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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Bremen
Urteil verkündet am 06.05.2003
Aktenzeichen: 1 Sa 255/02
Rechtsgebiete: DÜG, ArbGG, BetrVG, TVG, BGB


Vorschriften:

DÜG § 1
ArbGG § 69 Abs. 2
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
TVG § 4
TVG § 4 Abs. 3
BGB § 133
BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landesarbeitsgericht Bremen Im Namen des Volkes

Aktenzeichen: 1 Sa 255/02

Verkündet am: 06.05.2003

In dem Berufungsverfahren

hat das Landesarbeitsgericht Bremen - Erste Kammer - aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2003 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 03.09.2002 - Az: 3 Ca 3032/02 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.

Die Revision wird gegen dieses Urteil zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Zahlungsanspruch.

Der Kläger ist seit dem 01.07.1988 bei der Beklagten beschäftigt. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 29.06.1988 (Bl. 9 d.A.) finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge des zuständigen Großhandel-Arbeitgeberverbandes Anwendung. Durch Aushang am Schwarzen Brett vom 20.03.1980 stellte die Beklagte seinerzeit klar, dass es sich um den Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel in Niedersachsen handele.

Am 09.06.2000 vereinbarten die Tarifvertragsparteien in Niedersachsen eine Protokollnotiz (Bl. 12 d.A.). In Ziffer 3) dieser Protokollnotiz heißt es wörtlich:

"Erhöht sich der Lebenshaltungskostenindex für alle privaten Haushalte (Basisjahr 1995 = 100) im April 2001 um mehr als 2,8 % gegenüber dem Monat April 2000, erhält jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer eine Einmalzahlung von DM 120,--. Die Einmalzahlung für Auszubildende beträgt DM 60,--. Teilzeitbeschäftigte erhalten die Einmalzahlung arbeitszeitanteilig. Die Einmalzahlung ist fällig mit dem Juligehalt. Voraussetzung ist, dass die/der Berechtigte zum Auszahlungszeitpunkt in einem ungekündigten Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis steht."

Der Lebenshaltungskostenindex stieg im April 2001 um mehr als 2,8 % gegenüber dem Vorjahr im April 2000.

Mit der Abrechnung für den Monat Juli 2001 zahlte die Beklagte lediglich DM 2,-- aufgrund der Protollnotiz Ziffer 3) an den Kläger aus. Das Tarifgehalt betrug zu dem Zeitpunkt im Falle des Klägers DM 3.798,--. Vereinbart war dagegen zwischen den Parteien ein übertarifliches Monatsgehalt von DM 3.930,--. Auf den übertariflichen Entgeltbestandteil rechnete die Beklagte die Tariferhöhung von DM 120,-- an. Sie beruft sich auf die arbeitsvertragliche Anrechnungsregelung hinsichtlich der Vergütungszahlung. Diese Regelung lautet:

"Als Vergütung für Ihre Tätigkeit erhalten Sie einen monatlichen Bruttolohn von DM 2.400,--, zahlbar jeweils am Ende des laufenden Monats bargeldlos auf ein von Ihnen zu benennendes Konto. Sie werden in die Lohngruppe 2 des Lohntarifvertrages des Großhandels eingruppiert, wobei vorausgesetzt wird, dass Ihre ausgeübte Tätigkeit die in dieser Tarifgruppe enthaltenen Merkmale erfüllt. In der Vergütung sind tarifliche Zuschläge, insbesondere für betriebsübliche Nachtarbeit, und etwaige tarifliche Zulagen enthalten. Der jeweilige übertarifliche Gesamtbezug kann auf Veränderungen der Tarifansprüche angerechnet werden.

..."

Mit Schreiben von August 2001 machte der Kläger die Auszahlung des vollen Betrages geltend. Die Beklagte lehnte dies ab.

Die Beklagte rechnete die Einmalzahlung bei allen Mitarbeitern des Betriebes voll umfänglich auf die entsprechenden übertariflichen Zulagen an.

