Aussage einer Einigung mag den Tatsachen des damals Besprochenen entsprechen; ebenso kann es sein, dass sie lediglich für sich den Eindruck eines Einvernehmens (z.B. weil die Betriebsratsmitglieder hierzu wenig oder gar nichts gesagt haben) gewonnen und in ihrer Erinnerung verfestigt hat. Hierauf kommt es aber nicht an. Streitentscheidend ist nicht, ob sich Beklagte und Betriebsrat am 6. September 2004 abschließend auf eine Beendigung des Anhörungsverfahrens verständigt haben, sondern ob das Anhörungsverfahren überhaupt durchgeführt worden ist. cc. Die Erklärung zur Betriebsratsanhörung im Interessenausgleich stützt den sich aus der Beweisaufnahme ergebenden Sachverhalt. Zutreffend verweist die Klägerin darauf, dass der Betriebsrat auf sein Beteiligungsrecht nach § 102 BetrVG nicht verzichten kann. Sie verkennt jedoch den Bedeutungsgehalt der Bemerkung zu § 102 BetrVG im Interessenausgleich, indem sie diese als "Verzicht auf das Mitbestimmungsrecht" versteht. Das Wort "verzichtet" ist im Kontext mit einer "weiteren Anhörung" gebraucht. Der Betriebsrat hat im Interessenausgleich verdeutlicht, dass "er zu den in der Namensliste genannten betriebsbedingten Kündigungen keine weitere Stellungnahme abgeben wird". Damit hat sich der Betriebsrat nicht seines Rechtes nach § 102 BetrVG "entsagt". Er hat vielmehr seinerseits eine abschließende Stellungnahme abgegeben, aus der folgt, dass er eine weitere Erörterung im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG nicht für notwendig und das Anhörungsverfahren für abgeschlossen erachtet. Gegenteiliges folgt nicht aus den Bekundungen der Zeugin H.. Sie hat sich darauf berufen, dass sie nur sagen könne, wie "wir" (der Betriebsrat) den Satz im Interessenausgleich verstanden hat, nämlich: "Wir verzichten auf eine Anhörung". Es kommt aber nicht darauf an, wie der Betriebsrat die Formulierung im Interessenausgleich verstanden hat, sondern ob ein Anhörungsverfahren stattgefunden hat. Insoweit hat sich auch Frau H. erinnert, dass am 6. September 2004 darüber diskutiert worden ist, dass ja feststeht, "welche Mitarbeiter betroffen sind und keine extra Anhörung stattfinden sollte. Der Verzicht auf eine weitere Anhörung sollte im Interessenausgleich aufgenommen werden". Dies bestätigt die Verbindung des Anhörungsverfahrens mit den Interessenausgleichsverhandlungen und nicht - wie die Klägerin meint - eine Aufgabe des Mitbestimmungsrechts durch den Betriebsrat, noch bevor die Beklagte dieses Mitbestimmungsrecht beachtet hat. Dass der Betriebsrat offensichtlich dem Aspekt der Anhörung nach § 102 BetrVG keine größere Bedeutung beigemessen hat (Frau H.: "Für uns war die Anhörungsgeschichte in dieser Situation und bei diesem Zeitdruck nebensächlich. Es war nicht das Hauptthema.") kann nicht in dem Sinne verstanden werden, dass er - für die Beklagte klar ersichtlich - auf das Beteiligungsverfahren verzichtet hat. Ein Arbeitgeber hat im Rahmen von § 102 BetrVG den Betriebsrat lediglich ausreichend zu unterrichten; wie der Betriebsrat mit diesen Informationen umgeht und ob er sich hiermit befasst oder überhaupt erfasst, dass er ein Mitbestimmungsrecht hat und für wie wichtig oder unwichtig er dieses erachtet, ist unerheblich.

Eine abschließende Stellungnahme zu einer beabsichtigten Kündigung - wie im Interessenausgleich erfolgt - kann der Betriebsrat ohne Weiteres abgeben. In Folge einer solchen Erklärung kann der Arbeitgeber noch vor Ablauf der Wochenfrist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eine Kündigung aussprechen (vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG-Komm., 22. Aufl., § 102 Rn. 54). Ungeachtet dessen hat die Beklagte die Wochenfrist nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG eingehalten. Denn dem Betriebsrat musste nach der Sitzung am 6. September 2004 klar sein, dass es der Beklagten (auch) um das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG ging. Es sind zwar nicht alle maßgeblichen Informationen am 6. September 2004 gegeben worden; es fehlte noch - wie es der Betriebsrat ja auch beanstandet hat - eine Auskunft zur konkreten Umsetzbarkeit des Personalsabbaus, also zur beabsichtigten Aufgabenumverteilung. Dies wurde jedoch dem Betriebsrat nach einer Zuarbeit durch die Bereichsleiter noch mitgeteilt. Spätestens im am 13. September 2004 geschlossenen Interessenausgleich wurden diese Angaben gemacht. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin erst am 23. September 2004 - und somit 10 Kalendertage nach dem Abschluss des Interessenausgleichs und der spätestens hiermit erfolgten vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG - gekündigt. c. Der Vortrag der Klägerin, der Betriebsrat sei nicht ausdrücklich über eine fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit unterrichtet worden, führt nicht dazu, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden ist. Besteht aus der Sicht des Arbeitgebers keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, so genügt er regelmäßig seiner Anhörungspflicht schon durch den ausdrücklichen oder konkludenten Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ( BAG 15. März 2001 - 2 AZR 141/00 - NZA 2001, 1267). Die Mitteilung der Kündigungsabsicht enthält regelmäßig konkludent die Erklärung, dass eine Weiterbeschäftigung nicht in Betracht kommt (Raab in: GK-BetrVG, 7. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 64 m.w.N.).

3. Andere Unwirksamkeitsgründe der streitgegenständlichen Kündigung sind nicht ersichtlich. Die Kündigung (bzw. Entlassung) ist nicht wegen einer unterbliebenen Massenentlassungsanzeige i.S.v. § 17 KSchG unwirksam. Für die Beklagte bestand keine Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG. Denn die Anzahl der entlassenen Arbeitnehmer erreichte nicht die hierfür maßgeblichen Schwellenwerte. Zum Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen nach dem Sozialtarifvertrag Brandenburg hat bereits das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Klägerin dessen Geltungsbereich nicht unterfällt. Die Klägerin hat an dieser Rüge in der Berufungsinstanz auch nicht mehr fest gehalten.

4. Ergibt sich aus all dem, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. September 2004 zum 31. März 2005 beendet worden ist, kann die Klägerin auch keine vorläufige Weiterbeschäftigung mehr von der Beklagten verlangen.

III.

Die Klägerin hat als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

B.

Die Revision ist für die Klägerin zugelassen worden. Der Rechtssache kommt - insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob dem Interessenausgleich mit Namensliste eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG zu Grunde liegt - grundsätzliche Bedeutung zu (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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