Mit seiner am 28.01.2002 beim Arbeitsgericht Bremen eingereichten, der Beklagten am 01.02.2002 zugestellten Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Der Kläger hat vorgetragen:

Die Einmalzahlung sei auf übertarifliche Zulagen nicht anrechenbar, da die Protollnotiz eine solche Anrechenbarkeit nicht vorsehe. Die Einmalzahlung sei nicht Teil einer Tariferhöhung gewesen. Eine Tariferhöhung umfasse das regelmäßige Arbeitsentgelt. Der monatlich zu zahlende Entgeltbetrag sei durch die Protokollnotiz aber nicht erhöht worden. Mit den Worten im Arbeitsvertrag "Veränderungen der Tarifansprüche" seien nicht die geldwerten Vorteile gemeint. Der Eintritt der Bedingung sei zum Zeitpunkt des Abschlusses der Protokollnotiz auch ungewiss gewesen. Als diese Bedingung eingetreten sei, sei die so ausdrücklich bezeichnete Einmalzahlung fällig geworden. Eine tabellenwirksame Erhöhung des Tariflohnes sei erst wieder im Jahr 2002 erfolgt. Im Übrigen komme der fehlende Bezug zum Monatslohn auch dadurch zum Ausdruck, dass der Berechtigte zum Auszahlungszeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis habe stehen müssen.

Das Preisangaben- und Preisklauselgesetz sei nicht anwendbar.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 60,33 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetzes, mindestens jedoch 7,71 % seit dem 01.08.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Es fehle an einer wirksamen Anspruchsgrundlage. In der Protokollnotiz Ziffer 3) werde eine Zahlung u.a. von der Entwicklung des Lebenshaltungskostenindexes abhängig gemacht. Damit handele es sich um eine Preisgleitklausel, die nach § 2 des Preisangaben- und Preisklauselgesetzes grundsätzlich verboten und damit unwirksam sei. Die Verknüpfung fremder Größen (Lebenshaltungskosten auf der einen und Arbeitsentgelt auf der anderen Seite) verbunden mit dem Automatismus einer Zahlung bei Erreichen einer vorher festgesetzten prozentualen Steigerung der Größe Lebenshaltungskosten mache den Charakter einer genehmigungspflichtigen Preisgleitklausel aus. Zur Wirksamkeit hätte diese der Genehmigung durch das Bundesamt für Wirtschaft bedurft. Eine solche Genehmigung sei nicht erteilt worden. Dies ergebe sich aus einer Stellungnahme des Bundesamtes für Wirtschaft vom 23.04.2001 (Bl. 21 bis 23 d.A.). Sie mache sich diese Ausführungen zu Eigen.

Sie habe die Zahlung - allerdings unter Anrechnung auf etwaige übertarifliche Zulagen wie individualrechtlich vereinbart - trotz der Unwirksamkeit der Klausel an die Mitarbeiter erbracht. Es handele sich somit um eine freiwillige Leistung.

Auch eine wirksame Preisgleitklausel könne den Anspruch nicht stützen, da die einmalige Tariferhöhung anrechnungsfähig gewesen sei. Bei der strittigen Regelung handele es sich nicht um eine Sonderzahlung, sondern um eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um einmalig DM 120,--. Es liege eine arbeitsvertragliche Anrechnungsklausel vor, die im Gegensatz zu dem herangezogenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts alle geldwerten Vorteile meine.

Das Arbeitsgericht Bremen hat am 03.09.2002 folgendes Urteil verkündet:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 60,33 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes, mindestens jedoch 7,71 % seit dem 01. August 2001 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf € 60,33.

4. Die Berufung wird zugelassen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wegen der Einzelheiten der Begründung durch das Arbeitsgericht wird auf Blatt 84 bis 90 der Akte Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 22.10.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.11.2002 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.01.2003 durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 20.12.2002 am 20.01.2003 begründet.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ferner vor:

Die Einmalzahlung solle die Erhöhung der Lebenshaltungskosten ausgleichen. Derartige Einmalzahlungen seien deshalb anrechenbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 03.09.2002 - Az: 3 Ca 30032/02 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt ferner vor:

Die Annahme, dass Ziffer 3) der Protokollnotiz gegen das Preisangabengesetz verstoße, würde zu einem Verstoß gegen die Tarifautonomie führen.

Wenn die Beklagte die Zahlung freiwillig erbracht habe, könne nach seinem Arbeitsvertrag keine Anrechnung erfolgen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften und die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf restliche Zahlung von € 60,33 nebst Zinsen.

1. Eine Einmalzahlung in Höhe von DM 120,-- ist in der Protokollnotiz vom 09.06.2000 zum Tarifergebnis vom 09.06.2000 zwischen den Tarifvertragsparteien Groß- und Außenhandelsverband Niedersachsen e.V. einerseits und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft Landesverband Niedersachsen-Bremen und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen Landesbezirksleitung Niedersachsen-Bremen festgelegt worden. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass die Voraussetzung einer Steigerung des Lebenshaltungskostenindexes zwischen April 2000 und April 2001 um mehr als 2,8 % gegeben ist. Nach der Protokollnotiz müsste der Kläger DM 120,-- bekommen, und zwar mit der Juliabrechnung 2001, während die Beklagte lediglich DM 2,-- ausgezahlt hat. Danach würde ein Restbetrag in Höhe von DM 118,-- = € 60,33 gegeben sein.

2. Ein Verstoß von Ziffer 3) der Protokollnotiz vom 09.06.2002 gegen das Preisangaben- und Preisklauselgesetz (BGBl I 1998, 1253) ist nicht gegeben. Insoweit teilt das Berufungsgericht die Auffassung des Arbeitsgerichts in dem angefochtenen Urteil und verweist zur Begründung entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG auf die insoweit zutreffenden Entscheidungsgründe in dem arbeitsgerichtlichen Urteil unter Ziffer I (Seite 7 f) des Urteils.

a) § 2 des Preisangaben- und Preisklauselgesetzes regelt, dass der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden darf, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind. Ziffer 3 der Protokollnotiz vom 09.06.2000 könnte eine Wertsicherungsklausel darstellen, wenn sie dahingehend auszulegen wäre, dass dadurch eine Aushöhlung der Tarifentgelte aufgrund einer Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes abgefangen werden sollte. Dabei käme eine genehmigungsbedürftige Gleitklausel in Betracht, da die Höhe der Geldschuld an eine vertragsfremde Bezugsgröße gebunden ist (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., Rdnr 248 zu § 81). Eine Spannungsklausel ist dagegen dann gegeben, wenn die Höhe der Geldschuld vom künftigen Preis oder Wert gleichartiger Güter oder Leistungen abhängig gemacht wird. Im vorliegenden Fall ist eine Verknüpfung mit dem Lebenshaltungskostenindex erfolgt, also nicht mit gleichartigen Gütern oder Leistungen. Nach § 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz darf der Betrag von Geldschulden nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert der andersartigen Güter oder Leistungen bestimmt werden. In Ziffer 3) der Protokollnotiz vom 09.06.2000 ist aber - wie das Arbeitsgericht zutreffend herausgearbeitet hat - keine unmittelbare und selbsttätige Verknüpfung erfolgt. Vielmehr ist eine Bestimmung der Anpassung durch die Tarifvertragsparteien vorgenommen worden, und zwar in der Form eines Festbetrages, so dass keine unmittelbare und selbsttätige Verknüpfung vorliegt.

b) Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz kann das Bundesministerium für Wirtschaft auf Antrag Ausnahmen genehmigen, wenn Zahlungen langfristig zu erbringen sind oder besondere Gründe des Wettbewerbs eine Wertsicherung rechtfertigen und die Preisklausel nicht eine der Vertragsparteien unangemessen benachteiligt. § 2 Abs. 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz ermächtigt die Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung zur näheren Bestimmung der Voraussetzungen für die Genehmigung von Preisausnahmen vom Preisklauselverbot. Hiervon hat die Bundesregierung durch den Erlass der Preisklauselverordnung vom 23. September 1998 (BGBl 1998 I, 3043) Gebrauch gemacht. Danach liegt eine genehmigungsfreie Preisklausel vor, wenn eine Klausel gegeben ist, die hinsichtlich des Ausmaßes der Änderung des geschuldeten Betrages einen Ermessensspielraum lässt, der es ermöglicht, die neue Höhe der Geldschuld nach Billigkeitsgrundsätzen zu bestimmen (§ 1 Nr. 1 Preisklauselverordnung). Ziffer 3) der Protokollnotiz vom 09.06.2000 könnte nach Auffassung des Berufungsgerichts so interpretiert werden, dass das Ermessen im Sinne von § 1 Nr. 1 Preisklauselverordnung hier antizipiert durch die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Einmalzahlung durch einen bestimmten DM-Betrag ausgeübt worden ist. Dann wäre aus diesem Gesichtspunkt heraus Ziffer 3) der Protokollnotiz vom 09.06.2000 ebenfalls unbedenklich.

c) Im Übrigen könnte Ziffer 3) der Protokollnotiz vom 09.06.2000 auch dahingehend ausgelegt werden, dass die angesprochene Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes eine Bedingung für die Einmalzahlung von DM 120,-- darstellt und damit gar keine Preisgleitklausel im Sinne des § 2 Abs. 1 Preisangaben- und Preisklauselgesetz anzunehmen ist.

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob wegen der durch Artikel 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Tarifautonomie Ziffer 3) der Protokollnotiz vom 09.06.2000 ohnehin nicht an den Voraussetzungen von § 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz zu messen ist.

3. Die Beklagte war jedoch befugt, eine Verrechnung des restlichen Zahlungsbetrages in Höhe von DM 118,-- mit den übertariflichen Entgeltbestandteilen des Klägers in derselben unstreitigen Höhe vorzunehmen.

a) Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG stehen nicht entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Entgeltbestandteile dann, wenn es sich um eine generelle Maßnahme handelt und sich durch die Anrechnung die bisher bestehenden Verteilungsrelationen ändern (vgl. BAG Beschluss v. 21. September 1999 Az: 1 ABR 59/98 NZA 2000, 898 m.w.N.). Bei einer vollständigen Anrechnung der übertariflichen Lohnbestandteile auf eine Tariflohnerhöhung, soweit hierfür eine rechtliche Möglichkeit besteht, ist keine Regelungsmöglichkeit für eine anderweitige Verteilung der von dem Arbeitgeber für übertarifliche Leistungen zur Verfügung gestellten Entgeltsumme gegeben; in solchen Fällen ist kein Raum für ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (vgl. st. Rspr. des BAG seit GS Beschluss v. 03. Dezember 1991 GS 2/90 AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG Urteil v. 14.08.2001 Az: 1 AZR 744/00 AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Regelungsabrede; BAG Urteil v. 25.06.2002 Az: 3 AZR 167/01 AP Nr. 36 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte unstreitig die Verrechnung - wie bei dem Kläger - des in der Protokollnotiz festgelegten Betrages gegen übertarifliche Lohnbestandteile bei allen Mitarbeitern vorgenommen, soweit dies möglich war. Aus diesem Grunde ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben.

b) Die Beklagte konnte die Verrechnung des in der Protokollnotiz festgelegten Betrages mit den übertariflichen Entgeltbestandteilen des Klägers aufgrund der arbeitsvertraglich getroffenen Verrechnungsabrede vornehmen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab, ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf übertarifliche Entgeltbestandteile angerechnet werden kann. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Anderenfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Eine Anrechnung ist möglich, sofern dem Arbeitnehmer der übertarifliche Entgeltbestandteil nicht als selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Allgemeine Zulagen z. B., die nicht besondere Leistungen oder ähnliches abgelten sollen, werden regelmäßig deshalb gewährt, weil der Tariflohn den Parteien des Arbeitsvertrages als nicht ausreichend erscheint. Steigen anschließend die Tariflöhne, so ist mangels anderer Anhaltspunkte anzunehmen, dass eine entsprechende "Aufsaugung" der bisher übertariflichen Lohnanteile dem Willen der Parteien entspricht (vgl. BAG Urteil v. 07. Februar 1996 Az: 1 AZR 657/95 AP Nr. 85 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG Urteil v. 15. März 2000 Az: 5 AZR 557/98 AP Nr. 35 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Im vorliegenden Fall haben die Arbeitsvertragsparteien eine ausdrückliche Verrechnungsabrede getroffen. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag zwischen den Parteien ist vereinbart worden, dass in der Vergütung tarifliche Zuschläge, insbesondere für betriebsübliche Nachtarbeit, und etwaige tarifliche Zulagen enthalten seien. Der jeweilige übertarifliche Gesamtbezug konnte auf Veränderungen der Tarifansprüche angerechnet werden.

bb) Im Gegensatz zum Arbeitsgericht geht die Berufungskammer davon aus, dass die Auslegung der Verrechnungsabrede zwischen den Parteien nach den §§ 133, 157 BGB dazu führt, dass eine umfassende Verrechnungsabrede zwischen den Parteien getroffen worden ist, die die Verrechnung aller übertariflicher Entgeltbestandteile mit allen Veränderungen, also Erhöhungen der geldwerten tariflichen Leistungen ermöglichen sollte.

Die Verwendung des Wortes "Gesamtbezug" in Verbindung mit "übertariflich" kann nach dem allgemeinen Sprachverständnis nicht anders verstanden werden, als dass jegliche finanzielle Leistungen seitens der Beklagten, die übertariflich erfolgten, einer Anrechnungsmöglichkeit unterliegen sollten. Dabei sollte die Anrechnungsmöglichkeit sich auf alle "Veränderungen der Tarifansprüche" beziehen, also einen Vergleich des bezogenen Gesamtentgelts mit allen tariflichen Leistungen ermöglichen. Damit sind zumindest alle finanziellen Leistungen nach den tarifvertraglichen Regelungen angesprochen. Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus dem Wortsinn, sondern auch unter Ermittlung des wirklichen Willens der Erklärenden.

Da ausdrückliche Erklärungen der Parteien insoweit nicht vorgetragen sind und auch nicht ersichtlich sind, ist auf den Sinn und Zweck des Anrechnungsvorbehalts abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anrechnungsfähigkeit übertariflicher Lohnanteile auf Tariflöhne ist bereits mangels anderer Anhaltspunkte anzunehmen, dass eine entsprechende "Aufsaugung" der bisher übertariflichen Lohnanteile dem Willen der Parteien entspricht, wenn der übertarifliche Lohnanteil nicht dem Arbeitnehmer als selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist (vgl. BAG Urteil v. 15. März 2000 Az: 5 AZR 557/98 AP Nr. 35 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung m.w.N.). Deshalb ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass Sinn und Zweck der Anrechnungsregelung war, dass die Beklagte sich vorbehalten wollte, alle übertariflichen Entgeltbestandteile unter den Vorbehalt zu stellen, dass diese bei einer Steigerung der Tarifansprüche "aufgesaugt" werden könnten. Die Vereinbarung, dass "der jeweilige übertarifliche Gesamtbezug" auf Veränderungen der Tarifansprüche angerechnet werden kann, ist nach Auffassung des Berufungsgerichts so auszulegen, dass damit die Veränderungen der übertariflichen Entgeltbestandteile in Relation zu den sich in dem Anrechnungszeitpunkt ergebenden geänderten Tarifansprüchen gemeint sind. Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung das Wort "jeweilig" an sich ebenso verstanden; es hat lediglich die Verrechnung abgelehnt, weil es gemeint hat, dass als Gesamtbezug nur der monatliche Vergütungsbetrag ausgelegt werden könne und deshalb eine Einmalzahlung, die nach Auffassung des Arbeitsgerichts eine Gratifikationszahlung darstellen soll, nicht mit der Verrechnungsmöglichkeit gemeint sein könne. Dieser Auffassung folgt das Berufungsgericht nicht. Zum einen handelt es sich - wie nachstehend noch auszuführen ist - bei dem in der Protokollnotiz festgelegten Betrag letztlich um eine Tariflohnerhöhung; zum anderen geht die hier vereinbarte Anrechnungsregelung weiter und soll gerade einen Gesamtvergleich zwischen den vertraglichen - teilweise übertariflichen - Leistungen und den Tarifansprüchen ermöglichen. Der Auffassung des Arbeitsgerichts kann nur insoweit zugestimmt werden, dass die Anrechnungsklausel einen Vergleich aller Vergütungsbestandteile für den Monat regeln sollte, weil die Worte "der jeweilige übertarifliche Gesamtbezug" anknüpfen an die vorherige Regelung des monatlich zu zahlenden Entgelts.

cc) In dem schriftlichen Arbeitsvertrag zwischen den Parteien war dem Kläger kein gesonderter übertariflicher Entgeltbestandteil zugesagt, sondern er erhielt einen Gesamtbezug, der übertarifliche Entgeltbestandteile enthalten konnte. Es ist nicht erforderlich, dass der übertarifliche Teil des Entgelts gesondert ausgeworfen wird (vgl. BAG Urteil v. 15.03.2000 Az: 5 AZR 557/98 AP Nr. 35 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Deshalb ist hier unerheblich, dass sich der Gesamtbezug des Klägers für den jeweiligen Monat verändert hat und damit auch das Ausmaß des übertariflichen Entgeltbestandteils nicht klar festgelegt war, sondern lediglich bestimmbar war. Zwischen den Parteien ist das Ausmaß des übertariflichen Entgeltbestandteils auch unstreitig.

dd) Bei dem in der Protokollnotiz festgelegten Betrag handelt es sich nach Meinung des Berufungsgerichts um eine Einmalzahlung in Form eines Pauschbetrages für eine Tariflohnerhöhung.

Dies ergibt die Auslegung der Protokollnotiz vom 09.06.2000. Die Auslegung des normativen Teils von Tarifverträgen folgt den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Danach ist vom Wortlaut auszugehen. Insbesondere bei umbestimmten Wortsinn ist darüber hinaus der wirkliche Wille der Tarifparteien zu berücksichtigen, soweit er in den getroffenen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei auch auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der normsetzenden Parteien liefern und so der Sinn und Zweck der Regelung zutreffend ermittelt werden kann (vgl. BAG Urteil v. 23. Januar 2001 Az: 1 AZR 278/00; BAG Urteil v. 16. April 2002 Az: 1 AZR 363/01 AP Nr. 38 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung m.w.N.). Eine Einmalzahlung kann als pauschalierte Lohnerhöhung angesehen werden. So hat das Bundesarbeitsgericht in einer Einmalzahlung eine pauschalierte Lohnerhöhung gesehen, wenn zwar keine bestimmte Arbeitsleistung gefordert wurde, aber eine zeitanteilige Kürzungsmöglichkeit bestand, soweit kein Anspruch auf volle Entgeltzahlung, Entgeltfortzahlung oder Zahlung von Kurzarbeitergeld gegeben war oder der Arbeitnehmer später eintrat oder ausschied (vgl. BAG Urteil v. 16.04.2002 Az: 1 AZR 363/01 AP Nr. 38 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). In einer weiteren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht die Grundsätze zu einer Anrechenbarkeit von Tarifgehaltserhöhungen auf übertarifliche Entgelte angewandt, wenn eine Erhöhung durch als Einmalzahlungen bezeichnete, für alle Arbeitnehmer gleich hohe monatliche Pauschalbeträge erfolgte; dabei hat das Bundesarbeitsgericht die Funktion der Pauschalzahlung als Tarifgehaltserhöhung als dadurch unterstrichen angesehen, dass sie Teilzeitkräften nur anteilig zugute kommen sollte (vgl. BAG Urteil v. 25.06.2002 Az: 3 AZR 167/01 AP Nr. 36 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung).

Ein derartiges Indiz ist im vorliegenden Fall auch bei der in der Protokollnotiz vom 09.06.2000 getroffenen Regelung gegeben; Teilzeitbeschäftigte erhalten danach die Einmalzahlung arbeitszeitanteilig. Darüber hinaus soll die Zahlung auch nicht im Falle des Ausscheidens des Arbeitnehmers erfolgen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts folgt aber der Charakter des Pauschbetrages als Tariflohnerhöhung bereits daraus, dass auf eine Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes abgestellt wird und Tariflohnerhöhungen regelmäßig gerade aufgrund eines solchen Gesichtspunkts erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Verrechnung einer Tariferhöhung immer mit übertariflichen Entgeltbestandteilen erfolgen (vgl. BAG Urteil v. 15.03.2000 Az: 5 AZR 557/98 AP Nr. 35 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; BAG Urteil v. 14.08.2001 Az: 1 AZR 744/00 AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972 Regelungsabrede; BAG Urteil v. 16.04.2002 Az: 1 AZR 363/01 AP Nr. 38 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; BAG Urteil v. 25.06.2002 Az: 3 AZR 167/01 AP Nr. 36 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn in der Anrechnungsregelung von einer Anrechnungsfähigkeit bei einer "Tariferhöhung" gesprochen wird und die geänderte tarifliche Leistung z. B. in einer Arbeitszeitverkürzung besteht (vgl. BAG Urteil v. 15.03.2000 Az: 5 AZR 557/98 AP Nr. 35 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). In dem Fall soll die Gleichartigkeit der Leistungen fehlen.

Im vorliegenden Fall erhält der Kläger einen - teilweise übertariflichen - Gesamtbezug und die zwischen den Parteien getroffene Verrechnungsabrede ist - wie ausgeführt - umfassend, so dass die Einmalzahlung in Form eines Pauschbetrages für eine Tariflohnerhöhung mit den übertariflichen Entgeltbestandteilen des Klägers verrechnet werden konnte.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Verhandlungsführer der Tarifvertragsparteien seinerzeit darüber einig gewesen sind, dass übertarifliche Entgeltbestandteile auf die Einmalzahlung nicht anrechenbar sein sollten, weil ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien in der Protokollnotiz keinen Niederschlag gefunden hat.

ee) Selbst wenn man wie das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung den Zahlungsbetrag nach der Protokollnotiz vom 09.06.2000 als Gratifikationszahlung begreifen könnte, da ohne Anknüpfung an einen bestimmten Zeitraum des Bestehens des Arbeitsverhältnisses auf ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis als Anspruchsvoraussetzung abgestellt wird, wäre nach Auffassung des Berufungsgerichts eine Verrechnung mit den übertariflichen Entgeltbestandteilen des Klägers möglich. Im Gegensatz zu den meisten den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Frage der Anrechnung zugrunde liegenden Fällen ist vorliegend nicht nur eine Verrechnungsmöglichkeit bei "Tariferhöhungen" vereinbart worden, sondern nach der getroffenen Verrechnungsvereinbarung sollten alle Veränderungen der Tarifansprüche zu einer Anrechnungsmöglichkeit führen. Maßgeblich ist der Wortlaut der zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Anrechnungsvereinbarung, wobei eine weitergehende Vereinbarung möglich ist und eine Gleichartigkeit zwischen den zu verrechnenden übertariflichen Lohnbestandteilen und einer Tarifentgelterhöhung dann nicht mehr erforderlich ist (vgl. BAG Urteil v. 15.03.2000 Az: 5 AZR 557/98 AP Nr. 35 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Deshalb könnte nach dem Wortlaut der zwischen den Parteien getroffenen Verrechnungsvereinbarung auch eine Gratifikationszahlung aufgrund tarifvertraglicher Ansprüche mit dem im Bezugsmonat gegebenen übertariflichen Gesamtbezug des Klägers erfolgen. Dem steht das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3, 4 TVG nicht entgegen, weil es vorliegend nur um die Verrechnung der tariflichen Einmalzahlung mit übertariflichen Entgeltbestandteilen des Klägers geht und nicht ersichtlich ist, dass andere finanzielle Leistungen abgebaut worden sind.

4. Wenn ein Verstoß von Ziffer 3) der Protokollnotiz vom 09.06.2000 gegen das Preisangaben- und Preisklauselgesetz anzunehmen wäre, so würde sich kein weitergehender Zahlungsanspruch des Klägers mit Rücksicht darauf ergeben, dass die Beklagte dann nach ihrem eigenen Vorbringen die Zahlung als freiwillige Leistung erbracht hat.

Die Beklagte ist nur bereit, die freiwillige Leistung so zu erbringen, dass eine Verrechnung mit übertariflichen Entgeltbestandteilen erfolgt. Sie kann daher nicht zu einer weitergehenden Leistung gezwungen werden. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht tangiert, da die Beklagte bei allen Arbeitnehmern unstreitig die Verrechnung - soweit als möglich - vorgenommen hat.

Nach allem war auf die Berufung hin das Urteil abzuändern wie geschehen und die Klage abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Gegen dieses Urteil war die Revision zuzulassen, weil ein Grund hierfür im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegt. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

Ende der Entscheidung

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